«SW »
samsrag, oen rv. Marz rvss
des Schwebenden, des sich Hebenden, eben des
Vergeistigten einflößt; die neuen Meister-
werke verraten das gerade Gegenteil: Nicht
die persönliche Vergeistigung, sondern die
Macht der Masse und ihre Begeisterung. Von
einem Donnern wie vom Schritt Hunderttau-
sender Menschen scheinen sie zu hallen. Ihr
Streben ist Wucht; die Mittel ihres Aufstiegs
sind nicht harmonische Formenausgleichungen,
sondern dynamische Formen der Multiplika-
tion und Addition. Genau nach dem, was in
ihnen getan wird: nämlich gerechnet, abge-
wogen, abgemessen .geladen und entladen, ge-
nau so sind sie gebaut.
In dieser Art ist es zweifellos eine vollkom-
mene Leistung. Und da die neue Bauart Ita-
liens sich keineswegs so äußert oder so aus-
sieht, als ob sie alles anders Geartete vernich-
ten wolle, sondern im Gegenteil so, als ob sie
es mit einordnen wolle in die neue Marsch-
ordnung der Massen und der Zeit, ist sie,
wenn ich so sagen darf, eine bauliche Gebärde
Die Lösung des Problems ist so verblüf-
fend und dabei schließlich so einfach wie nur
möglich: es ist im Grunde nichts anderes als
das, was wahrscheinlich schon die Jäger der
Steinzeit getan haben, wenn sie Rehe lockten.
Auch Mücken und Moskitos werden jetzt in den
Tod gelockt,
indem man einfach das Summen der weib-
lichen Vertreter dieser unsympathischen Jn-
scktengattungen imitiert,
worauf prompt die Männchen angesaust kom-
men, um in vorher mit Gas geschwän-
vom Sinn des Faschismus. Sie will alle Be» ebenfalls nicht vorhanden, wenn auch Hintze
rufe, alle Teile des Volkes auf ermutigende, als Hysteriker und Phantast bezeichnet werden
begeisternde Weise einordnen in den Staat, so könne. Hier fei das Leiben einer Persönlichkeit
daß dieser Staat durch alle eingeordneten, Ar-
beit schaffenden und Arbeit verzehrenden Teile
des Volkes auf ermutigende, begeisternde
Weise einordnen in den Staat, so daß dieser
Staat durch alle eingeordneten, Arbeit schaf-
fenden und Arbeit verzehrenden Teile des
Volkes funktioniert und sich ständig neu bil-
det. Von dieser Idee des Faschismus, von die-
ser seiner Bildung durch Funktion sind die
Gebäude, von denen hier gesprochen wurde,
gewaltige und zugleich bildhaft gefällige, sinn-
berauschende Zeugen.
Der Leser soll nun nicht etwa denken, es
seien das alles nur Absichten, Dinge, die nur
auf dem Papier ständen. Diese Gebäude gibt
es, die Stadt, die sie errichten ließ, gibt es: sie
heißt Vrescia und ist die italienische Stadt,
die als erste ein geschlossenes Bild vom Fa-
schismus in Stein schaffen ließ. Ueberall. wo
neu gebaut wird, prägt sich auf diese Art der
Faschismus aus. Ueberall will er Stil wer-
den. In den ganz neuen Städten, die auf
dem entsumpften Gebiete der Campagna er-
wachsen wie in den altbekannten Städten.
Mehr oder weniger schnell, je nach den Mög-
lichkeiten. Doch selbst in Rom, dem uralten
und heiligen.
Hans Roselieb.
Ist RMensmser von Rugby
Auf Radiowellen in den Tod.
Eine Wundermär kommt aus dem britischen g er t e n G e b ü s ch e n und Gehölzen zu
Forschungslaboratorium im Rugby (Lon-
don), wo seit langem eine Gruppe deutscher
und englischer Gelehrter ganz eigenartige M e-
t Hoden zur Vernichtung von In-
sekten und zwar speziell von Moskitos und
Mücken ausgearböitet hat. Man hat, ohne vor-
erst damit in die Oeisentlichleit zu treten, jene
Methoden in ganz besonders ausgeprägten
Moskitogebieten in Indien erprobt und mel-
det nun, daß das Verfahren sich weit über
alleErwartungenhinaus bewährt
habe.
Die Lösung des Problems ist si
send und dabei schließlich so einfach
Die erste Stabt des Faschismus
Di« Nadi iaiWIWr SEUaier / Sn MarUalaß mit Nr MatlWn
staazel / BaawM und SimtOinlUon
Ist nicht Rom die erste Stadt des Faschis-
mus? Wenn Stadt die Verwaltungszentrale
und Herrschzentrale bedeutet, gewiß. Aber
könnte Stadt nicht auch noch etwas anderes
sein? lleberlegen Sie nur dies: Nun schon
seit Jahrhunderten finden in den hervor-
ragendsten Städten Europas wichtige Volks-
versammlungen unter freiem Himmel statt
Aber hat jemals ein Stadtbaurat aus dresem
öffentlichen Umstand eine bautechnische Fol-
gerung gezogen? Staunen die Besinnlichen
unter uns nicht immer wieder gerade darüber,
daß von den verantwortlichen Stellen in fast
allen Ländern des Abendlandes an den neuen
Formen des modernen Lebens entweder vor-
bei gesehen oder vorbei gehandelt wird, wenn
das Moderne nicht gar als etwas an und für
sich Schlechtes bekämpft wird!
