Nr. 58
„Platzer Bote" Heidelberg — Freitag, den 10. März 1333
Seit« 3
Wiadt NZsd Lkmsehrwg
KMNkrm über Keibewerg
Heidelberg, dm 10. März 1933.
Wie in allen Städten Badens, war eine der
ersten Amtshandlungen der neuen Machthaber
nach Uebernahme der Polizeigewalt auch in Hei-
- Helberg die Hissung des HäkenEreuzbanners und
der Men Reichsfarben auf den öffentlichen Ge-
bäude.
Der amtliche WoWericht meldet darüber:
In Anwesenheit des neuernannten Pvlizeidi-
rektors Henninger verhandelten hier die Regis-
rungsräte Hassenkampf, Eievmann und Polizei-
major Müller mit der Führung der nationalen
Verbände, wobei beschlossen wurde, auf dem Be-
. zivksamt, den beiden Universitätsgebäuden und
! aus den Polizeikafernen je sine Hakenkreuz- und
' eine schwarz-weiß-rote Fahne aufzuziehen. Re-
. 'gierungsrat HasseNkampf sicherte loyale Zusam-
menarbeit mit den nationalen Verbänden zu.
Mit klingendem Spiel marschierte darauf SA.,
GS. und Stahlhelm, etwa 1000 Teilnehmer, am,
um an den genannten Gebäuden die Fähnenhis-
. sung vorzunvhmen.
s jung Vovzunshmen. Heute früh wurden die
Flaggen auch auf der Reichsbahn aufgezogen
Natürlich hatten die Vorgänge eine Menge
Neugieriger angelockt, die sich vor dem Bezirks-
amt staute, wo kurz nach 4 Uhr gestern mittag
der Kreisleiter der hiesigen NSDAP., Röhn,
jvom Balkon aus eine Ansprache hielt, in der es
! u. a. hieß: „Genau so rühmlos, wie die Regie-
rungen 1918 in die Sessel hineingerutscht sind,
, rutschen sie heute wieder heraus. Dieses bedeutet
' äder nicht wie 1918 Zerstörung alles Be-
s stehenden, sondern Aufbau des national-
s sozialistischen Staates. Wir wollen und wollen
nichts für uns, aber alles für
' Deutschlan d!"
Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied be-
schlossen die Kundgebung. Bon da ging es zur
, Universität, zu den beiden Kasernen, "dem Amts-
gericht, dem Finanzamt und der Reichspost, wo
überall die Flaggen gehißt wurden. Der Rektor
der Universität, Prof. Dr. Andreas, legte mit
folgender Erklärung gegen die Forderung Ver-
wahrung ein:
„Da mir nicht bekannt ist, daß eine Verord-
nung des für die Universität zuständigen Un-
terrichtsministeriums vorliegt, und ich als Be-
amter auf die Verfassung beeidigt bin, muß ich
gegen eine Beflaggung der mir unterstellten
Dienstgebäude Verwahrung einlegen."
Er darf dafür heute in oer „Volksgemein-
schaft lesen, daß der Beamte Andreas Wer den
Historiker Andreas gesiegt habe, oder der Histo-
riker sei zu sehr nach rückwärts gewandt, um die
Zeichen der neuen Epoche zu herstehen. Und
weiter an ihn und Herrn Prof. Dr. Alfred We-
ber gerichtet:
„Weder Herr Weber noch das Rektorat kön-
nen uns daran hindern, unsere Freiheitsfah-
nen dort zu zeigen, wo wir es für notwendig
halten. Wir hoffen, diese Herren werden nun
belehrt sein! Andernfalls wird man es ihnen
beibringen!"
Nun, wer die Namen Weber und Andreas
kennt, wird diese Drohung gelassen hinnehmen.
Der Zug der mit Karabinern und Revolvern
ausgerüsteten SA.-Leute, das klingende Spiel
der Musikkapelle brachte natürlich Aufregung
und Abwechslung in das sonst so ruhige Gesche-
hen in Heidelberg.
Manche Leute meinten: „Wie 1918, nur mit
anderen Vorzeichen!" Ben Mulla aber strich sei-
nen langen Bart und sprach lächelnd: „Alles
schon dagewesen!" Und das wirkte ungemein be-
ruhigend.
*
Im Anschluß an die Demonstration wurden
im kommunistischen Kinderheim in Schlierbach
und einigen Privatwohnungen von Kommuni-
sten sowie im Artushof Haussuchungen vorge-
nommen, die aber ergebnislos verliefen.
SailMuWejnm BmgsMe
Vom Verein für Handschuhsheimer Burgspiele
e. V. wird uns geschrieben:
Bei dem großen Erfolg, den die Handschuhs-
heimer Burgspiele hatten, ist es eine Selbstver-
ständlichkeit, daß sie auch in diesem Jähre fort-
gesetzt werden. Denn wie die Erinnerung an
' das Spiel, so bliÄ auch das Bewußtsein leben-
. big, haß mit dieser bodenständigen volkstümlich
lebendigen Kunst zugleich eine Aufgabe im
Dienste der Heimat erfüllt wird, die heute nöti-
ger ist als je. Die Begeisterung, die voriges
' Jahr bas ganze Unternehmen trug, ist denn auch
keineswegs abgeflaut, überall herrscht Zuversicht
auf neues Gelingen. Unter den Spielern sind
viele, die den Beginn der Proben kaum äbwar-
ten konnten. Mußten auch einzelne wegen Exa-
men oder Arbeitsüberlastung zurücktreten, io
sind doch weit mehr hinzugekommen, die den
alten Spielern an Lust und Liebe nicht nachste-
heu. Die Probearbeit hat bereits seit Wochen
begonnen.
Das Ziel, das sich der Verein Han'dschuhshei-
Mer Burgfpiele steckte: an historischer Stätte ein
Stück heimischer Geschichte lebendig werden zu
lassen, ist das gleiche geblieben, ebenso die Orga-
nisation des Vereins und seine Leitung. (1. Vor-
sitzender: Pfarrer Vogelmann, 2. Vorsitzender
Rektor Frey.) Wie im vorigen Jahre wirken
auch jetzt nur Handschuhsheimer aus allen
Schichten mit. Die reichen Erfahrungen aber,
die man bisher sammeln konnte, geben den An-
sporn, die künstlerischen Maßstäbe noch höher zu
schrauben. Wie viel leichter ist es jetzt, den ein-
zelnen an seinen Platz zu stellen, nachdem die
Fähigkeiten der meisten erprobt sind!
