Erſcheint käg lich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Fei
Preis vierteljährlich Mk. 1.20 ohne Teögerlohn u, Poſt
gufſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
; Expedition Zwingerſtraße 7.
„ Nedalteur: Jof. Cremerius, Hauptſtr. 121,
eee eee
für Stadt
Anzeige⸗Blatt für die Amtsbezi idelberg,
Blat \ rke Heid
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Wehe, Se 9 5
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Fauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc. h
Druck u. Verlag Gebr. Yuber, Heidelb. Zwingerſtr.
ROR
M. 5.
Heidelberg, Sonntag, bez 6. Januar 169)
s Etwas über die Eheloſigkeit. u.
Nachdem wir nun einige Tage gezögert und den
. Leſerinnen Zeit gelaſſen haben, über den Inhalt des
erſten wie oben überſchriebenen Artikels reiflich nach-
zudenken, wollen wir jetzt ihre gewiß ſehr brennende
Neugierde nicht länger unbefriedigt laſſen. Wir ſag-
ten zuletzt, daß die Eheloſigkeit bei den Mitgliedern
; des ſchönen Geſchlechts mehr Licht⸗ als Schattenſeiten
aufzuweiſen habe. Es werden wenige Intereſſentinnen
ſein, welche dieſer Behauptung aus vollem Herzen
ſtimmen, trotzdem ich gar nicht zweifle, — ja ſogar
überzeugt davon bin, durch dieſe Behauptung ſehr
_ zur Beruhigung aller älteren unverheirathe-
n Damen beigetragen zu haben. Aber nicht allein
beruhigt, nein überzeugt ſollen ſie ſein, daß Heira-
then gut, aber Nichtheirathen beſſer iſt.
ich will mich dabei gar nicht auf das Zeugniß meines
großen Gewährsmannes, des Völkerapoſtels Paulus
berufen, der dieſe Worte zuerſt ausgeſprochen hat.
Die geehrten Leſerinnen möchten ſonſt anfangen, da-
ran zu deuteln, um zu beweiſen, daß die
anders zu verſtehen ſeien, 15 ic fe hier 11 5
ſtanden wiſſen wollen. Nein, ich win ihnen einmal
die Verhältniſſe des praktiſchen Lebens vor Augen
führen, Verhältniſſe, mit denen ſowohl verheirathete ]
als unverheirathete Damen zu rechnen habe und
unter denen wenigſtens die älteren Damen ſchon alle
bis zu einem gewiſſen Grade auch gelitten haben.
Fiaangen wir alſo an bei den Schatten ſeiten
des ſog. Altjungfernſtandes, ſo muß zuerſt geltend
gemacht werden, daß die nicht verheiratheten Mäd-
chen, wenn ſie i Dee ich dee, eee n TT
milie verbringen können, allein in der Welt daſtehen,
allein in Freud und Leid, allein in ſchwierigen Ver-
hältniſſen; infolge deſſen entwickelt ſich ihr Charakter
oft einſeitig, hart und ſelbſtſüchtig. Sie müſſen auf
viele Freuden des geſellſchaftlichen Lebens verzichten,
und die Abgeſchloſſenheit und Einſamkeit hat bisweilen
eine peſſimiſtiſche Weltanſchauung zur Folge, wobei
ſie alle Dinge von ihrer ſchlimmſten Seiten betrach-
ten und darnach urtheilen. Tanten ſind ſie in der
Regel, aber nie hören ſie das füße Wort „Mutter“.
Vielfach entbehren ſie auch eines geregelten Haus-
haltes, wodurch ſie ſich manches Opfer und manche
Entſagung auferlegen müſſen; aber ſie ſtehen ſelten
ſo hülflos da, wie ein alter Janggeſelle, der bei
tauſend Kleinigkeiten die helfende Hand vermißt und
nicht einmal im Stande iſt, ſich ein Tröpfchen „See-
lentroſt“, genannt Kaffee, aufzuſchütten. In Krank-
30. Jahn
heitsfällen ſind ſie auf fremde Hülfe angewieſen, oder
ſie müſſen ſogar in Hoſpitälern Heilung ſuchen; kein
Wort herzinniger Theilnahme tröſtet und erquickt ſie,
und in ſolchen Lagen mag wohl das Alleinſtehen am
ſchmerzlichſten und bitterſten empfunden werden.
