Hand, im Gegenteil:: alle Aufrufe, die da und dort angeheftet
waren, wurden in der ersten Nacht zerrissen.
3 0. März : In dieser Nacht um 11 Uhr zogen die bis setzt
hier weilenden Franzosen alle eilends gegen Philippsburg.
Ihnen folgten andere aus der Nachbarschaft.
Am 6. April kamen wider alle Hoffnung alle Franzosen,
die zur Belagerung Philippsburgs bestimmt waren, wegen des
Anrückens österr. Soldaten um 10 Uhr wieder hierher und
ließen sich um die Mauer unseres Gartens auf einem Felde,
das eben mit Gerste besät worden war, nieder bis 6 Uhr und
dann zogen sie gegen Mannheim hin ab. Sie ließen an die
300 Husaren zurück.
Am 7. April kamen sie wieder früh um 6 Uhr, aber sie
zogen gleich wieder ab, wobei sie auf dem Feld einige Kanonen
zurückließen.
Am 8 und 9. April kamen wieder neue Franzosen, zu
Pferd und zu Fuß' nachdem sie sich mit dem Blute der Bürger
gemästet hatten, zogen sie ab. Sie laufen hin und her von
einem Gau zum andern und wie Waldheuschrecken zehren sie die
Unterworfenen aus und magern sie ab bis zur Armut. Daher
überall solche Tränen!
12. April: In dieser Nacht herrschte unter den Franzosen
eine große Verwirrung, weil sie bei Langenbrücken von den
Oesterreichern zurückgeschlagen wurden. Daher zogen die Fuß-
truppen in der nämlichen Nacht unter Zurücklassung einiger
weniger, auf Mannheim zu, wo sie sich am Neckar lagerten Die
Reiter halten nun in Schwetzingens Umgebung bis nach Heidel-
berg hin Wache. Die Oesterreicher weilen eben in Hockenheim
und Walldorf. Unsere Erlösung ist nun nahe. Gebe Gott seinen
Segen!
Am 13. April, dem 3. Sonntag nach Ostern, wagte der
H. H. P. Philippinus Müller, Kaplan in Brühl, nicht dort die
hl. Liesse zu lesen wegen der Frechheit der Franzosen, weshalb
er zurückkehrt und hier die Messe las. Zur Erinnerung und Be-
kanntmachung für die Beichtväter ist zu wissen, daß der Erz-
boschof von Mainz allen Pfarrern der Diözese Worms, die mit
ihrer Pfarrei darum baten, die Vollmacht gab, vom Abstinenz-
gebot für den Freitag, Samstag und die Vigilien zu dispen-
sieren.
Am 14. April und den folgenden Tagen lagerten Reiter
am Tage rings um unsere Gartenmauer und exerzieren täglich
auf dem Saatfeld mit Waffen und Kanonen zum Schaden für
die Früchte.
Am 18. April um 12 Uhr kam ein österr. General mit
einem Herold (wörtl.: Trompeter): er wurde mit verbundenen
Augen zum französischen General geführt. Nachdem er mit ihm
zu Mittag gegessen und zwei Stunden lang verweilt hatte,
wurde er auf die gleiche Weise zurückgeführt.
Am 19. April rief früh um 8 Uhr der Trompeter alle
Franzosen plötzlich zu den Waffen. Alle standen kampfbereit
bei den Brücken auf dem Weg nach Oftersheim und warteten
eine Stunde lang auf die Oesterreicher: doch vergeblich. Um
die Oesterreicher Lesser zurückzuschlagen, hatten sie alle steiner-
nen Brücken verrammelt und hölzerne Brücken über den Fluß
geschlagen damit dann, wenn diese vernichtet seien, dem Feinde
jeder Zugang verrammelt wäre.
Am 20. April um 3 Uhr hörten wir zum ersten Mal die
Kanonen im Wald von Hockenheim und nach einem kurzen Ge-
fecht wurden die Oesterreicher zurückgeworfen und die Fran-
zosen führten bei ihrer Rückkehr 31 österr. Gefangene mit sich,
Jäger aus dem Reichsheer zu Fuß.
Am 2 3. und 2 4. April und den folgenden Tagen spielten
sich zwischen den Husaren auf den Vorposten täglich Kämpfe ab,
meistens für die Franzosen nicht günstig.
Am Endedes Monats wurde von unserem durchl. glor-
reich regierenden Kurfürsten durch ein Rundschreiben allen Or-
densleuten ein Treueid auferlegt, der auch von unserem Kloster
geleistet und schriftlich an die Satrapie (eine Behörde) in Hei-
delberg übersandt.
2 9. April: An den Vittagen wurde die gewohnte Pro-
zession nicht gehalten, aber an Christi Himmelfahrt fand eine
feierliche Flurprozession mit dem Hochwürdigsten Gut wie ge-
»öbnlich statt, jedoch ohne Verhöhnung seitens der Franzosen.