Das neue Burgspiel ist wieder von Irma von
Drygalsli verfaßt. Wenn „Die letzten Rit-
ter von Handschuhsheim" das Leben am Edel-
hofe darstellten, in welches das Dorf selbst nur
lose verflochten war, so wird das Spiel „D o r f
inNot" ein Stück Schicksal des Ortes selbst zei-
gen. Darin liegt auch ein großer künstlerischer
Vorteil. Brauchen doch die Darsteller eigentlich
nur sich selbst zu geben, wenn sie die Rollen ver-
körpern, die allermeist Althandschuhsheimer Na-
men tragen. Die bewegte Handlung spielt im
Schicksalsjahr 1698, als Melacs Scharen Hand-
schuhsheim zerstörten und die unglücklichen Be-
wohner Furchtbares erdulden mußten. Auch in
diesem Spiel ist die Tiesburg nicht nur Bühne,
sondern auch Schauplatz der dichterischen Vor-
gänge. An Mittelpunkt stehen die tragische Ge-
stalt des Schultheißen Johann Georg Mutsch-
ler, von dem die Geschichte berichtet, daß die
Franzosen ihn drei Tage unbekleidet in die kalte
Kirche sperrten, weil er Freischärlern Quartier
gegeben hatte. Genauer den Verlauf der Hand-
lung anzudeuten, die auch Melax selbst episodisch
auf die Bühne bringt, ist hier unmöglich. Wie-
der wird auch jetzt das düstere Bild durch den
Humor Handschuhsheimer Volkstypen aufgelok-
kert. Der Schluß gibt nach aller Nacht den Aus-
blick in das Dämmern eines neuen Tages: die
Franzosen ziehen ab, die deutschen Truppen rük-
ken in Handschuhsheim ein. Unverwüstlich, stark
unp herrlich hebt sich Pfälzer Lebensmut und
deutsche Schaffenskraft aufs neue, in großem ju-
belnden Zug zieht das Volk hinaus, zum Ausbau
im freien Land. —
X Vortragsabend des Borromäusverein in
St. Hildegard. Als Vortragsthema für den li-
terarischen Abend des Borcomäusvereins hatte
sich gestern abend H. H. Kaplan Krämer das
Thema „Die Dichterin Anna Maria von
Krahne" gewählt. Mit feinem Verständnis
wußte er dieser gottdurchglühtsn kath. Schrift-
stellerin gerecht zu werden. Eingehend schilderte
der Redner Anna von Krahnes Werdegang, ihre
unglückliche Jugend, ihre Konversion und die für
sie daraus folgenden Kämpfe mit der kath. feind-
lich eingestsllten Verwandtschaft, namentlich mit
ihrem Vater. Besonders befaßte sich der Redner
mit der künstlerischen Entwicklung der Dichterin,
die, zeichnerisch sehr begabt, ihren Weg zuerst auf
dem Gebiete der Malerei suchte. Der Beginn
ihrer schriftstellerischen Laufbahn zeigte keine be-
sondere Eigenart. Erst nach 1906 schlug sie den
Weg ein, der ihr ureigenes Wesen erfaßte: Chri-
stus wurde Mittelpunkt ihrer Erzählungen. In
ihren C'hristuslegenden in den sich um den Hei-
land rankenden' Romane hat sie sich 'das eine
Ziel gesetzt, den Weg zu Christus zu zeigen. Im
Gegensatz zu Selma Lagevlöf, die ihre Legenden
nur aus der dichterischen Phantasie schuf, schöpfte
sie ihre Legenden aus lebendigem kath. Glau-
ben. Wenn auch, schloß der Redner, die nun 80-
jährige, und noch geistig frische Dichterin, nicht
mehr der Jubel der früheren Jahre umbrause,
so müsse sie doch die Tatsache mit Befriedigung
erfüllen, daß ihre Schriften die zum Teil Volks-
gut geworden sind, doch schon manchen auf den
Weg zu Gott zurückbrachten. — Den von den
zahlreichen Zuhörern mit großem Beifall aufge-
nommenen Ausführungen ließ der Redner eine
Reihe interessanter Lichtbilder über „Paul Kel-
ler und seine Werke" folgen.
X Die nächste Abendmusik junger Musiker
findet am Sonntag abend, 8.30 llhr, im
Lutherhaus statt. Das Programm dieser
Feierstunde ist ganz auf den überaus ernsten
Charakter des Volkstrauertages ab-
gestimmt. Es enthält vor allem Werke von
I. S. Vach, u. a. das Orgelpräludium
und Fuge in f-moll und die Sopranarie mit
obligater Violine „Hört, ihr Augen, auf zu
weinen". Ferner bringt die Vortragsfolge
Joh. Brahms Choralvorspiel und Fuge
über „O Traurigkeit, o Herzeleid", Max
Regers Präludium für Violine allein in
e-moll, außerdem zwei geistliche Gesänge des
bekannten sächsischen Kirchenkomponisten P.
Geilsdorf, und die kürzlich hier urauf-
geführte Introduktion und Passacaglia in
e-moll des jungen Berliner Tonsetzers Kurt
Rasch. — Ausführende sind: Heinrich Sie-
benhaar (Orgel), Frieda Erdmannsdörffer,
(Sopran) und Anneliese Mündler-Schlatter
(Violine). — Eintrittsgeld wird nicht er-
hoben, der Saal ist gut geheizt.
X Vom kath. deutschen Frauenbund. Zu
der von der hiesigen Abteilung des kath. deut-
schen Frauenbundes gestern nachmittag im
Kolpinghaus veranstalteten Kaffeestunde, die
zugleich den Abschluß des zweitägigen Süß-
speisekursus bildete, hatten sich zahlreiche Mit-
glieder eingefunden. Leider mußte der für
den Nachmittag geplante Lichtbildervortrag
über „Lourdes" ausfallen. Dafür wußte Frau
Gräfin Maria von Graimberg die
Teilnehmerinnen mit einem feinsinnigen
Vortrage über „Maria Anna von Krahne"
reichlichst zu entschädigen. Durch ihre ver-
wandtschaftlichen Beziehungen zu der Dich-
terin gewannen ihre von tiefem Verstehen
und großem Einfühlungsvermögen getrage-
nen Ausführungen eine äußerst persönliche
und entsprechende Note. Frl. Hauptl. Schü-
ler, die Vorsitzende des Vereins, die ein-
gangs der Veranstaltung die Anwesenden be-
grüßt hatte, sprach der Rednerin für die in-
teressanten Ausführungen herzlichen Dank
aus. **
X Vom Stadttheater. Heute abend 7.43
llhr, Abon. C 23, die erfolgreiche Neueinstu-
dierung „Der Kaufmann von Vene-
d i g" mit Intendant Erwin Hahn als Shy-
lock. Samstag abend 7.45 Uhr zu klheinen
Preisen „Charleys Tante". Im 3. Akt Kaba-
retteinlagen.
