12 Schriftleitung und Geschäftsstelle! Heidelberg, Bergheimer Straß« 2S-S1, Fernft>«ch«r
'-Ln 126 und 12?. - Heschsstsstunden! Von 7.20 bis IS Uhr. — Sprechstunden der Redaktion!
Von 11.Z0—I2.Z0 Uhr. Anzeigenschluß- S Uhr, Samstag 8 20 Uhr vorm. Für telefonisch
übermittelte Aufträge wird keine Gewähr übernommen. — Postscheck-Konto Amt KaUSnth«
Nr. 81OZ. Geschäftsstelle in Wiesloch- Fernsprech - Anschluß Amt Wiesloch Nr. 201
Bezugspreis, Durch BotenzusteNung und Post monatlich 2.— Kl, bei der Geschäfts-
stelle abgeholt 1.80 ZK, Einzeln. 10 ZA/. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. — Anzeigenpreis- Di«
einspaltig« Millimeters«»« (24 nun breit) 10 ZA/. Reklame- Die 70 nun breite Milli-
meterzeiie SS ZA«. — Bei gerichtlicher Beitreibung oder Konkurs erlischt jeder Rabatt.
Vertagen bezw. besondere Abteilungen: Sonntag der Seele - Lesestunde - Heimatwarte - Höhenfeuer ° Funk und Schall - Die Scholle - Für die Frauenwelt - Soziale Zeitfragen
Nr. 78
Seibtlberg, Montag, 3. Avril 1 'M
68. Mrg.
Ruhiger Verlauf -er Mwehrbewegung
Nach autzen hin ist -er Boykott reibungslos verlausen / Nur in Kiel ein schwerer Zwischensall
Sie Forderung der Stunde
I Wiederbegegnung von nationalem Wolle«
und katholischem Kulturwillen.
Heidelberg, den 3. April 1938.
Berlin, 1. April. Die Boykottbewegung in
Groß-Bevlml ist bisher in Disziplin und
Ordnung verlaufen. Zn Störungen oder zu
Widerständen seitens boykottierter Firmen ist
es nirgends gekommen. DieM-ehrzahlder
Geschäfte hat es vorgezogen, für
heute zu schließen, und wo noch nicht ge-
schloffen ist, werden bereits die Anstalten dazu
getroffen. Viele boykottierten Firmen haben
ihre jüdischen Angestellten und jüdischen Kom-
pagnons entlassen.
Von den größeren boykottierten Warenhäu-
sern hatte in Berlin nur eines geöffnet, vor
dem sich ab er bald eine risige Menschenmenge an-
sammelte und die wenigen Käufer mit Pfuirufen
überschüttete, so daß die Mehrzahl dieser Käufer
Abstand nahm, das Geschäft zu betreten. Ueber-
haupt war oie Mitwirkung der Bevöl-
kerung in der Reichshauptstadt am Boykott
außerordentlich groß. Es ist festgestellt worden,
daß sich an verschiedenen Stellen kommunistische
Agitatoren unter die diskutierenden Gruppen
mischten, um durch raffinierte Hetze Unzufrie-
denheit unter die Bevölkerung zu tragen. Eine
derartige Hetzaktion entwickelte sich u. a. am
Hermannplatz. Es wurden aber sofort seitens
der Aktionskomitees energische Gegenmaßnah-
men ergriffen. Großes Aufsehen erregte das Be-
kanntwerden der Tatsache, daß zahlreiche unter
dem Boykott fallende Firmen versuchten, durch
größere Geldangsbote den Boykott von sich ab-
zuwenden. In einem Falle betrug die Summe
eines Llugebotes sogar 500 000 Mark.
Der Boykott gegen die jüdischen Rechtsanwälte
und jüdischen Aerzte ist Überall restlos und ohne
Widerstand durchgeführt worden. Für den Boy-
kott sind in Berlin rund 60—70 000 Personen
organisiert.
Vor jüdischen Geschäften ftehen Poften mit
umgehängtem großem Schild: „Deutsche
w e h r t E u ch! K a u f t ni ch t b e i I u d e n!"
Dieselben Posten sieht man aber auch vor zahl-
reichen Privathäusern im Westen, so z. B.
im der Kaiserallee, m der viele jüdische Rechts-
anwälte und Aerzte wohnen. Besonders stark
sind die Boykottposten vor den Gerichten.
So hat sich vor dem Amtsgericht Schöneberg in
der Grunewaldstraße gegen 10 Uhr eine größere
Menschenmenge angesammelt, die beobachtete,
ob jüdische Rechtsanwälte und Richter das Haus
betreten.
Verschiedene Geschäfte im der Leipziger Straße
haben Schilder angebracht, durch die sie sich aus
dem Boykott herausheben. In einem Schau-
fenster liest man: „Deutsches Geschäft", in einem
anderen: „Oesterwichifches Geschäft". In der
Friedrichstraße begegnet man langsam fahrenden
Kraftwagen mit Filmapparaturen.
, Im ganzen Reich verläuft die Abwahraktion
m mustergültiger Ruhe und Disziplin. An zahl-
reichen Städten hatten die jüdischen Geschäfte
ihre Läden überhaupt geschlossen.
