Frſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ u. Feiertage.
Amrkis vierteljährl. Mk 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſtauf-
ſchlag. Beſtellungen bei den Poſtanſtalten u. der Expedition.
Redaktion und Verkag von Jof. Eremerius, Heidelberg.
Anzeige Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Eberbach, Sinsheim, Eppingen, Weinheim, Schwetzin-
gen, Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Walldürn e.
Gebr. Huber, Heidelberg, Zwingerſtr. 7.
5 Zwingerſtraße 7.
Nr. 104
Druck von
e
30 n,
—
auf ſo vulkanöſem Boden möglich war. In Bul-
garien, dem eigentlichen Feuerherde des Balkans, hielt
Stambul ow alle Regungen nieder und alle frem-
den Einflüſſe ferne, Prinz Ferdinand erfreute ſich der
Sympathie der Centralmächte, durch die Geburt des
Prinzen Boris ſchien ſeine Dynaſtie geſichert und
Bulgarien befeſtigte ſich zuſehends. Nur eine Macht
ſtand grollend abſeits: das heilige Rußland. Die
einſtige Liebe und Freundſchaft zwiſchen dem Befreier
und dem Befreiten hatte ſich in Feindſchaft ver-
wandelt und nur der Beſonnenheit des Herrn von
SGiers und der Friedensliebe des Kaiſers Alexan
ders III. war es zu danken, daß dieſer Zwiſt nicht
gefährliche Formen annahm. Man ſuchte von Ruß-
and aus immer noch durch Sendlinge zu wirken.
Stambulow machte ſehr kurzen Prozeß mit ſolchen
Leuten: er wies ſie aus und ihre bulgariſchen Ge-
Die ruſſiſche Diplomatie hatte keine Erfolge auf-
© daß ſie ſo gerne zur Sa-
trapie des Zarenreiches gemacht hätte. Aber was
den Diplomaten nicht gelang, das gelang dem Pro-
klurator des heiligen Synod, dem ſchlauen, rückſichts-
loſen Pobedonoszew. Religiöſe Hebel wurden
in Bewegung geſetzt, auf die bulgariſche niedere und
höhere Geiſtlichkeit ſuchte man von der Newa aus zu
wirken und man fand in dem Metropoliten Clement
und dem Archimandriten Waſſilij willige Werkzeuge.
Dieſe beiden Männer, dieſe Typen unduldſamer
ärgſter Orthodoxie, wußten Mittel und Wege,
um im Lande Bulgarien ruſſophile Strömungen die
Oberhand gewinnen zu laſſen. Stambulo w' s
Sturz iſt nicht in letzter Linie ein Werk
der Orthodoxie, der ruſſiſchen Kirche und die
jetzt im Innern des Landes auftauchenden Schwierig-
keiten finden vielfach ihre Erklärung, wenn man weiß,
wie dieſe Herrſchaften wühlen und hetzen. Es mag
ihnen ein Stein vom Herzen gefallen zu ſein, als
} 250 1 er Jond erlin g. (Nachdruck verboten.
$ 8 Roman von Philipp Laicus.
„Aber zwei Dinge will Gott, wenn Du Dich zur Hei-
rath entſchließeſt, fuhr Lebrecht fort: erſtens, daß Du
Dich wohl prüfeſt über die Pflichten, die Du durch die
Ehe übernimmſt; daß Du Dein Gewiſſen wohl erforſcheſt,
ob Du ſtark genug biſt, ſie zu erfüllen. Als Frau biſt Du
der Mittelpunkt einer Familie, um den ſich alles dreht,
keine Widerwärtigkeit darf Dich kleinmüthig machen, denn
Du mußt der Troſt Deines Mannes in Widerwärtigkeiten
ſein, zu Dir flüchtet er ſich aus den Schlachten des Le-
bens; Du, ſelber ringend von früh bis ſpät, mußt ihn
tröſten, aufrichten, Du mußt ihn pflegen, wenn er krank
wird, für ihn arbeiten, wenn er unfähig wird, Deine Sor-
gen, Deine Leiden mußt Du tragen, und die ſeinigen thei-
len; und wenn Gott Dir Kinder gibt, mußt Du die Skla-
vin Deiner Kinder ſein; Du mußt die Keime der Tugend
in ihnen pflegen, Du mußt für ſie denken und handeln,
Du darfſt nie mürriſch and träge ſein, keine Launen haben,
Du mußt ſie ſo erziehen, daß Du vor den Richterſtuhl
Gottes treten und ſagen kannſt: Hier ſind die Seelen der
Kinder, die Du mir gegeben, da gebe ich ſie Dir zurück:
alles Schöne habe ich entwickelt, alles Edle gefördert; jede
böſe Neigung habe ich bekämpft und unterdrückt.“
„Ja, aber Onkel, das iſt ja furchtbar, wenn man das
ſo erwägen wollte, würde kein Menſch heirathen?
