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Insgesamt scheint mir die Evidenz nicht hinreichend für die Annahme, dass die unterschiedlichen Schreibungen zur
Differenzierung unterschiedlicher Funktionen dienen. Immerhin sollte man festhalten, dass für das direkte Objekt in
der synthetischen Konjugation, wo vom gewöhnlichen Ägyptischen her ein abhängiges Pronomen (sn / -,v[t]) zu erwar-
ten wäre, phonographische Schreibungen nicht sicher nachweisbar sind. Es bestünde also die theoretische Möglich-
keit, dass die napatanischen Schreibungen in diesem Fall -st oder ähnlich gelesen wurden.
In A finden wir jZ^ in A 7 (Suffix am sdm-f) und ! in A 7, 9 (beide Male in p>-w “ihr”). Darüber hinaus stehen die
reinen Pluralstriche in der Verbindung di-(j)-nk-0 0 D in A 3, 9. In Analogie zum Gebrauch in N möchte ich auch hier
vermuten, dass die Striche nicht bedeutungslos, sondern als pronominale Agreementmarker für das direkte Objekt
aufzufassen sind.
... _ , 1
Die rein semographische Schreibung des für das Jüngere Agyptisch charakteristischen Suffixpronomens -w als J oder
0 0 0 ist im Neuägyptischen belegt (Erman 1933: §81), jedoch selten. Normalerweise wird das Suffixpronomen von
den ‘Pluralstrichen’ am Nomen graphisch unterschieden. Ich gehe nun aber mit Vycichl (1953: 387 und 1994: 249E)
davon aus, dass das Suffix -w etymologisch mit der nominalen Pluralendung .w identisch ist (contra Edel 1959), wofür
ich auch noch ein zusätzliches Argument aus der Lautgeschichte angeführt habe (Peust 1999a: Anm. 158 zu § 3.i3.2).
Vycichl erklärt die Ausweitung eines nominalen Pluralsuffixes zu einem Pronominalelement interessanterweise als
ein afrikanisches Arealphänomen.
Somit muss die graphische Differenzierung beider Morpheme, wie wir sie im Neuägyptischen finden, eine künstliche
Neuerung sein. Die Graphien in N und A, wo sich das Pronominalsuffix und die Pluralstriche vielfach gleichen,
spiegeln den etymologischen Zusammenhang beider besser wider. Dieselben Verhältnisse wie im Napatanischen lie-
gen auch im Demotischen vor: Hier werden sowohl das Pronominalsuffix als auch die nominale Pluralendung zumeist
als senkrechter Strich geschrieben, der oben ein Anhängsel oder eine Biegung nach rechts aufweisen kann (vgl. el-
Aguizy 1998: Nr. CCV). Dieser Strich wird von Johnson (1986: 3) sicherlich zu Recht in beiden Verwendungen auf die
‘Pluralstriche’ (j) zurückgeführt.
25 Numeralia
Numeralia stellen eine semantisch besonders homogene Gruppe dar. In syntaktischer Hinsicht gibt es jedoch eine
Differenzierung zwischen den Zahlwörtern 1 und 2, die sich wie Adjektive verhalten, und den höheren Zahlen, die
sich wie Substantive verhalten. In allen Sprachstufen des Ägyptischen haben die Numeralia spezielle Femininformen,
die in den vorkoptischen Schriften durch ein nachgestelltes <t> bezeichnet werden können. Schreibungen mit <t>
sind im Napatanischen gelegentlich belegt, haben hier aber erwartungsgemäß keinen Genusbezug, da die Kategorie
des grammatischen Geschlechts aufgegeben worden ist:
• mhn n hd “ein Milchkrug aus Silber” (H 4if.) (derselbe Ausdruck in H 45 mit einfachem D)
Im Agyptischen stehen sowohl das gezählte Substantiv als auch begleitende Attribute, insbesondere109 vorangestellte
Attribute wie der bestimmte Artikel, grundsätzlich in der Form des Singulars (Gardiner 1957: § 261; Cerny & Groll
1993: §6.2; Till 1960: § 162). Im Napatanischen ist die Frage des Numerus von Substantiven in Verbindung mit Zahl-
wörtern ungeklärt (CS’ § 22.3). Wenn ein Artikel erscheint, so finden wir meist pi, einmal aber n>:
• p> cd 2 “die beiden Ufer (des Nils)” (N 17)
• pi-fhr 2 “seine (des Tempels) beiden Fassaden” (H 29)
• p> 3 jh “die drei Rinder” (A 7)
• p> 4 qch n p> t> “die vier Ränder der Welt” (H i3; ähnlich N 17)
• p> k>m 4 “die vier Gärten” (N 34L)
• pi hi rnp.t “die 1000 Jahre” (H 57)
• ni 4 his.wt Mh “die vier Länder von Mh” (H 115)
Im Ägyptischen folgen die Zahlwörter 1 und 2 ihrem Bezugswort wie ein Adjektiv, während die Zahlwörter ab 3 nach
Ausweis des Koptischen vorangehen und das gezählte Substantiv ihnen wie ein Genitiv folgt. Im Napatanischen gilt
dieselbe Regel:
• qch 1 “eine Seite” (H i32)
• jwi 2 “zwei Rinder” (N 20)
• dr 2 nfr “zwei vorzügliche rfr-Gefäße” (A 5)
109 Nachgestellte Adjektive scheinen zumindest im Neuägyptischen in Verbindung mit Zahlen ab 2 die Form des
Plurals anzunehmen (Cerny & Groll 1993: § 6.2).
