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«MMMg, MN IV. Aprn INS»
Rr.Sk
des Religiösen ist für unsere politische Grundein-
stellung das charakteristische Kennzeichen.
Die jetzige Regierung hat mit der Reichs-
kanzlerrede weiterhin zum Ausdruck gebracht, daß
sie es mit Kraft auf moralische Erobe-
rungen ab stellen will. Hier werden Ge-
danken berührt, denen auch die deutschen Katho-
liken in der 71. Generalversammlung in Essen
Ausdruck gegeben haben, wenn sie sich der Reform
der Großstadt vom Seelischen, vom Wirtschaft-
lichen, vom Sozialen her zuwandten.
Der Ruf zur Sammlung, den Prälat
Kaas in den letzten Monaten immer stärker aus-
gegeben hat, betrifft auch die Stellung des deut-
schen Menschen zur
Außenpolitik.
Wir stehen hier vor schweren Belastungsproben.
Die ernste außenpolitische^Situation verlangt das
geistige Mitverstehen und die kraftvolle Mit-
arbeit des Gesamtvolkes, um Deutschland wieder
den Platz zu geben, der ihm gebührt. Der Vier-
mächtepakt zeigt Ansätze für eine Reform und
Ueberwindung des Völkerbunds, der nicht ab-
geschafft zu werden braucht, der aber eine Aende-
rung seiner Struktur erfahren muß. Das mecha-
nische französische Gleichheitsprinzip, jeden Staat
mit einer Stimme auszurüsten, wird nicht ge-
nügend durch die Tatsache eines Völkerbundrats
korrigiert. Im Viermächtepakt liegt der große
Gedanke geschlossen, daß die vier führenden
Mächte Europas einen eigenen Wert in sich
tragen, auch jenseits des Völkerbundes.
Gleichgültig, ob der Viermächtepakt angenom-
men wird oder nicht, die deutsche Forderung der
wirklichen und lebendigen
Gleichachtung und Gleichberechtigung
bleibt mit aller Kraft bestehen. Somit wird es
zur Gesamtaufgabe der deutschen Nation, eine
neue Weltgeltung für Deutschland zu erkämpfen
und an einer Revision mitzuarbeiten, die von
Brüning in Sachen der Reparationen und der
Abrüstung schon mit Klugheit und Herzhaftigkeit
in die Hand genommen wurde, die aber nunmehr
als eine Offensive gegen ein weltfremdes und
wirklichkeitsarmes Versailles weitergeführt wer-
den muß. Wenn Deutschlands Weltleistungen her-
ausgestellt werden, wenn wir des deutschen
Eigenwertes und Eigengewichtes bewußt sind, so
dürfen auch mit Stolz die Verbindungslinien er-
wähnt werden, die der deutsche Katholizismus
nach draußen zieht, mit seinen Hochschulen, mit
seinen Missionsgesellschaften, mit seinem aus-
landsdeutschen Erundgefühl, mit der Pflege von
Glaube und Volkstum in Europa und Uebersee.
Gleichschaltung des Zentralverbandes des
Deutschen Bank- und Bankiergewerbes.
Berlin, 8. April. Die heutige Ausschuß-
sitzung des Zentralverbandes des Deutschen
Bank- und Bankiergewerbes wurde von dem
Vorsitzenden des Vorstandes, Dr. Georg
Solmsson mit folgender Erklärung eingeleitet:
„Das Bankgewerbe kann und darf nicht
tatenlos den Umwälzungen gegenüberstehen,
welche sich in Deutschland vollzogen haben. Es
stellt sich der Regierung vorbehaltlos zur Ver-
fügung in dem Willen, den nationalen Wie-
deraufbau unseres Vaterlandes mit allen
Kräften zu fördern und mitzuwirken an der
Wiederherstellung eines im Chor der Völker
gleichberechtigten, starken und freien Deutsch-
land".
Es wurde beschlossen, zum 2. Mai d. Js.,
nachmittags 4 Uhr, eine außerordentliche Ge-
neralversammlung des Verbandes zur Herbei-
führung einer Neuwahl des Ausschusses und
des Vorstandes einzuberufen. Dementspre-
chend stellen die gegenwärtigen Vorstands-
und Ausschußmitglieder dieser Generalver-
sammlung ihre Aemter zur Verfügung.
Zentrum und neuer Landtag
Die MKWatrnlW der Badischen zentrumsrmtel
Noch nie ist die Bad. Zentrumspartei vor
einer schwierigeren politischen und organisa-
torischen Aufgabe gestanden, wie bei dieser
Kandidatenaufstellung, die unter dem Zeichen
der Auswirkung der Ereignisse vom 5. März
vorzunehmen war. Durch das Gleichschaltungs-
gesetz des Reiches ist die Zahl der Mandate
für den Bad. Landtag ganz wesentlich vermin-
dert worden, dazu kommt, daß der Landtag
selbst durch die neuen Gesetze des Reiches nicht
nur in der Mandatsstärke, sondern auch seinem
ganzen Wesen nach ein neues Gesicht bekom-
men hat. Die früher im Rahmen der Landes-
gesetzgebung überragende Stellung des Parla-
ments ist ganz wesentlich eingeschränkt, die
politische Situation hat sich grundlegend ge-
ändert und all diesen Umständen hatte der
am Sonntagnachmittag in Freiburg zusam-
mengetretene Landesausschuß der Partei bei
der Kandidatenaufstellung zum neuen Land-
tag Rechnung zu tragen.
Nach eingehenden Beratungen des Partei-
vorstandes trat der aus allen Teilen des Lan-
des außerordentlich gut beschickte Landesaus-
schuß zusammen, um dis letzten Entscheidungen
zu treffen. Mit einigen grundsätzlichen Be-
merkungen über die politische Lage leitete der
Parteichef, Prälat Dr. Föhr die Verhandlun-
gen ein, indem er zunächst den in den Stür-
men der letzten Wochen treu bewährten Zen-
trumsleuten auf vorgeschobenem politischem
Posten den Dank der Partei zum Ausdruck
brachte.
