Nr. nr
„PfSlzerBote" Heidelberg — Montag, den 22. Mai 1933
Seite 5
Zer selige Mevb Maria
Pignatelli 81-
Zur Feier seiner Seligsprechung am 21. Mai.
Von Friedrich Ritter von Lama.
Im Leben dieses neuen Seligen der katholischen
Kirche spiegelt sich der tragische Höhepunkt der
bisherigen Geschichte der Gesellschaft Jesu. Joseph
Maria Pignatelli war im Jahre 1737 zu Sara-
gossa als Sohn des Fürsten Antonio Pignatelli
geboren; er entschloß sich, noch nicht sechzehn Jahre
alt, in den Jesuitenorden einzutreten, zu einem
Zeitpunkt, als bereits der Sturm gegen den Or-
den von Portugal auf Spanien übergegriffen
hatte, „die Verschwörung der Regierungen und
der Sekten, die jegliche religiöse Betätigung ver-
hindern wollten, eine Verschwörung gegen Gott
und gegen die Kirche und daher folgerichtiger-
weise — eine ruhmreiche Folgerichtigkeit! — auch
gegen die Gesellschaft Jesu. Es war eine Ver-
schwörung des Hasses und des Vorurteils, die in
eine grimmige Verfolgung ausbrach und schließ-
lich jede Ordnung, jede kirchliche Tätigkeit nie-
derwars und alles Vorhergehende übertraf. Und
inmitten des Sturmes stand die hochragende Ge-
stalt dieses Dieners Gottes gleich einem hoch-
ragenden Felsen, unbeweglich gegenüber mehr als
Ungewitter." So der Hl. Vater Pius XI. am
19. Februar 1933 bei der feierlichen Verlesung
des Dekretes über die auf Fürbitte des Seligen
gewirkten Wunder. Seine Ordensbrüder wurden
aus ihrem Vaterlande vertrieben und Pignatelli
folgte ihnen. Er verzichtete auf die ihm allein
angebotene Vergünstigung, bleiben zu dürfen.
Auf 13 enggebauten Fahrzeugen wurden die 600
Jesuiten der aragonischen Ordensprovinz nach
Korsika gebracht und in San Bonifazis ans Land
gesetzt, ohne daß für Unterkunft und Verpflegung
gesorgt war. Dafür sorgte Pignatelli, der
besonders seinen jüngeren Mitbrlldern mit zärt-
lichster Liebe beistand, um ihnen die Verbannung
erträglich zu gestalten. Mit nie erlahmender Tat-
kraft und außerordentlicher Gewandtheit verwen-
dete er sich für ihre Befreiung von vielerlei Schi-
kanen und war zugleich bemüht, die Gesellschaft
selbst in der ihr von ihrem Stifter gegebenen
Form zu erhalten, die neu Eintretenden zu be-
geistern und sie in die religiösen Tugenden einzu-
führen. Aus Korsika vertrieben, verschiffte man
die Verbannten mit noch 1800 spanischen Ordens-
brüdern nach Genua, das die Aufnahme verwei-
gerte. Ferrara im Kirchenstaat nahm endlich die
Mitglieder der aragonischen Provinz auf, und
hier war es wiederum ll. Pignatelli, der das
Herz der Bürgerschaft für die Vertriebenen er-
wärmte, so daß sie Hilfe spendeten. Aber das
Schwerste sollte noch kommen: nicht mehr nur die
Vertreibung, nein, die Unterdrückung und Auf-
lösung, dekretiert von der legitimen Autorität,
der einzigen, die es tun konnte. „Eine schmerz-
liche Seite in der Geschichte, wie jeder weiß,
schmerzlich selbst, wenn man sie auch nur liest aus
zeitlichem Abstande. Und dann wirft die fran-
zösische Revolution auch noch ihre Opfer dem
Diener Gottes vor die Füße; jedoch auch sie fin-
den Trost und Hilfe. Aber noch nicht genug. Die
Woge von Eisen und Feuer der napoleonischen
Kriege drängt heran und jagt den Pater von
Ort zu Ort, verbreitet immer wieder eine neue
unsichere Lage um ihn her. Ud dennoch bleibt
seine hohe Gestalt stets aufrecht inmitten all des
Tobens, der Gefahr und der Verfolgungen, und
immer ist er tätig, immer hilfsbereit und immer
heiter. Woraus schöpfte er diese Kraft? Aus dem-
selben Geheimnis, das das Leben aller Heiligen
nährte: aus dem Gekreuzigten! . . . Immer bleibt
sein Blick und sein Geist auf Gott gerichtet, dem
er stets in makelloser Treue diente." Mit diesen
Worten vollendete der Heilige Vater das Bild,
das er bei der erwähnten Feier von ?. Pignatelli
entwarf. Nachdem der geliebte Orden aufgelöst
war, ließ der Ex-Jesuit zu Ferrara und Bologna
als Weltpriester seine Tugenden erglänzen und
stellte durch päpstliches Jndult zu Lolorno im
Herzogtum Parma, dann in Neapel und schließ-
lich auch in Rom die Häuser seiner Gesellschaft
wieder her, nachdem er am 6. Juli 1797 endlich
feierlich sein Ordensgelübde hatte ablegen kön-
nen. Im Jahre 1803 wurde er zum Provinzial
des wiedererstandenen Ordens für Neapel ge-
wählt, und unter seiner klugen Leitung erhob
und erholte sich dieser wieder. Noch einmal ver-
trieben, diesmal von den Franzosen, nahm
Pius VII. die Vertriebenen in Rom auf und gab
ihnen das Profeßhaus Al Gesu und das Römische
Kolleg zurück. Ja, so sehr hatte er des Papstes
Gunst gewonnen, daß dieser den Pater mit dem
Kardinalspurpur schmücken wollte. Nun aber war
seine ohnehin stets schwankende Gesundheit und
Kraft erschöpft und mit großer Freude sah er
seiner nahen Auflösung entgegen. Am 15. Novem-
ber starb der Selige, heilig wie er gelebt. „Er
muß zu den hervorragendsten Männern gezählt
werden, welche Gottes barmherzige Vorsehung
zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhun-
derts als Stütze ud Zier der Kirche erweckt hat",
sagt das päpstliche Dekret, das die beiden auf des
Seligen Fürbitte geschehenen Wunder anerkennt.
