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Pfälzer Bote für Stadt und Land (68) — 1933 (April bis Juni)

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Nr. 125-147 (1. - 30. Juni)
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Seite 2

„PfSlzer Bote" Heidelberg — Donnerstag, den 1. Juni 1988

Nr. 12S

«Verfügung. Wenn Sie dies wußten, hätte man
vann die Idee der neuen Zeitung weiter verfolgt?
Staatssekretär Meißner: Ich glaube,
sa.
Staatsanwalt: Wußten Sie, daß über-
haupt ein Gewinn da war?
Staatssekretär Meißner: Ich habe
überhaupt nicht gewußt, daß ein Ueberschuß aus
dem Hindenburg-Ausschuß vorhanden war.
Staatsanwalt: Herr Dr. Eereke, Sie ha-
ben sich in Ihrer Verteidigung darauf gestützt, daß
sie stets Vorkämpfer der streng nationalen Rich-
tung gewesen seien und angeblich ein bedingungs-
loser Vorkämpfer einer bewußten Hindenburg-Po-
litik. Ich überreiche zwei Briefe mit dem Anträge,
sie zu verlesen, aus denen sich ergibt, daß Dr. Ge-
reke der Hindenburg-Politik, die im Sommer 1832
dazu führte, daß die preußische Regierung entmach-
tet wurde, nicht gefolgt ist und daß er in enger Be-
ziehung zu den entmachteten preußischen Ministern
gestanden hat, daß er eine ganz bewußte Politik
gegen die damalige nationalrevolutionäre Bewe-
gung und gegen die nationale Regierung führte,
so daß die Andeutung, er habe das gewollt, was
jetzt erreicht sei, sich als das Gegenteil erweist.
Die Briefe werden vom Gericht dann verlesen.
Der erste ist an den damals abgesetzten preußischen
Minister Klepper gerichtet. Der zweite Brief-rich-
tet sich an Bürgermeister Zimmer-Düsseldorf, gegen
den jetzt ein Ermittlungsverfahren schwebt.
Es folgt dann die
Vernehmung des ehemaligen Reichsministers
Treviranus.
Vorsitzender: Ist Ihnen bekannt, daß aus
den Mitteln des Hindenburg-Ausschusses durch fal-
sche Belege von Dr. Eereke eine runde Summe von
400 000 Mark übrig geblieben ist?
Treviranus verneint es und erklärte wei-
ter: Ich sagte schon bei den Sammlungen für die
Hindenburg-Wahl im ersten Wahlgang, daß man
mit den Mitteln vorsichtig umgehen müßte, weil
nach der siegreichen Wahl noch weitere Mittel zur
Verwirklichung unserer weiteren Ziele nötig wa-
ren. Mir wurde von Geldgebern zugesichert, daß
sie entsprechende Mittel für die Preutzenwahl ge-
ben würden. Das hatte ich Dr. Gereke gesagt, und
er rechnete damit. Nun wurde aber wider Erwar-
ten ein zweiter Wahl gang notwendig,
und die Geldgeber sagten mir, sie hätten das Geld,
daß sie für die Preutzenwahl bestimmt hätten, schon
bei den Sammlungen für den zweiten Wahl-
gang mitgegeben. Ich sagte das Dr. Eereke und
sprach dabei von einer Summe von 100 000 bis
280 000 Mark, die auf diese Weise vorweg gegeben
waren. Dr. Eereke machte keinen Hehl daraus, daß
diese Wendung ihm Schwierigkeiten bieten würde.
Verteidiger Rechtsanwalt Langbehn:
Wurde von Dr. Eereke davon gesprochen, daß es
ihm darauf ankomme, unter der Führung des neu-
gewählten Reichspräsidenten von Hindenburg eine
nationale Front zusammenzubringen, in die auch
dis Nationalsozialisten einbezogen werden sollten?
Zeuge Treviranus: «8a, das war die ganz
selbstverständliche Auffassung des Kreises, dem wir
schon angehörten. Wir haben uns immer wieder
die Frage vorgelegt, wie man die Kräfte der na-
tionalsozialistischen Erhebung in die Negierung
einstellen könnte.
Verteidiger: Halten Sie es für möglich,
daß Dr. Eereke überhaupt engere Fühlung mit
Linkskreisen unterhalten hat, es sei denn, daß es
sich um politische Manöver handelte, um sie über
seine wahren politischen Absichten zu täuschen?
Zeuge Treviranus: Ich halte eine
solche Verbindung mit Linkskreisen bei Dr.
Eereke für völlig ausgeschlossen.
Verteidiger: Hat nicht schon Anfang 1932
Dr. Eereke ebenso wie der damalige Reichskanzler
Dr. Brüning und wie Sie den Wunsch gehabt, dem

