I
SewH
Donnerstag, den 22. Juni 1938
vrr.ii«
Aus aller Wett
Sie Ausgrabungen im kantener Som
Die in den Monaten Januar bis März durch
die Bereitwilligkeit des Xantener Dombauver-
eins und das Entgegenkommen des Stiftskapi-
tels ermöglichten, von Dr. Oskar KarPa ver-
anlaßten und geleiteten Untersuchungen im
Xantener Dom, die der Erforschung der bis-
herigen in wesentlichen Teilen ungeklärten äl-
teren Baugeschichte des Biktordomes galten,
hüben zur Aufhellung der Frühgeschichte
des Bauwerks außerordentlich wichtige und
überraschende Ergebnisse gebracht.
Dr. Karpa hat sich durch die Einleitung und
Durchführung dieser Arbeit ein bleibendes Ver-
dienst erworben.
Außer einer Reihe von übereinanderliegcnden
mittelalterlichen Anlagen, deren endgültige Er-
forschung noch nicht abgeschlossen ist, wurden
die Grundmauern der noch in die spät-
römische Zeit zuvückgeheiid frühesten
Viktors kirche aufgedeckt. Zugleich wurde
ein großes Fußbad eumosaik aus früh-
mittelalterlicher Zeit mit reicher Dekoration ge-
funden, das einzige dieser Art in Deutsch-
land.
Die Untersuchungen sind ebenso bedeutsam
für die ältere Kunstgeschichte, insbesondere für
die Anfänge des christlichen Kirchenbaues auf
deutschem Boden, wie für die ältere Kultur-
und Kirchengeschichte der Rheinlande und West-
deutschlands.
Mit dem Vordringen der Untersuchung bis
in die spätantiken Schichten hat sich der Auf-
gabenkrois erheblich über den ursprünglich vor-
gesehenen Umfang hinaus erweitert. Die wei-
tere Arbeitskraft von Dr. Karpa wurde jetzt
durch seine Dienststellen beansprucht. Für die
Durchführung eines großen erweiterten Pro-
gramms ist jedoch mit dem Provinzialmuseum
zu Bonn, als dem hierfür berufenen Institut,
die Vereinbarung getroffen worden, daß dieses
mit seinen geschulten Kräften eintritt. Die ört-
liche Leitung der weiteren Ausgrabungen liegt
in den Händen des Direktorialassistenten Dr.
Bader.
In mehrwöchiger Arbeit sind bereits die
einzelnen frühen Schichten untersucht, unter der
ältesten christlichen Anlage ist ein römisches
Gräberfeld aufgefunden worden. Der Bericht
über das Ergebnis dieser svstematischen Aus-
grabung Wird durch Dr. Bader veröffentlicht
werden, die Bearbeitung des Mosaiks und die
Behandlung der mittelalterlichen Bauanlagen
bleibt Dr. Karpa Vorbehalten.
Schweizer Muttermörder in Berlin
verhaftet
Berlin, 22. Juni. In einem Luxuslokal in
der Nähe des Anhalter Bahnhofs 'wurde gestern
ein junger Mann fsstgenommen, der durch sein
sinnloses Benehmen Aufsehen erregte. Er hatte
den besten Sekt gefordert und spielte den großen
Kavalier. In seiner Trunkenheit 'warf er seine
goldene Uhr auf die Erde und zerstampfte sie.
Dann warf er mit Sektflaschen nach Spiegeln,
zertrümmerte Gläser und gebärdete sich wie ein
Wilder. Er erklärte, daß ec genügend Geld 'bei
sich habe, um alles, was ec zerschlage, bezahlen
zu können.
Auf der Polizei 'wurde der junge Mann als
her 17jährige in der Schweiz geborene Paul
Schuhmann festgestellt, der behauptete, auf
Reisen zu sein. Da man seinen Angaben aber
keinen Glauben schenkte, wurde die Bundespoli-
Ai in Bern durch Funkspruch benachrichtigt. Die
Rückantwort aus der Schweiz lautete: Schuh-
mann ist festzunchmen, da er seine Mutter in
föolken im Kanton Solothurn ermordet
und berambt hat.
EplekM Kinder verschüttet
Zwei Tote.
