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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 90-103 (1. August - 31. August)
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Erſcheint wöchentlich 3 Mal : Dienstag,
Donnerſtag und Samstag.

e 100.

ſür Sladl

Immer dieselben – immer dasſelbe.

In Preußen hat sich die Fortſchrittspartei von den sogenannten
Nationalliberalen geschieden. In unserem ſchönen Bayern hingegen
bilden Nationalvereinler , Nationalliberale, , bayriſche Fortſchrittspar-
tei, vereinigte und unvereinigte Linke u. s. w. noch ein und dieselbe
Salbe, die dem bekannten Rad der preußiſchen Weltgeſchichte ihre
Dienste anbietet, von dem Maſchiniſten Bismarck ſelbſt aber im ent-
scheidenden Augenblick als zu ranzig zurückgewieſen werden dürfte.

Alſo dieſe ſüddeutſche Fortſchrittspartei, Verein von Abgeord-
neten und Solchen, die es gerne wären, verſammelte sich wieder mit
anſtoßenden Geſsinnungsgenoſſen in Stuttgart. Obwohl man die
Namen derer, die dabei waren und unfehlbar dabei gewesen ſein
müſſen, auswendig heruntersagen könnte, brachten die befreundeten
Blätter doch ein gewissenhaft genaues Verzeichniß , denn natürlich:
jede Fortſchreitersgattin möchte den Namen ihres Mannes gedruckt
im Wochenblättchen leſen. Und was thaten ſsie dort, am freien
deutſchen Neſenbache? Etwas ganz Neues, sie rafften sich einmal auf
zu einer friſchen, muthigen Th at, sie – faßten „Mes oluti on en“!
Und was für Reſolutionen! Solche, welche, wie ein eingeweihter Be-
richterſtatter sagt, den „Forderungen der neu eſten Sachlage R ech-
nung tragen.“ Ausgezeichnet! Dieſe Nationalliberalen sind wie
die Lehrjungen um's Neujahr , sie tragen in einem fort Rechnungen
und der Meiſter nimmt den Betrag ein, während sie ſselbſt, wenn
ſie ſich muckſen, mit dem Riemen traktirt werden. Doch die Reso-
lutionen wollen wir hören, die Reſolutionen! Sie ſind in der That
das Geiſtreichſte und Staatsmänniſchſte , was seit langer Zeit, viel-
leicht jemals auf dieſem Gebiet producirt wurde. So wahr, ſo
neu, so überraſchend , ſchlagend, packend, zu sofortiger Thatkräftig-
keit hinreißend! Man höre, staune und bleibe doch gefaßt.

Erſte Reſolution: „Die Wiedervereinigung der süddeutſchen
Staaten mit Norddeutſchland iſt unentbehrliche Lebensbedingung u. s. w.“
Daß es nothwendig iſt, die ſüd- und norddeutſchen Staaten zu
einem Ganzen zu vereinigen iſt eine Entdeckung um deretwillen es
ſich verlohnt hätte, noch viel weiter zu reiſen, als bis nach Stutt-
gart. Ganz beſonders ſchlau iſt übrigens noch die Faſſung: Wie-
dervereinigung mit Nord deutſchlann. Wenn unter der Ver-
einigung auch die einfache Annexion mit Staatsſchatzabführung ge-
meint sein kann, ſo bietet das Wörtchen „wieder“ doch den Anhalts-
punkt zu der hübschen Ausrede: man habe einen annähernd födera-
tiven Standpunkt im Auge gehabt.

Zweite Resolution: „Jede fremde Einmiſchung wird zurückge-



Samſftag den 24. Au

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Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn u. Poſtaufſchlag.
Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.

und Land.



wieſen.“ – Die Russen ſind keine Fremden, die Italiener waren
keine Fremden, die glorreichen Czechen und ſlaviſchen Brüder sind
keine Fremden, wenn Herr v. Bismarck in Biarritz badet, sind auch
die Franzoſen keine Fremden ~ fremd iſt nur derjenige der ſich
ſelbſt einmiſcht, wer aber von Preußen eingemiſcht wird, der gehört
zu uns. Probatum est.

