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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (Januar bis März)

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Nr. 50- 76 (1. - 31. März)
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Donnerstag, den 23. März 1S33

Nr. SS

Anny Ahlers - ein Opfer ihrer Glanzrolle ?
RMl um den TB Ssr ..öMMn Nachtigall" / Krimjualpollzeilichs
Untm'uchimg eiWelLltrt

London, 21. März. Das jähe und tragische
Ende der jungen deutschen Sängerin Anny
Ahlers nach sechs Monaten beispiellosen
Triumphes in England wird jetzt durch eine
sensationelle Aussage ihrer Zofe in ein geheim-
nisvolles Halbdunkel gezogen. Bekanntlich fand
man Anny Ahlers um Mitternacht ohnmächtig
auf der Straße liegen und aus dem ganzen
Befund ergab sich, daß sie aus dem Fenster
ihrer Wohnung gestürzt sein mußte. Man
brachte sie in ein Hospital, wo sie, ohne die
Besinnung wiederexlangt zu haben, gestor-
ben ist.
Die Wohnung der Sängerin, die in England
allgemein die „deutsche Nachtigall" hieß und
verblüffend schnell ein Liebling der Londoner
geworden war, liegt in der Ducheß-Street. Die
Keine, sehr kultiviert 'Möblierte Wohnung wurde
nach Bekanntwerden des Unfalles der Sänge-
rin und nach ihrem schnellen Tod von Men-
schenmassen belagert und ein unbekannter
Mann m diesem neugierigen Menschenhaufen,
der ausrief: „Seltsam, genau die gleichen Fen-
ster wie in der „Dubarry"!" gab ddn Anstoß zu
einer ungewöhnlichen Untersuchung.
Ein Kriminalist hatte den Ausruf gehört,
und, mehr einer Ahnung als einer strengen
logischen Ueberlegung folgend, ging er zur
Wohnung hinauf und unterwarf die Zofe der
Sängerin einem eingehenden Kreuzverhör.
Dies zu einem Zeitpunkt, da allgemein ange-
nommen wurde, die unglückliche Sängerin habe
Luft schöpfen wollen und sei dabei von einem
ihrer häufigen Ohnmachtsanfälle betroffen
worden.
Nach Angabe der Zofe nun, einer gewissen

Vor -em Abschluß des Zmtze-Mrmsses
Der Angeklagte bestreitet die Tötungsabsicht.
Berlin, 22. März. Im Prozeß gegen den
Bankier Hintze wurde heute als erster Zeuge
Kriminalassistent Geißler gehört, der die erste
Vernehmung des Angeklagten vorgenommeu
>hat. Hintze habe ihm ungefragt gesagt: „Ich
biblebe zu, ich habe meine Frau erschossen, ich
7 llwllte mich dann selbst erschießen". Als Hintze
Meiörte, daß seine Frau noch lebte und operiert
31. berde, habe er gerufen: „Gott sei Dank, daß
meine Frau noch lebt". Auf Vorhalten des
Verteidigers, daß eine solche Erklärung des
Angeklagten in den Akten nicht wiedergegeben
fei, blieb der Zeuge bei seiner Aussage.
Ein weiterer Zeuge, Kriminalkommissar
Schwörer, bekundete, Hintze habe sich wieder-
holt erkundigt, ob man seine Tat als Mord
oder als Totschlag ansehe und ob ihm der
Schutz des 8 51 zugebilligt werden könne. Der
Angeklagte erklärte hierzu, er sei immer dabei
geblieben, daß er nicht wisse, wie er zu dem
Schuß gekommen sei. Zu dem Zeugen Schwö-
rer gewandt ries Hintze aus: „Sie haben mich
reingelegt. Jetzt stehe ich hier als Totschläger.
Ich habe den Eindruck, daß der Zeuge wider
kesseres Wissen unter seinem Eid hier die Un-
wahrheit sagt."