Am 1. Mai und an den anderen Tagen geschah nichts Denk-
würdiges bei uns. Inzwischen fallen den Einwohnern noch
ständig die Franzosen zur Last und viele werden wegen Speise
und Trank (es sind halt unersättliche „Viecher" (wörtl.: Lebe-
wesen!) mit Grobheiten belästigt. Wir sind bis jetzt zwar von
Franzosen verschont geblieben, aber dadurch, daß die Unter-
worfenen ausgehungert und verarmt sind, rauben sie auch uns
die Kollektur und den Lebensunterhalt. Gott sei uns gnädig!
16. Mai: Oesterreichische Husaren kamen um Mitternacht
aus Nußloch und überfielen unversehens die französischen Hu-
saren, die bei Laymen lagerten. Viele von ihnen wurden
getötet, viele verwundet und die meisten gefangen, der kleine
Rest suchte sein Hejl in der Flucht. Sie verloren über 200
Pferde und ließen alles zum Unterhalt und zur Kleidung Nö-
tige und das Lager zurück. Die Oesterreicher machten sehr wert-
volle Beute und kehrten voll Jubel an ihren Ausgangsort
zurück. — In der nämlichen Nacht riefen bei uns alle Franzosen
zu den Waffen und standen in der Nähe unseres Klosters über
3 Stunden kampfbereit in der Ebene, doch umsonst.
Am 18. Mai wurden wieder die Franzosen im Hocken-
heimer Wald früh von den Oesterreichern überfallen und viels
mit dem Schwert getötet, viele verwundet und viele gefangen;
deshalb hat sie die Angst gepackt.
Am 19. Mai, dem Dreifaltigkeitsfest, früh um 2 Uhr,
flohen alle ohne Ausnahme unter tiefstem Stillschweigen bis
auf das Relais-Haus und Neckarau und schlugen dort ein Lager.
Sie führten auch 10 Bürger als Geisel mit sich fort. Das gleiche
taten sie in Heidelberg und in anderen Orten. Für ihre Frei-
lassung forderten sie zusammen 80 000 fl. Welch schreckliche und
ungerechte Forderung.
Am 2 0. M a i früh um 5 Uhr kamen die ersten österr. Reiter
an und verjagten die paar Franzosen, die sich in der Umgebung
Herumtrieben. Der Weg nach Mannheim ist eben für uns ab-
gesperrt.
Am 2 3. Mai, dem Fronleichnamstag, wurde die feierliche
Prozession nicht gehalten, auch nicht am Sonntag darauf, wegen
der täglichen Umtriebe der Franzosen: jedoch wurde an die em
Tag ein levitiertes Hochamt gehalten. Bis jetzt sahen wir keine
Oesterreicher mehr, aber täglich Franzosen. Nachdem ^e sich
vom Schweiß der Einwohner gesättigt hatten, flohen sie wieder
wie Diebe auf das Relaishaus.
Am 31. Mai kam unverhofft aus Paris die Freudenbot-
schaft nach Mannheim samt dem Befehl, alle Franzosen sollten
auf das linke Rheinufer sich zurückziehen wegen einer dies-
bezüglichen Uebereinkunft mit dem Kurfürsten von der Pfalz.
Deshalb begann
am 1. Juni der Uebergang und so täglich gingen sie fort,
diese Leutbetrllger und zwar immer wie gewöhnlich nachts. Sie
ließen einige zurück, die dableiben mußten, bis alle Festungen,
die von ihnen in Mannheims Umgebung mit furchtbarer Plage
für die Unterworfenen und ungehuren Kosten neu gebaut wor-
den waren, völlig geschleift waren und zwar vor ihren Augen-
Welche Schmach! Die abgeführten Geiseln ließen sie los, ohne
daß die Geldsumme bezahlt war. Eine kaum zu schildernde
Freude löste bei den Mannheimern, Heidelbergern und hier
über all der Abzug dieser Leutbetrllger aus. — Sie sind fort!
Gute Reise!
Einstweilen schätzt man den Schaden, den diese Furien in
unserer Umgebung, die ein Vierteljahr besetzt war, anrichteten,
auf mehr als 1 Million fl. Wir blieben indessen in dieser Zeit
ständig frei. Außer einem Maß Wein und einem Maß Bier
haben diese Königsmörder nichts von uns erhalten.
In diesen Tagen und den folgenden lebten wir unterdessen
im Frieden und hatten täglich zur Nachtzeit Besuch von Reichs-
soldaten, aber
am 8. Iuli blieben sie aus und früh um 4 Uhr kamen über
100 französische Infanteristen aus Neckarau. Sie forderten
Leute zur Zerstörung der Gräben von Mannheim. Nach kurzem
Aufenthalt und nachdem sie gefrühstückt hatten, zogen sie rasch
weiter zum Platz, woher sie gekommen waren. Die Arbeit wird
inzwischen in Mannheim mit aller Anstrengung sortgesührt.