Tagung der Mchensteuervertrelung
KirOMrurr und Kirchrngrld bliben unverändert

Freiburg, 30. Mai. Die Kirchensteuer-
vertretung für die Erzdiözese Freiburg
trat am Dienstag vormittag in Freiburg zur
Beratung des Voranschlages für 1933 und zur
Festsetzung der Kirchensteuer für das kommende
Jahr im Kaufhaussaal zusammen. Namens des
Erzbischofs begrüßte Generalvikar Dr. Rösch
die aus allen Teilen des Landes stark besuchte
Tagung und wünschte einen glücklichen Verlauf
Unter dem Präsidium von Rechtsanwalt Dr.
Kopf trat zunächst der Kirchenausschutz in
nicht öffentlicher Sitzung zusammen. In der
Kirchensteuer-Versammlung am Nachmittag
leitete Prälat Dr. Sester die,Beratungen des
Voranschlags mit einem Generalreferat ein,
wobei er die Notwendigkeit der Aufrechterhal-
tung des Kirchengeldes 'darlegte. So gerne die
Kirchenrsgierung, wie Erzbischof Dr. Gröber
wiederholt betont habe, auf die Erhebung des
Kirchengeldes verzichten würde, so sei ohne
seine Beibehaltung der Ausgleich des Voran-
schlages unmöglich. Eine völlige Neuregelung
der Besoldungsverhältnisse werde nicht in An-
griff genommen, da in allernächster Zeit eine
reichsgesetzliche Neuregelung des gesamten
Kirchensteuerwesens erfolgen werde, die erst ab-
zuwarten sei.
Neu in den Voranschlag ausgenommen wer-
den die Wiedererrichtung eines Bau amt es

Führer Adolf Hitler den Reichskanzlerposten zu
übergeben, und war es nicht so, daß Zweifel nur
darüber bestanden, wie man diesen Plan ohne
außenpolitische Erbitterung durchführen könnte?
Zeuge: Ich weiß nicht, ob ich darüber aussa-
gen darf, denn meine Kenntnis in dieser Hinsicht
stammt doch aus meiner damaligen Eigenschaft als
Reichsminister.
V e rteidiger: Hat Dr. Gereke diesen Plan
schon Anfang 1932 gefördert, Adolf Hitler an die
Regierung zu bringen?
Zeuge: Er hat" diesen Gedanken ganz beson-
ders eifrig verfochten. Er hat deshalb auch in sei-
ner Fraktion gegen Widerstände anzukämpsen ge-
habt.
Als letzter Zeuge in der Vormittagssitzung wird
der Schriftsteller Heinrich v. Gleichen ver-
nommen, der die Zeitschrift „Der Ring" heraus-
gibt und an den Verhandlungen über das Hinden-
burg - Z e i t un g s p r o j e k t führend teilgenom-
men hat. Der Zeuge erklärt, Dr. Gereke habe bei
diesen Verhandlungen gesagt, er könne sofort
80 000 RM, zur Verfügung stellen. Im ganzen
könnte er 100 000 RM. für die Zeitung aufbrin-
gen. Man habe in dem Kreise angenommen, daß
diese Mittel einen Restbetrag der Hindenburg-
Sammlung darstellten.
Bors.: Hatten Sie Kenntnis davon, daß zur
Erlangung dieser Mittel falsche Quittungen ver-
wandt worden waren?
Zeugs : Davon ist mir nichts bekannt.
Ueber das Zeitungsprojekt sagt der Zeuge u. a.:
Staatssekretär Dr. Meißner hatte es übernom-
men, wegen des Absatzes der Zeitung Fühlung zu
nehmen. Ich erhielt auch von General v. Schlei-
cherdie Züsicherung, daß er sich dafür interessieren
würde. Nachher hat aber Dr. Meißner von
Schleicher eine Absage bekommen. Schleicher war
in die „Tägliche Rundschau" eingetreten und da-
mit hatte die Sache eine Wendung genommen, die