Dritte Resolution: „Die Schutz- und Trutzbbündnisse sind der
erſte Schritt u. s. w.“ Nehmen Sie's nicht übel, Herr Bluntſchli,
hier sind Sie nicht original, das haben die Hundertneunzehn ſchen
geſagt und viel beſſer! „Wir begrüßen die erſte Frucht und ge-
harren in tiefster Verehrung“ ~ wie ganz anders, ſchwungpvoller
klingt das!

Vierte Resolution: „Die Zolleinigung ist eine nothwendige Re-
form.“ – Was aber sind die Tabalkſteuer, die Salzſteuer, die Bier-
und Weinsſteuer? Auch Reformen, nothwendige, angenehme? ,Das
sog.. Zollparlament ist ein Mittel, dem deutſchen Volke die gebührende
Mitwirkung bei der Ordnung ſeiner wirthſchaftlichen Angelegenheiten
zu sichern.“ Alo Ordnung der weirthſchaftlichen Angelegenheiten
heißt man das. Gut gebrüllt, Löwe! Gut reſsolvirt, Gegentheile von
Löwen ! Wenn Alles Bankerott macht, dann sind die wirthſchafstlichen
Angelegenheiten leicht geordnet.

Fünfte und gelungenste Resolution: „Jndem die Bevölkerung
sich den unvermeidlichen (? !)Laſten der erhöhten Militär- und
Steuerpflicht unterzieht, muß sie auch dringend v er langen, von
den Rechten, (hört !) welche die norddeutſche Bundesverfaſſung ge-
währt, ihren vollen Antheil zu erhalten“ . . . Dringend verlangen
dürfen wir jene „Rechte“ ~ in der That ein ſchönes opferwürdiges
Ziel! Wie freu’ ich mich, wie treibt mich das Verlangen!

Die sechſte Resolution ist „ſocialer“ Natur, bekanntlich eine
beſonders starke Seite Mancher der Zuſammengekommenen; die
siebente wiederholt das ſchon in der Münchener Centralhalle ge-
ſtellte Verlangen des Eintritts in den norddeutſchen Bund.

Es war ein ſchöner Tag, der Tag in Stuttgart. Der be-
reits magazinirte Reſolutionsvorrath iſt wieder un: cin paar Loth
vermehrt worden. Leute, die noch vor anderthalb Jahren die
preußiſche Kammer in ihrem Verfaſſungskampf bewundert, gefeiert
und ermuntert haben, erklären heute mit Unterzeichnung ihrer
werthen Namen, daß die damals erwünſchten Militär- und Steuer-
laſten unvermeidlich seien. „,Sittlicher Ernst“ heißt man das!
. da ſoll ein Bismarck noch Reſpekt haben vor Volksvertre-
tern!

Herr Bluntſchli iſt in der Schweiz nicht mehr möglich, aber



V e r m i ſ < 1 e s.

disst [. u.: | sedrnttoge: Wir entnehmen dem „Frankf. Journ." folgende

Zum 22. März 1 s67.

„Herr Wirth zum Hof von Holland, bereite Du ein Mahl !
Recht köstlich laß es werden, es fülle den Pokal

Der edelſte der Weine; es gilt des Königs Tag;

Die Gäſte sollen jubeln beim festlichen Gelag.“

Doch ehe der Tag erſchienen , erschien der rothe Hahn,
Es zündeten die Flammen das Festgebäude an.

Die Gäste zogen weiter, hin in ein anderes Haus ;
Im Hof zu Holland war es mit Jubelklängen aus.

Zum 1|15s. Auguſi 1867.

„Auf, alter Pfarrthurm, schaue hin nach der Taunusbahn !.
Schau sie im Schmuck der Kränze, der König zieht heran.

Du trugſt der Fahnen manche, weiß-roth und ſchwarz-roth-gold ;
Schwarz-weiß iſt jezt die Farbe, so hat's das Glück gewollk.-

Doch eh' die neue Fahne ihm ward aufs Haupt gesteckt,
Da hat die rothe Flamme bis obenhin geleckt.