Mit besonderer Bewegung wurde das
schriftlich abgegebene Treugelöbnis einer der
ältesten Kämpfer der badischen Zentrumspar-
tei, des Freiherrn v. Mentzingen, zur
Kenntnis genommen. Um den veränderten
politischen Verhältnissen Rechnung zu tragen,
stellte der Parteichef Dr. Föhr dem Landes-
ausschuß sein Amt als erster Führer der Par-
tei zur Verfügung. Die daraufhin vorgenom-
mene einstimmige Wiederwahl wird dem ba-
dischen Parteichef jene innere Plattform des
Wirkens geben, die angesichts der Lage ein
Gebot der Stunde ist. Ebenso wurden die bis-
herigen stellvertretenden Vorsitzenden der
Partei Minister Dr. Baumgartner und
Ab. Seubert in ihren Aemtern bestätigt.
Nach einer mehrstündigen Debatte, in der ins-
besondere die im Vordergrund stehenden poli-
tischen Gesichtspunkte in Erwägung gezogen
wurden, wurde folgende Kandidatenliste des
Bad. Zentrums in alphabetischer Reihenfolge
nominiert:
1. Minister Dr. Baumgartner-Karlsruhe
2. Prälat Dr. Föhr-Freiburg
3. Landwirt H'eck-Eerichtstetten
4. Gewerkschaftssekretär Heurich-Karlsruhe
5. Sägewerksbesitzer u. Bürgermstr. Vohnert-
Ottenhöfen
6. Ministerialoberrechnungsrat Kühn-Karlsr.
7. Rechtsanwalt Dr. Neuburger-Mannheim
8. Gutsbesitzer Graf von Oberndorf-Neckar-
hausen
9. Landwirt Osterwald-Herdwangen
10. Eewerkschaftssekretär Panther-Villingen
11. Prof. Dr. Persan-Freiburg
12. Fabrikdirektor Dr. Rudolf-Gottmadingen
13. Diözesanpräses Dr. Schalk-Freiburg
14. Landwirt und Bauernvereinspräsident
Schill-Merzhausen
13. Kaufmann Anton Schwan-Karlsruhe
16. Rechtsanw. Dr. Schweitzer-Donaueschingen
17. Stationsvorsteher Seubert-Kippenheim.
Die Bestimmung der Nachrückestellsn wurde
dem Parteivorstand überlassen. Es muß bei
kritischer Würdigung der jetzt der Oeffent-
lichkeit unterbreiteten Liste anerkannt werden,
daß die Badische Zentrumspartei den tie-
fen Umbruch der Zeit erkannt und ihm
weitgehend Rechnung getragen hat. Das ba-
drsche Zentrum war bisher im Landtag mit
33 Mandaten vertreten. Von der bisherigen
Fraktion erscheinen im neuen Landtag nur
noch neun. Nicht weniger als 26 verdiente
bisherige Mandatsträger, die vielfach mehr
als ein ganzes Menschenalter im Dienste der
Idee sich opferfreudig eingesetzt haben, kehren
nicht mehr wieder. Wenn ein Teil der alten
Fraktion wiederum ins Parlament einzieht, so
deshalb, weil auch in Zukunft Erfahrung,
diszipliniertes politisches Wissen, erprobte pö-
litische Qualifikation, verbunden mit den in
der heutigen Zeit so besonders benötigten per-
sonellen Werten nicht entbehrt werden kön-
nen. Andererseits bezeugt die Tatsache, daß
acht neue Männer in Vorschlag gebracht, den
Willen der entscheidenden Zentrumsinstanz
nach Verjüngung und Erneuerung der Frak-
tion. Die Jugend ist in starkem Ausmaße in
der neuen Lifte in Erscheinung getreten. Von
17 Abgeordneten sind nicht weniger als 14
unter 45 Jahren. Ebenso stark aber ist auch
das Kriegsteilnehmerelement, das im übrigen
auch schon in der alten Fraktion hervorragend
vertreten war, in den Vordergrund gerückt.
Bei der Aufstellung dieser Landesliste können
nicht sämtliche regionalen Interessen Berück-
sichtigung finden. Wenn man aber die berufs-
ständische Gliederung der neuen Kandidaten
untersucht, so wird die Feststellung gemacht
werden dürfen, daß die Partei es verstanden
hat, auch in der neuen Zeit die soziale Zusam-
mensetzung des Zentrums als einer Volksge-
meinschaftspartei recht gut zu versinnbild-
lichen.
Die parlamentarische Wirkungsmöglichkeit
dieser Fraktion wird verhältnismäßig beschei-
den sein. Ihre Aufgabe wird zunächst darin
bestehen, das neue Wollen der Zentrumswäh-
lerschaft sichtbar zu machen und Kristallisa-
tionspunkt für neue Kräfte zu sein, die dr»
Zentrumsidee zuströmen müssen.
WWW WßMvi in MMau
Breslau, 8. April. In einem Lokal kam es
in der Nacht zum Samstag zwischen Gästen be-
züglich des Spielens des Horst-WeM-Liedes
zu Meinungsverschiedenheiten. Anschließend ent-
wickelte sich auf der Strafte eine Schlägerei und
Schießerei, an der sich offenbar Provokateure
beteiligten. Gin Aljähriger Schlosser und 33-
jähriger Arbeiter wurden erschossen, zwei Per-
sonen verletzt. Sämtliche Verletzten gehören der
NSDAP an oder stehen ihr nahe.
Bei den Angreifern scheint es sich um Kom-
munisten und um Elemente zu handeln, die erst
seit einigen Tagen Anschluß an die NSDAP ge-
sucht haben.