Jung und alt, selbst die Herren Gerichtsräte schassen, damit
man rasch fertia wird.
Am 10. Juli kamen österr. Husaren, die Tag und Nacht
den Weg nach Mannheim bewachten und auf die Franzosen in
Neckarau Obacht gaben. Indessen ist nichts Denkwürdiges zu
verzeichnen.
Am 14. Iuli wurde in den protestantischen Kirchen von den
Predigern unter dem Jubel des Volkes das berüchtigte, für die
Katholiken verabscheuungswürdige Religionsedikt bekanntgege-
ben. Es wurde von Sr. Durchlaucht Maximilian Joseph sehr
zu Gunsten der Protestanten in Druck gegeben und eigenhändig
unterschrieben. Weiß Gott, was geschehen wird! Indes wird
der höchste Hirt der kleinen Herde der Katholiken in der Pfalz
gnädig sein.
Am 2 6. August zogen wider alle Erwartung die österr.
Husaren rasch ab wegen des unvorhergesehenen und lärmenden
Anrückens der Franzosen, die wie Heuschrecken mit großem Un-
gestüm unsere ganze Nachbarschaft bis Bruchsal und Heilbronn
überschwemmen, wo sie verschiedene Oesterreicher auf der Flucht
töteten, andere gefangen mit sich fortschleppten (sie waren
nämlich an Zahl geringer). Die Zahl der Franzosen soll 25 000
gewesen sein. Das Hauptquartier blieb bei uns. Bei dieser
Gelegenheit erhielten auch wir dreimal teils zwei, teils vier
Offiziere als Gäste. Sie verübten jedoch keine Ausschreitung.
Am anderen Tag wandte sich das ganze Heer nach Philippsburg
zur Belagerung. Am 6. September begannen die Kanonen
auf beiden Seiten heftig zu donnern und am anderen Tage
sahen wir nachts durch die Fenster die Stadt in Flammen, die
viels Bürgerwohnungen verzehrten. Einstweilen haben sie sich
umsonst geplagt und viele Franzosen fielen. Endlich zogen sich
wegen des Anrückens des österr. Heeres
am 10. und 11. September alle Franzosen zurück und
zwar mit Eile nach Mainz zu, indem sie einige in Mannheim
zurückließen. Die österr. Husaren folgten ihnen hinten nach,
aber zu schnell und waghalsig: denn 5 Husaren kamen wütend
nach Schwetzingen, wo noch die Franzosen in der Umgebung
standen, zum Abmarsch bereit. Sofort kehrten sie die Waffen
und die Reiterei und die Fußtrupven blieben den ganzen Tag
und die ganze Nacht kampfbereit auf den Feldern zum großen
Schaden für das Tabakfeld.
Am 13. September flohen alle früh in aller Stille nach
Mannheim. Gute Reise! Diese eilig Flucht war unser Glück-
Denn überall stellten sie bis jetzt unerhörte Forderungen, aber
erhielten sie nicht. Einweilen ist der in der kurzen Zeit allent-
halben angerichtete Schaden nicht zu schätzen.
Am 14. September lagerten sich österr. Reiter (die täg-
lich mehr werden) bei unserer Gartenmauer.
Am 17. September kam unser Erlöser, S. Durchl. Erz-
herzog Karl mit dem ganzen Heere. Die Infanterie lagerte auf
dem Feld bei unserem Kloster, die Reiterei beim Relais-Haus.