„Joseph Maria Pignatelli war der Typus männ-
licher, kräftiger Heiligkeit", urteilt Pius XI. in
seiner Lobrede auf ihn; „er war eine Gestalt von
großen Linien, wie sie die unendlich meisterhafte
Hand Gottes zu ziehen weiß, eine Gestalt von
jenen Zügen, wie Gott sie so oft seinen Werken,
den natürlichen wie den übernatürlichen, zu geben
beliebt, eine Gestalt auch, die an sich schon zu
genügen scheint, das Jahrhundert auszufüllen, in
dem sie in ihr Dasein trat."
Die Seligsprechung
Rom, 21. Mm. Am Sonntag sand m der
Peterskirche die vierte Seligsprechung des Hei-
ligen Jahres statt, und zwar die des im No-
vember I8II in Rom gestorbenen Jesuitenpaters
Giuseppe Piguatelli. Aine sterblichen Usborrestze
wurden in der römischen Jesnitenkirche Gesu
beigesetzt, wo seine Reliquien nun verehrt wer-
den. Der Papst begab sich am Sonntag vormit-
tag zur ersten Ehrung des neuen Selchen in die
Peterskirche.
dat die Errichtung einer katholischen Universi-
tät in Salzburg auferlegt. Daran ist kein wah-
res Wort. Wohl aber ist es selbstverständlich,
daß der Staat einer katholischen Universität
in Salzburg dieselben Oeffentlichkeitsrechte
und Ehrenvorzüge einrüumen wird, wie seinen
eigenen Hochschulen. Das war ja auch der
Gegenstand eines jahrelangen publizistischen
Streites. Die kulturkämpferische Seite ist im-
mer darauf bestanden, daß der „klerikalen"
Universität die Rechte staatlicher Hochschulen
nicht gewährt werden dürfe. Das primitive
Rechtsempfinden hat allerdings niemals ver-
standen, weshalb gerade eine katholische Uni-
versität in einem Rechtsstaat mit der Rolle
des Paria bedacht werden sollte.
Sehr viel ist auch davon geredet worden,
daß das Konkordat die konfessionelle
Schule aufzwingen wolle. Freiheitliche und
sozialdemokratische Lehrerverbände haben das
bloße Gerücht zum Anlaß genommen, um eine
Haupt- und Staatsaktion zu machen. In Wirk-
lichkeit denkt niemand daran, die Grundsätze
des Reichsvolksschulgesetzes anzutasten. Dieses
Gesetz spricht ausdrücklich von der sittlich-reli-
giösen Erziehung der Kinder. Im alten Staat
hat man mit diesem Grundsatz vollkommen
ausgereicht, um eine religionslose und reli-
gionsfeindliche Vergiftung der Kinderherzen
zu verhindern. Erst die Wiener Schulreformer
haben den Trick gefunden, wie dieses Ge'etz
zu umgehen wäre. Man machte dem Kateche-
ten die Arbeit in der Klasse fast unmöglich.
Man sorgte dafür, daß der freidenkerische Leh-
rer die Autorität und die Lehren des Rsli-
gionslehrers unterwühlte. Man bestimmte,
daß die Kinder zwar den Religionsunterricht
besuchen müssen, jedoch zu den religiösen
Hebungen nicht gezwungen werden dürfen. Im
Konkordat wird nun allem Anschein nach
nichts anderes versucht als diese sinnwirdige
Auslegung des Reichsvolksschulgesetzes zu kor-
rigieren und den früheren Zustand wiederher-
zustellen. Ein wertvoller Anfang ist bereits
gemacht, indem llnterrichtsminister Dr. Nin-
telen die Verpflichtung der Schüler zur Teil-
nahme an den religiösen Hebungen verfügte.
Es muß jedoch betont werden, daß die Unter-
grabung des Grundsatzes von der religiös-sitt-
lichen Erziehung nicht eine allgemein öster-
reichische Erscheinung, sondern eine ausgespro-
chene Spezialität des Wiener Marxismus ist,
der dort durch seine politische Macht die
Schule beherrscht.
Es scheint auch gewiß zu sein, daß die katho-
lischen Grundsätze des österreichischen Eherechts
(Protestanten und Juden genießen für ihre
Eheschließungen ein Sonderrecht) gewahrt
bleiben.
Zu Pfingsten wird das Konkordat unter-
zeichnet — wann wird es in Kraft gesetzt wer-
den? Das Parlament hat sich ja ausgeschaltet
und das Notverordnungsrecht der Regierung
reicht nicht aus, um einen Staatsvertrag von
so weittragender Bedeutung in Kraft zu setzen.
Die Regierung denkt daran bei den Verhand-
lungen über die Reform der Verfassung
Grundsätze des Konkordates darin zu veran-
kern und das Konkordat selbst als Ganzes von
einem neuen Parlamente beschließen zu lassen.
Unterdessen wird versucht werden, einzelne
wichtige Teile des Vertrages durch die Praxis
in das öffentliche Leben Oesterreichs einzu-
führen.
Das österreichische
Kl. Innsbruck, 19. Mai 1933.