Wie überrascht muß man da sein, zu hören,
daß das faschistische Italien so bauen will,
daß nicht nur jedes Gebäude für sich seinem
Zwecke auf moderne praktische Weise gerecht
wird, sondern außerdem auch so, daß die Häu-
ser keine gleichgültige oder bissige Fratzen ein-
ander zuschneiden, sondern trotz aller Mäch-
tigkeit voll heiterer Freundschaft zueinander
abgestimmt sind. Sie sollen auch einen Platz
,mit einem besonderen Sinn, also einForum
bilden. Und da wird die neue Bauweise an-
tik; da berührt sie sich mit der weitesten und
größten italienisch-römischen Vergangenheit.
Der Sinn des Forums wird heute am besten
durch eine Kanzel ausgedrückt, die an einer
Seite des Platzes auf Treppen weit vor-
ragend gebaut ist. Wahrhaftig! Eine Kanzel!
Versehen mit halb erhabenen Steinbildern,
stummen und doch sprechenden Zeugen aus
den großen vergangenen Zeiten der Stadt.
Nämlich ein Rednerpult für jene Stunden, wo
die Zeitgeschehnisse zu einer Aufklärung vor
der gesamten Bevölkerung drängen, sei es
durch den Bürgermeister, durch die Führer der
Organisationen, sei es durch einen Minister
oder durch das Staatsoberhaupt selber. Aber
auch zur Feier bei den Festen der Gemeinsam-
keiten dient diese großartige Kanzel.
Rund um diese Kanzel, der Stolz der Be-
völkerung und ein Zeichen ihres Gewissens,
erheben sich Hochhäuser. Nicht gerade Wolken-
kratzer, doch turmhaft hohe Gebäude des
öffentlichen Dienstes: die Post, Banken, Ver-
sicherungen. Jedes, besonders die Post, auf
allermodernste Weise eingerichtet. Jedes steht,
vernichtet worden, die einen großen Namen als
Künstlerin gehabt habe. Da es sich um einen
Fall handle, der hart an Mord grenze, sei «ine
Strafe von 12 Jahren Zuchthaus angemessen
gewesen.
Wegen Verlusts der Stellung ln
-en To-
Ehepaar begeht Selbstmord.
Berlin, 23. März. Der Chefingenieur der
Reichsrundfunk G. m. b. H., Waler S ch ä f -
fer, der vor etwa 14 Tagen aus seiner Stel-
lung entlassen worden war, hat heute morgen
feinem Lüben «m Ende gemacht. Gemeinsam
mit ihm ist seine Frau freiwillig in den Tod
gegangen. Die Eheleute haben sich mit Gas
vergiftet.
Kummer über den Verlust der Stellung des
Mannes und Nervenzerrüttung sollen den An-
laß zu der Tragödie gegeben haben.
2V Mmuglvagtli in tim Schlucht
gestürzt
Drei Tote, neun Verletzte.
Avila (Altkastilien), 24. März. In der
Nähe der hiesigen Stadt entgleiste beim Pas-
sieren einer über eine 30 Meter tiefe Schlucht
führenden Brücke ein Güterzug. 2V Wagen
stürzten in die Tiefe.
Dor Zugführer und zwei Zugbegleiter wur-
den getötet, neun Eisenbahnen wurden verletzt.
Bamlom will -rn Zeppelmhasrn
Barcelona, 24. März. Vor dem hiesigen
Stadthaus sand gestern abend eine imposante
Kundgebung der sportlichen Vereinigung „Pro
Zeppelin" statt, um das durch innerpolitische
Quertreibereien im Gemoinderat ernstlich ge-
fährdete Projekt des Zeppelinhasens zu stützen.
Taufende von Sportleuten forderten im In-
teresse der Weltgeltung Barcelo-
nas und der Hebung seines Fremdenverkehrs
die Innehaltung des mit der Zeppelin-GeM-
schaft im Dezember 1932 abgeschlossenen Ver-
trages, demzufolge für die im Mai 1933 be-
ginnenden regelmäßigen Südamerikasahrten
sine Zwischenlandung des Luftschiffes auf dem
neu einWvichtenden Landeplatz in Barcelona
vereinbart worden war.
Hand in Hand mit dieser Kundgebung ging
eine schriftliche Protestaktion zahlreicher Pri-
vatleute und des Touristenverbandes für Ka-
talanien und die Balearen unter Mitwirkung
vieler industrieller und geselliger Vereinigun-
gen.
gründe zu gehen.
Die einzige Schwierigkeit war nun, jenes
Summen der Weibchen wirklich naturgetreu
und wirksam zu imitieren. Die Lösung dieses
Problems ist durch die Konstruktion eines spe-
ziellen Radio-Kurzwellensenders
möglich geworden, nachdem man vorher mit
einem raffinierten M i k r o p h o n s y st e m
das Summen der weiblichen Tiere nach allen
Gesichtspunkten wissenschaftlicher Akustik analy-
sierte und es dann mittels besonderer Sende-
methoden vom Kurzwellen-Apparat rekonstru-
ierte.
Es scheint sicher zu sein, daß diese Methode
sich voll bewährt hat. Die Versuche inIndien
sollen tatsächlich zur völligen Befrei-
ung der Gegenden, wo sie veranstaltet
wurden, von dem gefährlichen Ungeziefer ge-
führt haben. Bestätigt sich dies alles in vollem
Umfange, so ist die Bedeutung dieser Neuerung
gar nicht abzusehen. Sie würde nicht mehr
und nicht weniger als eine neue Acra in der
Erschließung und Besiedelung der tropischen
Erdzegenden bedeuten.
wie gesagt, zum nächsten in den allerbesten
Verhältnissen. Dies wirkt so stark, daß sie die
zweitnächste Nachbarschaft, das sind meisterlich
gebaute Gebäude früherer, großbewegter Zei-
ten, Paläste und Kirchen, nicht so stören, wie
befürchtet werden könnte.