in Heidelberg sowie Erhebung von vier
Kuratien zu Pfarreien und die Verlegung des
Oberstiftungsrates von Karlsruhe nach Frei-
bürg, deren Zeitpunkt noch unbestimmt sei.
In der Einzelaussprache entspann sich eine
längere Debatte bei der Position „Bezüge der
Pfründnießer", in der von mehreren Seiten
gegen die ungleiche Einstufung der Stadt- und
Landkreise Beschwerde erhoben wurde. Das
bisherige Dreiklassensystem sei verfehlt. Tis
Versammlung nahm mit Mehrheit eine Re-
solution an, wonach bis zur nächsten Ta-
gung die tarifliche Gleichstellung von Stadt-
und Landkreisen vorbereitet werden soll. —
Der Antrag der Kirchenregierung, zum Aus-
gleich des Voranschlages die Kirchensteuer
im Betrage von 10 v. H. der jeweiligen Ur-
steuer und das Kirchgeld in der seitherigen
Höhe von 3, 4 und 6 Mark zu erheben, wurde
von der Kirchensteuervertretung mit der erfor-
derlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt. Eben-
so wurde der Voranschlag angenommen. Ferner
wurde der Erhebung der Kuratien Freibing-
Wiehre, Pforzheim, Dinglingen und Weil am
Rhein zu Pfarreien zugestimmt.
Generalvikar Dr. Rösch sprach namens des
Erzbischofs Dr. Gröber in seinem Schlußwort
den Vertretern den Dank der Kirchenregierung
für ersprießliche Zusammenarbeit aus.

zunächst die Verwirklichung des Planes aussichts-
los erscheinen ließ,
Vors.: Sie meinen also, daß der Plan nicht an
den finanziellen Schwierigkeiten gescheitert sei,
sondern an der veränderten Haltung des Generals
von Schleicher.
Zeuge: 2a, der Plan ist damit sozusagen im
Sande verlaufen.
Die Verhandlung wird durch eine Mittagspause
unterbrochen.
In der N a ch m i t t a g s si tz u n g wurde
Staatssekretär Aempner
vernommen, der Geschäftsführer des
Hindenburg - Ausschusses war. Der
Zeuge sagte aus, Dr. Gereke im ganzen 1,390 Mil-
lionen RM. zu Propagandazwecken übergeben zu
haben. Daß Üeberschüsse nach der Wahl verblieben
seien, habe er erst bei der zweiten Vernehmung
beim Staatsanwalt erfahren. Der Hindenburg-
Ausschutz habe im November 1932 beschlossen, einen
etwaigen Ueberschuß der Hindenburg-
spende zu überweisen.
Auf die Frage des Vorsitzenden, ob der
Zeuge sich damit einverstanden erklärt hätte, daß
der Ueberschuß von rund einer halben Million
NM., falls er davon gewußt hätte, für weitere po-
litische Zwecke verwendet würde, erklärte Staats-
sekretär Kempner, daß er dazu n i ch t seine Zustim-
mung gegeben hätte.
Bei der weiteren Vernehmung stellte sich her-
aus, daß der Zeuge in dem Glauben, daß sogar
noch ein Defizit von 500 000 RMi bestände, sich
brieflich an den damaligen Reichsfinanzminister
Dietrich gewandt und eine Abschrift des Brie-
fes auch dem früheren Reichskanzler Dr. Brü-
ning geschickt hatte. Auch Dr. Gereke war über
dieses Schreiben unterrichtet worden.
Die Frage des S t a q t s an w a l t s, ob der
Zeuge auf Grund dieses Schreibens auch tatsächlich
Geldmittel erhalten habe, erklärte der Staats-