Bei dieser Gelegenheit aß bei uns der Oberbefehlshaber einer
Fußtruppenabteilung, der gnädige Herr Wilhelm von Hirsch-
ligan, ein Lutheraner aus Siebenbürgern mit dem Feldpater
Jannarius, einem Konventualen, zu Abend mit großer Beschei-
denheit und schlief ruhig im Refektorium auf seinem dort her-
gerichteten Bett bis Mitternacht, wo das ganze Heer aufbrach
und in aller Stille den Weg auf Neckarau zu nahm. Schon um
5 Uhr begannen beiderseits die Kanonen mit großer Heftigkeit
zu donnern und so fuhr man unter schrecklichem Krachen fort bis
12 Uhr mittags. Um 9 Uhr, als unser geliebter Geistlicher Vater
Herr Thomas Bichler, Apotheker, der selig gestorben war, be-
graben wurde, brachte man den genannten Oberbefehlshaber
in einem Wagen in unser Kloster. Sein linker Fuß war von
einer Kanonenkugel zerquetscht. In unserem Refektorium, am
gleichen Ort und im gleichen Bett, wo er so ruhig in der ver-
flossenen Nacht geschlafen hatte, starb er um 11 Uhr, nachdem
man ihm vorher den Fuß abgenommen hatte: er wurde am
20. September in Feidenheim feierlich beerdigt.
Am 18. September kehrte S. Durchl. Erzherzog Karl um
4 Uhr nachmittags als Sieger unter Jubel zurück zum Haupt-
quartier, wo er dann die Hauptmahlzeit einnahm. Denn er
„kam, sah und siegte" nicht bloß über die Franzosen in Neckarau,
sondern belagerte auch Mannheim. Ueber 3000 Franzosen wur-
den gefangen, viele getötet, viele verwundet, auch Oesterreicher,
die zur Verbindung der Wunden einstweilen im Haus Oran-
geria zur Linken liegen. Gott sei ihnen gnädig und segne di«
österr. Waffen!
Mannigfache Namen und Inschriften in unserer Heimatstadt
fordern zur Erklärung heraus. Der Bürger liest sie, aber es
fehlt ihm die Verbindung mit früheren Zeiten. Steht da z B.
an der Mauerbrüstung der Alten Brücke das Stichworr
„Sprengmine 1849" eingehauen. Daß hier eine Sache
in den unruhigen Monaten des Revolutionsjahres 1849 ge-
spielt haben muß, ist sofort klar. Wo war aber die Spreng-
mine? — Im Straßenpflaster der Fahrbahn nicht weit vom
Standbilde Karl Theodors haben die Pflästerer ein Viereck
mit blauen Pflastersteinen eingesetzt, während sonst
die roten Sandsteine verwendet wurden. An diesem Platz hat-
ten anno 1849 die Freischärler die Pflastersteine herausgerissen,
ein Loch gegraben und darin ein Faß Pulverversenkt,
dessen Sprengkraft genügt hätte, um den darunter befindlichen
dritten Brückenbogen zu sprengen. Droben bei Wilhelmsfeld,
in Schriesheim und Handschuhsheim und vor allem amZoll -
stock hatten die Freischärler starke Schanzen errichtet, um den
Preußen den Einmarsch nach Heidelberg zu wehren. Aber
Schanze um Schanze mußten die Verteidiger aufgeben und sich
schließlich vor den nachdrückenden preußischen Heeresmassen hin-
ter dem Brückentor und den Häusern in Sicherheit bringen. In
den Weinbergen jenseits des Flusses hatten sich die Preußen
verschanzt: die Kugeln flogen herüber und hinüber: aber die
verrammelte Brücke wehrte den Preußen den Anmarsch. Soll-
ten sie dennoch vordringen und die Brücke und die Stadt stür-
men, dann war's aus mit der Herrlichkeit der Volksverführer.
Der 21. Juni 1849 sollte die Entscheidung bringen: da regnete
es blaue Bohnen hinüber und herüber. Aber in die Stadt
kommen sollten die Preußen nicht, das batten die Anführer der
Freischärler beschlossen: lieber die Brücke geopfert als das
eigene Leben.
Doch es kam nicht so weit. Die Heidelberger besaßen damals
noch ihre uniformierte BUrgerwehr und in der Per-
son des Professors Rümmer von der Bürgerschule!
einen schneidigen, mutigen und beherzten Führer. Hatte er!
doch auch in den Ostertagen des Jahres 1848 die Sinsheimer -
Banden, die mit Frauen und Kindern und leeren Säcken ge- >
kommen waren, entwaffnet und mit ihren leeren Säcken wieder i
heimgeschickt. Aus der Plünderung war nichts geworden. >
Dieser tapfere Rümmer fürchtete die Wache nicht, die das
Pulverfaß in dem Brückenbogen bewachte. Seine Leute holten
es heraus und bewahrten so wahrscheinlich die schöne historische
Brücke vor der mutwilligen Zerstörung. Seit dieser Zeit trägt
die Brücke an dieser Stelle blaues Pflaster als Erinnerung an
eine schwere Zeit. Hoffentlich halten's auch unsere Nachkommen
so. Wer wieder über die Brücke geht, möge sich das blau ge-
pflasterte Viereck, den Platz der „Sprengmine", betrachten.
Nicht weit vom vorerwähnten Zollstock an dem Weg nach
dem Weißen Stein wird die Holdermannseiche gezeigt. An die-
sem oder einem früheren Baum hat sich im Jahre 1764 der
Heidelberger Coffee- und Weißbärenwirt Holder-
mann wegen Schulden erschossen. Das Lass befand sich
auf dem Platze der heutigen Kunsthandlung von König, Ecke
Erabengasse-Hauptstraße. Ein anderes Cafs, das Caf«
Bolley, ein dreistöckiger Bau, lag links vom Vrückentor
und grenzte an dieses an. Ehe der Nackarstaden gebaut war,
ging das Master des Neckars bis nahe an das Haus. Die
Studenten machten sich das Vergnügen, von den Fenstern au«
waren, wurden in der ersten Nacht zerrissen.