IVO Festnahmen bei einer Razzia
Breslau, 8. April. Die Polizei unternahm in
den frühen Morgenstunden des Samstag drei
große Durchsuchungsaktionen, zu denen auch die
Hilfspolizei und die SA hinzugezogen wurden.
Die politische Polizei hat festgestellt, daß die
kommunistische Partei sich wieder zu organisie-
ren begann und im Begriff ist, Terrorgruppen
zur Bekämpfung der hinter der Regierung ste-
henden Parteien bilden. Auch waren von diesen
Personen andere, die Regierung schädigende
Uederfälle geplant. Bei der Durchsuchung wur-
den u. a. Maschinenpistolen, Gewehre, Pistolen
und arideres zum Bürgerkrieg bestimmtes Mate-
rial vovgefunden und beschlagnahmt. Nester 100
Personen sind festgenommen worden. Unter den
Festgenommenen befinden sich füh rende Kommu-
nisten.
An mm Skandal enthüll!?
Das Kölner Auguft-Vebelhaus aus öffentlichen
Geldern erbaut.
Köln, 8. April. Nach einer Meldung des „West-
deutschen Beobachters" sind in den letzten Tagen
bei Sichtung des stadtkölnischen Materials eigen-
artige Dinge zutage getreten, die den Bau des
August-Bebel-Hauses, des Verlagshauses der so-
zialdemokratischen „Rheinischen Zeitung" in Köln-
Deutz in ein sensationelles Licht rücken. Man hat
festgestellt, daß zu einer Zeit, als die Stadt schon
in den größten Geldschwierigkeiten war, das
August-Bebel-Haus ganz mit städtischen bezw.
öffentlichen Geldern erbaut worden ist. Die Rhei-
nische Zeitung" schuldet, nach der Veröffentlichung
des „Westdeutschen Beobachters", der Stadt Köln,
der städtischen Sparkasse und den Sparkassen der
Landkreise Köln, Bergheim und Müllheim nicht
weniger als 419 000 RM. Nicht ein Backstein des
gesamten August-Bebel-Hauses sei Eigentum der
„Rheinischen Zeitung".
Nach Feststellung dieser Tatsachen habe Ober-
bürgermeister Riesen am Freitag das der Stadt
Köln gehörende Gebäude unter Zwangsverwal-
tung genommen, um für die Stadt an Geldern zu
retten, was noch zu retten sei. Die Stadtverwal-
tung habe dann das Gebäude an den Eauverlag
Köln-Aachen der NSDAP, vermietet, so daß nun
die Eauzeitung „Der Westdeutsche Beobachter" im
ehemaligen August-Vebel-Haus hergestellt werde.
Die Reichsstatthalter für die deutschen
Länder.
Berlin, 8. April. In unterrichteten Kreisen
rechnet man damit, daß — abgesehen von
Preußen — im ganzen 10 Statthalter einge-
setzt werden, und zwar je einer ' ir Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thü-
ringen, ferner ein gemeinsamer Statthalter
für beide Mecklenburg, ein weiterer gemein-
samer für Braunschweig und Anhalt, außer-
dem ein Statthalter für Oldenburg und Lippe
und schließlich einer für die drei Hansastädte
zusammen.
Paris. Die beiden der Rechten angehörenden
Abgeordneten Pernot und Duval-Arnoult halben
einen von 170 Abgeordneten unterzeichneten
Gesetzesvorschlag singebvacht, wonach das Ober-
haupt einer Familie mit drei nicht »vahlberech-
tigten Kindern für die Parlamentswählen eine
Zusatzftimme erhalten.
fremden
auer
auf allen Wegen ihre eigenen oder
Reime und Verse aufsagen . . . Nein, nein, —
Ihr braucht nicht so grantig herzuschauen, ich
meins ja nicht uneben. Dichter sind immer
harmlose gute Menschen, nur ein bißchen in den
Wolken drüben; über das schadet nichts, aus
der Erde herunten krabbeln noch Leute ge-
nug."
Sie redeten noch eine Weile, dann nahm der
Professor feinen Spaziergang wieder auf. Je-
den, dem er begegnete, hielt er an und Plau-
derte mit ihm. Einen jungen Bauer fragte er
abermals nach dem Doktor aus. Der V
sagte:
„Doktor haben wir einen takten, bloß «inen
Fehler hat er."
„Da wäre ich neugierig", spitzte der Professor
„Er ist zu gescheit."
„Das wird doch kein Fehler sein?"
pSchon, weil er uns wieder davongeht. So
einen Gescheiten lassen sie nicht lang in einem
Tale. Man sagt, daß er nächstes Jähr auf die
Universität kommt, als Professor, oder gar auf
die Klinik."
„Hahaha, das hat keine Gefahr. Macht euch
nur keine Sorgen. Den bringt Ihr nicht mehr
we.
Das Aus« des LWen
Eins Erzählung vom Reim .richt.
Urhebsrrechtsschutz durch Berlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck.
1K) (Nachdruck verboten.)
„Am Wosstvr können sie die Lustigen schon
auch brauchen; ich hab noch nirgends lustigere
Lent gesehen wie im Kloster."
„Sie «treiben wohl Spaß mit mir . . . Aber
nein, ms Kloster geht die Zilli nicht, das weiß
ich bestimmt. Vielleicht bleibt sie ganz beim
Tvftor oder sie heiratet den Lehrer, der ihr
alleweil nachspitzt. Ist sie ja auch die beste Sän-
gerin auf dem Kirchenchor."
„So, so, aus den Chor geht sie, und singen
tut -sie, Äzetera , . . Singt der Doktor auch
auf Sem Chor?"
„Ja, hie und da einmal, an den höchsten
Festtagen, wenn sie chn recht betteln. Aber da
mögen sich die andern alle verstecken. ^ e r hat
eine Gimms wie der Erzengel Gabriel."