Köln, 22. Juni. Sechs Kinder, die an den
Abrahamhalden einer Grube in Berren-
rath spielten, wurden verschüttet.
Zwei davon konnten nur als Leichen gebor-
gen werden, die vier andern Kinder scheinen
unverletzt geblieben zu sein.
Ajr Heirat des spanischen
Erkronprinzen
bähnzuterwagen mit niedrigen Seitenwänden)
zusammen, die aus der entgegengesetzten Rich-
tung mit 20 Arbeitern kam die sich aus dem
Weg zur Arbeitsstätte befanden.
Die Behörden haben sofort eine Untersuchung
emge'leitet.
Minimes Lndr des spanischen
Szranslugrs
Der eine Flieger tödlich verunglückt, der
andere verletzt.
Mexiko, 22. Juni. Nach einer Mitteilung oer
mexikanischen Regierung ist das Transatlantik-
Flugzeug der spanischen Flieger Barberan
und Coll art bei dem Dorfe Apizaco ge-
funden worden. Einer der Flieger ist tot, der
andere verletzt.
Die Nachricht, daß die Landung glücklich voll-
zogen werden konnte, hat sich also leider nicht
bestätigt.
Filmschauspielerin Lil Dagover verunglückt.
München, 22. Juni. Ein aufregender Zwi-
schenfall spielte sich auf der Bahnstrecke Bad
Reichenhall—Berchtesgaden und zwar an der
unübersichtlichen Unterführung vor der Station
Gmund brück ab. Die Filmschauspielerin
Lil Dagover, die am Hintersee bei Hoch-
gebirgsaufnahmen weilt, war mit ihrem Chauf-
feur im Auto von Berchtesgaden nach Ramsau
vwerwegs, als ihr ein überdimensionierter
Kraftpostwagen entgsgenkam. Der Chauffeur
lenkte das Auto, um einem Zusammenstoß zu
entgehen, in den rechtsseitigen Straßengraben,
wo es umfiel und eine Strecke weiterrollts, bis
es gegen einen Leitungsmast prallte und hier
zum Stillstand kam.
Im gleichen Augenblick kam ein Zug ange-
fahren und rollte auf kurze Entfernung an dem
beschädigten Auto vorüber. Dieses wurde dann
durch das Postauto aus dem Graben gezogen.
Die Künstlerin und der Chtuffeur Wieben wie
durch ein Wuüder unverletzt.
Kommunist auf der Flucht erschossen.
Arnswalde, 22. Juni. Die hiesige SS-Hilfs-
polizei nahm fünf Kommunisten fest. Der Kom-
munist Altenburg gestand alsbald schriftlich
ein, der Neuorganijwtor der kommunistischen
Partei in der Ostmark zu sein.
Bei der Ueberführung in das Landsberger
Gerichtsgefängnis unternahm er einen Flucht-
versuch und wurde von der SS-Hilfspolizei er-
schossen.
Blitzschlag in ein Transformatorenhaus. —
Großer Schaden.
Oslo, 22. Juni. Während eines furchtbaren
Gewitters schlug der Blitz in einen Transfor-
mator des Elektrizitätswerkes Akers und
zündete. Rund 150 Tonnen Oel gerieten in
Brand. Eine Reihe hiesiger Vororte ist strom-
los und die Gcoßruudfunkstation Akers außer
Betrieb.
Das Transformatorenwerk selbst ist völlig
vernichtet worden. Während des Brandes hörte
man fortwährend gewaltige Explosionen. Der
Schaden dürfte ungefähr anderthalb Millionen
Kronen betragen.
Audienz der italienischen Künigssamilie beim
Papste.
Rom, 22. Juni. Im Laufe des Monats Juli
wird die italienische Königsfamilie, bestehend
aus neun Personen, von Papst Pius XI. in be-
sonderer Audienz empfangen werden. Worauf
dieser ungewöhnliche Empfang zurückzuführen
ist, konnte bis jetzt nur gerüchtweise vernom-
men werden. Es heißt, die königliche Familie
habe beschlossen, dem Statthalter Christi zahl-
reiche höchst wertvolle Reliquien zurückzugeben,
die sich seit Jahrhunderten im Besitz des Kö-
nigshauses von Savoyen befinden.