Dabei bleibt allerdings der größte Gegen-
satz zwischen dem Alten und dem Neuen be-
stehen: die alten Meisterwerke der Architektur
verraten als herrschende Kraft einen indivi-
duellen Geist ,der die Steine so aufschichtete,
gliederte, eckte, rundete, daß es den Eindruck
KiM zu 12 Zchren Zuchthaus
verurteilt
Berlin, 24 März. Das Schwurgericht ver-
urteilte heute den Bankier Wilh. Hintze ent-
sprechend dem Anträge des Staatsanwalts
wegen Totschlags an feiner Frau, der
Kammersängerin Gertrud Bindernagel,
zu 12 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehren-
verlust.
Der Angeklagte nahm den Urteilsspruch
ruhig aus.
In der Urteilsbegründung führte
der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. TruPP-
ner, aus, daß es sich um eine ungeheuerliche
Tat gehandelt habe. Hintze habe sich eines T o t-
schlags schuldig gemacht. Es könne keine
Rede davon sein, daß Hintze bei Begehung der
Tat nicht im Besitz der geistigen Zurechnungs-
fähigkeit gewesen sei. Mildernde Umstände seien
Vier Kin-rr verbrannt
Foggia (Unteritalien), 24, März. I« einer
aus dem Gebiet der Gemeinde Ichitella ge-
legenen Wohnhütte brach ein Brand aus. Vier
Kinder sind dabei in den Flammen ums
Leben gekommen.
Die Kinder waren allein zu Hanse und im
Schlafe vom Feuer überrascht worden. Der
Vater war bei der Arbeit, di« Mutter hatte
sich entfernt, um Besorgungen zu mache«.
auch so viel Arbeit weniger. Keine zerrissenen
Strümpfe mehr zu stopfen, keine Löcher mehr
an den Ellbogen."
„Wer stopft die dann?" fragte die Baronin
lächelnd.
„Oh, ich selber! Wenns auch nicht so schön
- wird. Mit der Zeit lern ichs schon. Leo braucht
doch auch jemand, der ihm seine Sachen auZ-
bessevt."
Die Majorin nickte schweigend und ging, von
den jungen Menschen gesühnt, den Pfad ent-
lang, der gleich darauf in den großen Obst-
garten des Klausenhofes mündete.
Als Jngöborg vierzehn Tage später mit
Margot Gerauer eintraf, fand sie die beiden
Schwestern als Bräute vor. Ruth streckte ihr
mit einem stillen Lächeln die Rechte entgegen,
während das Rösli ihr einfach an den Hals
flog.
„So früh schon", staunte Ingeburg und strich
die glühenden Wangen der jüngsten Schwester
hercüb. Dann suchten ihre Augen zu Leo Ham-
merstein hinüber, der neben Fritz Ebersbach
stand und wartete, bis die Reihe der Begrü-
ßung an ihn kam. „Also nach Budapest", sagte
sie mechanisch, als das Rösli rasch berichtete,
daß sie dorthin ziehen würden.
. „Du brauchst uns doch sicher!"
Aber Jngeborg sprach das „Ja" nicht, das
sich die jüngste Klausenhoferin bestimmt er-
wartet hatte. Sie schritten jetzt dem Hause zu,
die Stufen hinaus. Jngeborg sah das große
trauliche Wohnzimmer, das ganz vom Glanz
der untevgehenden Sonne erfüllt war und
preßte die Lippen auseinander.
Es w".r noch alles dasselbe und doch so an-
ders. Alles, alles war anders. Immer wieder
suchten Annemaries Augen nach der Tochter
hinüber. Was hatte sich an dem Kind verän-
dert? Was nur? — Sie würde doch nicht auch
-. Der Gedanke ließ ihr den Schlag des
Herzens für den Bruchteil einer Sekunde aus-
setzen. Nein, nein! Nur das nicht! Sie wollte
dies« letzte ihrer Töchter nicht auch schon ver-
lieren. Ruth zog mit ihrem Verlobten nach
München. Das Rösli, das noch kaum die Kin-
derschuh« abgestreift hatte, ging mit dem ge-
liebten Manne nach Ungarn. Aber Jngeborg
mußte ihr bleiben.
Was sollte sie ohne alle ihre Kinder?
Margot ahnte ihre Gedanken und bemerkte,
wie Annsmarre ungewollt eine Träne über die
Wangen lief. Schweigend nickte sie ihr zu. Die-
ses Nicken war die Bestätigung ihrer Besorg-
nis. Annemarie legte das Stück Kuchen wieder
auf den goldgerandeten Teller zurück und griff
nach der Tasse, um wenigstens für sine Sekunde
ihr Gesicht verbergen zu können, das Plötzlich
weiß und starr geworden war.
Später, als die jungen Leute nach dem Gar-
ten gingen und zwischen den Bäumen ver-
schwanden, zog Margot Gerauer die Freundin
in den Erkers wo Klans Süderbloem seine
Frau gleich darauf in Tränen aufgelöst fand.
Und dann erfuhr er auch, was sich in Ost-
ende zugctragen hatte. „Das ist noch glimpf-
lich abgegangen," sagte er ernst. „Ein verhei-
rateter Mann — das fehlte gerade noch. Gott-
lob, daß meine Tochter keines von den Mäd-
chen ist, die sich einem Manne um jeden Preis
an den Hals werfen."
„Aber es tut weh" klang Margots Stamme.
„Und braucht seine Zeit."
„Natürlich," stimmte er ahnungslos zu.