„Habt Ihr den Erzengel Gabriel schon ein-
mal singen gehört? Hchehehe. . . Aber mir
kommt vor, wenn er so ein ernster Mann ist,
tat Hm das Singen schlecht anstshen."
„Warum denn? Wer singt, hat ein gutes Ge-
wißen, heißt «s . . . Der Düktor singt auch im-
nWr, wenn er allein auf einem Weg ist, durch
den Wald oder über den Berg aus, daß es grad
hillsrt. Aber noch öfter tut er mit sich selber
predigen."
„Was nicht .gar? Predigen «tut er?"
„Ja, er präzinellt wie der Pfarrer und sagt
ganze 'Predigten her und gabelt dazu mit den
Händen — aber alles für sich selber."
„Hahaha. Jetzt geht mir ein Licht auf. Wahr-
scheinlich ist es ein Dichter. Wißt Ihr, das sind
Leuts, Vie das Mrrischste Zeug treiben und
„Natürlich gibt es Knödel, die Leibspeise vom
Marti weiß man ja!" erwiderte eine hellklin-
gende Mädchenstimme; „aber vor dem Essen
rn alle Töpfe gucken, steht dem Herrn Professor
schlecht an."
Aus der Apotheke kam freundlich grüßend der
Doktor. Konrad Aigner trug die Haare nicht
mehr so kühn nach rückwssrts gekämmt wie
früher, sondern seitlich gescheitelt und etwas in
die Stirne hereinhängend. Dies und der
braune Vollbart ließen ihn viel älter erschei-
nen, als er tatsächlich war. Die zwei Freunde
traten in das Speisezimmer, wo zwei Ge-
decke aufgelegt waren. Sofort riß der Professor
wieder die Mre auf und schrie hinaus:
„Zilli, das gibts nicht, du muht mit uns
essen. Gleich bringst dir ein Gedeck herein.
Weißt mit dem Dichter kann man nicht zwan-
zig vernünftige Worte reden. Und ich will die
wenigen Tage, wo ich hier bin, einmal gemüt-
lich plauschen, stzetera."
Die Wangen von der Herdhitze gerötet, kam
das Mädchen herein. Es trug ein ungemein
sauberes Hauskleid und hatte eine schneeweiße
Schürze vorgebunden. Lachend sagte es:
„Nein, Marti, ich iß in der Küche. Zwei so
hochgelehrte Herren haben allerhand zu spre-
chen, was unsereins nicht wissen soll."
„Nichts da! Wenn wir etwas Heimliches ab-
zumachen haben, was die naseweißen Küchlein
nicht zu hören brauchen, reden wir griechisch."
„Zilli, tu ihm den Willen", sagte der Dok-
niag." tor freundlich, „du weißt, daß deine Gefell-
Nach längerem Herumwandern spürte der schäft uns angenehm ist, und wir speisen ja
Professor Hunger. Da von der Kirche heraus sonst auch mitsammen."
die Elfuhr-Glocke läutete, stapfte er rasch ins Nach etlichen Minuten trug das Mädchen
Dorf hinab und lenkte seine Schritte zur Arzt- eine dampfende Schüssel mit Knödeln auf und
Wohnung. Eintretend steckte er die Nase gleich brachte dann für sich ein Gedeck. Sie sprachen
zur Küchentür hinein und rief: ein kurzes Gebet und setzten sich zu Tisch. Der
Zilli was kriegen wir heut? Hoffentlich Professor schlug darein als ob er vierzehn Tage
Knödel. Weißt, ich hab einen Hunger, daß ich nichts mehr gehabt hätte. Ohne links oder
dich samt dem Doktor aufftessen könnt." rechts zu schauen, löffelte sr mit unheimlicher
Geschwindigkeit, dabei fand er immer noch
Zeit, unausgesetzt zu sprechen. Nachdem er
schon sechs, sieben Knödel verzehrt hafte, hielt
er der Wirtschafterin feinen Teller hin und
sagte:
„Prego, Signorina, ancora un poco pros-
ciutto st Herba."
„Hihihi", kicherte das Mädchen, ,/wenn der^
Herr Professor kein besseres Italienisch spricht/
sollte er lieber beim Deutsch bleiben."
„Mi favorivebbe di prosctutto e di cavoli?"
„Hahaha. Sieh, wie fein geschult! . . . Aber
das bleibt sich gleich. Die Hauptsache ist, daß«
die Knödel und "das Geselchte und Kraut gut
sind."
Er aß wieder. Dazwischen hinein sprudelte
er:
„Du Konrad, hast du vom Seywald — un-
serm Bachus selig — was gehört?" Auch nicht?'
Der Schuft schreibt keine Briefe. Nicht einmcch
ein Kartl kriegst von ihm zum Namenstag oder
zum Neujahr/magst ihm hundertmal schreiben.'
Er wird schon Grund haben, so maufsstill zu
sein. Weißt, der Kerl sumpft wie ein Walfisch.
Vormittag soll er schon Kanonenräusche haben,
und jüngst hätte er im Koller seinen Prinzi-
pal einen Schafskopf geheißen. Ick fürchte, der
Mensch fliegt vorzeitig aus dem Amt hinaus
und liegt dann platt auf der Straße.*
„Nein, nein, so schlimm ist es nicht", wider-
sprach der Doktor; „er mag wohl hie und da
ein Zöpfchen haben. Aber soviel ich gehört hab«,
fügt er sich tadellos in die Hm widerwärtige
Stellung, und die Vorgesetzten mögen ihn gut
leiden."
„Da habe ich anders gehört. — Und weißt
du das Neueste von Freund Kögl — unserm
Volker? Der geht zum Theater."
„Was nicht gar? Er wird doch ferne schöne
Praxis nicht aufgeben."
(Fortsetzung folgt.)