„Du brächteſt das auch in Deinem Leben nicht zu
Stande: das hat auch der gütige Gott eingeſehen, und er
hilft Dir deshalb, wenn Du ihn recht darum bitteſt; er
gibt Dir darum ſeinen Segen, er ſpendet Dir ſeine Gnade
darum gehſt Du in die Kirche und empfängſt die Ehe als
wollen die göttliche Richtſchnur auch hier korrigtren, und
meinen, das ſei nicht nöthig; die Ehe brauche nicht auf
Gott, ſondern nur auf den Paragraphen ſo und ſo viel
des Geſetzbuches gegründet zu werden, und da ſei ſchon
alles gut; wer noch ſo thöricht ſei, das höchſt fragliche
Weſen, das man Gott nenne, zu bemühen, der möge das
tun, ſie wollten Niemanden hindern; die Hauptſache aber
Stambulow von Mörderhänden ſeinen frühen Tod
fand, und wohl Niemand empfand wohl darüber,
aber große Genugthuung, als die Führer der bulgari-
ſchen Deputation in Petersburg. Und wer waren
tus Waſſilij.
freundlich begegnete und die
ſtunden, die der übrigen kaum fünf Minuten. Die
ruſſiſche Regierung zeigt damit ganz offen,
daß ſie es nur mit der Orthodoxie zu
thun haben wolle, in ihr erkannte ſie eben das wirk-
ſamſte Mittel, um den Bulgaren wahre Liebe zu
„Väterchen Zar“ einzuflößen. 8 „
ruſſiſchen
Wenden wir uns von der Thätigkeit der
Orthodoxie in Bulgarien ab und werfen wir einen
Blick nach Macedonien, ſo bietet ſich uns dort
daſſelbe Bild orthodoxer Wühler ei. Die
nach Macedonien übertretenden und ſich zu Banden
zuſammenſchaarenden Bulgaren handeln im Einver-
in Konſtantinopel ſeine Hand dabei im Spiele hat,
erſcheint um ſo wahrſcheinlicher, als er gerade im
gegenwärtigen Moment mehr denn je beim Großvezir
Said Paſcha auf die thatſächliche Errichtung mehrerer
Bisthümer dringt. 8 a 0
Italiens Stolz iſt bekanntlich die erythräiſche Kolonie
Fleck Erde ſchon ſein Leben gelaſſen. Nun gährt es
wieder in jener Kolonie und König Menelik wendet
ſich offen gegen die Italiener. Wer hat ihn
dazu aufgeſtachelt? Rußland, und wer iſt der
heiligen Synod Pobedonoszew! Er will in
Abeſſynien und den angrenzenden Ländern der ruſ-
ſiſch⸗ orthodoxen Kirche Eingang ver-
den König Menelik und die Italiener haben nun wie-
der ihre liebe Noth. Allerdings ſcheint es, daß man
ſei offenbar die, daß die Legalität der Kinder und deren
Erbrecht feſtgeſtellt ſei, und dazu genügt denn auch vollſtän-
dig der Civilact. Wenn
conſequent ohne Gott erziehſt, wie Du ſie ohne Gott em-
pfangen, ſowerden ſie Dir zuerſt auf den Schoß und dann
auf das Herz treten, und bei lebendigem Leibe werden ſie
Dich beerdigen.“ ; 1 S
„Davon iſt aber auch bei mir gar nicht die Rede.“
„Jetzt höre, was Gott noch will.“ A 1
„Nun, Onkel, ſprich!“ 1 (
„Dieſe Fülle von Pflichten iſt ſo groß, daß Gott Dein
übernehmen geneigt biſt oder nicht, mit wem nicht. Gott
duldet darin keinen Zwang. Heirathen müſſen, das Wort
exiſtirt nicht vor Gott, es iſt Sünde! Es gibt nur ein Hei-
rathen wollen.“ ' 5 l
„„Aber die Verhältniſſe können einen Entſchluß er-
zwingen, und leider ſind wir in dieſer Lage.“ . ;
Nie dürfen Dich die Verhältniſſe zur Lüge zwingen
Chriſtus ſelbſt iſt uns darin das leuchtendſte Vorbild. Als
er vor dem hohen Rathe ſtand, warf man ihm Gottes-
fältig, eine ſolche wirklich erfinden zu können. Da frug
ihn der Hoheprieſter: „Iſt es wahr, daß Du der Sohn
des lebendigen Gottes biſt?“ Und da ſtand auf der einen
Seite die Geißelung, die Dornenkrönung, der Hohn und
leute, endlich der ſchimpfliche Tod am Kreuze. Wenn je
die Verhältniſſe darnach angethan waren, eine Lüge zu
entſchuldigen, ſo war es hier. Aber er log nicht; er ſagte:
„Du haſt es geſagt,“ und ging den bittern ]
Leidens. Und wenn Du vor den Prieſter trittſt, der Dich
nicht fragt, ob Dir die Verhältniſſe dieſen Entſchluß auf-
genöthigt, ſondern vielmehr, ob es Dein freier ungezwun-
gener Wille ſei, ſo hüte Dich wohl, daß Du ihm nicht
dem lebendigen Gott, und wenn ſein Blitzſtrahl Dich am
f
er einſt der Saphira gethan.“
Ig, meinetwegen würde ich es auch nicht thun, aber
machen will.