X Neuwahlen zur Landwirtschaftskammer.
Der Vorstand der Badischen Landwirtschafts-
kammer hat beschlossen, die Neuwahlen für
die Landwirtschastskammer auf Sonntag, den
21. Mai, anzuberaumen.
X Brahms-Zyklus im Hotel Schrieder. Un-
sere gestrige Notiz über den Zyklus muß da-
hin abgeändert werden, daß die Veranstal-
tungen am 13., 19. (nicht 18.!) und 25. März
stattfinden.
Marktbericht vom 13. März. ch
Kartoffeln 3—4, Weißkraut 10—15, Rot-
kraut 15—20, Rosenkohl 20—25, Grünkohl
10—12, Blumenkohl 30—60, Rhabarber W
bis 30
Aepfel
bis 30, Kochbirnen 15—35, Kopfsalat 25—30,
Endivien 10—30, Feldsalat 30—40, Rettig 8
bis 10, Radieschen 15, Tomaten 60—70,
Schwarzwurzeln 30—35, gelbe Rüben 8—10,
Bodenkohlrabi 6—8, Zwiebeln 10, Sellerie
20—30, Meerrettig 20—50, Landeier 9—IS,
Landbutter 100—110, Trauben 60—70, Ka-
stanien 20—25, Nüsse 30—40.
Vom kilm -
Lspitol
„Der Läufer von Marathon"
(Regie E. A. Dupont, Manuskript Thea von
Harbou). Dieser Film entspricht nicht in allem
dem Roman von Werner Scheff. Und das ist
erfreulich. Man kann wirklich nicht gut in
einen ausgesprochenen Sportfilm eine kitschige
Liebesgeschichte einflechten. Dieser Film zeigt
sportbegeisterte Mädchen und Jungens in
enger Verbundenheit, alle mit dem einzigen
Wunsche, für die Heimat auf der Olympiade
Siege zu erringen. Ganz prächtig sind die
Originalaufnahmen von der Olympiade 1932.
Es wäre wünschenswert, daß sich unsere Hei-
delberger Sportjugend für den „Läufer von
Marathon" interessiert. Das Beiprogramm
war wieder gut zusammengestellt. Ab heute
zeigt die Vühnenschau Chinesische Gaukler.
is
, Spinat 25—30, Kernbohnen 15—20,
20—45. Birnen 20—45. Kochcivfel (
„Oer Kaufmann von Vsneöiz"
von William Shakespeare
Der Intendant als Gast! Wir nehmen vor-
weg, es wurde em großer persönlicher Erfolg
und ein -Erfolg für das ganze Theater. — Herr
Hahn hatte eine Rolle gewählt, auf die das ganze
Interesse des Stückes sich konzentriert, d. h.
«ine echte Gastiervolle, in der Größen wie
Schildkraut ihre Triumphe gefeiert haben.
Nur um dieser Rolle willen bewahrt das Stück
seine Anziehungskraft. Kein anderes Stück des
Briten hat soviel herbe Kritik erfahren. Wir
folgen Bulthaupts Ged-ankeng-ängen in seiner
Dramaturgie des Schauspiels: „Das Stück treibt
die allevholdesten Blüten der Lyrik, es gibt aber
weder ästhetisch noch ethisch eine befriedigende
Lösung, es ist lein Ganzes, es vereint unzüsam-
menhängend^ iDnge. Entweder Welt der Fabel
und des schönen Scheins — oder die Tragik des
Lebens. Beides zusammen taugt nicht."
Bulthaupt hat Recht mit dieser Behauptung,
denn eine Fabel ist die Wahl der Kästchen, die
Schenkung der Ringe. Und nur der Märchen-
Wfall bringt die gehoffte Entscheidung bei der
Werbung nur Porzia. Welcher Zusammenhang
sollte wohl zwischen dieser traumhaften Fabelei
— der Stoff ist einer Novelle von Fiorentino
nachgebildet — und dem eisenharten Geschäft
des Shylock und der jammervollen Menschen-
tragödie des Inden bestehen? Shakespeare wollte
ein Lustspiel schreiben mit einer geprellten
Hauptfigur wie sein Malvoli-o. Dazu eignete
sich der Jude doppelt gut. Im Erschaffen über-
nahm ihn aber das eigene Genie, er eilt der
Zeit voraus, läßt den Geprellten zum eigent-
lichen Gläubiger der Menschen wevden, die wie-
der nach Bulthaupt, die wahren Boshaften sind,
und der Dichter bewirkt darum Zwiespältiges:
Man fürchtet für den königlichen Kaufmann,
über die znfammeNbrechende Jammergestalt des
Shylock Mrd der Mitleides wert. Furcht und
Mitleid sind nach Lessing die Attribute des tra-
gischen Helden. Hier verteilen sie sich auf die
Gegenspieler. Shylock selbst ist ja zwiespältig.
Boshaft und tückisch, rachgierig uM> ohne Erbar-
men — aber das Produkt der Gemeinheit der
Umwelt.
Heinrich Heine hat es wundervoll tief und
rührend gekennzeichnet in seiner Abhandlung
„Shakespeares Frauen und Mädchengestalden",
wo es durch die Halle geistert: „Mei Jessika, mei
Dukaten." — Herr Hahn hat sine überraschende
Nachzeichnung hin-gestellt. Er vermeidet die bil-
lige Karikatur. Sein Shylock hat das Zwiespäl-
tige, -das durch Leid an die Grenze des Erhabe-
nen kommt und nach Tochter und Dukaten jam-
mert. Dieser Shylock handelt, Uber er ist nicht
etwa nur Ge-ldmensch. Um seiner beleidigten
Menschenwürde die Rache zu sichern, schlägt er
jedes Angebot aus. Um Leben und Tod geht es,
und der Besiegte gewinnt das Mitgefühl. So
spielt Herr Hahn die Rolle, der er nur einige
Effekte hinzufügen könnte, etwa das satanische
Haßwort: „Fische mit zu ködern!" — öder er-
greifender dürfte kommen: „Nicht um einen
Wald voll Affen hätte ich den Ring gegeben."