Den alten Jungfrauen fehlt, abgeſehen von den
Lehrerinnen — die Nonnen laſſe ich ſelbſtredend ganz
außer Betracht, — vielfach ein beſtimmter Beruf und
Lebenszweck, und dieſer iſt es, welcher doch haupt-
ſächlich dem Leben Halt, Werth und Reiz verleiht.
Sind ſie gutmüthig und verfügen ſie über das, was
man „Moſes und die Propheten“ nennt, ſo werden
ſie von hungrigen, beutefüchtigen Verwandten und
Bekannten umſchmeichelt und leider oft genug hinter-
gangen und betrogen. Ich kann nicht behaupten, daß
die Welt ſie mit den freundlichſten Augen betrachtet,
denn in den Augen dieſer bekanntlich ſehr böſen Welt
ſtehen die alten Jungfern in dem Rufe der Neuig-
keitskrämerei und Spionage, die als echte Klatſch⸗ und
Kaffeeſchweſtern die ſchmutzige Wäſche anderer wa-
ſollen und auch wohl reine Sachen ſchwarz machen
Daß das vorkommt, iſt ſicher; aber geſchieht denn
verheiratheten Frauen? Wir wollen dieſen durchaus
nicht zu nahe treten, behaupten aber gerabeaus und
auch wohl mit Recht, daß viele Frauen im Punkte
des Schwätzens und Klatſcheus wenigſtens ebenſo viel
leiſten als die alten Jungfrauen. In vielen Fällen
ſind wahrſcheinlich die Frauen in dieſer Hinſicht noch
leiſtungsfähiger und auch noch mehr den Verſuchungen
des Klatſchens ausgeſetzt, als die allein ſte benden
Mutter mehrere ſchon nicht mehr ganz junge Töchter
in den Hafen der Ehe hineinbugſiren will. Da wird
auch manches Wort über dieſe und jene, über dies
und das gesprochen, was bei Licht beſehen, oft etwas
anders ausſieht. Die Conkurrenz, der unlautere
Wettbwerb, gegen den man im nächſten Reichstage
ein Extra⸗Geſetz machen will, zeitigt auch hier zuweilen
ſonderbare Früchte.
Die Altjungfern haben manche Fehler, wie über-
Altjungfern tritt manchmal das Phariſäerthum in recht
häßlicher Geſtalt auf, während man 5 fich geht
gleich eine ganze Anzahl Entſchuldigungsgründe für
alle möglichen Dinge in Bereitſchaft hält. Oft iſt es
die früher etwas hochmüthig war und manchen Korb
ertheilt hat, nunmehr zur Strafe „ſitzen 9591 0
iſt. Daraus entwickelt ſich wiederum auf Seite der
Verheiratheten manchmal das Beſtreben, die früher ſo
Spröde, nunmehr aber Verlaſſene, ſtrenger zu über-
wachen, alle ihr Charakterzüge und Eigenſchaften mit
der Lupe zu betrachten und vieles, was eben anders
ſein könnte, was aber vielleſcht noch nicht einmal ein
Fehler, ſondern nur eine Unvollkommenheit, eine
Schwäche iſt, als etwas ganz Häßliches anzusehen
und andere vor dieſer Perſon zu warnen. Auf ſolche
Weiſe wird ſie manchmal ſcheu gemieden, ohne daß
man ſelbſt recht weiß, warum. Das iſt ſicher, daß
gerade die Angehörigen des ſchönen Geſchlechts über
ihre Geſchlechtsgenoſſinnen oft recht harte, ja liebloſe
Urtheile abzugeben pflegen, viel mehr als ſolches bei
den Männern der Fall iſt. Aus all dieſen Gründen
e ee ae 50 1 zu wundern, wenn der
_ jungferlichen Eigen mei ter
iſt, 81 er 15 verdient. ee .
