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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0319
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wortet. Sonnemann wurde zum Vorsißenden ernannt. Ein Ent-
wurf Biedermann’s über die Grundlagen eines Preßgesetzes für das
deutſche Reich wurde nach mehrſtündiger Berathung mii wenigen
Modificationen angenommen. Nachmittags findet Diner ſtatt, Abends
wird das Lobetheater beſucht werden.

Köln, 9. Juli. Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus London
gemeldet, daß die Verhandlungen, durch welche das Briefporto von

Deutſchland nach Amerika via Belgien und England von 4 auf 3
Groschen herabgeſezt wird, dem Abschluß nahe sind.

O est err e i ch.
Wien, 10. Juli. Die „Neue Freie Preſſe“ veröffentlicht den
Wortlaut des von Thiers dem Papſte kürzlich geſandten Schreibens.
In demſelben wird dem Papſte, falls er sein Project, ſich nach
Frankreich zu begeben, ausführe, ein glänzender Empfang in Aus-
ſicht gestellt, ſodann dargelegt, wie Frankreich im Interesse der Ord-
nung, wie die übrigen Mächte die Einigung Jtaliens habe accep-
tiren müſſen und die Beſorgniß ausgeſprochen, daß das Prestige
des religiöſen Charakters des Paplſtes, falls derſelbe den Vatican
verließe, eine Verminderung erfahren möchte. Thiers verweiſt ferner
auf die hierdurch zwiſchen Frankreich und Italien entstehenden Schwie-
rigteiten und hebt hervor, daß der Papſt in Frankreich nur unter
dem allgemeinen Geſeß itehen und dort ni«mals jene durch die
italieniſche Regierung ihm garantirte Stellung würde einnehmen kön-
nen. Thiers ſpricht ſchließlich die Bereitwilligkeit Frankreichs aus,
eine Vermitilung zwiſchen dem Papſt und dem König von Italien
zu verſuchen. Ö

A u s l a n d.

Wie aus Luzern vom 5. Juli berichtet wird, hat der Fürsſt-
Erzbiſchof von Prag an den Schweizer Episkopat ein Schreiben
gerichtet, worin er ſeinem tiesstem Mitgefühl für die von den Bi-
ſchöfen in ihrer Denkſchrift: „Die Lage der katholiſchen Kirche und
das öffentliche Recht in der Schweiz“ geschilderte ſyſtematiſche Ver-
folgung und Knechtung der Kirche Ausdruck verleiht. „Jch muß“,
heißt es in dem furſt- erzbiſchöflichen Schreiben u. a., „Eueren bi-
ſchöflichen Hochwürden offen geſtehen, so groß auch die Mißſtände
ſind, welche die katholische Kirche in Desterreich auf dem Gebiete
des öffentlichen Lebens , der Ehe beſonders und der Schule, ausge-
ſett iſt, an jenes Maß der Rechtsverleßzung, wie es nach der Dar-
legung der Dentkschrist in der Schweiz vor unser Auge tritt, reichen
ſie bei weitem nicht. Solche Eingriffe in das Jnnerſte der kirchlichen
Verfaſſung dürften wohl sonſt überall zu den Unmöglichkeiten gehören.
Ein großes Reich allerdings ausgenommen , in deſſen deſpotiſchen

Ketten die Kirche gebunden uud getnechtet liegt, das aber ſonſt den

vollſten Gegensatz zur republikaniſchen Schweiz bildet. Allein eben
darum iſt mir nicht möglich zu glauben, daß solche Zuſtände in
dem Lande dcr Freiheit Dauer zu gewinnen vermögen." (K.V.9).

