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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 103-115 (1. September - 29. September)
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464

wie eine Heerde willenloser Schafe, denen das Recht nicht zu-
steht, über ihre künftige Bestimmung ein Wort mit drein zu
reden. Frankreich dagegen erkennt überall — und sei es auch
in der Praxis mit noch so vielen Hintergedanken — das Recht
der Selbstbestimmung der Völker im Princip an. Oester-
reich hat Venetien an Frankreich abgetreten, aber ehe es in die
Hände Italiens übergeht, wird das Volk in die Wahlversamm-
lungen berufen und hat zu entscheiden über sein künftiges
Schicksal. Wollte Venedig wieder wie ehemals eine Republik
werden — wer könnte es hindern? Selbst Victor Emanuel
würde sich wohl hüten, in diesem Falle das Volk Venedigs zu
vergewaltigen, unv Frankreich würde dies auch nimmermehr zu-
gestehen. In Nordschleswig soll, wie es heißt, eine Volksab-
stimmung darüber vorgenommen werden, ob die Bewohner wie-
der dänisch werden oder ob sie preußisch sein wollen. Nun gut,
sind dann aber die Hannoveraner, die Hessen, die Nassauer, die
Frankfurter weniger werth, als die Venetianer und Dänen?
Oder müssen sich denn immer nur die Deutschen als willenlose
Massen behandeln, wie Thiere auf dem Viehmarkte verschachern
lassen, während man die zärtlichste Rücksicht für die Ausländer
— für jene Wälschen und dänisch-deutschen — Bastarde hat?
Dieser Widerspruch ist Zu grell, als daß er nicht in ganz
Europa gefühlt werden sollte, und daher auch nicht am wenig-
sten in Frankreich, wo allerdings noch andere Gründe
— Eigennutz und Nationaleitelkeit — mit ins Spiel treten.
Aber das ist Thatsache, und wurde uns erst neuerdings wieder
von Männern, die kürzlich Frankreich bereisten, berichtet: im
Volke herrscht ein kriegerischer, aufgeregter Geist, noch mehr
freilich in der Armee, und diesen beiden Factoren kann Napoleon
auf die Dauer sich nicht widersetzen: er ist durch sie auf den
Thron gekommen -— einen andern Titel hat er nicht — er
muß ihnen also auch Rechenschaft tragen. Ja, er muß dies
um so mehr thun, als eben jetzt seine mexikanische Theater-
schöpfung zusammenbricht, und Frankreich vielleicht einem legi-
timen König nationale Unfälle verzeihen könnte, aber nimmer-
mehr einem Napoleon, der mit dem äußeren Glanze des Rei-
ches und seiner überwiegenden Vorherrschaft über die andern
Nationen stehen und fallen muß. Wie Ludwig Philipp fiel,
weil er die Dinge in Europa gehen ließ, wie Andere sie lenk-
ten, so müßte Napoleon noch rascher zu Grunde gehen, sobald
es unzweifelhaft wäre, daß der Mann von „Blut und Eisen"
an der Spree die Schachpartie auch gegen ihn gewonnen hätte.
Darum wiederholen wir mit größter Bestimmtheit unsere
frühere Behauptung: Der Friede ist geschlossen und der
Krieg steht vor der Thüre.

Baden.
<Z Heidelberg, 23. Sept. Die Landesbase ärgert sich ge-
waltig darüber, daß der Pfälzer Bote von reactionären Strö-
mungen in unfern obern Regionen gesprochen hat, und glaubt
sofort für die Träger des gegenwärtigen Regimes, die Herren
Mathp und Jollp, von denen der Bote gar nicht gesprochen,
in die Schranken treten zu müssen. Sie meint, um das Ge-
gentheil zu beweisen, fei die Kenntniß der Vergangenheit der
Herren Mathy und Jollp hinreichend genug. Nun, Herrn
Jollp's politische Vergangenheit, bevor er in den practischen
Staatsdienst gerufen wurde, ist uns nicht bekannt geworden,
da, so viel wir wissen, derselbe vordem keine politische Thätigkeit
ich rutschte mit meinen eisenbeschlagenen Bergschuhen aus und märe hinge- !