Die zwei Jahre währenden Verhandlungen
zwischen Oesterreich und dem Heiligen Stuhl
über den Abschluß eines Konkordats sind
nun zum Abschluß gekommen und zu Pfingsten
wird der Vertrag in Rom unterzeichnet wer-
den. Der Bundeskanzler begibt sich selbst dort-
hin, um, wie er erklärte, damit darzuiun,
welche Bedeutung er diesem Staatsakt beilege.
Damit wird ein mehr als sechzigjähriges In-
terregnum in den Beziehungen zwischen
Oesterreich und dem Hl. Stuhl beendet. Kaiser
Franz Josef I. hat bekanntlich am Beginn der
liberalen Aera das Konkordat eigenmächtig
aufgehoben. Seither war das Verhältnis
zwischen beiden Mächten, zwischen Kirche und
Staat, grundsätzlich ungeregelt. Daraus mußte
sich eine große Zahl bedauerlicher Mißstände
ergeben. Diese häuften sich, als die Republik
Oesterreichs eine kulturkämpferische Parla-
mentsmehrheit erhielt, die, angeführt von den
Sozialdemokraten, Stück um Stück des Schul-
und Eherechts dem katholischen Geiste streitig
machte. Schließlich wurde der Wirrwarr be-
sonders im Eherecht so groß, daß selbst die
Kulturkämpfer die Notwendigkeit einer Ver-
einbarung zwischen Kirche und Staat nicht
mehr bestreiten konnten. Besonderen Eindruck
machte auf diese Kreise die Tatsache, daß die
römische Kurie hinsichtlich der Bischossernen-
nungen eigene Wege ging und nicht mehr, wie
es früher in der kaiserlichen Zeit, die Zustim-
mung der Regierung einholte. Das Zustim-
mungs- und Vorschlagsrecht des österreichi-
schen Kaisers war ein Privileg, das auf die
Republik begreiflicherweise nicht übergegan-
gen ist. Dazu kam das Chaos im Eherecht, das
für diejengen, welche von den Lockerungen Les
Eherechtes Gebrauch gemacht hatten, zu schwe-
ren materiellen Folgen führte, da die ober-
Konkordat
sten Gerichte des Bundes solche Ehen als bloße
Verhältnisse betrachtete, denen die zivilrecht-
lichen und vermögensrechtlichen Wirkungen
der vollgültigen Ehe versagt waren. Als die
Verhandlungen mit dem Vatikan vor mehr
als zwei Jahren ausgenommen wurden, stie-
ßen sie auf keinen Widerspruch. Gelegentlich
gab es dann in der kulturkämpferischen Presse
ein Aufbäumen gegen die angebliche Beein-
trächtigung der Staatshoheit, die aus einem
Konkordat entspringen würden. Ueber den
Verlauf der Verhandlungen selbst herrschte
völliges Schweigen; um so größer war die
Ueberraschung, als zu Ostern nach dem Besuche
des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß in Rom der
Justizminister Dr. Schuschnigg zur Vollendung
der Verhandlungen sich nach Rom begab, in-
nerhalb der Frist von vierzehn Tagen der Ab-
schluß der Vereinbarungen gemeldet wurde.
Ueber den Inhalt des Konkordats
ist noch wenig an die Öffentlichkeit gedrun-
gen. Immerhin reicht das, was bisher dar-
über bekannt ist, aus, um die Umrisse zu er-
kennen. So weiß man, daß der Regierung
eine gewisse Einflußnahme auf die Ernennung
der Bischöfe zugestanden wurde. Eine Errich-
tung neuer Diözesen für die Gebiete Orster-
reichts, welche infolge der Veränderungen
durch die Friedensverträge eine Neuregelung
bedürfen, scheint vorläufig nicht geplant zu
sein. Das Burgenland bleibt Apostolische
Administratur. Tirol und Vorarlberg wird
zur Diözese erhoben werden, wenn die finan-
ziellen Grundlagen für die Errichtung eines
Bistums geschaffen sind. Der Vatikan hat da,
wie auch auf anderen Gebieten, auf die schwie-
rige finanzielle Lage des österreichischen Staa-
tes weitgehende Rücksicht genommen. Von
kirchenfeindlicher Seite wurde u. a. auch be-
hauptet, dem Staate werde durch das Konkor-
^SSI^IeisckdrüIi-Wrsel
ZMrssI < iStZnas > nur I^Pfo
öfteren nieder, pflückt aus dem dürftigen
Weggras Schafgarbendolden und weißgraue
Kleeblüten.
„Lohnt sich das Bücken, Frau," fragt der
Kleingärtner und schaut fast geringschätzig auf
das unscheinbare Pflanzenbündelchen in ihrer
Hand.
Sie ordnet verlegen die Stiele. Ihre Finger
greifen dabei, als zähle sie Pfennige und sie
entgegnet: „Ich besuche meine kranke Nach-
barin. Früher einmal konnte man Kranken
eine Flasche Wein bringen. Heute reicht es
nicht einmal mehr zu einem Blumenstrauß.
Arm sind wir geworden!"
Der Arbeitslose nickt beifällig, sein Mund
ist halb aufgetan zu einer üblichen, der Zeit
und den Umständen geltenden Verwünschung,
und der Gärtner schaut vor sich hin. Dann sagt
er: „Gehen Sie mit, Frau, ich gebe Ihnen ein
paar Rosen für Ihre Nachbarin. Ein paar
habe ich noch in meinem Garten!"
Blumen sind der Frau unter den Alltags-
sorgen längst zum kaum mehr begehrten Luxus
geworden. Trotzdem ist ihr Gesicht belebter
als sie erwidert: „Das würde meine Nach-
barin sicher freuen!"
Ein paar Minuten später bekommt sie über
einen Plankenzaun hinweg ein frisch geschnit-
tenes Rosensträußchen. Mit dem aufwehenden
Duft entsinnt sie sich der Tage ihres Braut-
standes und der entschwundenen Illusionen,
die im erbitterten Kampfe einer ganzen
Volksschicht untergingen. Neben dem flüchtigen
Vergleich zwischen einst und heute weiß sie
auch erneut um ihre zwar erschwerte, aber doch
Sind wir arm?