— Amerikanische Wohltäterin in Frankfurt
gestorben. Mrs. Rose Pastor Stokes aus
Newyork, die frühere Gattin eines amerikani-
ichen Millionärs, weltbekannt durch ihre segens-
reiche Tätigkeit auf dem Gebiet der sozialen
Fürsorge, ist am Dienstag im Städtischen
Krankenhaus zu Frankfurt a. M., wo sie sich
seit dem 15. April in Behandlung befand, ge-
storben. Die Asche der Verstorbenen wird nach
Newyork übergeführt werden.
— Explosionsunglück in Oberursel. In einer
Bronzesabrik in Oberursel, die erst vor zwei
Jahren von einem Explosionsynglück heimge-
sucht wurde, ereignete sich am Dienstag wieder
eine Explosion. Durch die Entzündung von
Aluminiumbronce wurde der aus Stierstadt
stammende Meister Bunkenburg schwer ver-
letzt. Der aus Oberursel stammende Arbeiter
Hill wurde gleichfalls durch Verbrennungen
schwer verletzt.
— Eine Steinbruchwand hinabgestürzt. Ein
junger Mann aus Koblenz-Wallersheim
suchte im Wald nach Beeren und merkte nicht,
daß er an den Abbruch einer Steinverwer-
tungsfirma gelangt war. Plötzlich rutschte der
junge Mann aus und fiel die steile Wand hin-
unter. Er blieb unten bewußtlos liegen. Ein
vorbeifahrender Kraftwagenführer hatte den
Unglücksfall bemerkt und sorgte für die Ueber-
führung des Schwerverletzten ins nächste Kran-
kenhaus.
— Aus Schreck an einem Herzschlag gestor-
ben. Bei einem Gewitter hatte sich in Horr-
weiler (Kr. Bingen) eine 74jährige Frau
namens Anspach vor dem Regen aus ihrem
Weinberg unter einen Baum geflüchtet, der bald
darauf von einem Blitz getroffen wurde. In-
folge des Schreckens starb die Frau an einem
Herzschlag.
— Achtjähriger in einem Schlammteich um-
gekommen. Beim Wasserflöhefangen geriet der
achtjährige Sohn einer Familie namens Weit-
kämper im Schlammteich der Zeche „Dannen-
baum" bei Bochum zu weit ins Wasser und
ging unter. Trotz sofortiger Hilfe gelang es
nicht, den Jungen zu retten. Erst nach geraumer
Zeit konnte die Leiche geborgen werden.
— Verleihung der Goethe-Medaille an Wal-
ter Bloem. Reichspräsident von Hin den-
bürg hat dem Schriftsteller Walter Bloem an-
läßlich der Vollendung des 6b. Lebenstahres die
Goethe-Medaille verliehen und mit einem Glück-
wunschschreiben znzehen lassen.
— Neuaufführung eines Jesuitenspiels aus
dem Jahre 1600. Der Jesuitenpater Bieder-
mann verfaßte im Jahre 1600 ein Jesuiten-
spiel in lateinischer Sprache, dem er den Titel
„C e n odoru s" gab. Nun wird das Wiener
Buvztheater die deutsche Bearbeitung dieses
Spiels, die von Dr. Gregor, dem Direktor der
Wiener Nationalbibliothek stammt, als erste
Neuaufführung am 1. Septemiber heraus brin-
gen.
— Zwei weitere Todesopfer des Flugzeug-
unglücks in Nancy. Zwei her bei dem Flugzeug-
unglück in Nancy verletzten Personen sind am
Dienstag gestorben. Damit hat sich die Zähl der
Todesopfer auf fünf erhöht. Vie erinnerlich,
war am Sonntag bei einer öffentlichen Flug-
veranstaltung sin Militärflugzeug gegen einen
Schuppen gerannt, wobei der Benzintank ex-
plodierte.
— Bekannter italienischer Bergführer gestor-
ben. In A ost« im notbwSstitalienischen Alpen-
gebiet starb der Bergführer Francesco Pes-
sion, der ein halbes Jahrhundert lang älS
einer der bekanntesten Führer im Monte Cer-
vino- und Monte Rosa-Gebiet tätig war. Pes-
sion begleitete z. B. den 'kürtzlich verstorbenen
Abruzzen-Herzog bei der USberguerung des
Monte Cervino. In seinem Dienstbuch steht
auch Hindenburgs Name verzeichnet, der
mit Passion im Jahve 1895 eine Bergbesteigung
unternahm.