Zwei Zote in Kiel
Kiel, 1. April. Hier ist es zu einem ernsten Zwi-
schenfall gekommen, über den die Regierung
m Schleswig folgenden amtlichen Bericht
herausgibt:
Der jüdische Rechtsanwalt und Notar
Schümm schoß heute vormittag gegen 11.3Ü
Uhr in Kiel einen SS-Mann namens Wilhelm
A sth a lt e r in der Kchdenstraße durch Bauch-
schuß nieder und zwar nach den bisherigen Mel-
dungen ohne einen triftigen Grund. Eine erregte
Menschenmenge versammelte sich vor dem Poli-
zeigefängnis, bevor der von dem Oberpräsiden-
ten angeordnete Abtransport des Rechtsanwalts
Schümm ermöglicht werden konnte. Die erregte
Volksmenge drang in das Polizeigefängnis ein,
wo Schümm durch Revolverschüsse
getötet wurde. Das ganze entwickelte sich
so schnell, daß polizeilich der Vorgang nicht ver-
hindert werden konnte. Die Menge drang auch
noch m das Geschäft des Vaters des Reckits-
anwalts Schümm ein und zerstörte das Inven-
tar.
Zu der Erschießung des SS-Mannes erfahren
wir noch folgende Einzelheiten: Die Boykott-
aktion setzte am Samstag in Kiel um 10 Uhr
vormittags schlagartig ein. SA- und SS-Posten
nahmen vor dem Eingang der jüdischen Ge-
schäfte und Warenhäuser Ausstellung. Gegen
11 Uhr kam es vor dem jüdischen Möbelgeschäft
Schümm in der Kehdcnftraße zu einem Wort-
wechsel, wobei sich der Sohn d. jüdischen
Inhabers auf einen SS-Mann stürzte. Als ein
Kamerad diesem zu Hilse kam, entstand zwischen
den beiden SS-Leuten und dem herbeieilenden
Firmeninhaber und dessen Sohn ein Kampf,
wobei ein Schuß losging, der den 22 Jahre
alten SS-Mann Walter Asthalter aus Kiel an
der Brust schwer verletzte.
Bezeichnung „jüdische Geschäfte" in Bremen
Bremen, 31. März. Auf Grund der Verord-
nung des Reichspräsidenten zum Schutz von
Volk und Staat vom 28. Februar wird zur Ab-
wehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze für
das bremische Gebiet allen jüdischen Unterneh-
men die Auflage erteilt, sich mit Plakaten als
„jüdische Unternehmen" selbst auszuweifen.
Ist Ablvekraktstn
Anordnung 8 über Durchführung der Pause.
München, 2. April. Das Zentralkomitee zur
Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze er-
läßt eine Anordnung Nr. 8, die besagt:
1. Durch Anordnung der Reichsparteileitung
und des Zentralkomitees wurde der Boykott gegen
jüdische Geschäfte, Aerzte, Rechtsanwälte usw. lnS
Mittwoch, 5. April 1933, vorm. 10 Uhr, ausgesetzt.
Damit ist der frühere Zustand wieder hergestellt.
Plakate, Anklebzettel usw., die mit dem
Boykott Zusammenhängen, sindzuentfernen.
2. Der Boykott ist erst dann wieder aufzuneh-
men, wenn vom Zentralkomitee die Weisung hier-
zu an die örtlichen Aktionskomitees ergeht.
3. Dessen ungeachtet haben die Aktionskomitees
die Vorbereitungen so zu treffen, daß auf Wei-
sung der Boykott zur festgesetzten Zeit ausgenom-
men und planmäßig durchgeführt werden kann.
4. Um eine Einheitlichkeit der Abwehraktion
herbeizuführen, wurde für den Fall der Wieder-
aufnahme des Boykotts bestimmt, daß an jüdischen
Geschäften Plakate anzubringen sind mit der
Aufschrift „Jude", an deutschen Geschäften mit der
Aufschrift „Deutsches Geschäft".
Görlitz, 2. April. Mit Rücksicht auf das bevor-
stehende Osterfest war in verschiedenen Städten
Die Eröffnung des
Nie Mr in Et. Peter
Rom, 1. April. Das Heilige Jahr 1933—34 ist
am Samstag vormittag durch PapstPiusXI.
mit der Eröffung der Heiligen Pforte
in St. Peter in feierlichster Weise eingeweiht
worden. Der Fülle der Gesuche um Zulassungs-
karten zur Kirche, besonders aber zur Vorhalle,
von der aus die Heilige Pforte ins Innere führt,
konnte in den letzten Tagen nicht mehr entspro-
chen werden. Bereits um 9 Uhr, fast zwei Stun-
den vor dem Beginn der Feier, war die Säu-
lenvorhalle mit Tausenden von Menschen
dicht gefüllt. Gegen 11 Uhr erschien Papst Pius
XI. an der Spitze des Zuges. Gefolgt von den Erz-
bischöfen, Patriarchen und Kardinäle stieg der
Papst dann in die Vorhalle der Peterskirche hinab.