So viel zu ihrer Vertheidigung und zur Beri
tigung falscher Anſichten über die a
Schattenſeiten der Eheloſigkeit bei den Damen. Dem-
gegenüber erfreut ſich ihr Stand aber auch ganz be-
deutender hellleuchtender Lichtſeiten, deren Strahlen die
vorhin wahrgenommene Dunkelheit wohl zu verſcheuchen
im Stande ſind. Die Haupt⸗Lichtſeite iſt nämlich die
leit, welche die Unverheiratheten in der
Verdienſte ſie ſich dabei bereiten können, läßt ſich in
dem Rahmen unſeres heutigen Artikels nicht ausführen,
weshalb wir unſere geehrten Leſerinnen um etwas
Geduld bitten. In einigen Tagen gehts weiter. Wir
weiſen jedoch auch darauf hin, daß trotz des ſchon
begonnenen Quartals noch immer neue Abonnenten
hinzutreten können, und bitten, daß man uns nach
haupt jeder Menſch ſeine mehr oder weniger großen
Fehler hat. Aber, was man bei einer ſo alleinſtehen-
den Dame bemerkt, fällt gleich viel mehr auf, wird
viel genauer abgewogen und beurtheilt. Man ver-
langt oft von ihr, das zu lönnen und zu thun, deſſen
ſich ihre genauen Beurtheiler und weiblichen Richter
ſelbſt nicht rühmen können. Gerade gegenüber den
2
9 elene (Rachbruck verboten.)
+
31) Erzählung von Th. Küſter.
. Haſtig hatte Marie den Brief geöffnet. Die Adreſſe
war von Helene's Handſchrift, auch der Brief ſelbſt. Ihre
Augen flogen über die
„Frohmann“ haften blieben. Sie las:
dankt Dir beſtens für Deine Fürſorge; er
nen Rath befolgt, ſich an das Direktorium des dortigen
Gymnaſiums gewendet und wird in einigen Tagen zum
—_ Bwed perſönlicher Vorſtellung in Deiner Vaterſtadt ein-
treffen. Mit Dir wünſche auch ich von Herzen, daß der
brave Menſch die Stellung erhalten möge: auch um Dei-
netwillen, denn Du haſt dann einen guten und treuen
Freund in Deiner Nähe.“ — . .
„Er kommt! ſagte aufathmend zu ſich Marie. Dann
las ſie weiter, was Helene ihr ſchrieb von ihrem Glück und
ihrer Liebe zu Dalberg, die ihr ganzes heißes Herz mit
Leidenſchaft erfüllte. . ©
Kurze Zeit vorher hatte Marie Achten in einer Geſell-
schaft zufällig gehört, daß einer der Lehrer des Gymnaſi-
ums ſeinen Abſchied genommen habe und die betreffende
Stelle neu beſetzt werden ſolle. Durch ihre Freundſchaft
mit Frohmann kannte ſie deſſen ſpecielles Lehrkach genau
und wußte, daß er der Mann ſei, gerade dieſe Stelle aus-
zufüllen. Sofort hatte ſie deshalb an Helene geschrieben,
ihr das Weitere mitgetheilt und ſie gebeten, Herrn Froh
mann aufzufordern, als Bewerber um die erledigte telle
aufzutreten. Die Antwort auf dieſen Brief war es, welche
ſie ſoeben erhalten. „ S
Marie war ſehr vergnügt über die mögliche Ausſicht,
Frohmann in Zukunft in derſelben Stadt zu haben, und
um ihre Freude auch weiter mitzutheilen, eilte ſie nach dem
Hinterhaus zu Frau Gerhard, welcher ſie Alles vom Schloß
Wiittenhoff zu erzählen pflegte. Sie war eine ſtets 10
teilnehmende Zuhörerin und bei ihr konnte ſie ſo recht
von Allem ſprechen, was ihr Herz bewegte, Frau Gerhard
fragte immer ſo theilnehmend nach Maries Freun din He-
lene und intereſſirte ſich für Alles, was dieſelbe anging.