— Der König von Schweden Urgroßvater.
Der König von Schweden stand dicher Tags
Pate bei der Taufe seines ersten Urenkels, 'der
Tochter des ehemaligen Prinzen Lennart, des
jetzigen Herrn Lenr A Bernadotte. Dieser hat
sich bekanntlich vor Jahresfrist mit einer bürger-
lichen Stockholmerin verheiratet und lebt auf
der Insel Mainau im Bodensee. Der Prinz hatte
gegen den Willen seines Großvaters geheiratet
und mußte daher auf alle Rechte und Pflichten
als Mitglied des königlichen Hauses verzichten.
Daß jedoch König Gustas seinem Enksl dessen
Schritt als Privatperson verziehen ihcrt, geht anS
der Patenschaft für den Urenkel hervor. Das
jüngste Mitglied der Familie Bernadotte erhielt
den Namen Brigitta.
Der ehemalige Thronfolger erhält den Titel
eines Grafen Covadonga.
Paris, 21. Juni. Die Familie des früheren
Königs Alfons von Spanien wird an der heute
in Lausanne stattfindenden Eheschließung
des ehemaligen spanischen Thronfolgers, des
Prinzen Alfons von Asturien, der auf seine
sämtlichen Thronfolgerrechte verzichtet hat,
nicht teil nehmen.
Der ehemalige König hat seinem ältesten
Sohn, der die Tochter eines kubanischen Plan-
tagenbesitzers heiratet, den Titel eines Grafen
Covadonga verliehen, den er künftig füh-
ren wird.
Bauernunruhen in Galizien
Zehn Tote, zahlreiche Verletzte.
Warschau, 22. Juni. Aus Mittelgalizien
werden schwere Bauernunruhcn gemeldet. In
der in Frage kommenden Gegend soll schon seit
längerer Zeit eine starke Agitation von Kom-
munisten zu bemerken gewesen sein. Die aufge-
hetzte Bevölkerung holzt die Privat-
forsten ab und plündert die Ge-
schäfte.
Bei Nockowt und Medyka kam es zu Schieße-
reien, weil die Bevölkerung die festgenomme-
nen Führer befreien wollte. Insgesamt sind
neun Bauern getötet und zahlreiche verletzt
worden. Sechs Polizisten sind durch Steinwürfe
und Schüsse verletzt worden. Einer von ihnen
ist gestorben.
Eisenbahnunglück in einem Tunnel
Sechs Tote, 13 lebensgefährlich Verletzte.
Sofia, 22. Juni. Aus die Strecke zwischen
Tupniza und Radomir ereignete sich eine Eisen-
bahnckatastrophe, die sechs Tote und 13 lebens-
gefährlich Versetzte forderte. In einem Tunnel
in der Nähe von Tupniza stieß ein Per-
sonenzug, dessen Zugführer das Haltezeichen
übersehen hatte, mit einer Lore (offener Eisen-
Der Auszug der 500 000 ohne Daß
Zum Kapitel: Unermeßliches Elend in Rußland
Von Wladimir K o r o p o w.
In den russischen Steppen bvichi der Frühling
hervor. Blumen keimen, wo vor kurzem noch
metertief der Frost saß. Mit dem Frühling
sollte die Hoffnung sprießen. Die 500 000
Hoffnungslosen jedoch, die nr bissen
Tagen Moskau verlassen müssen, sind fernab
von jsder Zuversicht. Sie haben die Jahre hin-
durch gehungert, überstanden auch diesen knap-
pen, hungervollen Winter, der schwerer war als
der des Jahres 1921. Sie wollten nur, das;
man sieinRuhe ließe. Man läßt ihnen diese
Ruhe nicht.
Man soll sich nichts darüber vormachen: für
die vielen Alten, die in diesen Togen answan-
dern, bedeutet der Auszug aus Moskau den
Tod. Vielleicht, weil sie in Moskau wurzelten,
vielleicht auch, weil sie nicht mehr stark genug
sind, von neuem beginnen zu können. 500 000
Menschen ohne Paß verlassen Moskau. Hier
ist es eine halbe Million, in Leniugra d sind
es viele Tausende, ebenso in Charkow
und inOdessa und in anderen Zentren.
