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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0322

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-317 -

3o Syntax des Verbal- und Adverbialsatzes
3o.i Verb und Verbalsatz im Ägyptischen und im Napatanischen
Wortarten sind keine in allen Sprachen gleichermaßen unterscheidbaren Kategorien. In einer einzelsprachlichen
Analyse sind Wortartunterscheidungen nur insoweit sinnvoll, als sie sich in morphologischen oder syntaktischen
Regularitäten der betreffenden Sprache niederschlagen. Hier kann aber jede Sprache unterschiedlich verfahren. Eine
Unterscheidung, die in einer Sprache eine wesentliche Rolle spielt, kann in der nächsten bedeutungslos sein, und es
sind diachrone Übergänge aller Art möglich.
Was nun das Verbum angeht, so ist es zweifellos sinnvoll, diese Wortart im Ägyptischen anzusetzen. Man kann solche
Lexeme als Verben betrachten, die ein wohldefiniertes Paradigma morphologischer Formen bilden (sdm-f.’ Infinitiv,
Stativ, Partizip, Imperativ, etc.). Dabei sind natürlich die semantischen Grenzen zwischen dem Verb und anderen
Wortarten nicht scharf. So bestehen Beziehungen des Verbs zum Adjektiv und zum Adverb, und im Deutschen wie
wohl in allen Sprachen können wir oft synonyme Aussagen unter Verwendung unterschiedlicher Wortarten bilden
(“wachsen” = “groß werden”; “sich entfernt haben” ~ “weg sein”; “dauern” = “lange sein” = “von Dauer sein”).
Diese Beziehungen des Verbs zu anderen Wortarten haben dazu geführt, dass im Ägyptischen das Verb, das wohl-
gemerkt als lexikalische Kategorie vorhanden ist, auf der syntaktischen Oberfläche häufig Bil-
dungsmuster mit Vertretern anderer Wortarten teilt. Im Mittelägyptischen werden nach der bekannten “Standardtheo-
rie” so gut wie alle Verben in syntaktischen Positionen eingesetzt, in denen ebensogut entweder Substantive, Adjek-
tive oder Adverbien auftreten können, so dass kaum eine syntaktische Position übrig bleibt, die für Verben allein
reserviert wäre. Da teilweise auch entsprechende morphologische Markierungen vorhanden sind, spricht man hier
von einer substantivischen, adjektivischen bzw. adverbiellen Transposition des Verbs. Im Jüngeren Agyp-
tisch bilden sich dann zwar Satzbaupläne heraus, die Positionen enthalten, in welche nur Verben eintreten (z.B. die
Suffixkonjugation). Trotzdem werden konkrete Verben immer noch in sehr vielen Fällen syntaktisch entweder mit
Substantiven, Adjektiven oder Adverbien äquivalent gebraucht.
Die Nähe von Verben zu den genannten Wortarten ist, wie gesagt, verständlich. Andererseits kann man einsehen,
dass diese Nähe für transitive Verben weniger evident ist als für intransitive Verben. Transitive Verben verlangen
aufgrund ihrer semantischen Struktur ein nominales Objektskomplement, was nicht dem prototypischen Verhalten von
Adjektiven oder Adverbien entspricht. Demgegenüber sind intransitive Verben weit eher prädestiniert dazu, syntak-
tisch mit Adverbien oder Adjektiven gleich behandelt zu werden.
Diese Erwägungen spielen keine Rolle für das Ägyptische, das einen Unterschied zwischen transitiven und intransi-
tiven Verben zwar kennt, jedoch auf ihn keine wesentlich differierenden Satzbaupläne begründet. Im Napatanischen
jedoch ist der Unterschied syntaktisch in der Tat relevant. Transitive Verben werden als Prädikat nur in spezifischen
Satztypen verwendet, die in der Prädikatsstelle nichts anderes als eben Verben zulassen. Allein die intransitiven Ver-
ben können außer in diesen verbalen Satztypen auch etwa im “Adverbialsatz”, d.h. in einem gemeinsamen Paradigma
mit Adverbialien gebraucht werden.

3o.2 Verbalsatz und Adverbialsatz im Jüngeren Ägyptisch
Betrachten wir kurz die unterschiedlichen Typen von Verbalsätzen im Jüngeren Ägyptisch. Das Jüngere Ägyptisch
kennt eine Unterscheidung zwischen den altererbten synthetischen Verbalformen, bei denen das Subjekt dem Verb
folgt (sdm-f und Verwandtes), und den im Älteren Ägyptisch schon angelegten, dort aber noch selteneren analytischen
Konjugationen, bei denen das Subjekt dem Verb vorangeht. Innerhalb der analytischen Konjugationen muss man wie-
derum unterscheiden zwischen solchen, in denen das verbale Prädikat ursprünglich in der adverbialen Transposition
vorliegt (Präposition + Infinitiv; Stativ) und solehen, in denen es in der substantivischen Transposition vorliegt (bloßer
Infinitiv). Obgleich sich im späteren Neuägyptisch der Unterschied zwischen der adverbialen und der nominalen
Transposition zu verwischen scheint, da die Präposition vor dem Infinitiv graphemsprachlich und zumindest im Kopti-
schen auch phonemsprachlich ausfällt, bleibt die strukturelle Unterscheidung doch bestehen und wird sogar zum Kop-
tischen hin mit seiner klaren Differenzierung zwischen Ereigniszeiten und Dauerzeiten noch ausgebaut. Während die
übliche Terminologie und auch die relative Häufigkeit und Bedeutung der drei grundlegenden Verbalsatztypen sich
innerhalb der einzelnen Stufen des Jüngeren Ägyptisch verändert, bleibt die Struktur also gleich, wie folgender Über-
 
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