Mit hohlen todten Augen ſteht sein Leiche da ;

Das Sein iſt ihm verleidet, der besſ're Zeiten sah.



* A. Mesſmers Reiseb lätter: ,„Es ist etwas Komisches um diese
Duodez-Ausgaben von Residenzen. Sie könnten etwas recht Gemüthliches und
Segensreiches haben, wenn die Fürsten sich zu einem einfachen patriarchal.
Verhältniß bequemen würden, wie es die Natur mit ſich bringt und vor Zeiten
war. Aber da zog der Zopf , der Reifrock, der Luxus und das Laſter der
großen Höfe ein und wurde, weil in nächſter Nähe vor Aller Augen, nur

. noch widerlicher und von ſchlimmern Folgen. Wenn zur Großmannsſucht dann

noch die Großſtaatſucht kam und das kleine Hauswesen eine Einrichtung im
großen Styl bekam, so ſieht das freilich aus, wie ein kleiner Mann im großen
Rock oder wie wenn die Schulbuben ihre kleine Milchparthie in der Sprache
und in den Phraſen römiſcher Fürsten beschreiben.“

Aus A ns b ach wird folgendes Curioſum mitgetheill: Vor einigen
Wochen tödteten Bienen bei einem Bauern in Lehrberg (2 Stunden von hier)
in deſſen Abwesenheit 7 Gänse. Die Gänse waren nämlich wie gewöhnlich
unter dem Bienenſtocke eingepfercht, und wahrscheinlich wurden Anfangs einzelne
Bienen durch das den Gänſsen eigenthümliche Ausbreiten und Schlagen ihrer
Flügel zornig, packten sie an und stachen ſie. Durch den Schmerz des erſten
Stiches veranlaßt, schlugen nun die Gänſe noch ungestümer mit ihren Flügeln
um ſich, ſo daß Tauſende von Bienen ihre vermeintlichen Feinde anfielen und
zu Tode peinigten. Schwarmweise saßen sie an den aufgeſchwollenen Köpfen
und unter den Flügeln der Gänse, welche im ihrem Schmerze wie wüthend
tobten, aber ihren erboſten Peinigern nicht entrinnen konnten. Auch der
Cigenthümer dieſer Thiere, welcher unkluger Weiſe mit seinem Spenſer auf
die an den Gänsen hängenden Bienen losſchlug, wurde von ihnen angefallen
und tüchtig gestochen. Es ist dieſes Vorkommniß wohl so selten, daß es werth
iſt, mitgetheilt zu werden.

[An die Luft.] Bei Gelegenheit des kürzlich in Rheinberg abgehaltenen
Schützenfestes kam es des Abends beim Krönungsballe zu einer ergötlichen
Scene. Von den den Hofstaat bildenden Herren wurden während des Balles
verſchiedene auf den Schützenkönig nebſt Königin bezügliche Reden gehalten.
Der Redakteur der Rheiniſchen Sonntagszeitung, Hr. Küpper, erlaubte sich, in
ſeiner schwungvollen Rede den Grafen Bismarck ein wenig zu glorificiren. Doch
sowie der Name „Bismarck“ aus seinem Munde war, brach ein furchtbares
Schreien und Pfeifen los und K. mußte augenblicklich den Thron verlassen.
Als Küpper hierauf , von dem anweſenden Bürgermeiſter aus Elten aufge-
fordert, weiter ſprechen wollte, erſcholl von allen Seiten der Ruf: „Heraus
mit dem Kerl!“ und Küpper wurde sofort beim Kragen gefaßt und an die
Luft geſeßt. Der Bürgermeiſter, ob dieser Unthat gewaltig erboſt , konnte die
Bemerkung nicht unterdrücken: „Pfui , welch’ schlechtes Volk iſt hier !‘ Doch
„kaum war dem Ritter das Wort entflohn“, so befand er sich ſchon unter den



Händen eines Herrn und unter zustimmenden Zurufen war er binnen wenigen
Minuten vor ~ der Thür. ;
 
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