Insgesamt scheint mir die Evidenz nicht hinreichend für die Annahme, dass die unterschiedlichen Schreibungen zur
Differenzierung unterschiedlicher Funktionen dienen. Immerhin sollte man festhalten, dass für das direkte Objekt in
der synthetischen Konjugation, wo vom gewöhnlichen Ägyptischen her ein abhängiges Pronomen (sn / -,v[t]) zu erwar-
ten wäre, phonographische Schreibungen nicht sicher nachweisbar sind. Es bestünde also die theoretische Möglich-
keit, dass die napatanischen Schreibungen in diesem Fall -st oder ähnlich gelesen wurden.
In A finden wir jZ^ in A 7 (Suffix am sdm-f) und ! in A 7, 9 (beide Male in p>-w “ihr”). Darüber hinaus stehen die
reinen Pluralstriche in der Verbindung di-(j)-nk-0 0 D in A 3, 9. In Analogie zum Gebrauch in N möchte ich auch hier
vermuten, dass die Striche nicht bedeutungslos, sondern als pronominale Agreementmarker für das direkte Objekt
aufzufassen sind.
... _ , 1
Die rein semographische Schreibung des für das Jüngere Agyptisch charakteristischen Suffixpronomens -w als J oder
0 0 0 ist im Neuägyptischen belegt (Erman 1933: §81), jedoch selten. Normalerweise wird das Suffixpronomen von
den ‘Pluralstrichen’ am Nomen graphisch unterschieden. Ich gehe nun aber mit Vycichl (1953: 387 und 1994: 249E)
davon aus, dass das Suffix -w etymologisch mit der nominalen Pluralendung .w identisch ist (contra Edel 1959), wofür
ich auch noch ein zusätzliches Argument aus der Lautgeschichte angeführt habe (Peust 1999a: Anm. 158 zu § 3.i3.2).
Vycichl erklärt die Ausweitung eines nominalen Pluralsuffixes zu einem Pronominalelement interessanterweise als
ein afrikanisches Arealphänomen.
Somit muss die graphische Differenzierung beider Morpheme, wie wir sie im Neuägyptischen finden, eine künstliche
Neuerung sein. Die Graphien in N und A, wo sich das Pronominalsuffix und die Pluralstriche vielfach gleichen,
spiegeln den etymologischen Zusammenhang beider besser wider. Dieselben Verhältnisse wie im Napatanischen lie-
gen auch im Demotischen vor: Hier werden sowohl das Pronominalsuffix als auch die nominale Pluralendung zumeist
als senkrechter Strich geschrieben, der oben ein Anhängsel oder eine Biegung nach rechts aufweisen kann (vgl. el-
Aguizy 1998: Nr. CCV). Dieser Strich wird von Johnson (1986: 3) sicherlich zu Recht in beiden Verwendungen auf die
‘Pluralstriche’ (j) zurückgeführt.
25 Numeralia
Numeralia stellen eine semantisch besonders homogene Gruppe dar. In syntaktischer Hinsicht gibt es jedoch eine
Differenzierung zwischen den Zahlwörtern 1 und 2, die sich wie Adjektive verhalten, und den höheren Zahlen, die
sich wie Substantive verhalten. In allen Sprachstufen des Ägyptischen haben die Numeralia spezielle Femininformen,
die in den vorkoptischen Schriften durch ein nachgestelltes <t> bezeichnet werden können. Schreibungen mit <t>
sind im Napatanischen gelegentlich belegt, haben hier aber erwartungsgemäß keinen Genusbezug, da die Kategorie
des grammatischen Geschlechts aufgegeben worden ist:
• mhn n hd “ein Milchkrug aus Silber” (H 4if.) (derselbe Ausdruck in H 45 mit einfachem D)
Im Agyptischen stehen sowohl das gezählte Substantiv als auch begleitende Attribute, insbesondere109 vorangestellte
Attribute wie der bestimmte Artikel, grundsätzlich in der Form des Singulars (Gardiner 1957: § 261; Cerny & Groll
1993: §6.2; Till 1960: § 162). Im Napatanischen ist die Frage des Numerus von Substantiven in Verbindung mit Zahl-
wörtern ungeklärt (CS’ § 22.3). Wenn ein Artikel erscheint, so finden wir meist pi, einmal aber n>:
• p> cd 2 “die beiden Ufer (des Nils)” (N 17)
• pi-fhr 2 “seine (des Tempels) beiden Fassaden” (H 29)
• p> 3 jh “die drei Rinder” (A 7)
• p> 4 qch n p> t> “die vier Ränder der Welt” (H i3; ähnlich N 17)
• p> k>m 4 “die vier Gärten” (N 34L)
• pi hi rnp.t “die 1000 Jahre” (H 57)
• ni 4 his.wt Mh “die vier Länder von Mh” (H 115)
Im Ägyptischen folgen die Zahlwörter 1 und 2 ihrem Bezugswort wie ein Adjektiv, während die Zahlwörter ab 3 nach
Ausweis des Koptischen vorangehen und das gezählte Substantiv ihnen wie ein Genitiv folgt. Im Napatanischen gilt
dieselbe Regel:
• qch 1 “eine Seite” (H i32)
• jwi 2 “zwei Rinder” (N 20)
• dr 2 nfr “zwei vorzügliche rfr-Gefäße” (A 5)
109 Nachgestellte Adjektive scheinen zumindest im Neuägyptischen in Verbindung mit Zahlen ab 2 die Form des
Plurals anzunehmen (Cerny & Groll 1993: § 6.2).