3 0. März : In dieser Nacht um 11 Uhr zogen die bis setzt
hier weilenden Franzosen alle eilends gegen Philippsburg.
Ihnen folgten andere aus der Nachbarschaft.
Am 6. April kamen wider alle Hoffnung alle Franzosen,
die zur Belagerung Philippsburgs bestimmt waren, wegen des
Anrückens österr. Soldaten um 10 Uhr wieder hierher und
ließen sich um die Mauer unseres Gartens auf einem Felde,
das eben mit Gerste besät worden war, nieder bis 6 Uhr und
dann zogen sie gegen Mannheim hin ab. Sie ließen an die
300 Husaren zurück.
Am 7. April kamen sie wieder früh um 6 Uhr, aber sie
zogen gleich wieder ab, wobei sie auf dem Feld einige Kanonen
zurückließen.
Am 8 und 9. April kamen wieder neue Franzosen, zu
Pferd und zu Fuß' nachdem sie sich mit dem Blute der Bürger
gemästet hatten, zogen sie ab. Sie laufen hin und her von
einem Gau zum andern und wie Waldheuschrecken zehren sie die
Unterworfenen aus und magern sie ab bis zur Armut. Daher
überall solche Tränen!
12. April: In dieser Nacht herrschte unter den Franzosen
eine große Verwirrung, weil sie bei Langenbrücken von den
Oesterreichern zurückgeschlagen wurden. Daher zogen die Fuß-
truppen in der nämlichen Nacht unter Zurücklassung einiger
weniger, auf Mannheim zu, wo sie sich am Neckar lagerten Die
Reiter halten nun in Schwetzingens Umgebung bis nach Heidel-
berg hin Wache. Die Oesterreicher weilen eben in Hockenheim
und Walldorf. Unsere Erlösung ist nun nahe. Gebe Gott seinen
Segen!
Am 13. April, dem 3. Sonntag nach Ostern, wagte der
H. H. P. Philippinus Müller, Kaplan in Brühl, nicht dort die
hl. Liesse zu lesen wegen der Frechheit der Franzosen, weshalb
er zurückkehrt und hier die Messe las. Zur Erinnerung und Be-
kanntmachung für die Beichtväter ist zu wissen, daß der Erz-
boschof von Mainz allen Pfarrern der Diözese Worms, die mit
ihrer Pfarrei darum baten, die Vollmacht gab, vom Abstinenz-
gebot für den Freitag, Samstag und die Vigilien zu dispen-
sieren.
Am 14. April und den folgenden Tagen lagerten Reiter
am Tage rings um unsere Gartenmauer und exerzieren täglich
auf dem Saatfeld mit Waffen und Kanonen zum Schaden für
die Früchte.
Am 18. April um 12 Uhr kam ein österr. General mit
einem Herold (wörtl.: Trompeter): er wurde mit verbundenen
Augen zum französischen General geführt. Nachdem er mit ihm
zu Mittag gegessen und zwei Stunden lang verweilt hatte,
wurde er auf die gleiche Weise zurückgeführt.
Am 19. April rief früh um 8 Uhr der Trompeter alle
Franzosen plötzlich zu den Waffen. Alle standen kampfbereit
bei den Brücken auf dem Weg nach Oftersheim und warteten
eine Stunde lang auf die Oesterreicher: doch vergeblich. Um
die Oesterreicher Lesser zurückzuschlagen, hatten sie alle steiner-
nen Brücken verrammelt und hölzerne Brücken über den Fluß
geschlagen damit dann, wenn diese vernichtet seien, dem Feinde
jeder Zugang verrammelt wäre.
Am 20. April um 3 Uhr hörten wir zum ersten Mal die
Kanonen im Wald von Hockenheim und nach einem kurzen Ge-
fecht wurden die Oesterreicher zurückgeworfen und die Fran-
zosen führten bei ihrer Rückkehr 31 österr. Gefangene mit sich,
Jäger aus dem Reichsheer zu Fuß.
Am 2 3. und 2 4. April und den folgenden Tagen spielten
sich zwischen den Husaren auf den Vorposten täglich Kämpfe ab,
meistens für die Franzosen nicht günstig.
Am Endedes Monats wurde von unserem durchl. glor-
reich regierenden Kurfürsten durch ein Rundschreiben allen Or-
densleuten ein Treueid auferlegt, der auch von unserem Kloster
geleistet und schriftlich an die Satrapie (eine Behörde) in Hei-
delberg übersandt.
2 9. April: An den Vittagen wurde die gewohnte Pro-
zession nicht gehalten, aber an Christi Himmelfahrt fand eine
feierliche Flurprozession mit dem Hochwürdigsten Gut wie ge-
»öbnlich statt, jedoch ohne Verhöhnung seitens der Franzosen.