Mary Farace, litt die überaus sensible Anny
Ahlers unter bestimmten somnambulen Eigen-
schaften. Sehr häufig ertappte die Zofe ' die
Sängerin dabei, wie sie nachts im Schlaf in
ihrem Zimmer umherging und die ganze Rolle
aus der „Dubarry" spielte und sang. Am an-
deren Morgen wußte selbstverständlich Anny
Ahlers nicht das geringste davon.
Nun mochte es sein, daß die somnambule
Veranlagung von Anny Ahlers m unglücklicher
Weise von ihrer Bühnenbesessenheit, besonders
von ihrer fanatischen Hingebung an ihre
Glanz- und Ruhmesrolle, an die „Dubarry",
vertieft wurde. Einmal, so erzählt die Zofe,
kam sie gerade dazu, wie Anny Ahlers, im
Nachtgewand mit glänzender Sicherheit die
Rolle des „Dubarry" singend, mit geschlossenen
Augen aus dem Fenster ihres Zimmers — da-
mals wohnte sie noch in einem Hotel — wollte.
Eine solche Szene aber enthält das Bühnen-
stück. Anny Ahlers hat einmal als „Dubarry"
aus dem Fenster einer Nähstube zu springen.
Nicht mit Unrecht nimmt man daher an,
daß der unglücklichen deutschen Sängerin ihre
Glanzrolle zum Verhängnis wurde. Um den
Dingen endgültig auf den Grund zu kommen,
hat man nunmehr offiziell eine krnninalpoli-
zeiliche Untersuchung eingeleitet. Ausgehend
von verschiedenen umgestoßenen Möbelstücken
im Schlafzimmer der Sängerin (wie auf der
Bühne) will man versuchen, diesen letzten trost-
losen Akt zu rekonstruieren. Es herrscht aber
kein Zweifel mehr, daß der „deutschen Nachti-
gall" ihre Glanzrolle zum Weg m das große
Dunkel geworden ist.
Die Auffassung des medizinischen
Sachverständigen.
Berlin, 22. März. In der Nachmittagsv'er-
haNdlung wurde zuerst die Zeugenvernehmung
beendet. Anschließend erklärte als Sachverstän-
diger Medizinalrat Dr. Schlegel, daß bei Hintze
keine krankhafte Störung der Gei-
ste s tä t i g k e i t vorliege, durch welche die
freie Willensbestimmung im Sinne des 8 51
ausgeschlossen sei. Ebenso verneinte er einen
pathologischen Rauschzustand oder einen Däm-
merzustand bei Begehen der Tat. Ein Zweifel
an der Zurechnungsfähigkeit könne nicht ange-
nommen werden.
Die Weiterverhandlung wurde dann auf
Donnerstag vormittag» vertagt.
MnzilmpWon nach einem
Autozusammenftoß
Zwei Tote, 14 Schwerverletzte.
Haltern (Wests.)., 22. März. Hier stießen
heute an der Rathausecke zwei auswärtige
Kraftwagen zusammen. Polizeibeamte, Hilfs-
polizisten und zahlreiche andere Personen eil-
ten sofort hinzu.
In diesem Augenblick explodierte der Ben-
zintank des einen Wagens.

16 Personen wurden schwer verletzt. Sie mutz-
ten ins Krankenhaus gebracht werden. Dort
sind dex Polizeihauptwachtmeister Lembke und
ein Hilfspolizist kurz nach der Einlieferung
ihren schweren Brandwunden erlegen.
Die polizeiliche Untersuchung ist im Gange.
Die drei vermißten Touristen
aufgesunben
In erschöpftem Zustand geborgen.
Poutresina, 22. März. Die drei vermißten
Touristen, der Sportlehrer Birkenstock und
Frl. Wörner aus Freiburg und Fräulein
Irmgard Berthold aus Karlsruhe wurden
heute abend durch die von der Vovalhütte
aus aufgebrochene Rettungskolonne aus Pon-
tresina in erschöpftem Zustande nach Morte-
ratsch verbracht. Die Touristen waren bei
schlechtem Wetter von dem Crastagüzza-Sat-
tel aus in die Martha-Nosa-Hütte zurückge-
kehrt. Sie blieben dort, bis sie von der Ret-
tungskolonne aufgefunden wurden.
Der deutsche Flieger Udet, der heute
erneut zu Nachforschungen nach den Vermiß-
ten das Bernina-Gebiet abgeflogen hatte,
mußte im Oberveltlin eine Notlandung vor-
nehmen. Er befindet sich zur Zeit in Sondrio.
Ner ßMMsttelk aus drr Klimontow-
Grube
Furchtbare Szenen vor dem Grubentor
Kattowitz, 22. März. Der Hungerstreik der
Belegschaft der Klimontow-Grube in Sosno -
Witz damrt an. 400 Bergleute befinden sich
noch unter Tage und sind von der Oberwelt ab-
geschlossen, da sie die Förderschake festgelegt und
die Telsfonleitung zerstört haben.
Vor dem Grubentor spielen sich furchtbare
Szenen ab. Die Tore sind von früh bis spät von
den Frauen und Kindern der streikenden Berg-
arbeiter belagert, die laut 'weinend um Hilfe für
ihre Männer und Väter bitten.
Am Montag wurde auf einer Anzahl Gruben
um Sosnowitz ein 24stündiger Proteststreik
durchgeführt, der die Forderungen der Bergleute
auf der Klimontow-Grübe unterstützen sollte.