N Als ſie ihr vom Tode des armen Bruno erzählt, da war
Marie erſchreckt, wie bleich, wie angegriffen Frau Gerhard
plötzlich geweſen; ſie hatte dann ihren Sohn Max an ſich
wie Thränen ihre Augen
dachte Marie, müſſe den Ge-
danken haben, daß vielleicht auch ihr das einzige Kind ent-
riſſen werden könne — ihr Max, denn ſo nur konnte ſie
ſich ihr — man konnte ſagen: hyſteriſches Schluchzen bei
der Nachricht erklären, nur ſo die große Aufregung, welche
Und jener Gedanke mußte
denn ſie war ſeitdem womöglich noch ſtiller, noch trauriger
10 10 1 7 und mehr denn je war Max ihre Sorge ge-
widmet. — ;
Auch jetzt ſprach Maxie wieder eingehend und lange
Schloß Wittenhoff im Allgemeinen
und über Herrn Frohmann insbeſondere. 5
5 err Frohmann iſt ſo gut, ſagte ſie, „und ſo tüchtig;
ich werde ihn bitten, daß er Max Privatunterricht, gibt,
und ich weiß, er thut es mit Freuden. Unter einem ſolchen
Lehrer wird er bald ſeine Wißbegierde befriedigt ſehen.
Frohmann wird Ihnen gewiß ſehr gefallen, Frau Gerhard.
Nicht wahr, er darf Sie beſuchen? — Ich habe iom von
Ihnen und von Mar viel erzählt und er untereſſirte ſich
ſchon, ohne ihn zu kennen, für den wiſſensdurſtigen Kna-
ben. Ich zweifle nicht, er wird auch Ihr Freund werden,
wie ich Ihre Freundin geworden bin.“ . ;
„Ihre Freunde werden ſtets auch die Meinen ſein.
Fräulein Achten, entgegnete Frau Gerhard; „und auf
Herrn Frohmann, von dem Sie mir ſo viel Gutes erzählt
haben, bin ich nun ganz beſonders neugierig und habe
ſchon von vorn herein das güſtigſte Vorurtheil für ihn
— wohl, weil Sie ſich ſo lebhaft für ihn intereſſiren.“ —
Marie erröthete leicht 8 ;
„Ach Gott, hübſch iſt er nicht!“ rief ſie lachend: Kim
Gegentheil. Aber er iſt ſo gut und immer ſo heiter und
für Anderer Wohl beſorgt, und dann beſitzt er ein tüchti-
ges, ausgedehntes Wiſſen und iſt dabei ſehr beſcheiden.
Große Urſache, um heiter und glücklich zu ſein, hat er
dieſer Richtung nicht vergeſſen möge.
Deutſches Reich.
. Berlin, 4. Jan.
— Die Tabakſteuervorlage wird im Reichstag
wohl noch etwas auf ſich warten laſſen. Es ſind
erſt noch mancherlei Meinungsverſchiedenheiten m
und ich glaube, er muß ein Dichter ſein, weil er ſo
entzückt iſt und ſo ſchwärmt für alles, was ſchön und
falls muß er ein gutes, edles Herz haben wenn
er ſo It, wie Sie ihn ſhildern, ſagte Frau Gerhard nach-
Marie ſich wieder entfernt hatte,
gerathen ſei für ſie, den
ſehen. Aber ihre alte Amme
„Ouälen Sie ſich doch damit nicht auch noch, ani.
Frau Gerhard, wollte ich ſagen. Glauben Sie nur, de
reiherr wird gewiß Alles gethan haben, was in ſeſine
kräften ſtand, um ſich den einzigen Erben zu erha ten.
denn von unſerm Max weiß er ja Nichts, meinte die al
Amme. „Und Recht on Be ihm ſchon, daß er jetzt de
Schmerz hat, das große Beſitzthum an die feindliche L
eigentlich nicht, denn er leidet ſehr an den Augen; aber
dennoch dankt er Gott für Alles, was er Schönes erblickt
; *
fallen zu ſehen (Forlſetzung folgt.)