Am 1. Mai und an den anderen Tagen geschah nichts Denk-
würdiges bei uns. Inzwischen fallen den Einwohnern noch
ständig die Franzosen zur Last und viele werden wegen Speise
und Trank (es sind halt unersättliche „Viecher" (wörtl.: Lebe-
wesen!) mit Grobheiten belästigt. Wir sind bis jetzt zwar von
Franzosen verschont geblieben, aber dadurch, daß die Unter-
worfenen ausgehungert und verarmt sind, rauben sie auch uns
die Kollektur und den Lebensunterhalt. Gott sei uns gnädig!
16. Mai: Oesterreichische Husaren kamen um Mitternacht
aus Nußloch und überfielen unversehens die französischen Hu-
saren, die bei Laymen lagerten. Viele von ihnen wurden
getötet, viele verwundet und die meisten gefangen, der kleine
Rest suchte sein Hejl in der Flucht. Sie verloren über 200
Pferde und ließen alles zum Unterhalt und zur Kleidung Nö-
tige und das Lager zurück. Die Oesterreicher machten sehr wert-
volle Beute und kehrten voll Jubel an ihren Ausgangsort
zurück. — In der nämlichen Nacht riefen bei uns alle Franzosen
zu den Waffen und standen in der Nähe unseres Klosters über
3 Stunden kampfbereit in der Ebene, doch umsonst.
Am 18. Mai wurden wieder die Franzosen im Hocken-
heimer Wald früh von den Oesterreichern überfallen und viels
mit dem Schwert getötet, viele verwundet und viele gefangen;
deshalb hat sie die Angst gepackt.
Am 19. Mai, dem Dreifaltigkeitsfest, früh um 2 Uhr,
flohen alle ohne Ausnahme unter tiefstem Stillschweigen bis
auf das Relais-Haus und Neckarau und schlugen dort ein Lager.
Sie führten auch 10 Bürger als Geisel mit sich fort. Das gleiche
taten sie in Heidelberg und in anderen Orten. Für ihre Frei-
lassung forderten sie zusammen 80 000 fl. Welch schreckliche und
ungerechte Forderung.
Am 2 0. M a i früh um 5 Uhr kamen die ersten österr. Reiter
an und verjagten die paar Franzosen, die sich in der Umgebung
Herumtrieben. Der Weg nach Mannheim ist eben für uns ab-
gesperrt.
Am 2 3. Mai, dem Fronleichnamstag, wurde die feierliche
Prozession nicht gehalten, auch nicht am Sonntag darauf, wegen
der täglichen Umtriebe der Franzosen: jedoch wurde an die em
Tag ein levitiertes Hochamt gehalten. Bis jetzt sahen wir keine
Oesterreicher mehr, aber täglich Franzosen. Nachdem ^e sich
vom Schweiß der Einwohner gesättigt hatten, flohen sie wieder
wie Diebe auf das Relaishaus.
Am 31. Mai kam unverhofft aus Paris die Freudenbot-
schaft nach Mannheim samt dem Befehl, alle Franzosen sollten
auf das linke Rheinufer sich zurückziehen wegen einer dies-
bezüglichen Uebereinkunft mit dem Kurfürsten von der Pfalz.
Deshalb begann
am 1. Juni der Uebergang und so täglich gingen sie fort,
diese Leutbetrllger und zwar immer wie gewöhnlich nachts. Sie
ließen einige zurück, die dableiben mußten, bis alle Festungen,
die von ihnen in Mannheims Umgebung mit furchtbarer Plage
für die Unterworfenen und ungehuren Kosten neu gebaut wor-
den waren, völlig geschleift waren und zwar vor ihren Augen-
Welche Schmach! Die abgeführten Geiseln ließen sie los, ohne
daß die Geldsumme bezahlt war. Eine kaum zu schildernde
Freude löste bei den Mannheimern, Heidelbergern und hier
über all der Abzug dieser Leutbetrllger aus. — Sie sind fort!
Gute Reise!
Einstweilen schätzt man den Schaden, den diese Furien in
unserer Umgebung, die ein Vierteljahr besetzt war, anrichteten,
auf mehr als 1 Million fl. Wir blieben indessen in dieser Zeit
ständig frei. Außer einem Maß Wein und einem Maß Bier
haben diese Königsmörder nichts von uns erhalten.
In diesen Tagen und den folgenden lebten wir unterdessen
im Frieden und hatten täglich zur Nachtzeit Besuch von Reichs-
soldaten, aber
am 8. Iuli blieben sie aus und früh um 4 Uhr kamen über
100 französische Infanteristen aus Neckarau. Sie forderten
Leute zur Zerstörung der Gräben von Mannheim. Nach kurzem
Aufenthalt und nachdem sie gefrühstückt hatten, zogen sie rasch
weiter zum Platz, woher sie gekommen waren. Die Arbeit wird
inzwischen in Mannheim mit aller Anstrengung sortgesührt.