KDF. An einer Straßenkreuzung der äuße-
ren Stadt treffen sich zwei Männer. Sie reden
von Politik, Arbeitslosigkeit und Not. Der
eme, ein stellenloser Schreiner, deutet auf
>erne schadhaften Stiefel und meint: „Nicht
einmal soviel Geld hat man, daß man sich
lerne Schuhe flicken lassen kann!"
»Ja, wir sind warm," entgegnet der andere
bedächtig mit der ergebenen, fast gleichgültigen
Miene, welche ihm die Zeit und der Pessimis-
mus gleich tausenden ausgeprägt hat. Er
schiebt jedoch das Drückende merklich von sich,
beutet nach einer kleinen nahen Heimgarten-
nedlung und sagt: „Ich mutz zum Umgraben
Nehen. Ich will mir einen Zaun machen,
romme aber nur langsam damit von der
Stelle!«
»Ich helfe Ihnen," schlägt der Arbeitslose
bor. Seine der Tätigkeit entwöhnten Hände
wachen eine Bewegung, im Geist die Säge und
"bn^Zaunpfahl umfassend.
,.»>;ch kann Ihnen nichts dafür bezahlen,"
°vgert der andere, „kann Ihnen nur den Som-
bier über hie und da eine Staude Gemüse für
"hre Familie geben!"
...»Schon gut," willigt der Schreiner ein, um
sur einige Stunden wenigstens dem lähmen-
den, ausdorrenden Vrachliegen gesunder Kraft
»u entkommen.
Sie gehen gemeinsam die Straße entlang
«erter. Wo nur noch einzelne kleine Häuser
u.ehen und die Wiesen beginnen, überholen sie , .„--.,-
Me Frau. Sie ist einfach gekleidet, doch an- beglückende Mutterschaft, sie gedenkt mitleidig
sHernend zu einem Besuch im nahen Kranken- der einsamen Ngchbarin, die aus die Hilfe
angetan. Im Gehen beugt sie sich des fremder Menschen angewiesen ist.
Im Krankenhaus reist die alte Kleinrent-
nerin sofort nach den Rosen. Sie möchte sich
an den Blumen freuen, doch sagt sie vor-
wurfsvoll: „Sie haben doch selber keinen
Pfennig übrig! Sie hätten mir nichts kau-
fen dürfen!"
„Ich habe sie für Sie geschenkt bekommen,"
beruhigt die Besucherin. Ueber die Helle Se-
kunde der Freude hinweg drängt nun sogleich
von den Lippen der Kranken, was sie in den
Nächten nicht schlafen läßt: „Die Rente ist
gekürzt?! Wovon soll ich denn leben, wenn
ich wieder hinauskomme?!" Angesichts der
kinderreichen Nachbarin empfindet sie aber dis
Angst um die eigene einschichtige Person wie
ein Vergehen, und sie forscht: „Wie steht es
bei Ihnen daheim? Kor "n Sie mit der
Unterstützung aus für die n?"
Bekümmert schweigt die cgere von dem,
was ihren Lebensmut he. -drückt und die
Tage grau macht. Sie teilt >'n Gedanken ihren
Kindern daheim das knapp bemessene Brot zu,
spürt unter der Frage doppelt die Last und
gesteht herb: „Ich weiß kaum mehr, was ich
alle Tage auf den Tisch bringen soll!"
Die Züge der Alten werden von einem
angestrengten sorglichen Nachdenken belebt.
Sie greift nach der Hand der Besucherin und
sagt wichtig: „Daheim, in meiner Stube, Sie
wissen ja, im Schrank, da sind noch Lebensmit-
tel. Nehmen Sie für Ihre Kinder!" Und sie
wehrt die Einwände ab: „Die Kinder sind
wichtiger als ich überschüssiger Mensch," es
gleitet nun sogar ein humorvolles Lächeln
über das alte Gesicht unter der heimlichen An-
wartschaft auf eine höhere Hilfe für die eige-
nen Nöte.
Die Nachbarin geht mit der Erleichterung,
die einer darbenden Mutter in schwerer Zeit
aus jedem Beistand entsteht. Auf dem Rück-
weg kommt sie an dem Heimgarten vorbei. Der
Arbeitslose gräbt das Erdreich auf für eines
Andern Zaun, und der grüßt die Frau wie
vertraut. Der Kleingärtner schwingt die Gieß-
kanne über einem Beet, hält ein Weilchen an
und nickt der Vorübergehenden zu. Sie denkt
an die Rosen und an die Kranke und lächelt.
Unsichtbar umschließende Fäden weben sich
von den Helfern im Garten hinüber zu der
fremden Kranken im Saal, über die ernste
Frau an der Straße bis hinein in ihre
Familien. H. Zierer-Steinmüller.
I(un8t unä
* Einführung in die Deutsche Musik. Karls-
ruhe, 18. Mai. Der Direktor der badischen Hoch-
schule für Musik, Professor Franz Philipp,
überbrachte am Donnerstag dem Minister Dr.
Wacker die Glückwünsche und Grüße der badischen
Hochschule und des Konservatoriums für Musik
und aller Musiker des Landes, die im Reichsver-
band Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer zu-
sammengeschlossen sind. In der sich anschließenden
eingehenden Unterredung wurden verschiedene
Fragen der badischen Musikhochschule, des Chorwe-
sens, der Orchester- und Kammermusik und der
Kirchenmusik besprochen und insbesondere auch die
Frage einer weitergehenden Hinführung aller
Volksgenossen zur deutschen Musik erörtert. Hier-
bei übergab Professor Philipp eine diese Fragen
behandelnde Denkschrift.