„Aber so viel Charakter muß eine Frau schon
haben, daß sie einer anderen nicht den Gatten
wegnimmt. Selbst, wenn sie ihn mehr lieben
sollte als ihr Löben."
Annemarie suchte mit scheuen Augen zu der
Freundin empor, fand deren Gesicht tief über
das ihre geneigt und küßte sie auf die Stirne.
Zur Nacht aber, als nur m JngeborgZ Zim-
mer noch Licht brannte, kam Klaus Süderbloem
— was seit Jahren nicht mehr der Fall war
— zu seiner Tochter ans Bett und nahm die
kalten Hände in die seinen. „Ich will zum
Herbst nach meinem Onkel in der Steppe sehen.
Kommst du mit?" Er fühlte das Zucken der
schlanken Finger und umschloß sie fester. „Nicht,
Jngeborg?"
„Nein, Papa!"
Dann wandte sie den Kopf zur Seite und
drückte das Gesicht in die Kissen. Er hörte ihr
Wimmern und wurde für eine Minute völlig
ratlos. „Du fürchtest, ihm dort zu begegnen,
Kind?"
Sich in den Ellenbogen aufstützend, sah Jnge-
borg ihren Vater aus verweinten Augen an.
„Du weißt alles, Papa?"
„Ja!"
„Von wem?"
„Von Tante Margot Ich will mir diesen
Taras Szygö einmal ansehen."
Ihr Blick wurde angstvoll. „Es ist ja nicht
— ich meine, Papa — es hat ja nun keinen
Sinn mehr."
„Nur ansehen," beharrte er. „Die Szygös
sind mir nicht unbekannt. Obwohl — darüber
sind nun auch zweiundzwanzig Jahre hingegan-
gen. Weißt du, wo er wohnt?"
„In Budapest," antwortete Jngeborg wi-
derwillig. „Fahr nicht auf, Papa . Ihre Hände
legten sich jetzt bittend um seinen Arm. „Denn
siehst du, ich glaube, daß er mich wirklich sehr
geliebt hat."
„Wenn auch", kam es heftig zurück. „Ein
verheirateter Mann hat das für sich zu behal-
ten."
„Tante Margot hat sich nach ihm erkundigt.
Selbst der Badedirektor wußte nichts anderes,
als daß er Junggeselle sei."
„Um so schlimmer! Das grenzt dann schon
an Hochstapelei. Jedenfalls werde ich ein Wort
unter vier Augen mit ihm reden. Du kannst
dich darauf verlassen, daß ich ihm nichts
schenke."
Ihre Hände hislten noch immer seinen Arm
umfaßt. „Ich springe in den See, wenn du ihn
zur Rechenschaft ziehen willst, Papa!"
„Du liebst ihn immer noch?"
„Ja", sagte sie so leise, daß es kaum zu hö-
ren war. „Aber du mußt keine Angst haben,
Vater. Ich weiß, was ich mir selbst und dir
und Mutter schuldig bin. Was Tante Margot
gekonnt hat, das kann ich vielleicht auch."
Klaus Süderbloem schüttelte den Kopf. „Was
hat sie denn gekonnt?^ fragte er verständnis-
los.
„Ach", suchte sich Jngeborg aus der Klemme
herauszuwinden, „sie hat einmal jemand über
alles geliebt — auch einen verheirateten Mann
— und es ist doch alles gut geworden."
„Siehst du", bestätigte er. Und Jngeborg
war so dankbar, daß der Vater nicht weiter
forschte. „Aber deswegen sichren wir doch nach
Budapest. Und du kommst mit, mein Kind."
Sie nickte. Ohne daß sie ein Wort darüber
verlor, wußte Klaus Süderbloem, daß es ledig-
lich die Angst um den Mann ihrer Liebe war,
die sie zum Mitkommen bestimmte.
Niemals sind die Frauen rätselhafter, als
wenn sie lieben.
Diesem Sommer überreichen Schenkens folgte
ein Herbst, der Scheunen und Speicher zum
Brechen füllte und dem Herbst ein November,
an dem statt Nebel und feuchten Regenschauern
noch Marienfäden über den Aeckern gaukeln,
und die Landstraße vom Staube wirbelte.
Und als in der zweiten Hälfte des Monats
die Hochzeitswagen am Klausenhofe vorfuhren,
lachte die Sonne und strahlte der Himmel so
blau und rein über der Ebene, daß das RöÄi
den Hellen Mantel, den ihr die Tante aufzu-
nötigen versuchte, kurzerhand zu Boden glei-
ten ließ. „Nicht war, ich muß ihn nicht neh-
men?" fragte sie zu Hammerstein aus, der
ihn eben über den Arm nahm.
„Du wirst frieren," mahnte die Baronin.
„Bei der Hitze! Fühl doch wie heiß, Tante!"
Die ganze Ebene traf zusammen. Der Klau-
senhof faßte die Wagen nicht mehr. Sie stan-
den die Auffahrt entlang und noch ein Stück
die Chaussee hinunter. Selbst im Obstgarten
waren noch welche untergestellt. Man Hute die
Fahne, die im Sommer so lustig über Wipfel
und Kronen flatterte, noch nicht yeruntergcholt.
Sie blähte sich leicht im Wind wie em leichtes
Segel.
Annemarie schritt neben ihrem Mann die
Stufen herunter und hatte den Arm in dem
seinen ruhen.
„Warum bist du traurig?" fragte er und
neigte sich zu ihr herab. „Hast du nicht immer
davon gesprochen, schon als sie noch Kinder wa-
ren, daß du sie einmal als glückliche Bräute
wissen möchtest?"