«MMMg, MN IV. Aprn INS»
Rr.Sk
des Religiösen ist für unsere politische Grundein-
stellung das charakteristische Kennzeichen.
Die jetzige Regierung hat mit der Reichs-
kanzlerrede weiterhin zum Ausdruck gebracht, daß
sie es mit Kraft auf moralische Erobe-
rungen ab stellen will. Hier werden Ge-
danken berührt, denen auch die deutschen Katho-
liken in der 71. Generalversammlung in Essen
Ausdruck gegeben haben, wenn sie sich der Reform
der Großstadt vom Seelischen, vom Wirtschaft-
lichen, vom Sozialen her zuwandten.
Der Ruf zur Sammlung, den Prälat
Kaas in den letzten Monaten immer stärker aus-
gegeben hat, betrifft auch die Stellung des deut-
schen Menschen zur
Außenpolitik.
Wir stehen hier vor schweren Belastungsproben.
Die ernste außenpolitische^Situation verlangt das
geistige Mitverstehen und die kraftvolle Mit-
arbeit des Gesamtvolkes, um Deutschland wieder
den Platz zu geben, der ihm gebührt. Der Vier-
mächtepakt zeigt Ansätze für eine Reform und
Ueberwindung des Völkerbunds, der nicht ab-
geschafft zu werden braucht, der aber eine Aende-
rung seiner Struktur erfahren muß. Das mecha-
nische französische Gleichheitsprinzip, jeden Staat
mit einer Stimme auszurüsten, wird nicht ge-
nügend durch die Tatsache eines Völkerbundrats
korrigiert. Im Viermächtepakt liegt der große
Gedanke geschlossen, daß die vier führenden
Mächte Europas einen eigenen Wert in sich
tragen, auch jenseits des Völkerbundes.
Gleichgültig, ob der Viermächtepakt angenom-
men wird oder nicht, die deutsche Forderung der
wirklichen und lebendigen
Gleichachtung und Gleichberechtigung
bleibt mit aller Kraft bestehen. Somit wird es
zur Gesamtaufgabe der deutschen Nation, eine
neue Weltgeltung für Deutschland zu erkämpfen
und an einer Revision mitzuarbeiten, die von
Brüning in Sachen der Reparationen und der
Abrüstung schon mit Klugheit und Herzhaftigkeit
in die Hand genommen wurde, die aber nunmehr
als eine Offensive gegen ein weltfremdes und
wirklichkeitsarmes Versailles weitergeführt wer-
den muß. Wenn Deutschlands Weltleistungen her-
ausgestellt werden, wenn wir des deutschen
Eigenwertes und Eigengewichtes bewußt sind, so
dürfen auch mit Stolz die Verbindungslinien er-
wähnt werden, die der deutsche Katholizismus
nach draußen zieht, mit seinen Hochschulen, mit
seinen Missionsgesellschaften, mit seinem aus-
landsdeutschen Erundgefühl, mit der Pflege von
Glaube und Volkstum in Europa und Uebersee.
Gleichschaltung des Zentralverbandes des
Deutschen Bank- und Bankiergewerbes.
Berlin, 8. April. Die heutige Ausschuß-
sitzung des Zentralverbandes des Deutschen
Bank- und Bankiergewerbes wurde von dem
Vorsitzenden des Vorstandes, Dr. Georg
Solmsson mit folgender Erklärung eingeleitet:
„Das Bankgewerbe kann und darf nicht
tatenlos den Umwälzungen gegenüberstehen,
welche sich in Deutschland vollzogen haben. Es
stellt sich der Regierung vorbehaltlos zur Ver-
fügung in dem Willen, den nationalen Wie-
deraufbau unseres Vaterlandes mit allen
Kräften zu fördern und mitzuwirken an der
Wiederherstellung eines im Chor der Völker
gleichberechtigten, starken und freien Deutsch-
land".
Es wurde beschlossen, zum 2. Mai d. Js.,
nachmittags 4 Uhr, eine außerordentliche Ge-
neralversammlung des Verbandes zur Herbei-
führung einer Neuwahl des Ausschusses und
des Vorstandes einzuberufen. Dementspre-
chend stellen die gegenwärtigen Vorstands-
und Ausschußmitglieder dieser Generalver-
sammlung ihre Aemter zur Verfügung.
Zentrum und neuer Landtag
Die MKWatrnlW der Badischen zentrumsrmtel
Noch nie ist die Bad. Zentrumspartei vor
einer schwierigeren politischen und organisa-
torischen Aufgabe gestanden, wie bei dieser
Kandidatenaufstellung, die unter dem Zeichen
der Auswirkung der Ereignisse vom 5. März
vorzunehmen war. Durch das Gleichschaltungs-
gesetz des Reiches ist die Zahl der Mandate
für den Bad. Landtag ganz wesentlich vermin-
dert worden, dazu kommt, daß der Landtag
selbst durch die neuen Gesetze des Reiches nicht
nur in der Mandatsstärke, sondern auch seinem
ganzen Wesen nach ein neues Gesicht bekom-
men hat. Die früher im Rahmen der Landes-
gesetzgebung überragende Stellung des Parla-
ments ist ganz wesentlich eingeschränkt, die
politische Situation hat sich grundlegend ge-
ändert und all diesen Umständen hatte der
am Sonntagnachmittag in Freiburg zusam-
mengetretene Landesausschuß der Partei bei
der Kandidatenaufstellung zum neuen Land-
tag Rechnung zu tragen.
Nach eingehenden Beratungen des Partei-
vorstandes trat der aus allen Teilen des Lan-
des außerordentlich gut beschickte Landesaus-
schuß zusammen, um dis letzten Entscheidungen
zu treffen. Mit einigen grundsätzlichen Be-
merkungen über die politische Lage leitete der
Parteichef, Prälat Dr. Föhr die Verhandlun-
gen ein, indem er zunächst den in den Stür-
men der letzten Wochen treu bewährten Zen-
trumsleuten auf vorgeschobenem politischem
Posten den Dank der Partei zum Ausdruck
brachte.