„PfSlzerBote" Heidelberg — Montag, den 22. Mai 1933
Seite 5
Zer selige Mevb Maria
Pignatelli 81-
Zur Feier seiner Seligsprechung am 21. Mai.
Von Friedrich Ritter von Lama.
Im Leben dieses neuen Seligen der katholischen
Kirche spiegelt sich der tragische Höhepunkt der
bisherigen Geschichte der Gesellschaft Jesu. Joseph
Maria Pignatelli war im Jahre 1737 zu Sara-
gossa als Sohn des Fürsten Antonio Pignatelli
geboren; er entschloß sich, noch nicht sechzehn Jahre
alt, in den Jesuitenorden einzutreten, zu einem
Zeitpunkt, als bereits der Sturm gegen den Or-
den von Portugal auf Spanien übergegriffen
hatte, „die Verschwörung der Regierungen und
der Sekten, die jegliche religiöse Betätigung ver-
hindern wollten, eine Verschwörung gegen Gott
und gegen die Kirche und daher folgerichtiger-
weise — eine ruhmreiche Folgerichtigkeit! — auch
gegen die Gesellschaft Jesu. Es war eine Ver-
schwörung des Hasses und des Vorurteils, die in
eine grimmige Verfolgung ausbrach und schließ-
lich jede Ordnung, jede kirchliche Tätigkeit nie-
derwars und alles Vorhergehende übertraf. Und
inmitten des Sturmes stand die hochragende Ge-
stalt dieses Dieners Gottes gleich einem hoch-
ragenden Felsen, unbeweglich gegenüber mehr als
Ungewitter." So der Hl. Vater Pius XI. am
19. Februar 1933 bei der feierlichen Verlesung
des Dekretes über die auf Fürbitte des Seligen
gewirkten Wunder. Seine Ordensbrüder wurden
aus ihrem Vaterlande vertrieben und Pignatelli
folgte ihnen. Er verzichtete auf die ihm allein
angebotene Vergünstigung, bleiben zu dürfen.
Auf 13 enggebauten Fahrzeugen wurden die 600
Jesuiten der aragonischen Ordensprovinz nach
Korsika gebracht und in San Bonifazis ans Land
gesetzt, ohne daß für Unterkunft und Verpflegung
gesorgt war. Dafür sorgte Pignatelli, der
besonders seinen jüngeren Mitbrlldern mit zärt-
lichster Liebe beistand, um ihnen die Verbannung
erträglich zu gestalten. Mit nie erlahmender Tat-
kraft und außerordentlicher Gewandtheit verwen-
dete er sich für ihre Befreiung von vielerlei Schi-
kanen und war zugleich bemüht, die Gesellschaft
selbst in der ihr von ihrem Stifter gegebenen
Form zu erhalten, die neu Eintretenden zu be-
geistern und sie in die religiösen Tugenden einzu-
führen. Aus Korsika vertrieben, verschiffte man
die Verbannten mit noch 1800 spanischen Ordens-
brüdern nach Genua, das die Aufnahme verwei-
gerte. Ferrara im Kirchenstaat nahm endlich die
Mitglieder der aragonischen Provinz auf, und
hier war es wiederum ll. Pignatelli, der das
Herz der Bürgerschaft für die Vertriebenen er-
wärmte, so daß sie Hilfe spendeten. Aber das
Schwerste sollte noch kommen: nicht mehr nur die
Vertreibung, nein, die Unterdrückung und Auf-
lösung, dekretiert von der legitimen Autorität,
der einzigen, die es tun konnte. „Eine schmerz-
liche Seite in der Geschichte, wie jeder weiß,
schmerzlich selbst, wenn man sie auch nur liest aus
zeitlichem Abstande. Und dann wirft die fran-
zösische Revolution auch noch ihre Opfer dem
Diener Gottes vor die Füße; jedoch auch sie fin-
den Trost und Hilfe. Aber noch nicht genug. Die
Woge von Eisen und Feuer der napoleonischen
Kriege drängt heran und jagt den Pater von
Ort zu Ort, verbreitet immer wieder eine neue
unsichere Lage um ihn her. Ud dennoch bleibt
seine hohe Gestalt stets aufrecht inmitten all des
Tobens, der Gefahr und der Verfolgungen, und
immer ist er tätig, immer hilfsbereit und immer
heiter. Woraus schöpfte er diese Kraft? Aus dem-
selben Geheimnis, das das Leben aller Heiligen
nährte: aus dem Gekreuzigten! . . . Immer bleibt
sein Blick und sein Geist auf Gott gerichtet, dem
er stets in makelloser Treue diente." Mit diesen
Worten vollendete der Heilige Vater das Bild,
das er bei der erwähnten Feier von ?. Pignatelli
entwarf. Nachdem der geliebte Orden aufgelöst
war, ließ der Ex-Jesuit zu Ferrara und Bologna
als Weltpriester seine Tugenden erglänzen und
stellte durch päpstliches Jndult zu Lolorno im
Herzogtum Parma, dann in Neapel und schließ-
lich auch in Rom die Häuser seiner Gesellschaft
wieder her, nachdem er am 6. Juli 1797 endlich
feierlich sein Ordensgelübde hatte ablegen kön-
nen. Im Jahre 1803 wurde er zum Provinzial
des wiedererstandenen Ordens für Neapel ge-
wählt, und unter seiner klugen Leitung erhob
und erholte sich dieser wieder. Noch einmal ver-
trieben, diesmal von den Franzosen, nahm
Pius VII. die Vertriebenen in Rom auf und gab
ihnen das Profeßhaus Al Gesu und das Römische
Kolleg zurück. Ja, so sehr hatte er des Papstes
Gunst gewonnen, daß dieser den Pater mit dem
Kardinalspurpur schmücken wollte. Nun aber war
seine ohnehin stets schwankende Gesundheit und
Kraft erschöpft und mit großer Freude sah er
seiner nahen Auflösung entgegen. Am 15. Novem-
ber starb der Selige, heilig wie er gelebt. „Er
muß zu den hervorragendsten Männern gezählt
werden, welche Gottes barmherzige Vorsehung
zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhun-
derts als Stütze ud Zier der Kirche erweckt hat",
sagt das päpstliche Dekret, das die beiden auf des
Seligen Fürbitte geschehenen Wunder anerkennt.