Wer nicht in Moskau wohnte, ehe
die Revolution kam, wer nicht unbedingt
hier bleiben muß, weil er als Arbeiter oder un-
entbehrlicher Staatsangestellter tätig 'st, wer
vor allem nicht nur nicht Kommunist ist,
sondern außerdem noch anrüchig ist, „Burschoa"
zu sein — der muß hinaus aus den Plätzen
wie Moskau, wie Leningrad und Odessa. Man
hat ein Schema geprägt: hundert Kilo-
meter an der W e st grenz e, hundert Kilo-
meter rund um die Landzentren, die genau
benannten Großstädte und die Kollektiv fa rmen
darf niemand bewohnen, der Nicht im Besitz
eines Passes ist. Einen Paß, der jedoch nur zuin
Ausweis im Landesinnern genügt, erhält aber
nur eben derjenige, der M i tglied der K o m-
munistischen Partei ist oder unentbehr-
lich zu sein scheint. Büro neben Büro erstand,
Denunziation folgte auf Denunziation. Die
Tscheka hatte viel Kleinarbeit zu tun. Nun ist es
so weit: die Berbannungs urteile sind
gesprochen. Aus kleinen Planwagen, wenn es
hoch kommt, von Menschen gezogen, mit Fahr-
karten vom letzten Geld, in wochenlangsm War-
ten erstanden, fahren sie hinaus — aufs Land,
um sich hier eine Bleibe zu suchen.
Die Machthaber führen als Gvnnd für ihre
brutale Handlungsweise an: Moskau — wuchs
zu schnell. Von 1,5 Millionen auf 4 Millionen.
Man hatte zu wenig Wohnungen, zu wenig
Nahrung, zu wenig Straßenbahnen — kurzum
von allem zu wenig für diesen Zuzug. Die Leute
auf dem Lande liefen daheim weg, um als
Fabrikarbeiter mehr zu verdienen, aber auch
viele, die man anderswo verfolgt hatte und die
hier untertauchten — die Feinde d er neuen Zeit
in Rußland, oder die, die man dafür hielt. Sie
alle müssen hinaus auf das Land.
Biele sind unter ihnen, die Nie auf dem Laude
waren. Sie 'werden dem Boden der Steppe —>
und mag er noch so fruchtbar und mag das Ge-
biet noch so groß sein — nicht das «bringen,
was sie zum Leben brauchen. Sie ziehen in einen
hoffnungslosen Frühling hinaus. Bis zum Herbst
sollen sie sich festgesetzt hüben. Und dabei müßten
sie schon bis dahin gsevntet haben, denn sie wer-
den im kommenden Winter verhungern, wenn
sie keine Vorräte hoben. Und wie können sie
Vorräte sammeln, wie können sie das Notwen-
digste haben, wenn sie jetzt noch Nirgendwo hin-
geh'ören!
(A. P, vom 14. Juni).
Freitag, den 23. Juni 1933.
12.99 Schallplatten: Stuttgart.
12.99 Schallplatten: Bayr. Rundfunk.
12.48 Mittaaskonzert: Bayr. Rundfunk.
16.39 Nachmittagskonzert: Bayr. Rundfunk.
Stuttgart, Frankfurt.
19.99 Stunde der Nation.
19.99 Konzert der Wiener Philharmoniker: Wien.
29.99 Worüber man in Amerika spricht: Stuttgart,
Bayr. Rundfunk.
29.29 Flamme empor. Sonnwendfeier: Bayr.
Rundfunk.
21.99 Volksmusik: Stuttgart.
21.15 Reger-Festkonzert: Frankfurt, Deutschland-
sender.
21.29 Abendkonzert: Bayr. Rundfunk.
22.39 Klaviermusik: Stuttgart.
23.99 Meistersinger, Akt 3: Leipzig.
Baldur von Schirach,
der Reichsjugendführer der NSDAP., wurde mll
der Leitung einer neu errichteten Dienststelle b'
auftragt, die die amtliche Bezeichnung „Jug'^
fiihrer des Deutschen Reiches' trägt.