Mit besonderer Bewegung wurde das
schriftlich abgegebene Treugelöbnis einer der
ältesten Kämpfer der badischen Zentrumspar-
tei, des Freiherrn v. Mentzingen, zur
Kenntnis genommen. Um den veränderten
politischen Verhältnissen Rechnung zu tragen,
stellte der Parteichef Dr. Föhr dem Landes-
ausschuß sein Amt als erster Führer der Par-
tei zur Verfügung. Die daraufhin vorgenom-
mene einstimmige Wiederwahl wird dem ba-
dischen Parteichef jene innere Plattform des
Wirkens geben, die angesichts der Lage ein
Gebot der Stunde ist. Ebenso wurden die bis-
herigen stellvertretenden Vorsitzenden der
Partei Minister Dr. Baumgartner und
Ab. Seubert in ihren Aemtern bestätigt.
Nach einer mehrstündigen Debatte, in der ins-
besondere die im Vordergrund stehenden poli-
tischen Gesichtspunkte in Erwägung gezogen
wurden, wurde folgende Kandidatenliste des
Bad. Zentrums in alphabetischer Reihenfolge
nominiert:
1. Minister Dr. Baumgartner-Karlsruhe
2. Prälat Dr. Föhr-Freiburg
3. Landwirt H'eck-Eerichtstetten
4. Gewerkschaftssekretär Heurich-Karlsruhe
5. Sägewerksbesitzer u. Bürgermstr. Vohnert-
Ottenhöfen
6. Ministerialoberrechnungsrat Kühn-Karlsr.
7. Rechtsanwalt Dr. Neuburger-Mannheim
8. Gutsbesitzer Graf von Oberndorf-Neckar-
hausen
9. Landwirt Osterwald-Herdwangen
10. Eewerkschaftssekretär Panther-Villingen
11. Prof. Dr. Persan-Freiburg
12. Fabrikdirektor Dr. Rudolf-Gottmadingen
13. Diözesanpräses Dr. Schalk-Freiburg
14. Landwirt und Bauernvereinspräsident
Schill-Merzhausen
13. Kaufmann Anton Schwan-Karlsruhe
16. Rechtsanw. Dr. Schweitzer-Donaueschingen
17. Stationsvorsteher Seubert-Kippenheim.
Die Bestimmung der Nachrückestellsn wurde
dem Parteivorstand überlassen. Es muß bei
kritischer Würdigung der jetzt der Oeffent-
lichkeit unterbreiteten Liste anerkannt werden,
daß die Badische Zentrumspartei den tie-
fen Umbruch der Zeit erkannt und ihm
weitgehend Rechnung getragen hat. Das ba-
drsche Zentrum war bisher im Landtag mit
33 Mandaten vertreten. Von der bisherigen
Fraktion erscheinen im neuen Landtag nur
noch neun. Nicht weniger als 26 verdiente
bisherige Mandatsträger, die vielfach mehr
als ein ganzes Menschenalter im Dienste der
Idee sich opferfreudig eingesetzt haben, kehren
nicht mehr wieder. Wenn ein Teil der alten
Fraktion wiederum ins Parlament einzieht, so
deshalb, weil auch in Zukunft Erfahrung,
diszipliniertes politisches Wissen, erprobte pö-
litische Qualifikation, verbunden mit den in
der heutigen Zeit so besonders benötigten per-
sonellen Werten nicht entbehrt werden kön-
nen. Andererseits bezeugt die Tatsache, daß
acht neue Männer in Vorschlag gebracht, den
Willen der entscheidenden Zentrumsinstanz
nach Verjüngung und Erneuerung der Frak-
tion. Die Jugend ist in starkem Ausmaße in
der neuen Lifte in Erscheinung getreten. Von
17 Abgeordneten sind nicht weniger als 14
unter 45 Jahren. Ebenso stark aber ist auch
das Kriegsteilnehmerelement, das im übrigen
auch schon in der alten Fraktion hervorragend
vertreten war, in den Vordergrund gerückt.
Bei der Aufstellung dieser Landesliste können
nicht sämtliche regionalen Interessen Berück-
sichtigung finden. Wenn man aber die berufs-
ständische Gliederung der neuen Kandidaten
untersucht, so wird die Feststellung gemacht
werden dürfen, daß die Partei es verstanden
hat, auch in der neuen Zeit die soziale Zusam-
mensetzung des Zentrums als einer Volksge-
meinschaftspartei recht gut zu versinnbild-
lichen.
Die parlamentarische Wirkungsmöglichkeit
dieser Fraktion wird verhältnismäßig beschei-
den sein. Ihre Aufgabe wird zunächst darin
bestehen, das neue Wollen der Zentrumswäh-
lerschaft sichtbar zu machen und Kristallisa-
tionspunkt für neue Kräfte zu sein, die dr»
Zentrumsidee zuströmen müssen.
WWW WßMvi in MMau
Breslau, 8. April. In einem Lokal kam es
in der Nacht zum Samstag zwischen Gästen be-
züglich des Spielens des Horst-WeM-Liedes
zu Meinungsverschiedenheiten. Anschließend ent-
wickelte sich auf der Strafte eine Schlägerei und
Schießerei, an der sich offenbar Provokateure
beteiligten. Gin Aljähriger Schlosser und 33-
jähriger Arbeiter wurden erschossen, zwei Per-
sonen verletzt. Sämtliche Verletzten gehören der
NSDAP an oder stehen ihr nahe.
Bei den Angreifern scheint es sich um Kom-
munisten und um Elemente zu handeln, die erst
seit einigen Tagen Anschluß an die NSDAP ge-
sucht haben.