Was Shylock von Männern gegenüber steht,
ist wenig sympathisch. Da ist Antonio, den Bult-
haupt einen „Hypochonder ohne Selbstregung,
ohne Tatkraft" nennt. Herr Lütjohann gibt
ihm Favbe. Da ist ein Dummkopf von Doge,
von dem Bulthaupt sagt, „Gott gnade einem
Staat, an dessen Spitze ein Schwachkopf wie
dieser Doge steht". Mit Recht, denn dieser Ver-
trag ist unmöglich in einem Kulturstaat und der
Schein, auf dem Shylock besteht, ist hinfällig —
gerade nach dem Gesetz Venedigs und weil er
gegen die guten Sitten verstößt. Dazu muß erst
ein junges Mädchen als Doktor kommen, um
es ihnen allen zu sagen und unter Anwendung
eines Tricks, den der RechtÄehrer Jhering „einen
kläglichen Räbulistenkniff" genannt hat. Diesen
Dogen gab Herr Burg schlicht und würdevoll.
So rettet sich allein diese Figur. Herr Schir-
litz ist zurückgekchrt und spielte den Basfa-
nio, vom Publikum freundlich begrüßt. Dieser
Liebhaber pumpt Antoni an, nm auf die Brant-
schau zu gehen und läßt zu, daß Antonio seinet-
willen den gefährlichen Pakt unterschreibt. Auch
darauf ist häufig verwiesen worden. Dazu diese
Jeunesse dorse. Lorenzo, den Entführer der
Jessica, nannte ein neuerer Kritiker ganz zutref-
feno, einen Zühältevbengel. Tiefste Tragik in
der Gevichtsszene und anschließend holdeste Lyrik
einer Mondscheinnacht. Bulthaupt empfindet sie
als Frivolität nach so viel Elend.
Neber diesen wenig sympathischen Gestalten
und -der Dirne Jessica, die Ruth Bayer gut
in Spiel und Erscheinung gab, sicht turmhoch
Porzia. Klug und mädchenhaft, ausgelassen und
sittsam, ist sie die Märchenfee des Spiels. Irma
Poppe war ganz reizend in ihrer vornehmen
Hingabe und Zurückhaltung, im neckischen Spiel
wie im eindringlichen Mahnen vor Gericht. Das
lustige Paar war 'durch Maria Sachse und
Herrn Knur sehr gut dargestellt und gab den
Abglanz von Porzia und ihrem Liebsten. Den
Prinzen Arragon spielte Herr Evelt tradi-
tionsgemäß als Gecken. Das Ganze erfordert es
so, aber dieser Arragon spricht für einen Nar-
ren sehr besinnliche Schlußworte. Darstellung
und Dichtung werden in dieser Figur nie zur
Deckung kommen. Eine besondere Anerkennung
gebührt Herrn Winds als Prinz von Ma-
rocco. An seiner Sprachtechnik möge sich man-
cher ein Beispiel nehmen. Herr Winds hat auch
das Werk in Szene gefetzt und zwar so phan-
tastisch in Kulisse und Beleuchtung, auch reich
uüd bunt in dem Maskenbikd, wie dadurch ganz
allein die Gegensätze des Werks überdeckt wer-
den können. Tritt der Fabslcharakter in Erschei-
nung, wird auch das Unglaubhafte annehmbar.
Nennen wir noch den stets verwendbaren
Bohne als Gobbo, Max Mairich als
plappernden Lanzelott, den Narren des Stücks,
Carl Weide, der als Tubal treffend den fal-
schen Freund zeichnete, so ist ein vorzügliches
Ensemble genannt, das einen berechtigten starken
Erfolg errungen hat. Herr Warmbrunn
hatte wieder für die Umrahmung gesorgt.
Die Aufnahme war warm und herzlich. Es
gab diel Blumen und Hervorrufe.
H. W.F.
Oarfspiel im „fliezenüen KoNamter"
In der letzten Wiederholung der Wagner»,
Oper sang Herr Johannes Bischofs
vom Landestheater in Darmstadt die'
Titelrolle. Ein Meistersinger stellte sich da-
mit den Heidelbergern vor, dessen Stimme
vom profunden Baß bis zu heldischer Bari-
tonhöhe ansteigt, ein echter Musikdramatiker,'
der die Ausdrucksformen seiner Partie zu
schattieren und selbst das Orchester mitzu-
reißen weiß. Ebenso ist sein Spiel aufs
Feinste nüanciert und auf edelste Gebärden^
abgestimmt. Dieser überragende Holländer,'
der am Sonntag nochmals gastieren soll, fand
in Margarete Eclas-Schur eine gute Part-
nerin. Auch Etterer als Daland und Anders
als Steuermann bewährten sich wieder, eben-
so der Chor mit seinen schönen Stimmen.
Den Erik sang diesmal Herr Waldmann
und wurde ihm stimmlich zumeist nicht ge-
recht. Aber eine Unsicherheit, die sich sogar
im Text der Kavatine des dritten Akts be-
merkbar machte, verhinderte die richtige Ge-
staltung dieses frischen nordischen Jägers.
Das häßliche Holländerbild in der Türfüllung
ist noch nicht verschwunden. Auch das vor-
zeitige, die Stimmung verderbende Fallen
des Schlußvorhangs ließ Wünsche in der
regiemäßigen Behandlung des großen Wer-
kes offen, das in Kurt Överhoff wieder sei-
nen zielbewußten musikalischen Leiter hatte.
ll.
altlieaterNaiimli eim
„Köniz I-esf" - ^euinkreniei'unz
König Lear, bas sowohl an äußerem Umfang
wie an menschlichem Gehalt reichste Trauerspiel
Shakespeares ist seiner EntstHungszeit nach
nicht leicht in die Reihe der anderen Tragödien
einzuovdnen. Wohl aber nach feinsm Knt-
„Platzer Bote" Heidelberg — Freitag, den 10. März 1333
Seit« 3
Wiadt NZsd Lkmsehrwg
KMNkrm über Keibewerg
Heidelberg, dm 10. März 1933.