* Paris, 9. Juli. Graf Chambord hat folgendes Manifeſt erlassen :
„Franzoſen! Jch bin in eurer Mitte! Ihr habt mir die Thore
Frankreichs geöffnet, und wie hätte ich mir das Glitck verſagen
können, mein Vaterland wieder zu sehen? Dennoch will ich nicht
durch eine längere Anwesenheit neuen Vorwand zu einer Erregung
der ohnehin ſchon ſo ſehr verwirrten Gemüther geben. Ich verlasse
alſo dieſes Chambord, welches ihr mir gegeben habt und desſen
Namen ich mit Stolz getragen habe ~ vierzig Jahre lang auf
den Wegen der Verbannung. Indem ich weggehe, halte ich es für
meine Pflicht, euch zuzurufen : Jch ſcheide nicht von euch ! Frankreich
weiß, daß ich ihm angehöre. Ich kann nicht vergeſſen, daß das
monarchiſche Recht die Erbſchaſt der Nation iſt, noch kann ich mich
den Pflichten entziehen, die jenes Recht mir auferlegt. Dieſe Pflichten
werde ich erfüllen. Dafür lege ich das Wort eines Ehrenmannes
und eines Königs ein. Mit Gottes Hilfe werden wir zuſammen
und, ſobald ihr wollt, eine den Bedürfnissen des Staates entſprechende
Regierung gründen auf breiter Grundlage , administrativer Decen-
traliſation und lokaler Autonomie. Als Bürgschaft für dieſe öffent-
lichen Freiheiten, welche jede chriſtliche Nation beanſpruchen kann,
werden wir euch verleihen das allgemeine Stimmrecht in ehrbarer
Ausübung und die Controle der beiden Kammern. Wir werden die
nationale Bewegung vom Ende des letzten Jahrhunderts in ungere
Hand nehmen, indem wir derselben ihren wahren Charakter verleihen.
Eine Minorität hat sich gegen die Wünſche des Landes erhoben und,
ausgehend von jener nationalen Bewegung, eine Periode der Ent-
ſittlichung durch die Lüge und der Zerſegung durch die Gewalt ein-
geleitet. Ihre verbrecherischen Gewaltthaten haben einer Nation die
Revolution aufgezwungen, welche nur nach Reformen verlangte, und
haben sie zu einem Äbgrunde gedrängt, in welchem sie unlängst
untergegangen wäre ohne die heroiſchen Anstrengungen unserer Armee.
Es sind gerade jene arbeitenden Klaſſen, jene Werkleute des Feldes
und der Städte, deren Loos den Gegenstand meiner lebhaftesten
Beschäftigungen und meiner liebſten Studien gebildet hat, die am
meisten von dieſer socialen Unordnung gelitten haben. Frantreich
aber, das so grauſam von Leiden ohne Beiſpiel heimgeſuchte Frank-
reich, wird ſich ſagen, daß man nicht zur Wahrheit kommt, indem
man einen Jrrihum mit einem andern vertauſcht, und daß man über
ewige Nothwendigkeiten nicht mit kleinen Auskunftsmittelchen hin-

| , wegkommt. Frankreich wird mich rufen, und ich werde kommen, mich



uus

ihm ganz zu weihen, mit meiner Ergebenheit, meinem Prinzipe und

geſprochen, die ich nicht übernehmen kann.

Franzoſen! Ich bin bereit, meinem Lande zu helfen, sich von
seinen Trümmern zu erheben und ſeinen Rang in der Welt wieder
einzunehmen. Aber ein Opfer kann ich nicht bringen: das meiner
Ehre ! Ich bin ein Kind meiner Zeit und will es sein. Allem, was
die Größe unſerer Tage ausmacht, ſpreche ich meine Verehrung
aus und welches immer die Farbe war, unter der unsere Soldaten
marſchirten, ich habe ihren Heldenmuth bewundert und dem Him-
mel gedankt für alles Neue, was ihre Tapferkeit dem Ruhmesſchatze
Frankreichs zubrachte. Kein Mißversſtändniß, keine Zweideutigkeit
darf zwiſchen euch und mir herrschen. Nein, mag immer Unwissen-
heit oder Leichtgläubigkeit von Privilegien, von Absolutismus oder
Unduldſamkeit, unn ~ was weiß ich ? — von Zehnten, feudalen
Rechten, Hirngespinnsten ſprechen, mit welchen die kübnſte Verleumdung
euch ſchrecken möchte, ich meinerſeits werde nicht abſtehen , das Banner
Heinrich's IV., Franz’ I. und der Jungfrau von Orleans hochzu-
halten. Unter diesem Banner iſt die nationale Einheit hergeſtellt
worden, unter ihm haben eure Väter, von den meinigen geführt,
dieſes Elſaß unb Lothringen erobert, Provinzen, deren Treue der
Troſt in unseren Leiden sein wird. Jenes Banner. hat die Bar-
barei in Afrika beſiegt, das Zeugniß ablegt von den erſten Waffen-
thaten der Prinzen meiner Familie. Dieses Banner wird auch die
neue Barbarei besiegen, von der die Welt bedroht ist. Ich werde
es ohne Furcht der Tapferkeit unserer Armee anvertrauen. Sie
weiß, daß daſſelbe immer nur auf dem Wege der Ehre vorangetra-
gen worden iſt. Ich habe es als ein heiliges Vermächtniß von
dem alten Könige, meinem Ahn erhalten, der im Exil geſtorben iſt;
es iſt für mich unzertrennlich von der Erinnerung an mein fernes
Vaterland gewesen. Wie es über meiner Wiege geflattert, ſo ſoll
es auch auf meinem Grabe ſtehen. Jn den glorreichen Falten die-
ſes Banners ohne Makel werde ich euch Ordnung und Freiheit wie-
derbringen. Franzoſen! Heinrich V. kann das weiße Banner Heinrichs
IV. nicht verlassen !