fallen, wenn ich mich nicht an einen Fichtenast gehalten hätte; mein schwerer
Steierhut preßte mir die Schweißtropfen aus der Stirn, die Strumpfbän-
der waren zu fest gebunden, der „Stutzen" drückte, die Jagdtasche wurde
bei jedem Schritt schwerer, der Athem ging mir aus, — aber Sepp stürmte
vorwärts, als gälte es den Himmel zu ersteigen, und was mich am meisten
empörte, er rauchte aus seiner kurzen Pfeife den abscheulichsten Kneller und
schien sich absichtlich um seinen Gefährten nicht im entferntesten zu beküm-
mern. Eine gute halbe Stunde mochte dieß so fortgegangen sein, ohne
daß ich den Muth gehabt hätte, gegen den Geschwindschritt Einsprache zu
thun. Ein paarmal hatte ich Halt rufen wollen, irgend ein böser Dämon
flüsterte mir aber zu, Sepp will dir die Jagd verleiden, indem er dich in
der ersten halben Stunde müde läuft, nimm dich zusammen und lasse dich
nicht beschämen. Solange ich noch bei Kräften war, fand der Dämon
williges Gehör; als ich aber fühlte, daß ich nicht im Stande sei, in die-
ser Weise fortzugehen, ries ich mit der äußersten Anstrengung meiner total
erschöpften Lunge:
„Sepp! Sepp!"
„Schaffen's, Ew. Gnaden?"
„Halt! Ausruhen!"
„Aber i bitt Ew. Gnaden! Sein's jetzt schon miad?"
Ich setzte mich in den Schnee, warf Hut, Jagdtasche und Gewehr von
mir und starrte Sepp an; das Blut war mir so in die Augen gestiegen,
daß ich kaum sehen konnte. „Ausruhen!" wiederholte ich, indem ich die
Backen aufblies.
Sepp kratzte sich im Nacken und sagte nach einigem Besinnen: „Aber
i bitt, Ew. Gnaden!"
„Bitten Sie, so viel Sie wollen! Ausruhen!"
„Wegen meiner, aber i moant, Ew. Gnaden wollten den Hoahn der-
schießen?"

entfaltet hat; dagegen ist allerdings die Vergangenheit des
Herrn Staatsminister Mathy bekannt genug. Wir legen indes-
sen wenig Werth auf das was der Eine oder Andere war und
in früheren Zeiten anstrebte, — das sind vergangene Dinge,
die bereits der Geschichte angehören. Für uns handelt es sich nur
darum, was jetzt im politischen Leben geschieht und wie es
geschieht. Daß wir aber in dem in auswärtigen Blättern be-
kannt gewordenen Rescript gegen einen Theil der badischen
Presse nichts Freisinniges zu entdecken vermögen, wird gar vie-
len Leuten leicht begreiflich sein, besonders wenn man erfährt, „daß
sogar die Veröffentlichung des Verbotes" resp. Erlasses als
strafbar erklärt wird. Vielleicht ist die Landesbase im Stande
uns eines Besseren zu belehren.
/X Bon der Bergstraße. Das Heidelberger pro-
testantische Wochenblatt ist nach seinem Programm zur
Versöhnung der Parteien gegründet. Es kann auch
mit lobenswerther Toleranz Vieles ertragen: Juden, Heiden,
Religionsverächter und Gottesleugner. Nur eine Sorte von
Menschen macht ihm „Uebelkeiten", sobald sie das Unglück ha-
ben, vor seinen Augen zu erscheinen, und das sind die Katho-
liken. Schon ihren Namen kann das ehrenwerthe Blatt nicht
über die Lippen bringen, sondern nennt dieselben „Ultramon-
tane", „Jesuiten", „Römlinge", „Päpstler" u. f. w. Und
stößt es gar auf eine Aeußerung des katholischen Lebens, so be-
ginnt oder endet es dieses unglückliche Begegniß mit rührender
Standhaftigkeit mit „Pfui!" oder mit „Pfui und noch einmal
Pfui" oder mit „Man kann nicht ohne Eckel lesen" u. s. w.