Wie in allen Städten Badens, war eine der
ersten Amtshandlungen der neuen Machthaber
nach Uebernahme der Polizeigewalt auch in Hei-
- Helberg die Hissung des HäkenEreuzbanners und
der Men Reichsfarben auf den öffentlichen Ge-
bäude.
Der amtliche WoWericht meldet darüber:
In Anwesenheit des neuernannten Pvlizeidi-
rektors Henninger verhandelten hier die Regis-
rungsräte Hassenkampf, Eievmann und Polizei-
major Müller mit der Führung der nationalen
Verbände, wobei beschlossen wurde, auf dem Be-
. zivksamt, den beiden Universitätsgebäuden und
! aus den Polizeikafernen je sine Hakenkreuz- und
' eine schwarz-weiß-rote Fahne aufzuziehen. Re-
. 'gierungsrat HasseNkampf sicherte loyale Zusam-
menarbeit mit den nationalen Verbänden zu.
Mit klingendem Spiel marschierte darauf SA.,
GS. und Stahlhelm, etwa 1000 Teilnehmer, am,
um an den genannten Gebäuden die Fähnenhis-
. sung vorzunvhmen.
s jung Vovzunshmen. Heute früh wurden die
Flaggen auch auf der Reichsbahn aufgezogen
Natürlich hatten die Vorgänge eine Menge
Neugieriger angelockt, die sich vor dem Bezirks-
amt staute, wo kurz nach 4 Uhr gestern mittag
der Kreisleiter der hiesigen NSDAP., Röhn,
jvom Balkon aus eine Ansprache hielt, in der es
! u. a. hieß: „Genau so rühmlos, wie die Regie-
rungen 1918 in die Sessel hineingerutscht sind,
, rutschen sie heute wieder heraus. Dieses bedeutet
' äder nicht wie 1918 Zerstörung alles Be-
s stehenden, sondern Aufbau des national-
s sozialistischen Staates. Wir wollen und wollen
nichts für uns, aber alles für
' Deutschlan d!"
Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied be-
schlossen die Kundgebung. Bon da ging es zur
, Universität, zu den beiden Kasernen, "dem Amts-
gericht, dem Finanzamt und der Reichspost, wo
überall die Flaggen gehißt wurden. Der Rektor
der Universität, Prof. Dr. Andreas, legte mit
folgender Erklärung gegen die Forderung Ver-
wahrung ein:
„Da mir nicht bekannt ist, daß eine Verord-
nung des für die Universität zuständigen Un-
terrichtsministeriums vorliegt, und ich als Be-
amter auf die Verfassung beeidigt bin, muß ich
gegen eine Beflaggung der mir unterstellten
Dienstgebäude Verwahrung einlegen."
Er darf dafür heute in oer „Volksgemein-
schaft lesen, daß der Beamte Andreas Wer den
Historiker Andreas gesiegt habe, oder der Histo-
riker sei zu sehr nach rückwärts gewandt, um die
Zeichen der neuen Epoche zu herstehen. Und
weiter an ihn und Herrn Prof. Dr. Alfred We-
ber gerichtet:
„Weder Herr Weber noch das Rektorat kön-
nen uns daran hindern, unsere Freiheitsfah-
nen dort zu zeigen, wo wir es für notwendig
halten. Wir hoffen, diese Herren werden nun
belehrt sein! Andernfalls wird man es ihnen
beibringen!"
Nun, wer die Namen Weber und Andreas
kennt, wird diese Drohung gelassen hinnehmen.
Der Zug der mit Karabinern und Revolvern
ausgerüsteten SA.-Leute, das klingende Spiel
der Musikkapelle brachte natürlich Aufregung
und Abwechslung in das sonst so ruhige Gesche-
hen in Heidelberg.
Manche Leute meinten: „Wie 1918, nur mit
anderen Vorzeichen!" Ben Mulla aber strich sei-
nen langen Bart und sprach lächelnd: „Alles
schon dagewesen!" Und das wirkte ungemein be-
ruhigend.
*
Im Anschluß an die Demonstration wurden
im kommunistischen Kinderheim in Schlierbach
und einigen Privatwohnungen von Kommuni-
sten sowie im Artushof Haussuchungen vorge-
nommen, die aber ergebnislos verliefen.
SailMuWejnm BmgsMe
Vom Verein für Handschuhsheimer Burgspiele
e. V. wird uns geschrieben:
Bei dem großen Erfolg, den die Handschuhs-
heimer Burgspiele hatten, ist es eine Selbstver-
ständlichkeit, daß sie auch in diesem Jähre fort-
gesetzt werden. Denn wie die Erinnerung an
' das Spiel, so bliÄ auch das Bewußtsein leben-
. big, haß mit dieser bodenständigen volkstümlich
lebendigen Kunst zugleich eine Aufgabe im
Dienste der Heimat erfüllt wird, die heute nöti-
ger ist als je. Die Begeisterung, die voriges
' Jahr bas ganze Unternehmen trug, ist denn auch
keineswegs abgeflaut, überall herrscht Zuversicht
auf neues Gelingen. Unter den Spielern sind
viele, die den Beginn der Proben kaum äbwar-
ten konnten. Mußten auch einzelne wegen Exa-
men oder Arbeitsüberlastung zurücktreten, io
sind doch weit mehr hinzugekommen, die den
alten Spielern an Lust und Liebe nicht nachste-
heu. Die Probearbeit hat bereits seit Wochen
begonnen.
Das Ziel, das sich der Verein Han'dschuhshei-
Mer Burgfpiele steckte: an historischer Stätte ein
Stück heimischer Geschichte lebendig werden zu
lassen, ist das gleiche geblieben, ebenso die Orga-
nisation des Vereins und seine Leitung. (1. Vor-
sitzender: Pfarrer Vogelmann, 2. Vorsitzender
Rektor Frey.) Wie im vorigen Jahre wirken
auch jetzt nur Handschuhsheimer aus allen
Schichten mit. Die reichen Erfahrungen aber,
die man bisher sammeln konnte, geben den An-
sporn, die künstlerischen Maßstäbe noch höher zu
schrauben. Wie viel leichter ist es jetzt, den ein-
zelnen an seinen Platz zu stellen, nachdem die
Fähigkeiten der meisten erprobt sind!