SewH
Donnerstag, den 22. Juni 1938
vrr.ii«
Aus aller Wett
Sie Ausgrabungen im kantener Som
Die in den Monaten Januar bis März durch
die Bereitwilligkeit des Xantener Dombauver-
eins und das Entgegenkommen des Stiftskapi-
tels ermöglichten, von Dr. Oskar KarPa ver-
anlaßten und geleiteten Untersuchungen im
Xantener Dom, die der Erforschung der bis-
herigen in wesentlichen Teilen ungeklärten äl-
teren Baugeschichte des Biktordomes galten,
hüben zur Aufhellung der Frühgeschichte
des Bauwerks außerordentlich wichtige und
überraschende Ergebnisse gebracht.
Dr. Karpa hat sich durch die Einleitung und
Durchführung dieser Arbeit ein bleibendes Ver-
dienst erworben.
Außer einer Reihe von übereinanderliegcnden
mittelalterlichen Anlagen, deren endgültige Er-
forschung noch nicht abgeschlossen ist, wurden
die Grundmauern der noch in die spät-
römische Zeit zuvückgeheiid frühesten
Viktors kirche aufgedeckt. Zugleich wurde
ein großes Fußbad eumosaik aus früh-
mittelalterlicher Zeit mit reicher Dekoration ge-
funden, das einzige dieser Art in Deutsch-
land.
Die Untersuchungen sind ebenso bedeutsam
für die ältere Kunstgeschichte, insbesondere für
die Anfänge des christlichen Kirchenbaues auf
deutschem Boden, wie für die ältere Kultur-
und Kirchengeschichte der Rheinlande und West-
deutschlands.
Mit dem Vordringen der Untersuchung bis
in die spätantiken Schichten hat sich der Auf-
gabenkrois erheblich über den ursprünglich vor-
gesehenen Umfang hinaus erweitert. Die wei-
tere Arbeitskraft von Dr. Karpa wurde jetzt
durch seine Dienststellen beansprucht. Für die
Durchführung eines großen erweiterten Pro-
gramms ist jedoch mit dem Provinzialmuseum
zu Bonn, als dem hierfür berufenen Institut,
die Vereinbarung getroffen worden, daß dieses
mit seinen geschulten Kräften eintritt. Die ört-
liche Leitung der weiteren Ausgrabungen liegt
in den Händen des Direktorialassistenten Dr.
Bader.
In mehrwöchiger Arbeit sind bereits die
einzelnen frühen Schichten untersucht, unter der
ältesten christlichen Anlage ist ein römisches
Gräberfeld aufgefunden worden. Der Bericht
über das Ergebnis dieser svstematischen Aus-
grabung Wird durch Dr. Bader veröffentlicht
werden, die Bearbeitung des Mosaiks und die
Behandlung der mittelalterlichen Bauanlagen
bleibt Dr. Karpa Vorbehalten.
Schweizer Muttermörder in Berlin
verhaftet
Berlin, 22. Juni. In einem Luxuslokal in
der Nähe des Anhalter Bahnhofs 'wurde gestern
ein junger Mann fsstgenommen, der durch sein
sinnloses Benehmen Aufsehen erregte. Er hatte
den besten Sekt gefordert und spielte den großen
Kavalier. In seiner Trunkenheit 'warf er seine
goldene Uhr auf die Erde und zerstampfte sie.
Dann warf er mit Sektflaschen nach Spiegeln,
zertrümmerte Gläser und gebärdete sich wie ein
Wilder. Er erklärte, daß ec genügend Geld 'bei
sich habe, um alles, was ec zerschlage, bezahlen
zu können.
Auf der Polizei 'wurde der junge Mann als
her 17jährige in der Schweiz geborene Paul
Schuhmann festgestellt, der behauptete, auf
Reisen zu sein. Da man seinen Angaben aber
keinen Glauben schenkte, wurde die Bundespoli-
Ai in Bern durch Funkspruch benachrichtigt. Die
Rückantwort aus der Schweiz lautete: Schuh-
mann ist festzunchmen, da er seine Mutter in
föolken im Kanton Solothurn ermordet
und berambt hat.
EplekM Kinder verschüttet
Zwei Tote.
Köln, 22. Juni. Sechs Kinder, die an den
Abrahamhalden einer Grube in Berren-
rath spielten, wurden verschüttet.
Zwei davon konnten nur als Leichen gebor-
gen werden, die vier andern Kinder scheinen
unverletzt geblieben zu sein.