Der Papst ließ am Eingang den Zug an sich vor-
beischreiten und bestieg dann den Tragstuhl. Dann
begab er sich zum Thron und stimmte das Tedeum
an, das vom Chor der Sixtinischen Kapelle fortge-
setzt wurde. Nach einigen Gebeten stieg Papst
Pius XI. vom Thron und empfing aus der Hand
des Kardinals Großpönitentiar den goldenen
Hammer. Er näherte sich der Heiligen Tür
unter tiefstem Schweigen der versammelten
Menge. Unter den vorgeschriebenen Gebeten,
auf die der Chor jeweils antwortete, schlug Papst
Pius XI. dreimal an die Heilige Pforte, worauf
diese sich langsam öffnete. Mit einem Kreuz und
einer brennenden Kerze in der Hand beugte der
Papst das Knie an der Schwelle der Pforte, wobei
er das Pange lingua anstimmte und dann als
erster die Schwelle überschritt. Ihm folgten die
Kardinäle, die Bischöfe und die anderen Würden-
träger des päpstlichen Hofes. Dann bestieg er den
Tragstuhl und begab sich an der Spitze des feier-
lichen Zuges zum Altar, wo das Allerheiligste
ausgestellt ist.
Niederschlesiens der heutige Sonntag zum Herrauf
freigegeben. In Görlitz wurde auf Anordnung der
Gauleitung Niederschlesiens der NSDAP, die
Boykottaktion gegen die jüdischen Geschäfte auch
heute dur ch g eführt. Um 11 Uhr zogen vor
den jüdischen Geschäften die Boykottposten auf.
Wie am Samstag durchfuhren Lastkraftwagen
mit Sprechchören die Geschäftsstraßen der Stadt
und forderten zum Boykott auf. Um fünf Uhr
nachmittags fand die Aktion ihr Ende und die
Posten wurden zurückgezogen.
Auch in Hirschberg (Riesengebirge) und in
anderen niederschlesischen Städten wurde der Boy-
kott am Sonntag durchgcfiihrt.
Englische Aeußerungen zum
Abwehrboykott
London, 2. April. Die Sonntagspresse hebt her-
vor, daß der gestrige Abwehrboykott in Deutsch-
land, von dem Zwischenfall in Kiel abgesehen,
überall ohne Gewalttaten und Unruhen
vor sich gegangen ist. Die Blätter erwarten, daß
der Boykott nicht wieder ausgenommen
werden wird, wenn die Ereuelpropaganda einge-
stellt wird. „Vollkommene Ordnung und Disziplin
haben den Boykott gekennzeichnet", meldet der
Berliner Korrespondent des „Observer".
Der Präsident des Verbandes orthodoxer he-
bräischer Kongregation, Dr. Homa, erklärte
gestern in einer Unterredung, die Juden führten
keinen Krieg gegen Deutschland oder gegen das
deutsche Volk. Jeder Versuch, eine antagonistische
Stimmung gegenüber dem neuen deutschen Regime
zu schaffen, werde von ihnen verurteilt. Wir er-
kennen an, so schloß er, wieviel die deutsche
Kultur zum Weltfortschritt beigetragen hat,
aber wir können auch nicht vergessen, daß das deut-
sche Judentum seine angemessene Rolle in dieser
Richtung gespielt hat. Wir sind bereit, die Ver-
sicherung der deutschen Regierung gelten zu lassen,
daß physische Gewaltanwendung gegen die Juden
eingestellt worden ist.
*
Die Abwehrbewegung des nationalen Deutsch-
land gegen die jüdische Greuel- und Boykottpro-
paganda hat in der Judenschaft Polens einen tie-
fen Eindruck gemacht. Die jüdische Presse schlägt
einen wesentlich maßvolleren Ton an.
Heiligen Zahres
Feierlichkeiten
in -en drei KaMbasillken Roms
Rom, 2. April. Zur gleichen Stunde, in der
gestern vormittag Pius XI. in St. Potex die
Oeffnung der Porta Santa vornahm, haben
die vom Papst dazu bestimmten Kardinallega-
ten, die heiligen Pforten der Lateran-Kirchs,
der Pauls-Kirche und der Haupt-Marien-Kirche
vorgenommen. Unter stärkster Teilnahme der
Gläubigen und vieler Fremder verlief das Ze-
remoniell in diesen drei Kirchen nicht weniger
feierlich als in St. Peter.
Besonderes Interesse wurde der Feier in der
Lateran-Kirche entgegengebracht, die
mit einer Prozession des Kapitels unter Füh-
rung des Kardinallegaten begann. Unter außer-
ordentlicher starker Beteiligung der Bevölke-
rung bewegte sich die Prozession von der La-
teran-Kirche zur Seala Santa, um in der Ka-
pelle Santasauctorium mit ihrem reichen Reli-
quienschatz das sonst nur in der Passionszeit
ausgestellte uralte Gnadenbild Christi für die
Dauer des Heiligen Jahres zu enthüllen.