„Joseph Maria Pignatelli war der Typus männ-
licher, kräftiger Heiligkeit", urteilt Pius XI. in
seiner Lobrede auf ihn; „er war eine Gestalt von
großen Linien, wie sie die unendlich meisterhafte
Hand Gottes zu ziehen weiß, eine Gestalt von
jenen Zügen, wie Gott sie so oft seinen Werken,
den natürlichen wie den übernatürlichen, zu geben
beliebt, eine Gestalt auch, die an sich schon zu
genügen scheint, das Jahrhundert auszufüllen, in
dem sie in ihr Dasein trat."
Die Seligsprechung
Rom, 21. Mm. Am Sonntag sand m der
Peterskirche die vierte Seligsprechung des Hei-
ligen Jahres statt, und zwar die des im No-
vember I8II in Rom gestorbenen Jesuitenpaters
Giuseppe Piguatelli. Aine sterblichen Usborrestze
wurden in der römischen Jesnitenkirche Gesu
beigesetzt, wo seine Reliquien nun verehrt wer-
den. Der Papst begab sich am Sonntag vormit-
tag zur ersten Ehrung des neuen Selchen in die
Peterskirche.
dat die Errichtung einer katholischen Universi-
tät in Salzburg auferlegt. Daran ist kein wah-
res Wort. Wohl aber ist es selbstverständlich,
daß der Staat einer katholischen Universität
in Salzburg dieselben Oeffentlichkeitsrechte
und Ehrenvorzüge einrüumen wird, wie seinen
eigenen Hochschulen. Das war ja auch der
Gegenstand eines jahrelangen publizistischen
Streites. Die kulturkämpferische Seite ist im-
mer darauf bestanden, daß der „klerikalen"
Universität die Rechte staatlicher Hochschulen
nicht gewährt werden dürfe. Das primitive
Rechtsempfinden hat allerdings niemals ver-
standen, weshalb gerade eine katholische Uni-
versität in einem Rechtsstaat mit der Rolle
des Paria bedacht werden sollte.
Sehr viel ist auch davon geredet worden,
daß das Konkordat die konfessionelle
Schule aufzwingen wolle. Freiheitliche und
sozialdemokratische Lehrerverbände haben das
bloße Gerücht zum Anlaß genommen, um eine
Haupt- und Staatsaktion zu machen. In Wirk-
lichkeit denkt niemand daran, die Grundsätze
des Reichsvolksschulgesetzes anzutasten. Dieses
Gesetz spricht ausdrücklich von der sittlich-reli-
giösen Erziehung der Kinder. Im alten Staat
hat man mit diesem Grundsatz vollkommen
ausgereicht, um eine religionslose und reli-
gionsfeindliche Vergiftung der Kinderherzen
zu verhindern. Erst die Wiener Schulreformer
haben den Trick gefunden, wie dieses Ge'etz
zu umgehen wäre. Man machte dem Kateche-
ten die Arbeit in der Klasse fast unmöglich.
Man sorgte dafür, daß der freidenkerische Leh-
rer die Autorität und die Lehren des Rsli-
gionslehrers unterwühlte. Man bestimmte,
daß die Kinder zwar den Religionsunterricht
besuchen müssen, jedoch zu den religiösen
Hebungen nicht gezwungen werden dürfen. Im
Konkordat wird nun allem Anschein nach
nichts anderes versucht als diese sinnwirdige
Auslegung des Reichsvolksschulgesetzes zu kor-
rigieren und den früheren Zustand wiederher-
zustellen. Ein wertvoller Anfang ist bereits
gemacht, indem llnterrichtsminister Dr. Nin-
telen die Verpflichtung der Schüler zur Teil-
nahme an den religiösen Hebungen verfügte.
Es muß jedoch betont werden, daß die Unter-
grabung des Grundsatzes von der religiös-sitt-
lichen Erziehung nicht eine allgemein öster-
reichische Erscheinung, sondern eine ausgespro-
chene Spezialität des Wiener Marxismus ist,
der dort durch seine politische Macht die
Schule beherrscht.
Es scheint auch gewiß zu sein, daß die katho-
lischen Grundsätze des österreichischen Eherechts
(Protestanten und Juden genießen für ihre
Eheschließungen ein Sonderrecht) gewahrt
bleiben.
Zu Pfingsten wird das Konkordat unter-
zeichnet — wann wird es in Kraft gesetzt wer-
den? Das Parlament hat sich ja ausgeschaltet
und das Notverordnungsrecht der Regierung
reicht nicht aus, um einen Staatsvertrag von
so weittragender Bedeutung in Kraft zu setzen.
Die Regierung denkt daran bei den Verhand-
lungen über die Reform der Verfassung
Grundsätze des Konkordates darin zu veran-
kern und das Konkordat selbst als Ganzes von
einem neuen Parlamente beschließen zu lassen.
Unterdessen wird versucht werden, einzelne
wichtige Teile des Vertrages durch die Praxis
in das öffentliche Leben Oesterreichs einzu-
führen.
Das österreichische
Kl. Innsbruck, 19. Mai 1933.