Preis vierteljährlich Mk. 1.20 ohne Teögerlohn u, Poſt
gufſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. bei der
; Expedition Zwingerſtraße 7.
„ Nedalteur: Jof. Cremerius, Hauptſtr. 121,
eee eee
für Stadt
Anzeige⸗Blatt für die Amtsbezi idelberg,
Blat \ rke Heid
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Wehe, Se 9 5
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Fauberbiſchofsheim, Walldürn ꝛc. h
Druck u. Verlag Gebr. Yuber, Heidelb. Zwingerſtr.
ROR
M. 5.
Heidelberg, Sonntag, bez 6. Januar 169)
s Etwas über die Eheloſigkeit. u.
Nachdem wir nun einige Tage gezögert und den
. Leſerinnen Zeit gelaſſen haben, über den Inhalt des
erſten wie oben überſchriebenen Artikels reiflich nach-
zudenken, wollen wir jetzt ihre gewiß ſehr brennende
Neugierde nicht länger unbefriedigt laſſen. Wir ſag-
ten zuletzt, daß die Eheloſigkeit bei den Mitgliedern
; des ſchönen Geſchlechts mehr Licht⸗ als Schattenſeiten
aufzuweiſen habe. Es werden wenige Intereſſentinnen
ſein, welche dieſer Behauptung aus vollem Herzen
ſtimmen, trotzdem ich gar nicht zweifle, — ja ſogar
überzeugt davon bin, durch dieſe Behauptung ſehr
_ zur Beruhigung aller älteren unverheirathe-
n Damen beigetragen zu haben. Aber nicht allein
beruhigt, nein überzeugt ſollen ſie ſein, daß Heira-
then gut, aber Nichtheirathen beſſer iſt.
ich will mich dabei gar nicht auf das Zeugniß meines
großen Gewährsmannes, des Völkerapoſtels Paulus
berufen, der dieſe Worte zuerſt ausgeſprochen hat.
Die geehrten Leſerinnen möchten ſonſt anfangen, da-
ran zu deuteln, um zu beweiſen, daß die
anders zu verſtehen ſeien, 15 ic fe hier 11 5
ſtanden wiſſen wollen. Nein, ich win ihnen einmal
die Verhältniſſe des praktiſchen Lebens vor Augen
führen, Verhältniſſe, mit denen ſowohl verheirathete ]
als unverheirathete Damen zu rechnen habe und
unter denen wenigſtens die älteren Damen ſchon alle
bis zu einem gewiſſen Grade auch gelitten haben.
Fiaangen wir alſo an bei den Schatten ſeiten
des ſog. Altjungfernſtandes, ſo muß zuerſt geltend
gemacht werden, daß die nicht verheiratheten Mäd-
chen, wenn ſie i Dee ich dee, eee n TT
milie verbringen können, allein in der Welt daſtehen,
allein in Freud und Leid, allein in ſchwierigen Ver-
hältniſſen; infolge deſſen entwickelt ſich ihr Charakter
oft einſeitig, hart und ſelbſtſüchtig. Sie müſſen auf
viele Freuden des geſellſchaftlichen Lebens verzichten,
und die Abgeſchloſſenheit und Einſamkeit hat bisweilen
eine peſſimiſtiſche Weltanſchauung zur Folge, wobei
ſie alle Dinge von ihrer ſchlimmſten Seiten betrach-
ten und darnach urtheilen. Tanten ſind ſie in der
Regel, aber nie hören ſie das füße Wort „Mutter“.
Vielfach entbehren ſie auch eines geregelten Haus-
haltes, wodurch ſie ſich manches Opfer und manche
Entſagung auferlegen müſſen; aber ſie ſtehen ſelten
ſo hülflos da, wie ein alter Janggeſelle, der bei
tauſend Kleinigkeiten die helfende Hand vermißt und
nicht einmal im Stande iſt, ſich ein Tröpfchen „See-
lentroſt“, genannt Kaffee, aufzuſchütten. In Krank-
30. Jahn
heitsfällen ſind ſie auf fremde Hülfe angewieſen, oder
ſie müſſen ſogar in Hoſpitälern Heilung ſuchen; kein
Wort herzinniger Theilnahme tröſtet und erquickt ſie,
und in ſolchen Lagen mag wohl das Alleinſtehen am
ſchmerzlichſten und bitterſten empfunden werden.