Jung und alt, selbst die Herren Gerichtsräte schassen, damit
man rasch fertia wird.
Am 10. Juli kamen österr. Husaren, die Tag und Nacht
den Weg nach Mannheim bewachten und auf die Franzosen in
Neckarau Obacht gaben. Indessen ist nichts Denkwürdiges zu
verzeichnen.
Am 14. Iuli wurde in den protestantischen Kirchen von den
Predigern unter dem Jubel des Volkes das berüchtigte, für die
Katholiken verabscheuungswürdige Religionsedikt bekanntgege-
ben. Es wurde von Sr. Durchlaucht Maximilian Joseph sehr
zu Gunsten der Protestanten in Druck gegeben und eigenhändig
unterschrieben. Weiß Gott, was geschehen wird! Indes wird
der höchste Hirt der kleinen Herde der Katholiken in der Pfalz
gnädig sein.
Am 2 6. August zogen wider alle Erwartung die österr.
Husaren rasch ab wegen des unvorhergesehenen und lärmenden
Anrückens der Franzosen, die wie Heuschrecken mit großem Un-
gestüm unsere ganze Nachbarschaft bis Bruchsal und Heilbronn
überschwemmen, wo sie verschiedene Oesterreicher auf der Flucht
töteten, andere gefangen mit sich fortschleppten (sie waren
nämlich an Zahl geringer). Die Zahl der Franzosen soll 25 000
gewesen sein. Das Hauptquartier blieb bei uns. Bei dieser
Gelegenheit erhielten auch wir dreimal teils zwei, teils vier
Offiziere als Gäste. Sie verübten jedoch keine Ausschreitung.
Am anderen Tag wandte sich das ganze Heer nach Philippsburg
zur Belagerung. Am 6. September begannen die Kanonen
auf beiden Seiten heftig zu donnern und am anderen Tage
sahen wir nachts durch die Fenster die Stadt in Flammen, die
viels Bürgerwohnungen verzehrten. Einstweilen haben sie sich
umsonst geplagt und viele Franzosen fielen. Endlich zogen sich
wegen des Anrückens des österr. Heeres
am 10. und 11. September alle Franzosen zurück und
zwar mit Eile nach Mainz zu, indem sie einige in Mannheim
zurückließen. Die österr. Husaren folgten ihnen hinten nach,
aber zu schnell und waghalsig: denn 5 Husaren kamen wütend
nach Schwetzingen, wo noch die Franzosen in der Umgebung
standen, zum Abmarsch bereit. Sofort kehrten sie die Waffen
und die Reiterei und die Fußtrupven blieben den ganzen Tag
und die ganze Nacht kampfbereit auf den Feldern zum großen
Schaden für das Tabakfeld.
Am 13. September flohen alle früh in aller Stille nach
Mannheim. Gute Reise! Diese eilig Flucht war unser Glück-
Denn überall stellten sie bis jetzt unerhörte Forderungen, aber
erhielten sie nicht. Einweilen ist der in der kurzen Zeit allent-
halben angerichtete Schaden nicht zu schätzen.
Am 14. September lagerten sich österr. Reiter (die täg-
lich mehr werden) bei unserer Gartenmauer.
Am 17. September kam unser Erlöser, S. Durchl. Erz-
herzog Karl mit dem ganzen Heere. Die Infanterie lagerte auf
dem Feld bei unserem Kloster, die Reiterei beim Relais-Haus.