Sitzung »er zentrumssraNw»
Berlin, 1. Juni. Am Mittwoch, den A-
Mai, vormittags traten in Berlin die Reichs-
tagssraktion und die preußische Landtagsstw-
tion des Zentrums mit dem geschäftsführenden
Reichsparteivorstand zu einer sehr aufschlusM-
chcn und fruchtbringenden gemeinschaftlichen
Sitzung zusammen unter Leitung des neuen
Führers Dr. Brüning. Im Mittelpunkt der
Beratungen standen die Fragen und Problem
des Rechtsstaates nach der christlichen Auf.ast
sung unter besonderer Berücksichtigung der
kirchlichen Arbeit. Nach einer kurzen Mittags
Pause, während der der geschaftsführende Bor-
staud zusammengetreten war, um über Reorga-
nisationsfragen sich zu besprechen, wurde nach-
mittags die Aussprache fortgesetzt. Es ist g^
plant, diese Beratungen bei nächster Gelegen-
heit fortzusetzen, wobei größter Wert vor allem
auf die kulturpolitischen Zeitfragen gelegt wirb.
Die preußische Landtagsfraktion des
trums wird am Donnerstag vormittag zu einer
weiteren Sondersitzung zusammentreten, der
Beratungen des Vorstandes der Fraktion vor-
ausgehen.
*
Am Dienstag fanden die Besprechungen Ma-
schen Reichskanzler Hitler und dem neuen
Führer des Rsichszentrums Dr. Brüning
ihre Fortsetzung.

seiner vorgesetzten Behörde beantworten zu kön-
sekretär Kenipner nicht ohne Aussagegenehmigung
nen. Schließlich erklärte Staatssekretär Kempner
auf den Hinweis des Staatsanwalts, daß es M
das Strafverfahren von ungeheurer Bedeutung
sei, ob die vermeintlichen 800 000 NM. Defizit aus
Stsuermitteln abgedeckt worden seien, oatz er RS
angeforderte Sunime beschafft habe, aber nicht
angeben könne, von welcher Stelle er sie erhalten
habe.
Verteidiger: Stammten die Gelder für die
Hindenburgwahl nicht vielfach auch aus Kreisen,
die nur aus taktischen Gründen Geld her-
gaben, also Linkskreisen, jüdischen
Warenhäusern usw., die an sich politisch nicht
auf der Seite des Reichspräsidenten standen, aber
ihn unterstützten, damit nicht Hitler gewählt
wurde.
Zeuge: Das nehme ich mit Sicherheit an.
Der Hauptkassier des Hindenburgausschusses, Re-
gierungs-Inspektor Grünow, erklärte sodann
bei seiner Aussage, daß die erste Abrechnung
von Dr. Eereke habe zurllckgewiesen werden müs-
sen, weil sie Additionsfehler enthalten habe und
unübersichtlich gewesen sei. Die zweite Abrechnung
habe ein Defizit von 30 000 RM. ergeben und
Dr. Eereke habe auf Abdeckung desselben gedrängt.
Damals schon habe sich der Hindenburgausschuß
in großen finanziellen Schwierigkeiten befunden,
denn es seien drei Millionen Schulden vorhanden
gewesen, die erst im Juli hätten abgedeckt werden,
können.
Nach der Vernehmung einer KusinedesAn-
geklagten wurde dann die Weiterverhandlung ,
auf Freitag vertagt.

Zwischenfall auf einem deutschen Dampfer
in Barcelona.
Barcelona, 31. Mai. Hier sind sechs Perso-
nen an Bord eines im Hafen liegenden deut-
schen Dampfers gedrungen und haben die Ha -
kenkreuzfahne, die gehißt war, entfernt
und r n s M e r g e w o r s e n.