(Fortsetzung folgt.)
samsrag, oen rv. Marz rvss
des Schwebenden, des sich Hebenden, eben des
Vergeistigten einflößt; die neuen Meister-
werke verraten das gerade Gegenteil: Nicht
die persönliche Vergeistigung, sondern die
Macht der Masse und ihre Begeisterung. Von
einem Donnern wie vom Schritt Hunderttau-
sender Menschen scheinen sie zu hallen. Ihr
Streben ist Wucht; die Mittel ihres Aufstiegs
sind nicht harmonische Formenausgleichungen,
sondern dynamische Formen der Multiplika-
tion und Addition. Genau nach dem, was in
ihnen getan wird: nämlich gerechnet, abge-
wogen, abgemessen .geladen und entladen, ge-
nau so sind sie gebaut.
In dieser Art ist es zweifellos eine vollkom-
mene Leistung. Und da die neue Bauart Ita-
liens sich keineswegs so äußert oder so aus-
sieht, als ob sie alles anders Geartete vernich-
ten wolle, sondern im Gegenteil so, als ob sie
es mit einordnen wolle in die neue Marsch-
ordnung der Massen und der Zeit, ist sie,
wenn ich so sagen darf, eine bauliche Gebärde
Die Lösung des Problems ist so verblüf-
fend und dabei schließlich so einfach wie nur
möglich: es ist im Grunde nichts anderes als
das, was wahrscheinlich schon die Jäger der
Steinzeit getan haben, wenn sie Rehe lockten.
Auch Mücken und Moskitos werden jetzt in den
Tod gelockt,
indem man einfach das Summen der weib-
lichen Vertreter dieser unsympathischen Jn-
scktengattungen imitiert,
worauf prompt die Männchen angesaust kom-
men, um in vorher mit Gas geschwän-
vom Sinn des Faschismus. Sie will alle Be» ebenfalls nicht vorhanden, wenn auch Hintze
rufe, alle Teile des Volkes auf ermutigende, als Hysteriker und Phantast bezeichnet werden
begeisternde Weise einordnen in den Staat, so könne. Hier fei das Leiben einer Persönlichkeit
daß dieser Staat durch alle eingeordneten, Ar-
beit schaffenden und Arbeit verzehrenden Teile
des Volkes auf ermutigende, begeisternde
Weise einordnen in den Staat, so daß dieser
Staat durch alle eingeordneten, Arbeit schaf-
fenden und Arbeit verzehrenden Teile des
Volkes funktioniert und sich ständig neu bil-
det. Von dieser Idee des Faschismus, von die-
ser seiner Bildung durch Funktion sind die
Gebäude, von denen hier gesprochen wurde,
gewaltige und zugleich bildhaft gefällige, sinn-
berauschende Zeugen.
Der Leser soll nun nicht etwa denken, es
seien das alles nur Absichten, Dinge, die nur
auf dem Papier ständen. Diese Gebäude gibt
es, die Stadt, die sie errichten ließ, gibt es: sie
heißt Vrescia und ist die italienische Stadt,
die als erste ein geschlossenes Bild vom Fa-
schismus in Stein schaffen ließ. Ueberall. wo
neu gebaut wird, prägt sich auf diese Art der
Faschismus aus. Ueberall will er Stil wer-
den. In den ganz neuen Städten, die auf
dem entsumpften Gebiete der Campagna er-
wachsen wie in den altbekannten Städten.
Mehr oder weniger schnell, je nach den Mög-
lichkeiten. Doch selbst in Rom, dem uralten
und heiligen.
Hans Roselieb.
Ist RMensmser von Rugby
Auf Radiowellen in den Tod.
Eine Wundermär kommt aus dem britischen g er t e n G e b ü s ch e n und Gehölzen zu
Forschungslaboratorium im Rugby (Lon-
don), wo seit langem eine Gruppe deutscher
und englischer Gelehrter ganz eigenartige M e-
t Hoden zur Vernichtung von In-
sekten und zwar speziell von Moskitos und
Mücken ausgearböitet hat. Man hat, ohne vor-
erst damit in die Oeisentlichleit zu treten, jene
Methoden in ganz besonders ausgeprägten
Moskitogebieten in Indien erprobt und mel-
det nun, daß das Verfahren sich weit über
alleErwartungenhinaus bewährt
habe.
Die Lösung des Problems ist si
send und dabei schließlich so einfach
Die erste Stabt des Faschismus
Di« Nadi iaiWIWr SEUaier / Sn MarUalaß mit Nr MatlWn
staazel / BaawM und SimtOinlUon
Ist nicht Rom die erste Stadt des Faschis-
mus? Wenn Stadt die Verwaltungszentrale
und Herrschzentrale bedeutet, gewiß. Aber
könnte Stadt nicht auch noch etwas anderes
sein? lleberlegen Sie nur dies: Nun schon
seit Jahrhunderten finden in den hervor-
ragendsten Städten Europas wichtige Volks-
versammlungen unter freiem Himmel statt
Aber hat jemals ein Stadtbaurat aus dresem
öffentlichen Umstand eine bautechnische Fol-
gerung gezogen? Staunen die Besinnlichen
unter uns nicht immer wieder gerade darüber,
daß von den verantwortlichen Stellen in fast
allen Ländern des Abendlandes an den neuen
Formen des modernen Lebens entweder vor-
bei gesehen oder vorbei gehandelt wird, wenn
das Moderne nicht gar als etwas an und für
sich Schlechtes bekämpft wird!