Ajr Heirat des spanischen
Erkronprinzen
bähnzuterwagen mit niedrigen Seitenwänden)
zusammen, die aus der entgegengesetzten Rich-
tung mit 20 Arbeitern kam die sich aus dem
Weg zur Arbeitsstätte befanden.
Die Behörden haben sofort eine Untersuchung
emge'leitet.
Minimes Lndr des spanischen
Szranslugrs
Der eine Flieger tödlich verunglückt, der
andere verletzt.
Mexiko, 22. Juni. Nach einer Mitteilung oer
mexikanischen Regierung ist das Transatlantik-
Flugzeug der spanischen Flieger Barberan
und Coll art bei dem Dorfe Apizaco ge-
funden worden. Einer der Flieger ist tot, der
andere verletzt.
Die Nachricht, daß die Landung glücklich voll-
zogen werden konnte, hat sich also leider nicht
bestätigt.
Filmschauspielerin Lil Dagover verunglückt.
München, 22. Juni. Ein aufregender Zwi-
schenfall spielte sich auf der Bahnstrecke Bad
Reichenhall—Berchtesgaden und zwar an der
unübersichtlichen Unterführung vor der Station
Gmund brück ab. Die Filmschauspielerin
Lil Dagover, die am Hintersee bei Hoch-
gebirgsaufnahmen weilt, war mit ihrem Chauf-
feur im Auto von Berchtesgaden nach Ramsau
vwerwegs, als ihr ein überdimensionierter
Kraftpostwagen entgsgenkam. Der Chauffeur
lenkte das Auto, um einem Zusammenstoß zu
entgehen, in den rechtsseitigen Straßengraben,
wo es umfiel und eine Strecke weiterrollts, bis
es gegen einen Leitungsmast prallte und hier
zum Stillstand kam.
Im gleichen Augenblick kam ein Zug ange-
fahren und rollte auf kurze Entfernung an dem
beschädigten Auto vorüber. Dieses wurde dann
durch das Postauto aus dem Graben gezogen.
Die Künstlerin und der Chtuffeur Wieben wie
durch ein Wuüder unverletzt.
Kommunist auf der Flucht erschossen.
Arnswalde, 22. Juni. Die hiesige SS-Hilfs-
polizei nahm fünf Kommunisten fest. Der Kom-
munist Altenburg gestand alsbald schriftlich
ein, der Neuorganijwtor der kommunistischen
Partei in der Ostmark zu sein.
Bei der Ueberführung in das Landsberger
Gerichtsgefängnis unternahm er einen Flucht-
versuch und wurde von der SS-Hilfspolizei er-
schossen.
Blitzschlag in ein Transformatorenhaus. —
Großer Schaden.
Oslo, 22. Juni. Während eines furchtbaren
Gewitters schlug der Blitz in einen Transfor-
mator des Elektrizitätswerkes Akers und
zündete. Rund 150 Tonnen Oel gerieten in
Brand. Eine Reihe hiesiger Vororte ist strom-
los und die Gcoßruudfunkstation Akers außer
Betrieb.
Das Transformatorenwerk selbst ist völlig
vernichtet worden. Während des Brandes hörte
man fortwährend gewaltige Explosionen. Der
Schaden dürfte ungefähr anderthalb Millionen
Kronen betragen.
Audienz der italienischen Künigssamilie beim
Papste.
Rom, 22. Juni. Im Laufe des Monats Juli
wird die italienische Königsfamilie, bestehend
aus neun Personen, von Papst Pius XI. in be-
sonderer Audienz empfangen werden. Worauf
dieser ungewöhnliche Empfang zurückzuführen
ist, konnte bis jetzt nur gerüchtweise vernom-
men werden. Es heißt, die königliche Familie
habe beschlossen, dem Statthalter Christi zahl-
reiche höchst wertvolle Reliquien zurückzugeben,
die sich seit Jahrhunderten im Besitz des Kö-
nigshauses von Savoyen befinden.