Den alten Jungfrauen fehlt, abgeſehen von den
Lehrerinnen — die Nonnen laſſe ich ſelbſtredend ganz
außer Betracht, — vielfach ein beſtimmter Beruf und
Lebenszweck, und dieſer iſt es, welcher doch haupt-
ſächlich dem Leben Halt, Werth und Reiz verleiht.
Sind ſie gutmüthig und verfügen ſie über das, was
man „Moſes und die Propheten“ nennt, ſo werden
ſie von hungrigen, beutefüchtigen Verwandten und
Bekannten umſchmeichelt und leider oft genug hinter-
gangen und betrogen. Ich kann nicht behaupten, daß
die Welt ſie mit den freundlichſten Augen betrachtet,
denn in den Augen dieſer bekanntlich ſehr böſen Welt
ſtehen die alten Jungfern in dem Rufe der Neuig-
keitskrämerei und Spionage, die als echte Klatſch⸗ und
Kaffeeſchweſtern die ſchmutzige Wäſche anderer wa-
ſollen und auch wohl reine Sachen ſchwarz machen
Daß das vorkommt, iſt ſicher; aber geſchieht denn
verheiratheten Frauen? Wir wollen dieſen durchaus
nicht zu nahe treten, behaupten aber gerabeaus und
auch wohl mit Recht, daß viele Frauen im Punkte
des Schwätzens und Klatſcheus wenigſtens ebenſo viel
leiſten als die alten Jungfrauen. In vielen Fällen
ſind wahrſcheinlich die Frauen in dieſer Hinſicht noch
leiſtungsfähiger und auch noch mehr den Verſuchungen
des Klatſchens ausgeſetzt, als die allein ſte benden
Mutter mehrere ſchon nicht mehr ganz junge Töchter
in den Hafen der Ehe hineinbugſiren will. Da wird
auch manches Wort über dieſe und jene, über dies
und das gesprochen, was bei Licht beſehen, oft etwas
anders ausſieht. Die Conkurrenz, der unlautere
Wettbwerb, gegen den man im nächſten Reichstage
ein Extra⸗Geſetz machen will, zeitigt auch hier zuweilen
ſonderbare Früchte.
Die Altjungfern haben manche Fehler, wie über-
Altjungfern tritt manchmal das Phariſäerthum in recht
häßlicher Geſtalt auf, während man 5 fich geht
gleich eine ganze Anzahl Entſchuldigungsgründe für
alle möglichen Dinge in Bereitſchaft hält. Oft iſt es
die früher etwas hochmüthig war und manchen Korb
ertheilt hat, nunmehr zur Strafe „ſitzen 9591 0
iſt. Daraus entwickelt ſich wiederum auf Seite der
Verheiratheten manchmal das Beſtreben, die früher ſo
Spröde, nunmehr aber Verlaſſene, ſtrenger zu über-
wachen, alle ihr Charakterzüge und Eigenſchaften mit
der Lupe zu betrachten und vieles, was eben anders
ſein könnte, was aber vielleſcht noch nicht einmal ein
Fehler, ſondern nur eine Unvollkommenheit, eine
Schwäche iſt, als etwas ganz Häßliches anzusehen
und andere vor dieſer Perſon zu warnen. Auf ſolche
Weiſe wird ſie manchmal ſcheu gemieden, ohne daß
man ſelbſt recht weiß, warum. Das iſt ſicher, daß
gerade die Angehörigen des ſchönen Geſchlechts über
ihre Geſchlechtsgenoſſinnen oft recht harte, ja liebloſe
Urtheile abzugeben pflegen, viel mehr als ſolches bei
den Männern der Fall iſt. Aus all dieſen Gründen
e ee ae 50 1 zu wundern, wenn der
_ jungferlichen Eigen mei ter
iſt, 81 er 15 verdient. ee .