Wie überrascht muß man da sein, zu hören,
daß das faschistische Italien so bauen will,
daß nicht nur jedes Gebäude für sich seinem
Zwecke auf moderne praktische Weise gerecht
wird, sondern außerdem auch so, daß die Häu-
ser keine gleichgültige oder bissige Fratzen ein-
ander zuschneiden, sondern trotz aller Mäch-
tigkeit voll heiterer Freundschaft zueinander
abgestimmt sind. Sie sollen auch einen Platz
,mit einem besonderen Sinn, also einForum
bilden. Und da wird die neue Bauweise an-
tik; da berührt sie sich mit der weitesten und
größten italienisch-römischen Vergangenheit.
Der Sinn des Forums wird heute am besten
durch eine Kanzel ausgedrückt, die an einer
Seite des Platzes auf Treppen weit vor-
ragend gebaut ist. Wahrhaftig! Eine Kanzel!
Versehen mit halb erhabenen Steinbildern,
stummen und doch sprechenden Zeugen aus
den großen vergangenen Zeiten der Stadt.
Nämlich ein Rednerpult für jene Stunden, wo
die Zeitgeschehnisse zu einer Aufklärung vor
der gesamten Bevölkerung drängen, sei es
durch den Bürgermeister, durch die Führer der
Organisationen, sei es durch einen Minister
oder durch das Staatsoberhaupt selber. Aber
auch zur Feier bei den Festen der Gemeinsam-
keiten dient diese großartige Kanzel.
Rund um diese Kanzel, der Stolz der Be-
völkerung und ein Zeichen ihres Gewissens,
erheben sich Hochhäuser. Nicht gerade Wolken-
kratzer, doch turmhaft hohe Gebäude des
öffentlichen Dienstes: die Post, Banken, Ver-
sicherungen. Jedes, besonders die Post, auf
allermodernste Weise eingerichtet. Jedes steht,
vernichtet worden, die einen großen Namen als
Künstlerin gehabt habe. Da es sich um einen
Fall handle, der hart an Mord grenze, sei «ine
Strafe von 12 Jahren Zuchthaus angemessen
gewesen.
Wegen Verlusts der Stellung ln
-en To-
Ehepaar begeht Selbstmord.
Berlin, 23. März. Der Chefingenieur der
Reichsrundfunk G. m. b. H., Waler S ch ä f -
fer, der vor etwa 14 Tagen aus seiner Stel-
lung entlassen worden war, hat heute morgen
feinem Lüben «m Ende gemacht. Gemeinsam
mit ihm ist seine Frau freiwillig in den Tod
gegangen. Die Eheleute haben sich mit Gas
vergiftet.
Kummer über den Verlust der Stellung des
Mannes und Nervenzerrüttung sollen den An-
laß zu der Tragödie gegeben haben.
2V Mmuglvagtli in tim Schlucht
gestürzt
Drei Tote, neun Verletzte.
Avila (Altkastilien), 24. März. In der
Nähe der hiesigen Stadt entgleiste beim Pas-
sieren einer über eine 30 Meter tiefe Schlucht
führenden Brücke ein Güterzug. 2V Wagen
stürzten in die Tiefe.
Dor Zugführer und zwei Zugbegleiter wur-
den getötet, neun Eisenbahnen wurden verletzt.
Bamlom will -rn Zeppelmhasrn
Barcelona, 24. März. Vor dem hiesigen
Stadthaus sand gestern abend eine imposante
Kundgebung der sportlichen Vereinigung „Pro
Zeppelin" statt, um das durch innerpolitische
Quertreibereien im Gemoinderat ernstlich ge-
fährdete Projekt des Zeppelinhasens zu stützen.
Taufende von Sportleuten forderten im In-
teresse der Weltgeltung Barcelo-
nas und der Hebung seines Fremdenverkehrs
die Innehaltung des mit der Zeppelin-GeM-
schaft im Dezember 1932 abgeschlossenen Ver-
trages, demzufolge für die im Mai 1933 be-
ginnenden regelmäßigen Südamerikasahrten
sine Zwischenlandung des Luftschiffes auf dem
neu einWvichtenden Landeplatz in Barcelona
vereinbart worden war.
Hand in Hand mit dieser Kundgebung ging
eine schriftliche Protestaktion zahlreicher Pri-
vatleute und des Touristenverbandes für Ka-
talanien und die Balearen unter Mitwirkung
vieler industrieller und geselliger Vereinigun-
gen.
gründe zu gehen.
Die einzige Schwierigkeit war nun, jenes
Summen der Weibchen wirklich naturgetreu
und wirksam zu imitieren. Die Lösung dieses
Problems ist durch die Konstruktion eines spe-
ziellen Radio-Kurzwellensenders
möglich geworden, nachdem man vorher mit
einem raffinierten M i k r o p h o n s y st e m
das Summen der weiblichen Tiere nach allen
Gesichtspunkten wissenschaftlicher Akustik analy-
sierte und es dann mittels besonderer Sende-
methoden vom Kurzwellen-Apparat rekonstru-
ierte.
Es scheint sicher zu sein, daß diese Methode
sich voll bewährt hat. Die Versuche inIndien
sollen tatsächlich zur völligen Befrei-
ung der Gegenden, wo sie veranstaltet
wurden, von dem gefährlichen Ungeziefer ge-
führt haben. Bestätigt sich dies alles in vollem
Umfange, so ist die Bedeutung dieser Neuerung
gar nicht abzusehen. Sie würde nicht mehr
und nicht weniger als eine neue Acra in der
Erschließung und Besiedelung der tropischen
Erdzegenden bedeuten.
wie gesagt, zum nächsten in den allerbesten
Verhältnissen. Dies wirkt so stark, daß sie die
zweitnächste Nachbarschaft, das sind meisterlich
gebaute Gebäude früherer, großbewegter Zei-
ten, Paläste und Kirchen, nicht so stören, wie
befürchtet werden könnte.