Bei dieser Gelegenheit aß bei uns der Oberbefehlshaber einer
Fußtruppenabteilung, der gnädige Herr Wilhelm von Hirsch-
ligan, ein Lutheraner aus Siebenbürgern mit dem Feldpater
Jannarius, einem Konventualen, zu Abend mit großer Beschei-
denheit und schlief ruhig im Refektorium auf seinem dort her-
gerichteten Bett bis Mitternacht, wo das ganze Heer aufbrach
und in aller Stille den Weg auf Neckarau zu nahm. Schon um
5 Uhr begannen beiderseits die Kanonen mit großer Heftigkeit
zu donnern und so fuhr man unter schrecklichem Krachen fort bis
12 Uhr mittags. Um 9 Uhr, als unser geliebter Geistlicher Vater
Herr Thomas Bichler, Apotheker, der selig gestorben war, be-
graben wurde, brachte man den genannten Oberbefehlshaber
in einem Wagen in unser Kloster. Sein linker Fuß war von
einer Kanonenkugel zerquetscht. In unserem Refektorium, am
gleichen Ort und im gleichen Bett, wo er so ruhig in der ver-
flossenen Nacht geschlafen hatte, starb er um 11 Uhr, nachdem
man ihm vorher den Fuß abgenommen hatte: er wurde am
20. September in Feidenheim feierlich beerdigt.
Am 18. September kehrte S. Durchl. Erzherzog Karl um
4 Uhr nachmittags als Sieger unter Jubel zurück zum Haupt-
quartier, wo er dann die Hauptmahlzeit einnahm. Denn er
„kam, sah und siegte" nicht bloß über die Franzosen in Neckarau,
sondern belagerte auch Mannheim. Ueber 3000 Franzosen wur-
den gefangen, viele getötet, viele verwundet, auch Oesterreicher,
die zur Verbindung der Wunden einstweilen im Haus Oran-
geria zur Linken liegen. Gott sei ihnen gnädig und segne di«
österr. Waffen!
Mannigfache Namen und Inschriften in unserer Heimatstadt
fordern zur Erklärung heraus. Der Bürger liest sie, aber es
fehlt ihm die Verbindung mit früheren Zeiten. Steht da z B.
an der Mauerbrüstung der Alten Brücke das Stichworr
„Sprengmine 1849" eingehauen. Daß hier eine Sache
in den unruhigen Monaten des Revolutionsjahres 1849 ge-
spielt haben muß, ist sofort klar. Wo war aber die Spreng-
mine? — Im Straßenpflaster der Fahrbahn nicht weit vom
Standbilde Karl Theodors haben die Pflästerer ein Viereck
mit blauen Pflastersteinen eingesetzt, während sonst
die roten Sandsteine verwendet wurden. An diesem Platz hat-
ten anno 1849 die Freischärler die Pflastersteine herausgerissen,
ein Loch gegraben und darin ein Faß Pulverversenkt,
dessen Sprengkraft genügt hätte, um den darunter befindlichen
dritten Brückenbogen zu sprengen. Droben bei Wilhelmsfeld,
in Schriesheim und Handschuhsheim und vor allem amZoll -
stock hatten die Freischärler starke Schanzen errichtet, um den
Preußen den Einmarsch nach Heidelberg zu wehren. Aber
Schanze um Schanze mußten die Verteidiger aufgeben und sich
schließlich vor den nachdrückenden preußischen Heeresmassen hin-
ter dem Brückentor und den Häusern in Sicherheit bringen. In
den Weinbergen jenseits des Flusses hatten sich die Preußen
verschanzt: die Kugeln flogen herüber und hinüber: aber die
verrammelte Brücke wehrte den Preußen den Anmarsch. Soll-
ten sie dennoch vordringen und die Brücke und die Stadt stür-
men, dann war's aus mit der Herrlichkeit der Volksverführer.
Der 21. Juni 1849 sollte die Entscheidung bringen: da regnete
es blaue Bohnen hinüber und herüber. Aber in die Stadt
kommen sollten die Preußen nicht, das batten die Anführer der
Freischärler beschlossen: lieber die Brücke geopfert als das
eigene Leben.
Doch es kam nicht so weit. Die Heidelberger besaßen damals
noch ihre uniformierte BUrgerwehr und in der Per-
son des Professors Rümmer von der Bürgerschule!
einen schneidigen, mutigen und beherzten Führer. Hatte er!
doch auch in den Ostertagen des Jahres 1848 die Sinsheimer -
Banden, die mit Frauen und Kindern und leeren Säcken ge- >
kommen waren, entwaffnet und mit ihren leeren Säcken wieder i
heimgeschickt. Aus der Plünderung war nichts geworden. >
Dieser tapfere Rümmer fürchtete die Wache nicht, die das
Pulverfaß in dem Brückenbogen bewachte. Seine Leute holten
es heraus und bewahrten so wahrscheinlich die schöne historische
Brücke vor der mutwilligen Zerstörung. Seit dieser Zeit trägt
die Brücke an dieser Stelle blaues Pflaster als Erinnerung an
eine schwere Zeit. Hoffentlich halten's auch unsere Nachkommen
so. Wer wieder über die Brücke geht, möge sich das blau ge-
pflasterte Viereck, den Platz der „Sprengmine", betrachten.
Nicht weit vom vorerwähnten Zollstock an dem Weg nach
dem Weißen Stein wird die Holdermannseiche gezeigt. An die-
sem oder einem früheren Baum hat sich im Jahre 1764 der
Heidelberger Coffee- und Weißbärenwirt Holder-
mann wegen Schulden erschossen. Das Lass befand sich
auf dem Platze der heutigen Kunsthandlung von König, Ecke
Erabengasse-Hauptstraße. Ein anderes Cafs, das Caf«
Bolley, ein dreistöckiger Bau, lag links vom Vrückentor
und grenzte an dieses an. Ehe der Nackarstaden gebaut war,
ging das Master des Neckars bis nahe an das Haus. Die
Studenten machten sich das Vergnügen, von den Fenstern au«