IVO Festnahmen bei einer Razzia
Breslau, 8. April. Die Polizei unternahm in
den frühen Morgenstunden des Samstag drei
große Durchsuchungsaktionen, zu denen auch die
Hilfspolizei und die SA hinzugezogen wurden.
Die politische Polizei hat festgestellt, daß die
kommunistische Partei sich wieder zu organisie-
ren begann und im Begriff ist, Terrorgruppen
zur Bekämpfung der hinter der Regierung ste-
henden Parteien bilden. Auch waren von diesen
Personen andere, die Regierung schädigende
Uederfälle geplant. Bei der Durchsuchung wur-
den u. a. Maschinenpistolen, Gewehre, Pistolen
und arideres zum Bürgerkrieg bestimmtes Mate-
rial vovgefunden und beschlagnahmt. Nester 100
Personen sind festgenommen worden. Unter den
Festgenommenen befinden sich füh rende Kommu-
nisten.
An mm Skandal enthüll!?
Das Kölner Auguft-Vebelhaus aus öffentlichen
Geldern erbaut.
Köln, 8. April. Nach einer Meldung des „West-
deutschen Beobachters" sind in den letzten Tagen
bei Sichtung des stadtkölnischen Materials eigen-
artige Dinge zutage getreten, die den Bau des
August-Bebel-Hauses, des Verlagshauses der so-
zialdemokratischen „Rheinischen Zeitung" in Köln-
Deutz in ein sensationelles Licht rücken. Man hat
festgestellt, daß zu einer Zeit, als die Stadt schon
in den größten Geldschwierigkeiten war, das
August-Bebel-Haus ganz mit städtischen bezw.
öffentlichen Geldern erbaut worden ist. Die Rhei-
nische Zeitung" schuldet, nach der Veröffentlichung
des „Westdeutschen Beobachters", der Stadt Köln,
der städtischen Sparkasse und den Sparkassen der
Landkreise Köln, Bergheim und Müllheim nicht
weniger als 419 000 RM. Nicht ein Backstein des
gesamten August-Bebel-Hauses sei Eigentum der
„Rheinischen Zeitung".
Nach Feststellung dieser Tatsachen habe Ober-
bürgermeister Riesen am Freitag das der Stadt
Köln gehörende Gebäude unter Zwangsverwal-
tung genommen, um für die Stadt an Geldern zu
retten, was noch zu retten sei. Die Stadtverwal-
tung habe dann das Gebäude an den Eauverlag
Köln-Aachen der NSDAP, vermietet, so daß nun
die Eauzeitung „Der Westdeutsche Beobachter" im
ehemaligen August-Vebel-Haus hergestellt werde.
Die Reichsstatthalter für die deutschen
Länder.
Berlin, 8. April. In unterrichteten Kreisen
rechnet man damit, daß — abgesehen von
Preußen — im ganzen 10 Statthalter einge-
setzt werden, und zwar je einer ' ir Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thü-
ringen, ferner ein gemeinsamer Statthalter
für beide Mecklenburg, ein weiterer gemein-
samer für Braunschweig und Anhalt, außer-
dem ein Statthalter für Oldenburg und Lippe
und schließlich einer für die drei Hansastädte
zusammen.
Paris. Die beiden der Rechten angehörenden
Abgeordneten Pernot und Duval-Arnoult halben
einen von 170 Abgeordneten unterzeichneten
Gesetzesvorschlag singebvacht, wonach das Ober-
haupt einer Familie mit drei nicht »vahlberech-
tigten Kindern für die Parlamentswählen eine
Zusatzftimme erhalten.
fremden
auer
auf allen Wegen ihre eigenen oder
Reime und Verse aufsagen . . . Nein, nein, —
Ihr braucht nicht so grantig herzuschauen, ich
meins ja nicht uneben. Dichter sind immer
harmlose gute Menschen, nur ein bißchen in den
Wolken drüben; über das schadet nichts, aus
der Erde herunten krabbeln noch Leute ge-
nug."
Sie redeten noch eine Weile, dann nahm der
Professor feinen Spaziergang wieder auf. Je-
den, dem er begegnete, hielt er an und Plau-
derte mit ihm. Einen jungen Bauer fragte er
abermals nach dem Doktor aus. Der V
sagte:
„Doktor haben wir einen takten, bloß «inen
Fehler hat er."
„Da wäre ich neugierig", spitzte der Professor
„Er ist zu gescheit."
„Das wird doch kein Fehler sein?"
pSchon, weil er uns wieder davongeht. So
einen Gescheiten lassen sie nicht lang in einem
Tale. Man sagt, daß er nächstes Jähr auf die
Universität kommt, als Professor, oder gar auf
die Klinik."
„Hahaha, das hat keine Gefahr. Macht euch
nur keine Sorgen. Den bringt Ihr nicht mehr
we.
Das Aus« des LWen
Eins Erzählung vom Reim .richt.
Urhebsrrechtsschutz durch Berlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck.
1K) (Nachdruck verboten.)
„Am Wosstvr können sie die Lustigen schon
auch brauchen; ich hab noch nirgends lustigere
Lent gesehen wie im Kloster."
„Sie «treiben wohl Spaß mit mir . . . Aber
nein, ms Kloster geht die Zilli nicht, das weiß
ich bestimmt. Vielleicht bleibt sie ganz beim
Tvftor oder sie heiratet den Lehrer, der ihr
alleweil nachspitzt. Ist sie ja auch die beste Sän-
gerin auf dem Kirchenchor."
„So, so, aus den Chor geht sie, und singen
tut -sie, Äzetera , . . Singt der Doktor auch
auf Sem Chor?"
„Ja, hie und da einmal, an den höchsten
Festtagen, wenn sie chn recht betteln. Aber da
mögen sich die andern alle verstecken. ^ e r hat
eine Gimms wie der Erzengel Gabriel."