Nach den vorgeschriebenen Gebeten kehrte die
Prozession durch die knieende Volksmenge zur
Vorhalle der Lateran-Kirche zurück, wo der
Kardinwllegat die Porta Santa mit den drei
symbolischen Hammerschlägen öffnete und
überschritt. Nach der von herrlichem Chorge-
-sang begleiteten Feier wurde die Porta Santa
der Lateran-Kirche, „aller Kirchen Roms und
des Erdkreises Mutter und Haupt", den Gläu-
bigen gegen 12 Uhr mittags freigegeben, wäb-
rend die Porta Santa der Peterskirche erst
am Nachmittag sich den Gläubigen und Pil-
gern allgemein öffnete.
In diesen Tagen, da der politische Katholi-
zismus aus seiner führenden Mitarbeit am
Aufbau eines neuen Deutschland zur Bedeu-
tungslosigkeit zurückgedrängt zu sein scheint,
mag man unsere Ueberschrift als phantastisch
optimistisch, ja, gefährlich ansehen. Und doch
ist sie richtig. Man darf allerdings nicht das
Spiel von Gruppen auf der Bühne des politi-
schen Lebens als wesentliche, oder gar einzige
Aeußerung der politischen Einstellung jener
Volksteile ansehen, die diese Gruppen zu ver-
treten suchen. Der Kämpfer und Agitator bie-
tet gleichsam nur Gebrauchsartikel, wie sie Not
und — Mode des Tages wollen. Die geistigen
Werkstätten stellen gewichtigere Ware her und
schaffen fern der Front gedankenschwere Wer-
ke. Zu ihnen gilt es vom politischen Vorder-
grund her den Weg zu bahnen.
Dann ergibt sich etwas Wunderbares? Di«
Gegner begegnen sich auf geistiger Höhe und
erkennen sich mit Staunen, dann mit Achtung
als Brüder trotz aller Unterschiede. So finden
wir heute auf diesen geistigen Gipfeln tatsäch-
lich eine Wiederbegegnung katholischer Welt-
haltung und deutscher Staatsidee. Man lese
nur das Heftchen Nr. 86 der Religiösen
Quellenschriften, die Dr. Watterscheid
bei L. Schwann in Düsseldorf herausgibt. Der
Verfasser dieses Heftchens, Dr. Hans Dah-
men in Bonn, findet solche Begegnung da,
„wo der Wille zur sichtbaren Ordnung des
Lebens, der Sinn für Bindung und Stufung
in der Gemeinschaft, wirksam ist, wie ihn
Euardini für die Selbsterziehung, Demps
für die Staatenordnung, Rommen für dis
Eesellschaftsgestaltung, Herwegen für die
völkische Frage, Hildebrand für das Ras-
senproblem, HeIbing für den Humanismus
und Schmitt für die politische Form bekun-
det oder fordert".
Der Herausgeber, der von allen genannten
und noch zu nennenden Denkern Quellenstücke
bringt, ist in seine Meinung von der Wieder-
begegnung nicht so vernarrt, daß er nicht auch
Trennungen vorzunehmen weiß. Das gilt von
der durch Leopold Dingräve beispielhaft
vertretenen „Politik aus dem Glauben" des
Tatkreises und von A. Rosenbergs My-
thos des 20. Jahrhunderts, einem Buche übri-
gens, das man im politischen Tageskampfe auf
katholischer Seite doch wohl viel zu einseitig
als Bibel des jungen Nationalismus ange-
sehen hat. Man hätte besser getan, sich mit der
Stellung des neuerwachten religiösen Prote-
stantismus der dialektischen Schule
und Wilhelm Stapels zur Politik ein-
gehend und verständnisvoll zu befassen (die
allerdings nicht mit einer geistigen Grund-
legung des Nationalsozialismus gleichgestellt
werden dürfen). Sie kann gewiß nicht unsere
sein; aber sie gibt Dahmen recht, der sie als
aus dem Religiösen herkommend
hoffnungsvoller wertet, als die rein materia-
listische und verweltlichte alte Einstellung. Re-
ligiös fundiert ist heute jede zukunftsträchtige
Politik, und religiös klingende Aeußerungen
unserer jetzigen Führer als Schauspielerei zu
werten, wäre das Zeichen eines unheilbar
fanatischen, erstarrten und unreligiösen Gei-
stes! Wir dürfen ihm nicht verfallen!
Hören wir in diesem Zusammenhang noch
eine andere mahnende Stimme! In der Ani-
tas, 73. Jahrg. 1933, Nr. 4, lesen wir in einem
Bericht von Rektor Peter Heuser über die
Tagung des Neichsausschusses deutscher Ju-
gendverbände, die vom 23. bis 26. Dezember
1932 inSoest stattfand, folgende Schlußsätze:
„So wird sich also der Katholizismus bald in
einer Verteidigung nach zwei Fronten finden:
der protestantisch-nationalistischen (iinperinva
saornin tsutonieuni-protestanticnin) und der
deutsch-bolschewistischen. Daß es nur Vertei-
digung sein wird und nicht Führung, brauchte
nicht so zu kommen. Der religiöse Aufbruch ist
da und in entscheidenden Fragen geht ein in-
nerer Zug auf katholisches Argut hin. Aber es
kommt ja nicht nur darauf an, daß man die
Wahrheit besitzt, sondern auch „allen Völ-
kern in ihrer Sprache" verkündet! Auch in
Soest wurde vieles als neue Entdeckung aus-
gesprochen, was längst in den katholischen So-
'-Ln 126 und 12?. - Heschsstsstunden! Von 7.20 bis IS Uhr. — Sprechstunden der Redaktion!