Dabei bleibt allerdings der größte Gegen-
satz zwischen dem Alten und dem Neuen be-
stehen: die alten Meisterwerke der Architektur
verraten als herrschende Kraft einen indivi-
duellen Geist ,der die Steine so aufschichtete,
gliederte, eckte, rundete, daß es den Eindruck
KiM zu 12 Zchren Zuchthaus
verurteilt
Berlin, 24 März. Das Schwurgericht ver-
urteilte heute den Bankier Wilh. Hintze ent-
sprechend dem Anträge des Staatsanwalts
wegen Totschlags an feiner Frau, der
Kammersängerin Gertrud Bindernagel,
zu 12 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehren-
verlust.
Der Angeklagte nahm den Urteilsspruch
ruhig aus.
In der Urteilsbegründung führte
der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. TruPP-
ner, aus, daß es sich um eine ungeheuerliche
Tat gehandelt habe. Hintze habe sich eines T o t-
schlags schuldig gemacht. Es könne keine
Rede davon sein, daß Hintze bei Begehung der
Tat nicht im Besitz der geistigen Zurechnungs-
fähigkeit gewesen sei. Mildernde Umstände seien
Vier Kin-rr verbrannt
Foggia (Unteritalien), 24, März. I« einer
aus dem Gebiet der Gemeinde Ichitella ge-
legenen Wohnhütte brach ein Brand aus. Vier
Kinder sind dabei in den Flammen ums
Leben gekommen.
Die Kinder waren allein zu Hanse und im
Schlafe vom Feuer überrascht worden. Der
Vater war bei der Arbeit, di« Mutter hatte
sich entfernt, um Besorgungen zu mache«.
auch so viel Arbeit weniger. Keine zerrissenen
Strümpfe mehr zu stopfen, keine Löcher mehr
an den Ellbogen."
„Wer stopft die dann?" fragte die Baronin
lächelnd.
„Oh, ich selber! Wenns auch nicht so schön
- wird. Mit der Zeit lern ichs schon. Leo braucht
doch auch jemand, der ihm seine Sachen auZ-
bessevt."
Die Majorin nickte schweigend und ging, von
den jungen Menschen gesühnt, den Pfad ent-
lang, der gleich darauf in den großen Obst-
garten des Klausenhofes mündete.
Als Jngöborg vierzehn Tage später mit
Margot Gerauer eintraf, fand sie die beiden
Schwestern als Bräute vor. Ruth streckte ihr
mit einem stillen Lächeln die Rechte entgegen,
während das Rösli ihr einfach an den Hals
flog.
„So früh schon", staunte Ingeburg und strich
die glühenden Wangen der jüngsten Schwester
hercüb. Dann suchten ihre Augen zu Leo Ham-
merstein hinüber, der neben Fritz Ebersbach
stand und wartete, bis die Reihe der Begrü-
ßung an ihn kam. „Also nach Budapest", sagte
sie mechanisch, als das Rösli rasch berichtete,
daß sie dorthin ziehen würden.
. „Du brauchst uns doch sicher!"
Aber Jngeborg sprach das „Ja" nicht, das
sich die jüngste Klausenhoferin bestimmt er-
wartet hatte. Sie schritten jetzt dem Hause zu,
die Stufen hinaus. Jngeborg sah das große
trauliche Wohnzimmer, das ganz vom Glanz
der untevgehenden Sonne erfüllt war und
preßte die Lippen auseinander.
Es w".r noch alles dasselbe und doch so an-
ders. Alles, alles war anders. Immer wieder
suchten Annemaries Augen nach der Tochter
hinüber. Was hatte sich an dem Kind verän-
dert? Was nur? — Sie würde doch nicht auch
-. Der Gedanke ließ ihr den Schlag des
Herzens für den Bruchteil einer Sekunde aus-
setzen. Nein, nein! Nur das nicht! Sie wollte
dies« letzte ihrer Töchter nicht auch schon ver-
lieren. Ruth zog mit ihrem Verlobten nach
München. Das Rösli, das noch kaum die Kin-
derschuh« abgestreift hatte, ging mit dem ge-
liebten Manne nach Ungarn. Aber Jngeborg
mußte ihr bleiben.
Was sollte sie ohne alle ihre Kinder?
Margot ahnte ihre Gedanken und bemerkte,
wie Annsmarre ungewollt eine Träne über die
Wangen lief. Schweigend nickte sie ihr zu. Die-
ses Nicken war die Bestätigung ihrer Besorg-
nis. Annemarie legte das Stück Kuchen wieder
auf den goldgerandeten Teller zurück und griff
nach der Tasse, um wenigstens für sine Sekunde
ihr Gesicht verbergen zu können, das Plötzlich
weiß und starr geworden war.
Später, als die jungen Leute nach dem Gar-
ten gingen und zwischen den Bäumen ver-
schwanden, zog Margot Gerauer die Freundin
in den Erkers wo Klans Süderbloem seine
Frau gleich darauf in Tränen aufgelöst fand.
Und dann erfuhr er auch, was sich in Ost-
ende zugctragen hatte. „Das ist noch glimpf-
lich abgegangen," sagte er ernst. „Ein verhei-
rateter Mann — das fehlte gerade noch. Gott-
lob, daß meine Tochter keines von den Mäd-
chen ist, die sich einem Manne um jeden Preis
an den Hals werfen."
„Aber es tut weh" klang Margots Stamme.
„Und braucht seine Zeit."
„Natürlich," stimmte er ahnungslos zu.