Die zwei Jahre währenden Verhandlungen
zwischen Oesterreich und dem Heiligen Stuhl
über den Abschluß eines Konkordats sind
nun zum Abschluß gekommen und zu Pfingsten
wird der Vertrag in Rom unterzeichnet wer-
den. Der Bundeskanzler begibt sich selbst dort-
hin, um, wie er erklärte, damit darzuiun,
welche Bedeutung er diesem Staatsakt beilege.
Damit wird ein mehr als sechzigjähriges In-
terregnum in den Beziehungen zwischen
Oesterreich und dem Hl. Stuhl beendet. Kaiser
Franz Josef I. hat bekanntlich am Beginn der
liberalen Aera das Konkordat eigenmächtig
aufgehoben. Seither war das Verhältnis
zwischen beiden Mächten, zwischen Kirche und
Staat, grundsätzlich ungeregelt. Daraus mußte
sich eine große Zahl bedauerlicher Mißstände
ergeben. Diese häuften sich, als die Republik
Oesterreichs eine kulturkämpferische Parla-
mentsmehrheit erhielt, die, angeführt von den
Sozialdemokraten, Stück um Stück des Schul-
und Eherechts dem katholischen Geiste streitig
machte. Schließlich wurde der Wirrwarr be-
sonders im Eherecht so groß, daß selbst die
Kulturkämpfer die Notwendigkeit einer Ver-
einbarung zwischen Kirche und Staat nicht
mehr bestreiten konnten. Besonderen Eindruck
machte auf diese Kreise die Tatsache, daß die
römische Kurie hinsichtlich der Bischossernen-
nungen eigene Wege ging und nicht mehr, wie
es früher in der kaiserlichen Zeit, die Zustim-
mung der Regierung einholte. Das Zustim-
mungs- und Vorschlagsrecht des österreichi-
schen Kaisers war ein Privileg, das auf die
Republik begreiflicherweise nicht übergegan-
gen ist. Dazu kam das Chaos im Eherecht, das
für diejengen, welche von den Lockerungen Les
Eherechtes Gebrauch gemacht hatten, zu schwe-
ren materiellen Folgen führte, da die ober-
Konkordat
sten Gerichte des Bundes solche Ehen als bloße
Verhältnisse betrachtete, denen die zivilrecht-
lichen und vermögensrechtlichen Wirkungen
der vollgültigen Ehe versagt waren. Als die
Verhandlungen mit dem Vatikan vor mehr
als zwei Jahren ausgenommen wurden, stie-
ßen sie auf keinen Widerspruch. Gelegentlich
gab es dann in der kulturkämpferischen Presse
ein Aufbäumen gegen die angebliche Beein-
trächtigung der Staatshoheit, die aus einem
Konkordat entspringen würden. Ueber den
Verlauf der Verhandlungen selbst herrschte
völliges Schweigen; um so größer war die
Ueberraschung, als zu Ostern nach dem Besuche
des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß in Rom der
Justizminister Dr. Schuschnigg zur Vollendung
der Verhandlungen sich nach Rom begab, in-
nerhalb der Frist von vierzehn Tagen der Ab-
schluß der Vereinbarungen gemeldet wurde.
Ueber den Inhalt des Konkordats
ist noch wenig an die Öffentlichkeit gedrun-
gen. Immerhin reicht das, was bisher dar-
über bekannt ist, aus, um die Umrisse zu er-
kennen. So weiß man, daß der Regierung
eine gewisse Einflußnahme auf die Ernennung
der Bischöfe zugestanden wurde. Eine Errich-
tung neuer Diözesen für die Gebiete Orster-
reichts, welche infolge der Veränderungen
durch die Friedensverträge eine Neuregelung
bedürfen, scheint vorläufig nicht geplant zu
sein. Das Burgenland bleibt Apostolische
Administratur. Tirol und Vorarlberg wird
zur Diözese erhoben werden, wenn die finan-
ziellen Grundlagen für die Errichtung eines
Bistums geschaffen sind. Der Vatikan hat da,
wie auch auf anderen Gebieten, auf die schwie-
rige finanzielle Lage des österreichischen Staa-
tes weitgehende Rücksicht genommen. Von
kirchenfeindlicher Seite wurde u. a. auch be-
hauptet, dem Staate werde durch das Konkor-
^SSI^IeisckdrüIi-Wrsel
ZMrssI < iStZnas > nur I^Pfo
öfteren nieder, pflückt aus dem dürftigen
Weggras Schafgarbendolden und weißgraue
Kleeblüten.
„Lohnt sich das Bücken, Frau," fragt der
Kleingärtner und schaut fast geringschätzig auf
das unscheinbare Pflanzenbündelchen in ihrer
Hand.
Sie ordnet verlegen die Stiele. Ihre Finger
greifen dabei, als zähle sie Pfennige und sie
entgegnet: „Ich besuche meine kranke Nach-
barin. Früher einmal konnte man Kranken
eine Flasche Wein bringen. Heute reicht es
nicht einmal mehr zu einem Blumenstrauß.
Arm sind wir geworden!"
Der Arbeitslose nickt beifällig, sein Mund
ist halb aufgetan zu einer üblichen, der Zeit
und den Umständen geltenden Verwünschung,
und der Gärtner schaut vor sich hin. Dann sagt
er: „Gehen Sie mit, Frau, ich gebe Ihnen ein
paar Rosen für Ihre Nachbarin. Ein paar
habe ich noch in meinem Garten!"
Blumen sind der Frau unter den Alltags-
sorgen längst zum kaum mehr begehrten Luxus
geworden. Trotzdem ist ihr Gesicht belebter
als sie erwidert: „Das würde meine Nach-
barin sicher freuen!"
Ein paar Minuten später bekommt sie über
einen Plankenzaun hinweg ein frisch geschnit-
tenes Rosensträußchen. Mit dem aufwehenden
Duft entsinnt sie sich der Tage ihres Braut-
standes und der entschwundenen Illusionen,
die im erbitterten Kampfe einer ganzen
Volksschicht untergingen. Neben dem flüchtigen
Vergleich zwischen einst und heute weiß sie
auch erneut um ihre zwar erschwerte, aber doch
Sind wir arm?