Chambord, s. Juli 1871. Ch ambor d.“

Paris, 9. Juli. Gambetta hat ein Schreiben an das republi-
kaniſche Comité in Bordeaux gerichiet. Derselbe ſprach darin ſeine
Freude über das Wahlreſultat aus, welches zeige, daß Frautreich
entſchloſſen sei, Alles aufzubieten, dem Lande die Stellung wieder-
zuerwerben, die es durch das Kaiserreich verloren habe. Frankreich
erwarte von der Republik sein Heil, seine Wiedergeburt. Gambetta
ermahnt, mit Festigkeit, Mäßigung und Weisheit daran zu arbeiten,
daß die Republik der Hafen werde, in welchem Frankreich sich nach
Stürmen erholt. Das Schreiben ſchließt mit den Worten: Seien
wir einig, ſtark, gemäßigt und vor Allem geduldig, und die Zukunft
wird unseren Grundsätzen angehören.

Paris, 9. Juli. Die ſchnelle Erledigung des Gesetzes über die
neuen Eingangssteuern hatte in der Mittheilung des Finanzministers
ihren Grund, daß täglich ſehr große Quantitäten von den durch das
Gesey beſteuerten Waaren in den verſchicdenen Häfen anlangen und

den von mehreren Millionen erwachſe. Der Minister müſſe daher
die Dringlichkeit der Discuſſion beantragen. Jun Folge deſſen wurde
die Discuſſion des die Generalräthe betreffenden Gesetzes unterbrochen
und das neue Steuergeſeßz, wie bereits gemeldet, faſt einstimmig
angenommen. Ñ

Paris, 9. Juli, 9 Uhr 45 Min. Abens. Die „France“ mel-
det: Die franco-preußiſche Commiſsion, von Manteuffel präſidirt,
iſt beauftragt, die Schwierigkeiten zu regeln, welche aus der Oceue
pation der Departements hervorgehen. ~ Seit heute haben die
Wiederherſtellungsarbeiten am Palais Elyſée begonnen. Daſelbe
iſt zur Residenz ſür Thiers bestimmt.

* Paris, 10. Juli. Die gemäßigten Republikaner , denen der
greiſe Thiers als unübertroffenes Jdeal eines Staatsmannes gilt,
haben bei den Nachwahlen allenthalben in Frankreich entscheidende
Siege errungen und die Wiederaufrichtung der Monarchie auf einige
Zeit hinausgerückt. Der Erfolg, den Thiers bei der Bekämpfung
der Commüne und insbesondere bei der großartigen Gestaltung des
Anlehens gehabt hat , konnte nicht verfehlen, auch auf die Wahlen
einen nachdrücklichen Einfluß auszuüben, und so wäre die Republik
vorderhand noch gerette.. Viel Aufsehen macht das Manifeſt
Chambord's, in welchem Letzterer die Sprache des König s mit
großer Zuversicht redet. Uebrigens wird durch dieſe Kundgebung
der Ausgleich der Bourbons und der Orleans, wenn er ernſtlich
überhaupt nur vorhanden war , sicherlich in die Brüche gehen, da
alles Andere eher als Conceſſionen an die jüngere Königslinie in
dem Manifeste vorhanden sind.

Paris, 10. Juli, Morgens. Der Beſuch des General Man-
teuffel hat auf Thiers und seine ganze Umgebung einen ſehr guten
Eindruck gemacht. – Graf Chambord hat durch seine jüngste Pro-
clamation die Prinzen des Hauſes Orleans sehr erbittert und ist
dadurch das monarchiſche Lager in Frankreich auf's Neve getheilt.

Paris, 10. Juli. Anläßlich des jüngsten Manifeſtes des Grafen
Chambord haben zahlreiche legitimiſtiſche Provinzialblälter eine Er-



| klärung veröffentlicht, in welcher das Festhalten an der Tricolore

meiner Fahne. Gelegentlich dieſer Fahne hat man von Bedingungen

daß bis zur Votirung des Gesetzes dem Siaatſchate täglich ein Schen.
 
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