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Nr. 81OZ. Geschäftsstelle in Wiesloch- Fernsprech - Anschluß Amt Wiesloch Nr. 201
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stelle abgeholt 1.80 ZK, Einzeln. 10 ZA/. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. — Anzeigenpreis- Di«
einspaltig« Millimeters«»« (24 nun breit) 10 ZA/. Reklame- Die 70 nun breite Milli-
meterzeiie SS ZA«. — Bei gerichtlicher Beitreibung oder Konkurs erlischt jeder Rabatt.
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Nr. 78
Seibtlberg, Montag, 3. Avril 1 'M
68. Mrg.
Ruhiger Verlauf -er Mwehrbewegung
Nach autzen hin ist -er Boykott reibungslos verlausen / Nur in Kiel ein schwerer Zwischensall
Sie Forderung der Stunde
I Wiederbegegnung von nationalem Wolle«
und katholischem Kulturwillen.
Heidelberg, den 3. April 1938.
Berlin, 1. April. Die Boykottbewegung in
Groß-Bevlml ist bisher in Disziplin und
Ordnung verlaufen. Zn Störungen oder zu
Widerständen seitens boykottierter Firmen ist
es nirgends gekommen. DieM-ehrzahlder
Geschäfte hat es vorgezogen, für
heute zu schließen, und wo noch nicht ge-
schloffen ist, werden bereits die Anstalten dazu
getroffen. Viele boykottierten Firmen haben
ihre jüdischen Angestellten und jüdischen Kom-
pagnons entlassen.
Von den größeren boykottierten Warenhäu-
sern hatte in Berlin nur eines geöffnet, vor
dem sich ab er bald eine risige Menschenmenge an-
sammelte und die wenigen Käufer mit Pfuirufen
überschüttete, so daß die Mehrzahl dieser Käufer
Abstand nahm, das Geschäft zu betreten. Ueber-
haupt war oie Mitwirkung der Bevöl-
kerung in der Reichshauptstadt am Boykott
außerordentlich groß. Es ist festgestellt worden,
daß sich an verschiedenen Stellen kommunistische
Agitatoren unter die diskutierenden Gruppen
mischten, um durch raffinierte Hetze Unzufrie-
denheit unter die Bevölkerung zu tragen. Eine
derartige Hetzaktion entwickelte sich u. a. am
Hermannplatz. Es wurden aber sofort seitens
der Aktionskomitees energische Gegenmaßnah-
men ergriffen. Großes Aufsehen erregte das Be-
kanntwerden der Tatsache, daß zahlreiche unter
dem Boykott fallende Firmen versuchten, durch
größere Geldangsbote den Boykott von sich ab-
zuwenden. In einem Falle betrug die Summe
eines Llugebotes sogar 500 000 Mark.
Der Boykott gegen die jüdischen Rechtsanwälte
und jüdischen Aerzte ist Überall restlos und ohne
Widerstand durchgeführt worden. Für den Boy-
kott sind in Berlin rund 60—70 000 Personen
organisiert.
Vor jüdischen Geschäften ftehen Poften mit
umgehängtem großem Schild: „Deutsche
w e h r t E u ch! K a u f t ni ch t b e i I u d e n!"
Dieselben Posten sieht man aber auch vor zahl-
reichen Privathäusern im Westen, so z. B.
im der Kaiserallee, m der viele jüdische Rechts-
anwälte und Aerzte wohnen. Besonders stark
sind die Boykottposten vor den Gerichten.
So hat sich vor dem Amtsgericht Schöneberg in
der Grunewaldstraße gegen 10 Uhr eine größere
Menschenmenge angesammelt, die beobachtete,
ob jüdische Rechtsanwälte und Richter das Haus
betreten.
Verschiedene Geschäfte im der Leipziger Straße
haben Schilder angebracht, durch die sie sich aus
dem Boykott herausheben. In einem Schau-
fenster liest man: „Deutsches Geschäft", in einem
anderen: „Oesterwichifches Geschäft". In der
Friedrichstraße begegnet man langsam fahrenden
Kraftwagen mit Filmapparaturen.
, Im ganzen Reich verläuft die Abwahraktion
m mustergültiger Ruhe und Disziplin. An zahl-
reichen Städten hatten die jüdischen Geschäfte
ihre Läden überhaupt geschlossen.