Das Ärsgs VeZr
Eine Erzählung vom Reimmichl.

Urheberrechtsschutz durch Verlags«
53) (Nachdruck verboten.)
„Aber mein Bruder hat dir doch gesagt, daß
er zum Doktoren-Kongretz nach München fährt",
ließ sich die Zilli vernehmen.
„Fffit! Meinst du, ich bin ein neugeborenes
Baby, das soeben auf einer Sternschnuppe vom
Himmel gefallen ist? . . . Nein, so einen dicken
Kindpapp laß ich mir, nicht mehr ins Maul
streichen. Dem sauberer Bruder ist ein Fuchs,
und der geht seinen besonderen Strich. Aber
verlaß dich darauf, ich komme noch hinter seine
Schliche — ein Professor der Latinität ist nicht
aufs Hirn gefallen — und dann werde ich dem
Seywald und dem Kögl in Wien etwas Lusti-
ges erzählen."
„Also du hast schon im vorhinein den Wil-
len, alles zu verplaudern, und da wunderst du
dich noch, wenn man sich vor dir ein bißchen
in acht nimmt?"
„Vor mir in acht nehmen? Und das sagst du
mir, die doch durch dick und dünn zu mir hal-
ten und ein Herz und eine Seele mit mir sein
soll? Na, das kann eine nette Bescherung ab-
geben."
In diesem Augenblicke läutete die Hausglocke.
Dss Doktors Schwester ging zu öffnen und kam
alsbald wieder, von Fräulein Hiller begleitet,
ins Zimmer herein.
„Äh, der Herr Professor — habe die Ehre!"
rief die Wienerin, als sie des Dünnhäutigen
ansichtig wurde. „Aber ich bitte tausendmal um
Entschuldigung — ich störe wohl?"
„Nicht nn 'Geringsten, Fräulein", erwiderte
er; „kommen Sie nur, nehmen Sie Platz. Ich
schmachte förmlich nach einer Ansprache. Wis-

nstalt Tyrolia, Innsbruck.
sen Sie, die Zilli ist heute schandbar langwei-
lig."
„Für eine lange Ansprache wird die Zeit
kaum reichen", sagte lachend des Doktors Schwe-
ster. „Fräulein Hiller und ich haben einen
Gang nach Felluck ausgemacht."
„Darf ich den Damm vielleicht meine Be-
gleitung antragen?"
„Nein, Marti, du weißt doch, daß ich keine
Vorliebe für Begleitung habe. Und du würdest
dich gräßlich langweilm. Was Mädchen mit-
einander diskutieren, interessiert die Herren
nicht."
„Sehen.Sie, Fräulein, daß ich wieder über-
flüssig bin ... Es wird am besten sein, wenn
ich überhaupt hier die Lager abbreche und
meine werte Persönlichkeit nach einer Ortschaft
verfrachte, wo sie größere Wertschätzung ge-
nießt."
„Jedenfalls hätten deine Angehörigen daheim
eine riesige Freude, dich wieder einmal zu sehen.
Sie verübeln es uns längst schon, daß wir dich
hier immer Hinhalten."
„Aber Fräulein Zilli!" tat die Wienerin.
„Hehehe, die Zilli hat recht", lachte der Pro-
fessor, „Nach Hause müßte ich doch einmal, und
es wird jetzt die schicklichste Zeit feilst während
mein Freund, der Doktor, nicht hier ist. —
Also morgen reise ich. — Aber Sie, Fräulein
Hiller, müssen, mir dann berichten, wenn es
hinter mix in Langgenäun eine Ueberschwexn-
mung gibt."
„Wie meinen Sie das, Herr Professor?"
„Das ist doch klar wie Fensterglas. Hören
Sie einmal:

Und wenn i werd scheid"n
Und kimm gar nimm«,
Dann wer'n ihre Aeugaln
In Wassa schwimma",
so sang er lustig.
Schlagfertig trumpfte die Zilli darauf, in-
dem sie ebenfalls sang:
„Aus oan, den in moan,
Ist nie koan Verlaß,
Mir werdj deraweg'n
Koan Aeugl nit naß!"
Jetzt lachte er hell auf, dann sagte er:
„Aber Knödel krieg ich morgen zu Mittag
noch, bevor ich gehe — so?"
„Knödel bekommst du und einen Reisebuschen
auch."
„Dank schön. — Und jetzt will ich die Damen
nicht mehr länger aufhalten."
Er machte eine komische Verbeugung und
schritt munter zur Wre hinaus. Als er fort
war, starrte die Wienerin eine Zeitlang uns
des Doktors Schwester, dann rief sie:
„Aber, Fräulein Zilli, düyfen Sie Ihren
Bräutigam so abfertigen? Haben Sie keine
Sorge, daß er nicht mehr zurückkehrt?"
„Das hat gar keine Gefahr", erwiderte hei-
ter das Doktormädchen; „der Martl lauft mir
nicht «davon, und ich ihm auch nicht."
„Ich staune nur, daß er es so leicht hin-
nahm, wie sie ihm förmlich die Tüve in dis
Hand gaben."
„Er ist ein guter Kerl, und wir kennen ein-
ander. In Abwesenheit meines Bruders ver-
kehre ich nicht gern mit Männern. Das weiß
der Martl, und darum bleibt er «bei solchen
Gelegenheiten nie lauge. Er würde auch so ab-
gereist sein, ohne daß ich ihm einen Wink gab,"
„Ihr Bräutigam ist sehr zartfühlend," sagte
die Wienerin und schüttelte verwundert den
Kopf.
Am andern Tag speiste Professor Froi noch
mif Doktor Kienast, «der Aushilfe seines Freun-
des, im Doktorhause zu Mittag und übsrspru-

delte mit seinem Redeschwall den ältlichen
Herrn so, daß «diesem der Kopf wirbelte. Nach
dem Essen ging der Professor in die Küche,
reichte dem Doktormädchen die Hand und sagte»
„So, Zilli, jetzt wären wirs. Leb wohl, und
nichts «für übel haben!"
„Du auch nichts, Martl!" erwiderte sie- ,
„Grüß mir schön «deine Leute und komme w»e-
der, glet!" «
„Wann darf ich kommen?"
„In zwei, drei ... Ich werde dir schreiben.
„Jq, schreibe mir. Aber recht etwas Schönes
mußt du mir schreiben." ,
„Etwas so Schönes, als ich kann", flüsterte
sie errötend. . . Setz «dich keiner Gefühl
aus, steig auf keinen Schroffen und bleib ge-
sund, Behüt dich Gott!"
Sie tupfte mit dem Finger in das Weihbrun-
nenkrüglein und besprengte ihn mit dem g^
weihten Wasser. Dann drückte sie ihm ein duf-
tiges Reisebukett, das sie aus ihren schönsten
Blumen zusammengestellt hatte, in die HaM
und begleitete ihn zur Türe.
Drei Tage später — es war Sonntag — er-
hielt Fräulein Hiller ausnehmend viele Post-
Zuoberst lag ein Brief von der Vorsteherin des
Pensionates Kleinhans. Die Direktrice schrieb,
daß sie wegen ungünstiger Zugsverbiudung
nicht nach Langenäun kommen körme, sonderst
am Donnerstag in Innsbruck eintreffe, wo sie
das Fräulein erwarte. — Gott, wenn nur der
Doktor bis dorthin zurückgekehrt ist! ... Sie
griff nach einem zweiten Brief. „An Hoch-
wohlgeboren Eleonora von Hil-
ler,^ Z. fnLanggenäun,Südtirol,
lautete die Adresse. Mit einem Mal begann
sie heftig zu zittern — das waren ja die Schrif^
züge ihres Vaters! Himmdl, was mochte das
Schreiben enthalten?
(Fortsetzung folgt.)
 
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