Aus alledem geht zur Genüge hervor, daß die
eigentliche Stö-
ropa, A ſien und Afrika iſt.
xander III lebte, war ihren maßloſen Wühlereien ein
Ziel geſetzt. Aber ſeit dem 1. Nov. 1894, wo der
friedliebende Zar die Augen ſchloß, ſind die Dinge
anders geworden. Pobedonoszew und ſein Anhang
0 0O Deutſches Reic t.
J77)%%%%ꝙ AGV
— Zu der Nachricht über die Berufung des Im-
mediatcomites zur Prüfung der Frage, in welchen
Unfall⸗ und Invaliditätsverſicherung
eintreten könne, wird gemeldet, in der vorderſten
richtungen zu beſeitigen, wie die doppelten Schieds-
gerichte, außerdem das Renteuweſen bei der Invalidi-
Ob es möglich ſei,
bei der Krankenverſicherung weſentliche Vereinfachungen
durchzuführen, wird von zuſtändiger Seite einſtweilen
ſtark bezweifelt. S
veröffentlicht der franzöſiſche
— Im „Figaro“ ver
General Munier ein Schreiben, in welchem er die
nem Schloſſe in Lothringen Wäſche und Schmuck-
ſachen geſtohlen habe. Die hieſigen „Neueſt. Nachr.“
ſind dieſerhalb mit Recht
die Ehre des deutſchen Offizierskorps anzutaſten. Da
dies obenein von einem franz. General öffentlich und
mit Namen sunterſchrift geſchieht, ſo zweifeln wir keinen
genheit bemächtigen und dem deutſchen Offizierskorps
Genugthuung ſchaffen wird
— Ueber Peitſchungen u. Knutenhie ben
welche Gefangenen in deutſchen Gefängniſſen ver-
abreicht wurden, erzählt ein Mitarbeiter des „Leipz.
Grenzb.“ nette Dinge. Man könnte die Geſchichle
wohl ein Seiten ſtück zum Alexianerprozeß
ſind. Der genannte Mitarbeiter hat im Sommer
1894 das Zuchthaus „R. in P.“ beſichtigt und man
wegen meiner Eltern, die mir doch auch Gott gegeben hat,
und die ich achten und ehren ſoll.“ ; D
„Ganz beſtimmt; und ich würde es auch ſehr mißbilli-
gen, wenn Du eine Ehe abſchließen wollteſt ohne ihren
die von Gott geſetzten erfahrenen Berather, die Deiner
Leidenſchaft zu Hilfe kommen, die nach ihrem Gewiſſen er-
wägen ſollen, ob menſchlicher Vorausſicht nach eine Ehe
Dir zum Heile oder Unheile gereiche,. Während Du er-
wägen mußt, ob Du bereit biſt, mit dieſem oder jenem
Manne die furchtbare Laſt jener Verpflichtung zu über-
nehmen, ſollen ſie erwägen, ob es gut iſt, daß Du dieſe
Verpflichtung übernimmſt, und wenn ſie meinen, daß es
terwerfen, weil ſie nicht von Leideyſchaft verblendet ſind,
aber die Frage Deiner Bereitwilligkeit mußt Du entſchei-
den, und da hinein darf Dir kein Menſch etwas reden.
Die Frage iſt ganz kurz: Willſt Du dieſen Gläſer?“
„Nein, Onkel! 116 -
„Dann nimm ihn nicht und laß für alle übrigen Ver-
hältniſſe den lieben Gott ſorgen. Die Verhältniſſe ſind nie
ſchlimmer, als wir ſie ertragen können“ ;
„Aber der Vater hat mir geſagt — —
„Run, was hat er Dir denn geſag t?!“
„Daß dieſer Gläser uns vollſtändig ruiniren könne!“
„So? Und hat er auch nicht geſagt auf welche Weiſe?“
„Er hat Wechſel von uns in Händen
„Sieh einmal an!“! ; { „„
»Und der Vater hat gemeint, wenn er noch ein Jahr
hätte ruhig fortarbeiten können, ſo würde er Deckung ge-
habt haben.“ . ; . . 8
„Haſt Du ihn nicht an den Onkel Lebrecht erinnert?
„Ach ja, Onkel, Du biſt ja in Allem meine Stütze,“
ſagte Dora ſchluchzend, „aber Du haſt ja ſelbſt nichts!“
„Nicht? Närrchen] Hat Du mir ſchon in meinen Geld-
u“
„Der Vater hatte auch ein wenig auf Deine Hilfe ge-
t Penfion!“
Hortſetzung folgt )