So viel zu ihrer Vertheidigung und zur Beri
tigung falscher Anſichten über die a
Schattenſeiten der Eheloſigkeit bei den Damen. Dem-
gegenüber erfreut ſich ihr Stand aber auch ganz be-
deutender hellleuchtender Lichtſeiten, deren Strahlen die
vorhin wahrgenommene Dunkelheit wohl zu verſcheuchen
im Stande ſind. Die Haupt⸗Lichtſeite iſt nämlich die
leit, welche die Unverheiratheten in der
Verdienſte ſie ſich dabei bereiten können, läßt ſich in
dem Rahmen unſeres heutigen Artikels nicht ausführen,
weshalb wir unſere geehrten Leſerinnen um etwas
Geduld bitten. In einigen Tagen gehts weiter. Wir
weiſen jedoch auch darauf hin, daß trotz des ſchon
begonnenen Quartals noch immer neue Abonnenten
hinzutreten können, und bitten, daß man uns nach
haupt jeder Menſch ſeine mehr oder weniger großen
Fehler hat. Aber, was man bei einer ſo alleinſtehen-
den Dame bemerkt, fällt gleich viel mehr auf, wird
viel genauer abgewogen und beurtheilt. Man ver-
langt oft von ihr, das zu lönnen und zu thun, deſſen
ſich ihre genauen Beurtheiler und weiblichen Richter
ſelbſt nicht rühmen können. Gerade gegenüber den
2
9 elene (Rachbruck verboten.)
+
31) Erzählung von Th. Küſter.
. Haſtig hatte Marie den Brief geöffnet. Die Adreſſe
war von Helene's Handſchrift, auch der Brief ſelbſt. Ihre
Augen flogen über die
„Frohmann“ haften blieben. Sie las:
dankt Dir beſtens für Deine Fürſorge; er
nen Rath befolgt, ſich an das Direktorium des dortigen
Gymnaſiums gewendet und wird in einigen Tagen zum
—_ Bwed perſönlicher Vorſtellung in Deiner Vaterſtadt ein-
treffen. Mit Dir wünſche auch ich von Herzen, daß der
brave Menſch die Stellung erhalten möge: auch um Dei-
netwillen, denn Du haſt dann einen guten und treuen
Freund in Deiner Nähe.“ — . .
„Er kommt! ſagte aufathmend zu ſich Marie. Dann
las ſie weiter, was Helene ihr ſchrieb von ihrem Glück und
ihrer Liebe zu Dalberg, die ihr ganzes heißes Herz mit
Leidenſchaft erfüllte. . ©
Kurze Zeit vorher hatte Marie Achten in einer Geſell-
schaft zufällig gehört, daß einer der Lehrer des Gymnaſi-
ums ſeinen Abſchied genommen habe und die betreffende
Stelle neu beſetzt werden ſolle. Durch ihre Freundſchaft
mit Frohmann kannte ſie deſſen ſpecielles Lehrkach genau
und wußte, daß er der Mann ſei, gerade dieſe Stelle aus-
zufüllen. Sofort hatte ſie deshalb an Helene geschrieben,
ihr das Weitere mitgetheilt und ſie gebeten, Herrn Froh
mann aufzufordern, als Bewerber um die erledigte telle
aufzutreten. Die Antwort auf dieſen Brief war es, welche
ſie ſoeben erhalten. „ S
Marie war ſehr vergnügt über die mögliche Ausſicht,
Frohmann in Zukunft in derſelben Stadt zu haben, und
um ihre Freude auch weiter mitzutheilen, eilte ſie nach dem
Hinterhaus zu Frau Gerhard, welcher ſie Alles vom Schloß
Wiittenhoff zu erzählen pflegte. Sie war eine ſtets 10
teilnehmende Zuhörerin und bei ihr konnte ſie ſo recht
von Allem ſprechen, was ihr Herz bewegte, Frau Gerhard
fragte immer ſo theilnehmend nach Maries Freun din He-
lene und intereſſirte ſich für Alles, was dieſelbe anging.