KDF. An einer Straßenkreuzung der äuße-
ren Stadt treffen sich zwei Männer. Sie reden
von Politik, Arbeitslosigkeit und Not. Der
eme, ein stellenloser Schreiner, deutet auf
>erne schadhaften Stiefel und meint: „Nicht
einmal soviel Geld hat man, daß man sich
lerne Schuhe flicken lassen kann!"
»Ja, wir sind warm," entgegnet der andere
bedächtig mit der ergebenen, fast gleichgültigen
Miene, welche ihm die Zeit und der Pessimis-
mus gleich tausenden ausgeprägt hat. Er
schiebt jedoch das Drückende merklich von sich,
beutet nach einer kleinen nahen Heimgarten-
nedlung und sagt: „Ich mutz zum Umgraben
Nehen. Ich will mir einen Zaun machen,
romme aber nur langsam damit von der
Stelle!«
»Ich helfe Ihnen," schlägt der Arbeitslose
bor. Seine der Tätigkeit entwöhnten Hände
wachen eine Bewegung, im Geist die Säge und
"bn^Zaunpfahl umfassend.
,.»>;ch kann Ihnen nichts dafür bezahlen,"
°vgert der andere, „kann Ihnen nur den Som-
bier über hie und da eine Staude Gemüse für
"hre Familie geben!"
...»Schon gut," willigt der Schreiner ein, um
sur einige Stunden wenigstens dem lähmen-
den, ausdorrenden Vrachliegen gesunder Kraft
»u entkommen.
Sie gehen gemeinsam die Straße entlang
«erter. Wo nur noch einzelne kleine Häuser
u.ehen und die Wiesen beginnen, überholen sie , .„--.,-
Me Frau. Sie ist einfach gekleidet, doch an- beglückende Mutterschaft, sie gedenkt mitleidig
sHernend zu einem Besuch im nahen Kranken- der einsamen Ngchbarin, die aus die Hilfe
angetan. Im Gehen beugt sie sich des fremder Menschen angewiesen ist.
Im Krankenhaus reist die alte Kleinrent-
nerin sofort nach den Rosen. Sie möchte sich
an den Blumen freuen, doch sagt sie vor-
wurfsvoll: „Sie haben doch selber keinen
Pfennig übrig! Sie hätten mir nichts kau-
fen dürfen!"
„Ich habe sie für Sie geschenkt bekommen,"
beruhigt die Besucherin. Ueber die Helle Se-
kunde der Freude hinweg drängt nun sogleich
von den Lippen der Kranken, was sie in den
Nächten nicht schlafen läßt: „Die Rente ist
gekürzt?! Wovon soll ich denn leben, wenn
ich wieder hinauskomme?!" Angesichts der
kinderreichen Nachbarin empfindet sie aber dis
Angst um die eigene einschichtige Person wie
ein Vergehen, und sie forscht: „Wie steht es
bei Ihnen daheim? Kor "n Sie mit der
Unterstützung aus für die n?"
Bekümmert schweigt die cgere von dem,
was ihren Lebensmut he. -drückt und die
Tage grau macht. Sie teilt >'n Gedanken ihren
Kindern daheim das knapp bemessene Brot zu,
spürt unter der Frage doppelt die Last und
gesteht herb: „Ich weiß kaum mehr, was ich
alle Tage auf den Tisch bringen soll!"
Die Züge der Alten werden von einem
angestrengten sorglichen Nachdenken belebt.
Sie greift nach der Hand der Besucherin und
sagt wichtig: „Daheim, in meiner Stube, Sie
wissen ja, im Schrank, da sind noch Lebensmit-
tel. Nehmen Sie für Ihre Kinder!" Und sie
wehrt die Einwände ab: „Die Kinder sind
wichtiger als ich überschüssiger Mensch," es
gleitet nun sogar ein humorvolles Lächeln
über das alte Gesicht unter der heimlichen An-
wartschaft auf eine höhere Hilfe für die eige-
nen Nöte.
Die Nachbarin geht mit der Erleichterung,
die einer darbenden Mutter in schwerer Zeit
aus jedem Beistand entsteht. Auf dem Rück-
weg kommt sie an dem Heimgarten vorbei. Der
Arbeitslose gräbt das Erdreich auf für eines
Andern Zaun, und der grüßt die Frau wie
vertraut. Der Kleingärtner schwingt die Gieß-
kanne über einem Beet, hält ein Weilchen an
und nickt der Vorübergehenden zu. Sie denkt
an die Rosen und an die Kranke und lächelt.
Unsichtbar umschließende Fäden weben sich
von den Helfern im Garten hinüber zu der
fremden Kranken im Saal, über die ernste
Frau an der Straße bis hinein in ihre
Familien. H. Zierer-Steinmüller.
I(un8t unä
* Einführung in die Deutsche Musik. Karls-
ruhe, 18. Mai. Der Direktor der badischen Hoch-
schule für Musik, Professor Franz Philipp,
überbrachte am Donnerstag dem Minister Dr.
Wacker die Glückwünsche und Grüße der badischen
Hochschule und des Konservatoriums für Musik
und aller Musiker des Landes, die im Reichsver-
band Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer zu-
sammengeschlossen sind. In der sich anschließenden
eingehenden Unterredung wurden verschiedene
Fragen der badischen Musikhochschule, des Chorwe-
sens, der Orchester- und Kammermusik und der
Kirchenmusik besprochen und insbesondere auch die
Frage einer weitergehenden Hinführung aller
Volksgenossen zur deutschen Musik erörtert. Hier-
bei übergab Professor Philipp eine diese Fragen
behandelnde Denkschrift.