Auch in seiner letzten Nr. 38 referirt es über den „katholischen
Fanatismus", von dem „fanatischen Haß des katholischen Land-
volks auf seine protestantischen Mitbürger", so daß die Prote-
stanten nur mit „wahrem innern Grauen auf den jetzt glücklich
beendeten Krieg zurücksehen könnten". Denn Du lieber Herrgott,
was wäre geschehen, wenn der Krieg anders ausgefallen wäre!
„Man sprach von gewaltsamen Bekehrungen der Protestanten
und von blutigen Strafen, wenn die Protestanten sich geweigert
hätten; man sprach von Theilung der Güter der wohlhabenderen
Protestanten, ja an vielen Orten war die Theilung bereits aufs
Genaueste schon vollzogen, so daß die protestantische Bevölkerung
an manchen Orten in einer Aufregung gelebt habe, die unbe-
schreiblich ist: Bartholomäusnächte, Barlettatage lagen nicht
mehr im Bereiche der Unwahrscheinlichkeit." Und so sei es nicht
blos bei uns, sondern auch anderwärts, in Württemberg, Oester-
reich u. s. w. gewesen. Nun, wir haben vom Heidelberger pro-
testantischen Wochenblatte etwas gelernt und rufen „Pfui" und
„tausendmal Pfui" über eine solche bodenlose Heuchelei, und
können nur mit „Eckel" einer solchen verabscheuungswürdigen
und strafbaren Denunciation begegnen. Wissen wir doch, und
das ehrenwerthe Wochenblatt weiß es so gut wie wir, von wem
diese infamen Aufregungsversuche gemacht wurden; wissen wir
doch, von was für Gesellen mit schweißtriefender Bemühung seit
Entstehung des Protestantismus alle dafür benützbare Kriege zu
Religionskriegen gestempelt wurden zur Aufstachelung der Mas-
sen; wissen wir doch, um vom 30jährigen Krige zu schweigen,
wie es selbst der „große Fritze" nicht verschmähte, eigenhändig
ein feindseliges päpstliches Breve zu fabriciren und in die Welt
zu schleudern, um damit die protestantische Bevölkerung in fana-
tische Wuth zu versetzen und für feinen ungerechten Krieg gegen
Oesterreich zu begeistern. Wenn das am grünen Holze geschah,
„Erft ausruhen, und dann in Gottes Namen wieder vorwärts. Wie
weit haben wir noch?" fragte ich.
„Wie weit? A Stundener fechse, wann wer hübsch stad sortgänge."
(Schluß folgt.)
Baden, 17. Sept. Es wird nicht allein in hiesiger Stadt, sondern
auch an vielen andern Orten von Hausirern eine Sorte Honig feil geboten
und unter dem Namen „Schweizerhonig" verkauft. Sie preisen dieses
Fabrikat als vorzügliche Qualität, und läßt dasselbe, was gutes Aussehen
und Klarheit anbelangt, nichts zu wünschen übrig; in Wahrheit ist es aber
höchstens zur Hälfte Honig, und zur Hälfte Traubenzucker, oder besser ge-
sagt „Kartoffel-Sprup." Dieser Honig eignet sich zu schöner Bäckereh gar
nicht und kann höchstens als Taselhonig servirt werden. Dieses zur Warn-
ung vor Schaden und zur Aufdeckung des Betruges. (Bad. Beob.)
Michel: Haft du auch schon die Berichte aus dem Abgeordnetenhaus-
in Berlin gelesen?
Peter: Ja freilich! — Warum? . .
Michel: Hast du nicht bemerkt, welch' ausnehmende Heiterkeit
da herrscht? Früher haben diese Abgeordneten immer traurige Gesichter
gemacht, und jetzt lachen sie immer; wie kommt denn das?
Peter: O, das will ich dir sagen. Die halten's mit dem Till
Eulenspiegel.
Michel. Ja wie hat's denn der gemacht?
Peter: Der Till Eulenspiegel lachte immer wenn er den Berg hin-
auf ging, weil es ihn zum Voraus freute, daß es bald bergab gehen
werde?
Michel: So meinst du's ?
Peter: Ja vielleicht geht's recht tief hinunter!
Michel: Es wäre möglich. (Fr. B.)
 
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