N Als ſie ihr vom Tode des armen Bruno erzählt, da war
Marie erſchreckt, wie bleich, wie angegriffen Frau Gerhard
plötzlich geweſen; ſie hatte dann ihren Sohn Max an ſich
wie Thränen ihre Augen
dachte Marie, müſſe den Ge-
danken haben, daß vielleicht auch ihr das einzige Kind ent-
riſſen werden könne — ihr Max, denn ſo nur konnte ſie
ſich ihr — man konnte ſagen: hyſteriſches Schluchzen bei
der Nachricht erklären, nur ſo die große Aufregung, welche
Und jener Gedanke mußte
denn ſie war ſeitdem womöglich noch ſtiller, noch trauriger
10 10 1 7 und mehr denn je war Max ihre Sorge ge-
widmet. — ;
Auch jetzt ſprach Maxie wieder eingehend und lange
Schloß Wittenhoff im Allgemeinen
und über Herrn Frohmann insbeſondere. 5
5 err Frohmann iſt ſo gut, ſagte ſie, „und ſo tüchtig;
ich werde ihn bitten, daß er Max Privatunterricht, gibt,
und ich weiß, er thut es mit Freuden. Unter einem ſolchen
Lehrer wird er bald ſeine Wißbegierde befriedigt ſehen.
Frohmann wird Ihnen gewiß ſehr gefallen, Frau Gerhard.
Nicht wahr, er darf Sie beſuchen? — Ich habe iom von
Ihnen und von Mar viel erzählt und er untereſſirte ſich
ſchon, ohne ihn zu kennen, für den wiſſensdurſtigen Kna-
ben. Ich zweifle nicht, er wird auch Ihr Freund werden,
wie ich Ihre Freundin geworden bin.“ . ;
„Ihre Freunde werden ſtets auch die Meinen ſein.
Fräulein Achten, entgegnete Frau Gerhard; „und auf
Herrn Frohmann, von dem Sie mir ſo viel Gutes erzählt
haben, bin ich nun ganz beſonders neugierig und habe
ſchon von vorn herein das güſtigſte Vorurtheil für ihn
— wohl, weil Sie ſich ſo lebhaft für ihn intereſſiren.“ —
Marie erröthete leicht 8 ;
„Ach Gott, hübſch iſt er nicht!“ rief ſie lachend: Kim
Gegentheil. Aber er iſt ſo gut und immer ſo heiter und
für Anderer Wohl beſorgt, und dann beſitzt er ein tüchti-
ges, ausgedehntes Wiſſen und iſt dabei ſehr beſcheiden.
Große Urſache, um heiter und glücklich zu ſein, hat er
dieſer Richtung nicht vergeſſen möge.
Deutſches Reich.
. Berlin, 4. Jan.
— Die Tabakſteuervorlage wird im Reichstag
wohl noch etwas auf ſich warten laſſen. Es ſind
erſt noch mancherlei Meinungsverſchiedenheiten m
und ich glaube, er muß ein Dichter ſein, weil er ſo
entzückt iſt und ſo ſchwärmt für alles, was ſchön und
falls muß er ein gutes, edles Herz haben wenn
er ſo It, wie Sie ihn ſhildern, ſagte Frau Gerhard nach-
Marie ſich wieder entfernt hatte,
gerathen ſei für ſie, den
ſehen. Aber ihre alte Amme
„Ouälen Sie ſich doch damit nicht auch noch, ani.
Frau Gerhard, wollte ich ſagen. Glauben Sie nur, de
reiherr wird gewiß Alles gethan haben, was in ſeſine
kräften ſtand, um ſich den einzigen Erben zu erha ten.
denn von unſerm Max weiß er ja Nichts, meinte die al
Amme. „Und Recht on Be ihm ſchon, daß er jetzt de
Schmerz hat, das große Beſitzthum an die feindliche L
eigentlich nicht, denn er leidet ſehr an den Augen; aber
dennoch dankt er Gott für Alles, was er Schönes erblickt
; *
fallen zu ſehen (Forlſetzung folgt.)