„Habt Ihr den Erzengel Gabriel schon ein-
mal singen gehört? Hchehehe. . . Aber mir
kommt vor, wenn er so ein ernster Mann ist,
tat Hm das Singen schlecht anstshen."
„Warum denn? Wer singt, hat ein gutes Ge-
wißen, heißt «s . . . Der Düktor singt auch im-
nWr, wenn er allein auf einem Weg ist, durch
den Wald oder über den Berg aus, daß es grad
hillsrt. Aber noch öfter tut er mit sich selber
predigen."
„Was nicht .gar? Predigen «tut er?"
„Ja, er präzinellt wie der Pfarrer und sagt
ganze 'Predigten her und gabelt dazu mit den
Händen — aber alles für sich selber."
„Hahaha. Jetzt geht mir ein Licht auf. Wahr-
scheinlich ist es ein Dichter. Wißt Ihr, das sind
Leuts, Vie das Mrrischste Zeug treiben und
„Natürlich gibt es Knödel, die Leibspeise vom
Marti weiß man ja!" erwiderte eine hellklin-
gende Mädchenstimme; „aber vor dem Essen
rn alle Töpfe gucken, steht dem Herrn Professor
schlecht an."
Aus der Apotheke kam freundlich grüßend der
Doktor. Konrad Aigner trug die Haare nicht
mehr so kühn nach rückwssrts gekämmt wie
früher, sondern seitlich gescheitelt und etwas in
die Stirne hereinhängend. Dies und der
braune Vollbart ließen ihn viel älter erschei-
nen, als er tatsächlich war. Die zwei Freunde
traten in das Speisezimmer, wo zwei Ge-
decke aufgelegt waren. Sofort riß der Professor
wieder die Mre auf und schrie hinaus:
„Zilli, das gibts nicht, du muht mit uns
essen. Gleich bringst dir ein Gedeck herein.
Weißt mit dem Dichter kann man nicht zwan-
zig vernünftige Worte reden. Und ich will die
wenigen Tage, wo ich hier bin, einmal gemüt-
lich plauschen, stzetera."
Die Wangen von der Herdhitze gerötet, kam
das Mädchen herein. Es trug ein ungemein
sauberes Hauskleid und hatte eine schneeweiße
Schürze vorgebunden. Lachend sagte es:
„Nein, Marti, ich iß in der Küche. Zwei so
hochgelehrte Herren haben allerhand zu spre-
chen, was unsereins nicht wissen soll."
„Nichts da! Wenn wir etwas Heimliches ab-
zumachen haben, was die naseweißen Küchlein
nicht zu hören brauchen, reden wir griechisch."
„Zilli, tu ihm den Willen", sagte der Dok-
niag." tor freundlich, „du weißt, daß deine Gefell-
Nach längerem Herumwandern spürte der schäft uns angenehm ist, und wir speisen ja
Professor Hunger. Da von der Kirche heraus sonst auch mitsammen."
die Elfuhr-Glocke läutete, stapfte er rasch ins Nach etlichen Minuten trug das Mädchen
Dorf hinab und lenkte seine Schritte zur Arzt- eine dampfende Schüssel mit Knödeln auf und
Wohnung. Eintretend steckte er die Nase gleich brachte dann für sich ein Gedeck. Sie sprachen
zur Küchentür hinein und rief: ein kurzes Gebet und setzten sich zu Tisch. Der
Zilli was kriegen wir heut? Hoffentlich Professor schlug darein als ob er vierzehn Tage
Knödel. Weißt, ich hab einen Hunger, daß ich nichts mehr gehabt hätte. Ohne links oder
dich samt dem Doktor aufftessen könnt." rechts zu schauen, löffelte sr mit unheimlicher
Geschwindigkeit, dabei fand er immer noch
Zeit, unausgesetzt zu sprechen. Nachdem er
schon sechs, sieben Knödel verzehrt hafte, hielt
er der Wirtschafterin feinen Teller hin und
sagte:
„Prego, Signorina, ancora un poco pros-
ciutto st Herba."
„Hihihi", kicherte das Mädchen, ,/wenn der^
Herr Professor kein besseres Italienisch spricht/
sollte er lieber beim Deutsch bleiben."
„Mi favorivebbe di prosctutto e di cavoli?"
„Hahaha. Sieh, wie fein geschult! . . . Aber
das bleibt sich gleich. Die Hauptsache ist, daß«
die Knödel und "das Geselchte und Kraut gut
sind."
Er aß wieder. Dazwischen hinein sprudelte
er:
„Du Konrad, hast du vom Seywald — un-
serm Bachus selig — was gehört?" Auch nicht?'
Der Schuft schreibt keine Briefe. Nicht einmcch
ein Kartl kriegst von ihm zum Namenstag oder
zum Neujahr/magst ihm hundertmal schreiben.'
Er wird schon Grund haben, so maufsstill zu
sein. Weißt, der Kerl sumpft wie ein Walfisch.
Vormittag soll er schon Kanonenräusche haben,
und jüngst hätte er im Koller seinen Prinzi-
pal einen Schafskopf geheißen. Ick fürchte, der
Mensch fliegt vorzeitig aus dem Amt hinaus
und liegt dann platt auf der Straße.*
„Nein, nein, so schlimm ist es nicht", wider-
sprach der Doktor; „er mag wohl hie und da
ein Zöpfchen haben. Aber soviel ich gehört hab«,
fügt er sich tadellos in die Hm widerwärtige
Stellung, und die Vorgesetzten mögen ihn gut
leiden."
„Da habe ich anders gehört. — Und weißt
du das Neueste von Freund Kögl — unserm
Volker? Der geht zum Theater."
„Was nicht gar? Er wird doch ferne schöne
Praxis nicht aufgeben."
(Fortsetzung folgt.)