Kälte in Bayern
München, 22. März, der neue Winter-
einbruch hat heute in Bayern ganz emp-
findliche Kältegrade gebracht. Am kältesten war
es in Bad Tölz mit 10,6 Grad unter Null.
Mittenwald meldete 6 Grad, Bayreuth 5
Grad Kälte. Die Zugspitze meldete 21 Grad
Kälte.
Sehr verschieden ist die Schneehöhe. Die
größte Schneehöhe meldet Mittenwald mit 3k
Zentimeter.
Tödlicher Absturz eines Segelfliegers.
Weißenburg (Mittelfranken), 21. März. Am
Sonntag nachmittag veranstaltete die hiesige
Segelfliegervereinigung Flugübungen. Daiber
stürzte der 19 Jahre alte Spenglergehilfe Karl
Chretien mit einem Schulflugzeug aus etwa
30 Meter Höhe üb.
Chretien wurde schwer verletzt und starb
auf dem Transport im Krankenhaus.

Leichenfund im Grünewald.
Berlin, 22. Mävz. Gestern nachmittag fan-
den Spaziergänger in einer Fichtenschonung
im Grünewald einen etwa 22 Jahre ak^en,
seiner Kleidung nach dem Arbeiterstande ange-
hörenden Mann tot auf. Die Leiche weist
mehrere Schußverletzungen auf. Der Tote trug
das Abzeichen der NSDAP, und eine dunkel-
blaue Schirmmütze mit braunem Kinnriemen.
Legitimationspapiere wurden nicht gefunden.
Die alsbald aufgenommenen NachforschM-
gen der Kriminalpolizei haben noch nicht zur
Feststellung der Persönlichkeit des Toten ge-
führt.
Neuer Höhenweltrekord
Paris, 22. März. Der französische Flieger
Remo ine stellte mit 12 800 Meter einen
neuen Höhenweltrekord auf.
Der bisherige Rekord betrug 11797 Mete«.
Wescrmünder Trawler in Norwegen aufge-
bracht.
Vardoe, 22. März. Das Stationsschiff „Mi-
chael Swrs" hat im Varanger Fjord den
Trawler „Lappland" aus Wesermünde wegen
widerrechtlicher Fischerei aufge-
bracht.
Amerikanischer Bankier verhaftet.
Newyork, 22. März. Der kürzlich vom Prä-
sidium der National City Bank von
Newyork zurückgetretene Charles E. Mit-
chell ist von Bundesagenten wegen Steu e r«
Hinterziehung im Betrage von 657000
Dollar verhaftet und gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 10 000 Dollar freigelassen worden.
Augusta H. Harriman, die Frau des welt-
bekannten Bankiers, hat die Einleitung des
Bankrottverfahrens gegen sich beantragt.

— Eine Barockmonstranz gestohlen. Im Ja-
nuar wurde in Graz der Händler Presern
wegen Verdachts der Beteiligung an Kirchrnei-n-
brüchen festgenommen. Bei einer 'Durch-
suchung seiner Wohnung fand man Schmelzstücke
aus Gold. An einem dieser Stücke fand man das
eingestanzte Meisterzeichen eines im 17. Jahr-
hundert in Frankfurt tätigen Goldschmiedes na-
mens Michael Mayer. Von ihm find in Deutsch-
land nur sechs Arbeiten bekannt. Die Polizei
legt nun Wert darauf zu erfahren, in welcher
Kirche in den letzten Jahren eine Barockmon-
stranz mit dem Stanzzelchen M. M. gestohlen
wurde.
— Material der Zahnpraxis gestohlen. In
Kaiserslautern wurde aus einem Per-
sonenkraftwagen eine Holzkiste mit 38 Packun-
gen, Produkte für Zahnpraxis, gestohlen. Es
handelt sich um Silikat-Zement, Kronen- und
Brückenzement sowie Milchzahn-Zement.

Mehlpreisermäßigung der SLdd.
Grobmühlen.
Mannheim, 22. März. Die süddeutschen
Eroßmühlen haben ihre Mehlpreise mit
Wirkung vom 23. 3. um 0,28 RM. pro Sack
ermäßigt. Die Forderungen lauten für Wei-
zenmehl Spezial Null 31—31,25 RM., für süd-
deutsches Weizenauszugsmehl mit Austausch-
weizen 23—23,25 RM. und für südd. Weizen-
brotmehl m. Austauschweizen 23—23,25 RM.
pro Sack.