Das neue Burgspiel ist wieder von Irma von
Drygalsli verfaßt. Wenn „Die letzten Rit-
ter von Handschuhsheim" das Leben am Edel-
hofe darstellten, in welches das Dorf selbst nur
lose verflochten war, so wird das Spiel „D o r f
inNot" ein Stück Schicksal des Ortes selbst zei-
gen. Darin liegt auch ein großer künstlerischer
Vorteil. Brauchen doch die Darsteller eigentlich
nur sich selbst zu geben, wenn sie die Rollen ver-
körpern, die allermeist Althandschuhsheimer Na-
men tragen. Die bewegte Handlung spielt im
Schicksalsjahr 1698, als Melacs Scharen Hand-
schuhsheim zerstörten und die unglücklichen Be-
wohner Furchtbares erdulden mußten. Auch in
diesem Spiel ist die Tiesburg nicht nur Bühne,
sondern auch Schauplatz der dichterischen Vor-
gänge. An Mittelpunkt stehen die tragische Ge-
stalt des Schultheißen Johann Georg Mutsch-
ler, von dem die Geschichte berichtet, daß die
Franzosen ihn drei Tage unbekleidet in die kalte
Kirche sperrten, weil er Freischärlern Quartier
gegeben hatte. Genauer den Verlauf der Hand-
lung anzudeuten, die auch Melax selbst episodisch
auf die Bühne bringt, ist hier unmöglich. Wie-
der wird auch jetzt das düstere Bild durch den
Humor Handschuhsheimer Volkstypen aufgelok-
kert. Der Schluß gibt nach aller Nacht den Aus-
blick in das Dämmern eines neuen Tages: die
Franzosen ziehen ab, die deutschen Truppen rük-
ken in Handschuhsheim ein. Unverwüstlich, stark
unp herrlich hebt sich Pfälzer Lebensmut und
deutsche Schaffenskraft aufs neue, in großem ju-
belnden Zug zieht das Volk hinaus, zum Ausbau
im freien Land. —
X Vortragsabend des Borromäusverein in
St. Hildegard. Als Vortragsthema für den li-
terarischen Abend des Borcomäusvereins hatte
sich gestern abend H. H. Kaplan Krämer das
Thema „Die Dichterin Anna Maria von
Krahne" gewählt. Mit feinem Verständnis
wußte er dieser gottdurchglühtsn kath. Schrift-
stellerin gerecht zu werden. Eingehend schilderte
der Redner Anna von Krahnes Werdegang, ihre
unglückliche Jugend, ihre Konversion und die für
sie daraus folgenden Kämpfe mit der kath. feind-
lich eingestsllten Verwandtschaft, namentlich mit
ihrem Vater. Besonders befaßte sich der Redner
mit der künstlerischen Entwicklung der Dichterin,
die, zeichnerisch sehr begabt, ihren Weg zuerst auf
dem Gebiete der Malerei suchte. Der Beginn
ihrer schriftstellerischen Laufbahn zeigte keine be-
sondere Eigenart. Erst nach 1906 schlug sie den
Weg ein, der ihr ureigenes Wesen erfaßte: Chri-
stus wurde Mittelpunkt ihrer Erzählungen. In
ihren C'hristuslegenden in den sich um den Hei-
land rankenden' Romane hat sie sich 'das eine
Ziel gesetzt, den Weg zu Christus zu zeigen. Im
Gegensatz zu Selma Lagevlöf, die ihre Legenden
nur aus der dichterischen Phantasie schuf, schöpfte
sie ihre Legenden aus lebendigem kath. Glau-
ben. Wenn auch, schloß der Redner, die nun 80-
jährige, und noch geistig frische Dichterin, nicht
mehr der Jubel der früheren Jahre umbrause,
so müsse sie doch die Tatsache mit Befriedigung
erfüllen, daß ihre Schriften die zum Teil Volks-
gut geworden sind, doch schon manchen auf den
Weg zu Gott zurückbrachten. — Den von den
zahlreichen Zuhörern mit großem Beifall aufge-
nommenen Ausführungen ließ der Redner eine
Reihe interessanter Lichtbilder über „Paul Kel-
ler und seine Werke" folgen.
X Die nächste Abendmusik junger Musiker
findet am Sonntag abend, 8.30 llhr, im
Lutherhaus statt. Das Programm dieser
Feierstunde ist ganz auf den überaus ernsten
Charakter des Volkstrauertages ab-
gestimmt. Es enthält vor allem Werke von
I. S. Vach, u. a. das Orgelpräludium
und Fuge in f-moll und die Sopranarie mit
obligater Violine „Hört, ihr Augen, auf zu
weinen". Ferner bringt die Vortragsfolge
Joh. Brahms Choralvorspiel und Fuge
über „O Traurigkeit, o Herzeleid", Max
Regers Präludium für Violine allein in
e-moll, außerdem zwei geistliche Gesänge des
bekannten sächsischen Kirchenkomponisten P.
Geilsdorf, und die kürzlich hier urauf-
geführte Introduktion und Passacaglia in
e-moll des jungen Berliner Tonsetzers Kurt
Rasch. — Ausführende sind: Heinrich Sie-
benhaar (Orgel), Frieda Erdmannsdörffer,
(Sopran) und Anneliese Mündler-Schlatter
(Violine). — Eintrittsgeld wird nicht er-
hoben, der Saal ist gut geheizt.
X Vom kath. deutschen Frauenbund. Zu
der von der hiesigen Abteilung des kath. deut-
schen Frauenbundes gestern nachmittag im
Kolpinghaus veranstalteten Kaffeestunde, die
zugleich den Abschluß des zweitägigen Süß-
speisekursus bildete, hatten sich zahlreiche Mit-
glieder eingefunden. Leider mußte der für
den Nachmittag geplante Lichtbildervortrag
über „Lourdes" ausfallen. Dafür wußte Frau
Gräfin Maria von Graimberg die
Teilnehmerinnen mit einem feinsinnigen
Vortrage über „Maria Anna von Krahne"
reichlichst zu entschädigen. Durch ihre ver-
wandtschaftlichen Beziehungen zu der Dich-
terin gewannen ihre von tiefem Verstehen
und großem Einfühlungsvermögen getrage-
nen Ausführungen eine äußerst persönliche
und entsprechende Note. Frl. Hauptl. Schü-
ler, die Vorsitzende des Vereins, die ein-
gangs der Veranstaltung die Anwesenden be-
grüßt hatte, sprach der Rednerin für die in-
teressanten Ausführungen herzlichen Dank
aus. **
X Vom Stadttheater. Heute abend 7.43
llhr, Abon. C 23, die erfolgreiche Neueinstu-
dierung „Der Kaufmann von Vene-
d i g" mit Intendant Erwin Hahn als Shy-
lock. Samstag abend 7.45 Uhr zu klheinen
Preisen „Charleys Tante". Im 3. Akt Kaba-
retteinlagen.