Zwei Zote in Kiel
Kiel, 1. April. Hier ist es zu einem ernsten Zwi-
schenfall gekommen, über den die Regierung
m Schleswig folgenden amtlichen Bericht
herausgibt:
Der jüdische Rechtsanwalt und Notar
Schümm schoß heute vormittag gegen 11.3Ü
Uhr in Kiel einen SS-Mann namens Wilhelm
A sth a lt e r in der Kchdenstraße durch Bauch-
schuß nieder und zwar nach den bisherigen Mel-
dungen ohne einen triftigen Grund. Eine erregte
Menschenmenge versammelte sich vor dem Poli-
zeigefängnis, bevor der von dem Oberpräsiden-
ten angeordnete Abtransport des Rechtsanwalts
Schümm ermöglicht werden konnte. Die erregte
Volksmenge drang in das Polizeigefängnis ein,
wo Schümm durch Revolverschüsse
getötet wurde. Das ganze entwickelte sich
so schnell, daß polizeilich der Vorgang nicht ver-
hindert werden konnte. Die Menge drang auch
noch m das Geschäft des Vaters des Reckits-
anwalts Schümm ein und zerstörte das Inven-
tar.
Zu der Erschießung des SS-Mannes erfahren
wir noch folgende Einzelheiten: Die Boykott-
aktion setzte am Samstag in Kiel um 10 Uhr
vormittags schlagartig ein. SA- und SS-Posten
nahmen vor dem Eingang der jüdischen Ge-
schäfte und Warenhäuser Ausstellung. Gegen
11 Uhr kam es vor dem jüdischen Möbelgeschäft
Schümm in der Kehdcnftraße zu einem Wort-
wechsel, wobei sich der Sohn d. jüdischen
Inhabers auf einen SS-Mann stürzte. Als ein
Kamerad diesem zu Hilse kam, entstand zwischen
den beiden SS-Leuten und dem herbeieilenden
Firmeninhaber und dessen Sohn ein Kampf,
wobei ein Schuß losging, der den 22 Jahre
alten SS-Mann Walter Asthalter aus Kiel an
der Brust schwer verletzte.
Bezeichnung „jüdische Geschäfte" in Bremen
Bremen, 31. März. Auf Grund der Verord-
nung des Reichspräsidenten zum Schutz von
Volk und Staat vom 28. Februar wird zur Ab-
wehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze für
das bremische Gebiet allen jüdischen Unterneh-
men die Auflage erteilt, sich mit Plakaten als
„jüdische Unternehmen" selbst auszuweifen.
Ist Ablvekraktstn
Anordnung 8 über Durchführung der Pause.
München, 2. April. Das Zentralkomitee zur
Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze er-
läßt eine Anordnung Nr. 8, die besagt:
1. Durch Anordnung der Reichsparteileitung
und des Zentralkomitees wurde der Boykott gegen
jüdische Geschäfte, Aerzte, Rechtsanwälte usw. lnS
Mittwoch, 5. April 1933, vorm. 10 Uhr, ausgesetzt.
Damit ist der frühere Zustand wieder hergestellt.
Plakate, Anklebzettel usw., die mit dem
Boykott Zusammenhängen, sindzuentfernen.
2. Der Boykott ist erst dann wieder aufzuneh-
men, wenn vom Zentralkomitee die Weisung hier-
zu an die örtlichen Aktionskomitees ergeht.
3. Dessen ungeachtet haben die Aktionskomitees
die Vorbereitungen so zu treffen, daß auf Wei-
sung der Boykott zur festgesetzten Zeit ausgenom-
men und planmäßig durchgeführt werden kann.
4. Um eine Einheitlichkeit der Abwehraktion
herbeizuführen, wurde für den Fall der Wieder-
aufnahme des Boykotts bestimmt, daß an jüdischen
Geschäften Plakate anzubringen sind mit der
Aufschrift „Jude", an deutschen Geschäften mit der
Aufschrift „Deutsches Geschäft".
Görlitz, 2. April. Mit Rücksicht auf das bevor-
stehende Osterfest war in verschiedenen Städten
Die Eröffnung des
Nie Mr in Et. Peter
Rom, 1. April. Das Heilige Jahr 1933—34 ist
am Samstag vormittag durch PapstPiusXI.
mit der Eröffung der Heiligen Pforte
in St. Peter in feierlichster Weise eingeweiht
worden. Der Fülle der Gesuche um Zulassungs-
karten zur Kirche, besonders aber zur Vorhalle,
von der aus die Heilige Pforte ins Innere führt,
konnte in den letzten Tagen nicht mehr entspro-
chen werden. Bereits um 9 Uhr, fast zwei Stun-
den vor dem Beginn der Feier, war die Säu-
lenvorhalle mit Tausenden von Menschen
dicht gefüllt. Gegen 11 Uhr erschien Papst Pius
XI. an der Spitze des Zuges. Gefolgt von den Erz-
bischöfen, Patriarchen und Kardinäle stieg der
Papst dann in die Vorhalle der Peterskirche hinab.