ISS Mre deutsche Mtschgstseiicheit
Besinnliches anläßlich der Hundertjahrfeier des deutschen Zollvereins am 24. Mär».
Von Dr. Ansgar Iünger.

„Wann doch, wann erscheint der Meister.
Der, o Deutschland, dich erbaut!"
So haben mit dem Dichter Geibel ganze Men-
schenalter hindurch alle unsere Vorväter m
Sehnsucht gefragt, seitdem der Druck der immer
riesenhafter erstarkenden Großmächte Frank-
reich, England, Rußland unser Deutschland zu
zermalmen drohte. Kein Bild machen wir uns
heute mehr davon, wie sehr unser Vaterland
wegen der Buntschcckigkeit seiner Viel- und
Kleinstatterei Gespött und Beuteplatz Europas
gewesen ist. „38 Zoll- und Mauthli -
nien inDeutschlan d", so klagte der große
NationalRonom Friedrich List damals, „lähmen
den Verkehr im Innern und bringen ungefähr
dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glie-
des menschlichen Körpers unterbunden wird, da-
mit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe.
Um von Hamburg nach Oesterreich, von Berlin
in die Schweiz zu handeln, hat man 10 Staaten
zu durchreiten, 10 Zoll- und Marktordnungen
zu studieren, 10 mal Durchgangszoll zu bezah-
len. Wer aber das Unglück hat, aus einer
Grenze zu wohnen, wo drei oder vier Staaten
zusammenüoßen, der verlebt sein ganzes Leben
mitten unter feindlich gesinnten Zöllnern; der
hat kein Vaterland." List hat recht: „Dieselben
Deutschen, die zur Zeit der Hansa unter dem
Schutz eigener Kriegsschisse den Welthandel trie-
ben", die sahen nun „mit neidischen Blicken über
den Rhein, wo ein großes Volk vom Kanal bis
an das Mittelländische Meer, vom Rhein bis an
die Pyrenäen, von der Grenze Hollands bis
Italien auf freien Füßen und offenen Landstra-
ßen Handel treibt, ohne einem, Zöllner zu be-
gegnen." Paul Pfizer, der geistvolle Schwabe,
faßte die Sehnsucht unserer Väter in die For-
derung zusammen: „Wenn wir keine Na-
tion sind, warum werden wir
L^irre? Wen weil wir keine Nation sind, möge

alles, was deutscher Zunge ist, sich vereinigen
zur Wiedergeburt und Erneuerung des gemein-
schaftlichen ^Vaterlandes."
Wir müssen es sagen — heute, wo man auf
Grund falscher Voraussetzungen den Politi-
sch e n K r ä f t e n der Wirtschaft so miß-
traut —, daß der erste Schritt zur Einheit
Deutschlands getan wurde nicht von der Politik,
sondern der Wirtschaft! Selbst Preußen war als
Staat ohnmächtig, aus sich selber eine Einheit
zu machen. Noch bis 1818 teilte die Elbe die
Monarchie in zwei Hälften, die sich wie „Aus-
länder" gegenüberstanden. Erst am 26. Mai
1818 beschloß mau die Beseitigung aller Bin-
nenzölle innerhalb Preußens zu einer Lebens-
gemeinschaft; erst von nun an bedeutete der
Name Preußen „ein einziges Wirtschaftsgebiet,
und Millionen Deutsche, befreit von all den
verwickelten Zoll-, Durchgangs- und Handelsab-
gaben, welche sie bisher voneinander getrenm,
besiegelten ihre ideale Zusammengehörigkeit in
ungehindertem Verkehr durch die Gemeinsamkeit
aller Lebensinteressen "
Dieser Anstoß desZusa m m e n s ch l u s-
ses wirkte über die preußischen Grenzen hinaus
auf die Nachbarstaaten. Man lächle nicht über
den Staatsvertrag zwischen Schwarzburg-Son-
dershausen und Preußen, „unter gehöriger Be-
rücksichtigung der fürstlichen Souveränitäts- und
.Hoheitsrechte" (1819). Denn dies war der erste
Anfang zu einer Einigung deutscher Einzelstaa-
ten auf wirtschaftlicher Grundlage, wie sie sich
dann zwischen 1822 und 1828 zwischen Preußen
und den von ihm umschlossenen kleinen Gebieten
vollzog: Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-Wei-
mar-Eisenach, Lippe-Detmold- Mecklenburg-
Schwerin, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen,
Oldenburg. Doch schon gleich setzte gegen diese
Zusammenschlüsse — sollen wir sagen: echt
deutsch? — eine G e g e n b e w e g u n g ein:

