Nr. 42.
* Heidelberg, 4. Dez. Ter ehrliche Demokrat
und Vaterlandsfreund Jakob Venedey veröffent-
licht im heutigen Straßenanzeiger folgende, die
hiesige Abgeordnetemvahl betreffende Erklärung:
„An die Herren Unterzeichner der mir
unter dem 21. November 1865 zugegan-
genen Adresse.
Für die Zuschrift, in welcher Sie „Ihr Be-
dauern» nd Ihren Unwillen üb er die Art,
wie in der Wahlversammlung vom 18. d.M.
gegen mich verfahren wurde", aussprechen,
hiermit meinen Dank. Ich füge die Versicherung
hinzu, daß das Unwürdige und Unanständige, das
vollkommen alles Herkommen bei verfas-
sungsmäßigen Wahlen verläugnende Be-
nehmen dieser Versammlung nicht auf mich, sondern
auf die, von denen es ausgegangen ist, und von
denen es geduldet wurde, zurückfallen muß. Ich
begreife daher sehr wohl, daß es Sie drängt, den
Staub dieser Geschichte von den Füßen abzuschütteln.
Soll aber Ihre Erklärung mehr als eine leere Re-
densart, depen es jedenfalls für mich nicht bedurfte,
bleiben, so schütteln Sie auch den'Mnfluß der Men-
schen ab, die eine Wahlversammlung der sonst so
hochstehenden Stadt Heidelberg zu einem derartigen
Scandal verleiten konnten. Ich meinerseits, gewohnt
an Parteigetreibe, an Partei-Verdrehungen, -Ver-
länmdungeu, -Verketzerungen, nnd ganz besonders
an die freche und zugleich feige Parteitactik des
Gothaerthums, freue mich, die Veranlassung gewor-
den zu fein, daß diese Letztere in dem vorliegenden
Falle offen genug hervorgetreten ist, Sie Ihrerseits
zu Ihrer Zuschrift an mich zu veranlassen.
Genehmigen Sie die Hochachtung, mit der ich die
Ehre habe zu sein Jakob Benedei).
Oberweiler, den 2. Deccmber 1865."
Auch wir haben lebhaft das Unwürdige gefühlt,
das nian sich hier in dem Benehmen gegen Venedey
hat zu Schulden kommen lassen und haben unserer
Indignation gegen das mit der Nathhauspartei ver-
bündete Gothaerthum wiederholt Ausdruck gegeben.
Wir hoffen, daß sich hier eine ächt demokratische
Partei bilden wird, die mit demselben Muthe und
gleicher rücksichtslosen Offenheit wie wir das er-
bärmliche Gothaerthum und die lächerliche Zopfpartei
der Vettern und Basen eines eingefleischten Philister-
thums zu bekämpfen gesonnen ist. Es freut uns
1865.
übrigens, daß die Demokraten, deren Wege längst
den unfern parallel laufen sollten, auch Gelegenheit
gefunden haben, an sich die Tücke und Gemeinheit
einer Partei erwiesen zu sehen, welche sich selbst an
den Pranger gestellt und ein unauslöschliches Mal
der Schmach und der Schande auf die Stirne ge-
drückt hat mit jenem Satz, der ihr ganzes Programm
enthält: „Wer nicht mit uns handelt und denkt ist
ein rechtloser Mensch!" Wir danken Herrn Venedey
für seine würdige und muthvolle Erklärung und
brauchen wohl kaum beizufügen, daß wir aus voller
Seele das unterschreiben, was er über die „freche
und zugleich feige Parteitaktik des Gothaerthums"
gesagt hat. .
1 Heidelberg, 4. Dez. Der kreisende Berg hat
eine Maus geboren! Altkatholische Bewegung du
bist wirklich zu alt für unsere Zeit, um noch leben
zu können! Jesuito-ultramontane Neukatholiken, Euch
gehört die Gegenwart! So »lag wohl gestern am
weltberühmten Entscheidungstage der echte Altkatholik
Beck im Hinteren Gartensaale der ehrwürdigen Har-
monie in Heidelberg ausgerufen haben, als er die
große Versammlung echter Altkatholiken übersah,
welche seine seit Wochen in der Landeszeitung er-
scheinenden, trotzdem und alledem aber von allen
möglichen Orten des Ober- und Unterlandes datir-
ten Artikel über die Bewegung in der katholischen
Kirche herbeigelockt hatten. Lieber Altkatholik, mich
dauern Deine Finger, daß sie so unnützer Weise die
Feder spazieren gehen ließen, denn wirklich — keine
Maus war erschienen. Fünf Herren, wie es scheint,
der Sitz der altkatholischen Bewegung, waren vor-
handen, hatten eine Versammlung in die Harmonie
ausgeschrieben, ohne nur den Vorstand dieser Ge-
sellschaft hierzu um Erlaubniß zu fragen. Drei dieser
Herren werden wohl so muthig sein, uns ihre Namen
noch mitzutheilen, wir konnten sie noch nicht in
Erfahrung bringen, die übrigen 2 waren zwei be-
kannte Becke, nämlich der abgefallene Expriester und
dagegen galante Ehemann Jos. Beck und der be-
kannte Amtsrichter Beck, zur Zeit in Neckargemünd,
weiland in Walldürn, wo er eine Schrift verfaßt
hat betitelt „Ist die katholische Religion in Gefahr?"
Diese Schrift theilte Hr. Beck, Amtsrichter, auch
wirklich an einige Landleute aus, die erschienen
waren, um einer altkatholischen Versammlung im
Vereine ihrer Kirche anzuwohnen. Dieselben erhielten
Heidelberg, Donnerstag, den 7. Dezember