X Neuwahlen zur Landwirtschaftskammer.
Der Vorstand der Badischen Landwirtschafts-
kammer hat beschlossen, die Neuwahlen für
die Landwirtschastskammer auf Sonntag, den
21. Mai, anzuberaumen.
X Brahms-Zyklus im Hotel Schrieder. Un-
sere gestrige Notiz über den Zyklus muß da-
hin abgeändert werden, daß die Veranstal-
tungen am 13., 19. (nicht 18.!) und 25. März
stattfinden.
Marktbericht vom 13. März. ch
Kartoffeln 3—4, Weißkraut 10—15, Rot-
kraut 15—20, Rosenkohl 20—25, Grünkohl
10—12, Blumenkohl 30—60, Rhabarber W
bis 30
Aepfel
bis 30, Kochbirnen 15—35, Kopfsalat 25—30,
Endivien 10—30, Feldsalat 30—40, Rettig 8
bis 10, Radieschen 15, Tomaten 60—70,
Schwarzwurzeln 30—35, gelbe Rüben 8—10,
Bodenkohlrabi 6—8, Zwiebeln 10, Sellerie
20—30, Meerrettig 20—50, Landeier 9—IS,
Landbutter 100—110, Trauben 60—70, Ka-
stanien 20—25, Nüsse 30—40.
Vom kilm -
Lspitol
„Der Läufer von Marathon"
(Regie E. A. Dupont, Manuskript Thea von
Harbou). Dieser Film entspricht nicht in allem
dem Roman von Werner Scheff. Und das ist
erfreulich. Man kann wirklich nicht gut in
einen ausgesprochenen Sportfilm eine kitschige
Liebesgeschichte einflechten. Dieser Film zeigt
sportbegeisterte Mädchen und Jungens in
enger Verbundenheit, alle mit dem einzigen
Wunsche, für die Heimat auf der Olympiade
Siege zu erringen. Ganz prächtig sind die
Originalaufnahmen von der Olympiade 1932.
Es wäre wünschenswert, daß sich unsere Hei-
delberger Sportjugend für den „Läufer von
Marathon" interessiert. Das Beiprogramm
war wieder gut zusammengestellt. Ab heute
zeigt die Vühnenschau Chinesische Gaukler.
is
, Spinat 25—30, Kernbohnen 15—20,
20—45. Birnen 20—45. Kochcivfel (
„Oer Kaufmann von Vsneöiz"
von William Shakespeare
Der Intendant als Gast! Wir nehmen vor-
weg, es wurde em großer persönlicher Erfolg
und ein -Erfolg für das ganze Theater. — Herr
Hahn hatte eine Rolle gewählt, auf die das ganze
Interesse des Stückes sich konzentriert, d. h.
«ine echte Gastiervolle, in der Größen wie
Schildkraut ihre Triumphe gefeiert haben.
Nur um dieser Rolle willen bewahrt das Stück
seine Anziehungskraft. Kein anderes Stück des
Briten hat soviel herbe Kritik erfahren. Wir
folgen Bulthaupts Ged-ankeng-ängen in seiner
Dramaturgie des Schauspiels: „Das Stück treibt
die allevholdesten Blüten der Lyrik, es gibt aber
weder ästhetisch noch ethisch eine befriedigende
Lösung, es ist lein Ganzes, es vereint unzüsam-
menhängend^ iDnge. Entweder Welt der Fabel
und des schönen Scheins — oder die Tragik des
Lebens. Beides zusammen taugt nicht."
Bulthaupt hat Recht mit dieser Behauptung,
denn eine Fabel ist die Wahl der Kästchen, die
Schenkung der Ringe. Und nur der Märchen-
Wfall bringt die gehoffte Entscheidung bei der
Werbung nur Porzia. Welcher Zusammenhang
sollte wohl zwischen dieser traumhaften Fabelei
— der Stoff ist einer Novelle von Fiorentino
nachgebildet — und dem eisenharten Geschäft
des Shylock und der jammervollen Menschen-
tragödie des Inden bestehen? Shakespeare wollte
ein Lustspiel schreiben mit einer geprellten
Hauptfigur wie sein Malvoli-o. Dazu eignete
sich der Jude doppelt gut. Im Erschaffen über-
nahm ihn aber das eigene Genie, er eilt der
Zeit voraus, läßt den Geprellten zum eigent-
lichen Gläubiger der Menschen wevden, die wie-
der nach Bulthaupt, die wahren Boshaften sind,
und der Dichter bewirkt darum Zwiespältiges:
Man fürchtet für den königlichen Kaufmann,
über die znfammeNbrechende Jammergestalt des
Shylock Mrd der Mitleides wert. Furcht und
Mitleid sind nach Lessing die Attribute des tra-
gischen Helden. Hier verteilen sie sich auf die
Gegenspieler. Shylock selbst ist ja zwiespältig.
Boshaft und tückisch, rachgierig uM> ohne Erbar-
men — aber das Produkt der Gemeinheit der
Umwelt.
Heinrich Heine hat es wundervoll tief und
rührend gekennzeichnet in seiner Abhandlung
„Shakespeares Frauen und Mädchengestalden",
wo es durch die Halle geistert: „Mei Jessika, mei
Dukaten." — Herr Hahn hat sine überraschende
Nachzeichnung hin-gestellt. Er vermeidet die bil-
lige Karikatur. Sein Shylock hat das Zwiespäl-
tige, -das durch Leid an die Grenze des Erhabe-
nen kommt und nach Tochter und Dukaten jam-
mert. Dieser Shylock handelt, Uber er ist nicht
etwa nur Ge-ldmensch. Um seiner beleidigten
Menschenwürde die Rache zu sichern, schlägt er
jedes Angebot aus. Um Leben und Tod geht es,
und der Besiegte gewinnt das Mitgefühl. So
spielt Herr Hahn die Rolle, der er nur einige
Effekte hinzufügen könnte, etwa das satanische
Haßwort: „Fische mit zu ködern!" — öder er-
greifender dürfte kommen: „Nicht um einen
Wald voll Affen hätte ich den Ring gegeben."