Der Papst ließ am Eingang den Zug an sich vor-
beischreiten und bestieg dann den Tragstuhl. Dann
begab er sich zum Thron und stimmte das Tedeum
an, das vom Chor der Sixtinischen Kapelle fortge-
setzt wurde. Nach einigen Gebeten stieg Papst
Pius XI. vom Thron und empfing aus der Hand
des Kardinals Großpönitentiar den goldenen
Hammer. Er näherte sich der Heiligen Tür
unter tiefstem Schweigen der versammelten
Menge. Unter den vorgeschriebenen Gebeten,
auf die der Chor jeweils antwortete, schlug Papst
Pius XI. dreimal an die Heilige Pforte, worauf
diese sich langsam öffnete. Mit einem Kreuz und
einer brennenden Kerze in der Hand beugte der
Papst das Knie an der Schwelle der Pforte, wobei
er das Pange lingua anstimmte und dann als
erster die Schwelle überschritt. Ihm folgten die
Kardinäle, die Bischöfe und die anderen Würden-
träger des päpstlichen Hofes. Dann bestieg er den
Tragstuhl und begab sich an der Spitze des feier-
lichen Zuges zum Altar, wo das Allerheiligste
ausgestellt ist.
Niederschlesiens der heutige Sonntag zum Herrauf
freigegeben. In Görlitz wurde auf Anordnung der
Gauleitung Niederschlesiens der NSDAP, die
Boykottaktion gegen die jüdischen Geschäfte auch
heute dur ch g eführt. Um 11 Uhr zogen vor
den jüdischen Geschäften die Boykottposten auf.
Wie am Samstag durchfuhren Lastkraftwagen
mit Sprechchören die Geschäftsstraßen der Stadt
und forderten zum Boykott auf. Um fünf Uhr
nachmittags fand die Aktion ihr Ende und die
Posten wurden zurückgezogen.
Auch in Hirschberg (Riesengebirge) und in
anderen niederschlesischen Städten wurde der Boy-
kott am Sonntag durchgcfiihrt.
Englische Aeußerungen zum
Abwehrboykott
London, 2. April. Die Sonntagspresse hebt her-
vor, daß der gestrige Abwehrboykott in Deutsch-
land, von dem Zwischenfall in Kiel abgesehen,
überall ohne Gewalttaten und Unruhen
vor sich gegangen ist. Die Blätter erwarten, daß
der Boykott nicht wieder ausgenommen
werden wird, wenn die Ereuelpropaganda einge-
stellt wird. „Vollkommene Ordnung und Disziplin
haben den Boykott gekennzeichnet", meldet der
Berliner Korrespondent des „Observer".
Der Präsident des Verbandes orthodoxer he-
bräischer Kongregation, Dr. Homa, erklärte
gestern in einer Unterredung, die Juden führten
keinen Krieg gegen Deutschland oder gegen das
deutsche Volk. Jeder Versuch, eine antagonistische
Stimmung gegenüber dem neuen deutschen Regime
zu schaffen, werde von ihnen verurteilt. Wir er-
kennen an, so schloß er, wieviel die deutsche
Kultur zum Weltfortschritt beigetragen hat,
aber wir können auch nicht vergessen, daß das deut-
sche Judentum seine angemessene Rolle in dieser
Richtung gespielt hat. Wir sind bereit, die Ver-
sicherung der deutschen Regierung gelten zu lassen,
daß physische Gewaltanwendung gegen die Juden
eingestellt worden ist.
*
Die Abwehrbewegung des nationalen Deutsch-
land gegen die jüdische Greuel- und Boykottpro-
paganda hat in der Judenschaft Polens einen tie-
fen Eindruck gemacht. Die jüdische Presse schlägt
einen wesentlich maßvolleren Ton an.
Heiligen Zahres
Feierlichkeiten
in -en drei KaMbasillken Roms
Rom, 2. April. Zur gleichen Stunde, in der
gestern vormittag Pius XI. in St. Potex die
Oeffnung der Porta Santa vornahm, haben
die vom Papst dazu bestimmten Kardinallega-
ten, die heiligen Pforten der Lateran-Kirchs,
der Pauls-Kirche und der Haupt-Marien-Kirche
vorgenommen. Unter stärkster Teilnahme der
Gläubigen und vieler Fremder verlief das Ze-
remoniell in diesen drei Kirchen nicht weniger
feierlich als in St. Peter.
Besonderes Interesse wurde der Feier in der
Lateran-Kirche entgegengebracht, die
mit einer Prozession des Kapitels unter Füh-
rung des Kardinallegaten begann. Unter außer-
ordentlicher starker Beteiligung der Bevölke-
rung bewegte sich die Prozession von der La-
teran-Kirche zur Seala Santa, um in der Ka-
pelle Santasauctorium mit ihrem reichen Reli-
quienschatz das sonst nur in der Passionszeit
ausgestellte uralte Gnadenbild Christi für die
Dauer des Heiligen Jahres zu enthüllen.
Nach den vorgeschriebenen Gebeten kehrte die
Prozession durch die knieende Volksmenge zur
Vorhalle der Lateran-Kirche zurück, wo der
Kardinwllegat die Porta Santa mit den drei
symbolischen Hammerschlägen öffnete und
überschritt. Nach der von herrlichem Chorge-
-sang begleiteten Feier wurde die Porta Santa
der Lateran-Kirche, „aller Kirchen Roms und
des Erdkreises Mutter und Haupt", den Gläu-
bigen gegen 12 Uhr mittags freigegeben, wäb-
rend die Porta Santa der Peterskirche erst
am Nachmittag sich den Gläubigen und Pil-
gern allgemein öffnete.