Bayern, Württemberg, Hohenzollern taten sich sammengeschlossen hatten, zwar gegen äußere
im „Süddeutschen Zollverein", Hannover, Sach- Feinde, doch mehr noch um sich gegenseitig -
sen, die thüringischen Staaten, Kurhessen, ihre Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit zu
Braunschweig, Nassau, Hessen-Homburg u. a. im garantieren, also die Uneinigkeit Deutschlands
„Mitteldeutschen Zollverein" gegen den „Preu- in Permanenz zu erklären. Nun, nach dec
ßischen" zusammen!
Da hatte denn der 24. März 1833 die
unermeßliche Bedeutung, daß an diesem Tage
diese Gegengründungen aufgehoben und die
Bereinigungsverträge zwischen dem
Preußischen und dem Süddeutschen Zollverein
geschlossen wurden; Sachsen und Thüringen
schlossen sich dieser Verschmelzung an. Nun er-
füllte sich die Hoffnung Goethes, wie
er sie noch 1828 Eckermann gegenüber ausge-
sprochen hatte: Er sehe den Tag kommen, „daß
der deutsche Thaler und Groschen im ganzen
Reich (so lautet sein prophetisches Wort!)
gleichen Wert habe, daß mein Reisekoffer durch
alle 38 Staaten ungeöffnet passieren könne, daß
der städtische Reisepaß eines weimarischen Bür-
gers von -en Grenzbeamten eines Nachbar-
staates nicht für unzulänglich gehalten werde
als der Paß eines Ausländers. Von Jnmand ., „ „ , _,
und Ausland ist unter deutschen Staaten keine, zitierten Stelle): „Wenn man aber denkt.
Rede mehr." Es" find also nicht Verse aus ----- - ----- ----- - -
einem Witzblatt, die der Dichter unseres Deutsch-
land-Liedes, Hoffmann v. Fallersleben, damals
schrieb:
. . . Pfefferkuchen, Lumpen, Lichter,
Nüsse, Tctbak, Gläser, Flachs,
Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter,
Rettich, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs!
Und ihr andern deutschen Sachen,
Taufend Dank fei euch gebracht!
Was kein Geist je konnte machen,
Ei, das habet ihr gemacht:
Denn ihr habt ein Band gewunden
Um das deutsche Vaterland,
Und die Herzen hat verbunden,
Mehr als unser „Bund" dies „Band".
Unser „Bund", d. h. der „DeutscheBun d"
vom Jahre 1815, -in dem sich die „souveränen
Fürsten und freien Städte Deutschlands" zu-

Gvündung des Deutschen Zollvereins konnte
der deutsche Michel ausschreiten, nun verflog
das Vorurteil, das noch heute in manchen
Köpfen schattet: daß die Deutschen auf ein rein -
innerliches Leben angewiesen seien. „Diese
menschenscheue Zurückziehung auf sich selbst",.
so sagt Plizer, „diese krankhafte Richtung nach
innen, die Zaghaftigkeit und das linkische We-
sen im Handeln ist lediglich die Folge ihrer
Zerrissenheit und der davon unzertrenn-
lichen bodenlosen Armseligkeit ihrer staatsbür-
gerlichen Verhältnisse, der absoluten Nichtig-
keit und Spießbürgerlichkeit allen öffentlichen
Treibens, wobei ein minder lebenskräftiges
Volk schon lange ganz verkommen wäre".
Eine Gefahr war gewiß und ist noch
heute mit der deutschen Einheitsbewegung ver-
bunden: Einheit ist nicht Zentralisa-
tion! Goethe sagt uns noch heute (an der.

die Einheit Deutschlands besteht darin, das^
das sehr große Reich eine einzige große Resi-
denz habe und daß diese eine große Residenz.
.... zum Wohle der großen Masse gereiche,.
so ist man im Irrtu m". Er wußte es: Ber» -
lin ist nicht Weimar, nicht München, Dresden,,
Stuttgart, Köln. In der Vielfalt unserer f
Stämme liegen die Wurzeln der deutschen Kul-
tur, so wie der eingangs genannte Geibel es
bei derselben Gelegenheit erklärt hat:
„Auf der Harfe -laut und leise
Sind gespannt der Saiten viel)
Jode tönt nach ihrer Weise,
Dennoch gibt's em klares Spiel. . .
Eins nach außen, schwertgewatdig,
Um ein hoch Panier geschart!
Innen reich und vielgestaltig,
Jeder Stamm nach seiner Art."
 
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