Was Shylock von Männern gegenüber steht,
ist wenig sympathisch. Da ist Antonio, den Bult-
haupt einen „Hypochonder ohne Selbstregung,
ohne Tatkraft" nennt. Herr Lütjohann gibt
ihm Favbe. Da ist ein Dummkopf von Doge,
von dem Bulthaupt sagt, „Gott gnade einem
Staat, an dessen Spitze ein Schwachkopf wie
dieser Doge steht". Mit Recht, denn dieser Ver-
trag ist unmöglich in einem Kulturstaat und der
Schein, auf dem Shylock besteht, ist hinfällig —
gerade nach dem Gesetz Venedigs und weil er
gegen die guten Sitten verstößt. Dazu muß erst
ein junges Mädchen als Doktor kommen, um
es ihnen allen zu sagen und unter Anwendung
eines Tricks, den der RechtÄehrer Jhering „einen
kläglichen Räbulistenkniff" genannt hat. Diesen
Dogen gab Herr Burg schlicht und würdevoll.
So rettet sich allein diese Figur. Herr Schir-
litz ist zurückgekchrt und spielte den Basfa-
nio, vom Publikum freundlich begrüßt. Dieser
Liebhaber pumpt Antoni an, nm auf die Brant-
schau zu gehen und läßt zu, daß Antonio seinet-
willen den gefährlichen Pakt unterschreibt. Auch
darauf ist häufig verwiesen worden. Dazu diese
Jeunesse dorse. Lorenzo, den Entführer der
Jessica, nannte ein neuerer Kritiker ganz zutref-
feno, einen Zühältevbengel. Tiefste Tragik in
der Gevichtsszene und anschließend holdeste Lyrik
einer Mondscheinnacht. Bulthaupt empfindet sie
als Frivolität nach so viel Elend.
Neber diesen wenig sympathischen Gestalten
und -der Dirne Jessica, die Ruth Bayer gut
in Spiel und Erscheinung gab, sicht turmhoch
Porzia. Klug und mädchenhaft, ausgelassen und
sittsam, ist sie die Märchenfee des Spiels. Irma
Poppe war ganz reizend in ihrer vornehmen
Hingabe und Zurückhaltung, im neckischen Spiel
wie im eindringlichen Mahnen vor Gericht. Das
lustige Paar war 'durch Maria Sachse und
Herrn Knur sehr gut dargestellt und gab den
Abglanz von Porzia und ihrem Liebsten. Den
Prinzen Arragon spielte Herr Evelt tradi-
tionsgemäß als Gecken. Das Ganze erfordert es
so, aber dieser Arragon spricht für einen Nar-
ren sehr besinnliche Schlußworte. Darstellung
und Dichtung werden in dieser Figur nie zur
Deckung kommen. Eine besondere Anerkennung
gebührt Herrn Winds als Prinz von Ma-
rocco. An seiner Sprachtechnik möge sich man-
cher ein Beispiel nehmen. Herr Winds hat auch
das Werk in Szene gefetzt und zwar so phan-
tastisch in Kulisse und Beleuchtung, auch reich
uüd bunt in dem Maskenbikd, wie dadurch ganz
allein die Gegensätze des Werks überdeckt wer-
den können. Tritt der Fabslcharakter in Erschei-
nung, wird auch das Unglaubhafte annehmbar.
Nennen wir noch den stets verwendbaren
Bohne als Gobbo, Max Mairich als
plappernden Lanzelott, den Narren des Stücks,
Carl Weide, der als Tubal treffend den fal-
schen Freund zeichnete, so ist ein vorzügliches
Ensemble genannt, das einen berechtigten starken
Erfolg errungen hat. Herr Warmbrunn
hatte wieder für die Umrahmung gesorgt.
Die Aufnahme war warm und herzlich. Es
gab diel Blumen und Hervorrufe.
H. W.F.
Oarfspiel im „fliezenüen KoNamter"
In der letzten Wiederholung der Wagner»,
Oper sang Herr Johannes Bischofs
vom Landestheater in Darmstadt die'
Titelrolle. Ein Meistersinger stellte sich da-
mit den Heidelbergern vor, dessen Stimme
vom profunden Baß bis zu heldischer Bari-
tonhöhe ansteigt, ein echter Musikdramatiker,'
der die Ausdrucksformen seiner Partie zu
schattieren und selbst das Orchester mitzu-
reißen weiß. Ebenso ist sein Spiel aufs
Feinste nüanciert und auf edelste Gebärden^
abgestimmt. Dieser überragende Holländer,'
der am Sonntag nochmals gastieren soll, fand
in Margarete Eclas-Schur eine gute Part-
nerin. Auch Etterer als Daland und Anders
als Steuermann bewährten sich wieder, eben-
so der Chor mit seinen schönen Stimmen.
Den Erik sang diesmal Herr Waldmann
und wurde ihm stimmlich zumeist nicht ge-
recht. Aber eine Unsicherheit, die sich sogar
im Text der Kavatine des dritten Akts be-
merkbar machte, verhinderte die richtige Ge-
staltung dieses frischen nordischen Jägers.
Das häßliche Holländerbild in der Türfüllung
ist noch nicht verschwunden. Auch das vor-
zeitige, die Stimmung verderbende Fallen
des Schlußvorhangs ließ Wünsche in der
regiemäßigen Behandlung des großen Wer-
kes offen, das in Kurt Överhoff wieder sei-
nen zielbewußten musikalischen Leiter hatte.
ll.
altlieaterNaiimli eim
„Köniz I-esf" - ^euinkreniei'unz
König Lear, bas sowohl an äußerem Umfang
wie an menschlichem Gehalt reichste Trauerspiel
Shakespeares ist seiner EntstHungszeit nach
nicht leicht in die Reihe der anderen Tragödien
einzuovdnen. Wohl aber nach feinsm Knt-