„Aber so viel Charakter muß eine Frau schon
haben, daß sie einer anderen nicht den Gatten
wegnimmt. Selbst, wenn sie ihn mehr lieben
sollte als ihr Löben."
Annemarie suchte mit scheuen Augen zu der
Freundin empor, fand deren Gesicht tief über
das ihre geneigt und küßte sie auf die Stirne.
Zur Nacht aber, als nur m JngeborgZ Zim-
mer noch Licht brannte, kam Klaus Süderbloem
— was seit Jahren nicht mehr der Fall war
— zu seiner Tochter ans Bett und nahm die
kalten Hände in die seinen. „Ich will zum
Herbst nach meinem Onkel in der Steppe sehen.
Kommst du mit?" Er fühlte das Zucken der
schlanken Finger und umschloß sie fester. „Nicht,
Jngeborg?"
„Nein, Papa!"
Dann wandte sie den Kopf zur Seite und
drückte das Gesicht in die Kissen. Er hörte ihr
Wimmern und wurde für eine Minute völlig
ratlos. „Du fürchtest, ihm dort zu begegnen,
Kind?"
Sich in den Ellenbogen aufstützend, sah Jnge-
borg ihren Vater aus verweinten Augen an.
„Du weißt alles, Papa?"
„Ja!"
„Von wem?"
„Von Tante Margot Ich will mir diesen
Taras Szygö einmal ansehen."
Ihr Blick wurde angstvoll. „Es ist ja nicht
— ich meine, Papa — es hat ja nun keinen
Sinn mehr."
„Nur ansehen," beharrte er. „Die Szygös
sind mir nicht unbekannt. Obwohl — darüber
sind nun auch zweiundzwanzig Jahre hingegan-
gen. Weißt du, wo er wohnt?"
„In Budapest," antwortete Jngeborg wi-
derwillig. „Fahr nicht auf, Papa . Ihre Hände
legten sich jetzt bittend um seinen Arm. „Denn
siehst du, ich glaube, daß er mich wirklich sehr
geliebt hat."
„Wenn auch", kam es heftig zurück. „Ein
verheirateter Mann hat das für sich zu behal-
ten."
„Tante Margot hat sich nach ihm erkundigt.
Selbst der Badedirektor wußte nichts anderes,
als daß er Junggeselle sei."
„Um so schlimmer! Das grenzt dann schon
an Hochstapelei. Jedenfalls werde ich ein Wort
unter vier Augen mit ihm reden. Du kannst
dich darauf verlassen, daß ich ihm nichts
schenke."
Ihre Hände hislten noch immer seinen Arm
umfaßt. „Ich springe in den See, wenn du ihn
zur Rechenschaft ziehen willst, Papa!"
„Du liebst ihn immer noch?"
„Ja", sagte sie so leise, daß es kaum zu hö-
ren war. „Aber du mußt keine Angst haben,
Vater. Ich weiß, was ich mir selbst und dir
und Mutter schuldig bin. Was Tante Margot
gekonnt hat, das kann ich vielleicht auch."
Klaus Süderbloem schüttelte den Kopf. „Was
hat sie denn gekonnt?^ fragte er verständnis-
los.
„Ach", suchte sich Jngeborg aus der Klemme
herauszuwinden, „sie hat einmal jemand über
alles geliebt — auch einen verheirateten Mann
— und es ist doch alles gut geworden."
„Siehst du", bestätigte er. Und Jngeborg
war so dankbar, daß der Vater nicht weiter
forschte. „Aber deswegen sichren wir doch nach
Budapest. Und du kommst mit, mein Kind."
Sie nickte. Ohne daß sie ein Wort darüber
verlor, wußte Klaus Süderbloem, daß es ledig-
lich die Angst um den Mann ihrer Liebe war,
die sie zum Mitkommen bestimmte.
Niemals sind die Frauen rätselhafter, als
wenn sie lieben.
Diesem Sommer überreichen Schenkens folgte
ein Herbst, der Scheunen und Speicher zum
Brechen füllte und dem Herbst ein November,
an dem statt Nebel und feuchten Regenschauern
noch Marienfäden über den Aeckern gaukeln,
und die Landstraße vom Staube wirbelte.
Und als in der zweiten Hälfte des Monats
die Hochzeitswagen am Klausenhofe vorfuhren,
lachte die Sonne und strahlte der Himmel so
blau und rein über der Ebene, daß das RöÄi
den Hellen Mantel, den ihr die Tante aufzu-
nötigen versuchte, kurzerhand zu Boden glei-
ten ließ. „Nicht war, ich muß ihn nicht neh-
men?" fragte sie zu Hammerstein aus, der
ihn eben über den Arm nahm.
„Du wirst frieren," mahnte die Baronin.
„Bei der Hitze! Fühl doch wie heiß, Tante!"
Die ganze Ebene traf zusammen. Der Klau-
senhof faßte die Wagen nicht mehr. Sie stan-
den die Auffahrt entlang und noch ein Stück
die Chaussee hinunter. Selbst im Obstgarten
waren noch welche untergestellt. Man Hute die
Fahne, die im Sommer so lustig über Wipfel
und Kronen flatterte, noch nicht yeruntergcholt.
Sie blähte sich leicht im Wind wie em leichtes
Segel.
Annemarie schritt neben ihrem Mann die
Stufen herunter und hatte den Arm in dem
seinen ruhen.
„Warum bist du traurig?" fragte er und
neigte sich zu ihr herab. „Hast du nicht immer
davon gesprochen, schon als sie noch Kinder wa-
ren, daß du sie einmal als glückliche Bräute
wissen möchtest?"
(Fortsetzung folgt.)