In diesen Tagen, da der politische Katholi-
zismus aus seiner führenden Mitarbeit am
Aufbau eines neuen Deutschland zur Bedeu-
tungslosigkeit zurückgedrängt zu sein scheint,
mag man unsere Ueberschrift als phantastisch
optimistisch, ja, gefährlich ansehen. Und doch
ist sie richtig. Man darf allerdings nicht das
Spiel von Gruppen auf der Bühne des politi-
schen Lebens als wesentliche, oder gar einzige
Aeußerung der politischen Einstellung jener
Volksteile ansehen, die diese Gruppen zu ver-
treten suchen. Der Kämpfer und Agitator bie-
tet gleichsam nur Gebrauchsartikel, wie sie Not
und — Mode des Tages wollen. Die geistigen
Werkstätten stellen gewichtigere Ware her und
schaffen fern der Front gedankenschwere Wer-
ke. Zu ihnen gilt es vom politischen Vorder-
grund her den Weg zu bahnen.
Dann ergibt sich etwas Wunderbares? Di«
Gegner begegnen sich auf geistiger Höhe und
erkennen sich mit Staunen, dann mit Achtung
als Brüder trotz aller Unterschiede. So finden
wir heute auf diesen geistigen Gipfeln tatsäch-
lich eine Wiederbegegnung katholischer Welt-
haltung und deutscher Staatsidee. Man lese
nur das Heftchen Nr. 86 der Religiösen
Quellenschriften, die Dr. Watterscheid
bei L. Schwann in Düsseldorf herausgibt. Der
Verfasser dieses Heftchens, Dr. Hans Dah-
men in Bonn, findet solche Begegnung da,
„wo der Wille zur sichtbaren Ordnung des
Lebens, der Sinn für Bindung und Stufung
in der Gemeinschaft, wirksam ist, wie ihn
Euardini für die Selbsterziehung, Demps
für die Staatenordnung, Rommen für dis
Eesellschaftsgestaltung, Herwegen für die
völkische Frage, Hildebrand für das Ras-
senproblem, HeIbing für den Humanismus
und Schmitt für die politische Form bekun-
det oder fordert".
Der Herausgeber, der von allen genannten
und noch zu nennenden Denkern Quellenstücke
bringt, ist in seine Meinung von der Wieder-
begegnung nicht so vernarrt, daß er nicht auch
Trennungen vorzunehmen weiß. Das gilt von
der durch Leopold Dingräve beispielhaft
vertretenen „Politik aus dem Glauben" des
Tatkreises und von A. Rosenbergs My-
thos des 20. Jahrhunderts, einem Buche übri-
gens, das man im politischen Tageskampfe auf
katholischer Seite doch wohl viel zu einseitig
als Bibel des jungen Nationalismus ange-
sehen hat. Man hätte besser getan, sich mit der
Stellung des neuerwachten religiösen Prote-
stantismus der dialektischen Schule
und Wilhelm Stapels zur Politik ein-
gehend und verständnisvoll zu befassen (die
allerdings nicht mit einer geistigen Grund-
legung des Nationalsozialismus gleichgestellt
werden dürfen). Sie kann gewiß nicht unsere
sein; aber sie gibt Dahmen recht, der sie als
aus dem Religiösen herkommend
hoffnungsvoller wertet, als die rein materia-
listische und verweltlichte alte Einstellung. Re-
ligiös fundiert ist heute jede zukunftsträchtige
Politik, und religiös klingende Aeußerungen
unserer jetzigen Führer als Schauspielerei zu
werten, wäre das Zeichen eines unheilbar
fanatischen, erstarrten und unreligiösen Gei-
stes! Wir dürfen ihm nicht verfallen!
Hören wir in diesem Zusammenhang noch
eine andere mahnende Stimme! In der Ani-
tas, 73. Jahrg. 1933, Nr. 4, lesen wir in einem
Bericht von Rektor Peter Heuser über die
Tagung des Neichsausschusses deutscher Ju-
gendverbände, die vom 23. bis 26. Dezember
1932 inSoest stattfand, folgende Schlußsätze:
„So wird sich also der Katholizismus bald in
einer Verteidigung nach zwei Fronten finden:
der protestantisch-nationalistischen (iinperinva
saornin tsutonieuni-protestanticnin) und der
deutsch-bolschewistischen. Daß es nur Vertei-
digung sein wird und nicht Führung, brauchte
nicht so zu kommen. Der religiöse Aufbruch ist
da und in entscheidenden Fragen geht ein in-
nerer Zug auf katholisches Argut hin. Aber es
kommt ja nicht nur darauf an, daß man die
Wahrheit besitzt, sondern auch „allen Völ-
kern in ihrer Sprache" verkündet! Auch in
Soest wurde vieles als neue Entdeckung aus-
gesprochen, was längst in den katholischen So-