— Amerikanische Wohltäterin in Frankfurt
gestorben. Mrs. Rose Pastor Stokes aus
Newyork, die frühere Gattin eines amerikani-
ichen Millionärs, weltbekannt durch ihre segens-
reiche Tätigkeit auf dem Gebiet der sozialen
Fürsorge, ist am Dienstag im Städtischen
Krankenhaus zu Frankfurt a. M., wo sie sich
seit dem 15. April in Behandlung befand, ge-
storben. Die Asche der Verstorbenen wird nach
Newyork übergeführt werden.
— Explosionsunglück in Oberursel. In einer
Bronzesabrik in Oberursel, die erst vor zwei
Jahren von einem Explosionsynglück heimge-
sucht wurde, ereignete sich am Dienstag wieder
eine Explosion. Durch die Entzündung von
Aluminiumbronce wurde der aus Stierstadt
stammende Meister Bunkenburg schwer ver-
letzt. Der aus Oberursel stammende Arbeiter
Hill wurde gleichfalls durch Verbrennungen
schwer verletzt.
— Eine Steinbruchwand hinabgestürzt. Ein
junger Mann aus Koblenz-Wallersheim
suchte im Wald nach Beeren und merkte nicht,
daß er an den Abbruch einer Steinverwer-
tungsfirma gelangt war. Plötzlich rutschte der
junge Mann aus und fiel die steile Wand hin-
unter. Er blieb unten bewußtlos liegen. Ein
vorbeifahrender Kraftwagenführer hatte den
Unglücksfall bemerkt und sorgte für die Ueber-
führung des Schwerverletzten ins nächste Kran-
kenhaus.
— Aus Schreck an einem Herzschlag gestor-
ben. Bei einem Gewitter hatte sich in Horr-
weiler (Kr. Bingen) eine 74jährige Frau
namens Anspach vor dem Regen aus ihrem
Weinberg unter einen Baum geflüchtet, der bald
darauf von einem Blitz getroffen wurde. In-
folge des Schreckens starb die Frau an einem
Herzschlag.
— Achtjähriger in einem Schlammteich um-
gekommen. Beim Wasserflöhefangen geriet der
achtjährige Sohn einer Familie namens Weit-
kämper im Schlammteich der Zeche „Dannen-
baum" bei Bochum zu weit ins Wasser und
ging unter. Trotz sofortiger Hilfe gelang es
nicht, den Jungen zu retten. Erst nach geraumer
Zeit konnte die Leiche geborgen werden.
— Verleihung der Goethe-Medaille an Wal-
ter Bloem. Reichspräsident von Hin den-
bürg hat dem Schriftsteller Walter Bloem an-
läßlich der Vollendung des 6b. Lebenstahres die
Goethe-Medaille verliehen und mit einem Glück-
wunschschreiben znzehen lassen.
— Neuaufführung eines Jesuitenspiels aus
dem Jahre 1600. Der Jesuitenpater Bieder-
mann verfaßte im Jahre 1600 ein Jesuiten-
spiel in lateinischer Sprache, dem er den Titel
„C e n odoru s" gab. Nun wird das Wiener
Buvztheater die deutsche Bearbeitung dieses
Spiels, die von Dr. Gregor, dem Direktor der
Wiener Nationalbibliothek stammt, als erste
Neuaufführung am 1. Septemiber heraus brin-
gen.
— Zwei weitere Todesopfer des Flugzeug-
unglücks in Nancy. Zwei her bei dem Flugzeug-
unglück in Nancy verletzten Personen sind am
Dienstag gestorben. Damit hat sich die Zähl der
Todesopfer auf fünf erhöht. Vie erinnerlich,
war am Sonntag bei einer öffentlichen Flug-
veranstaltung sin Militärflugzeug gegen einen
Schuppen gerannt, wobei der Benzintank ex-
plodierte.
— Bekannter italienischer Bergführer gestor-
ben. In A ost« im notbwSstitalienischen Alpen-
gebiet starb der Bergführer Francesco Pes-
sion, der ein halbes Jahrhundert lang älS
einer der bekanntesten Führer im Monte Cer-
vino- und Monte Rosa-Gebiet tätig war. Pes-
sion begleitete z. B. den 'kürtzlich verstorbenen
Abruzzen-Herzog bei der USberguerung des
Monte Cervino. In seinem Dienstbuch steht
auch Hindenburgs Name verzeichnet, der
mit Passion im Jahve 1895 eine Bergbesteigung
unternahm.
— Der König von Schweden Urgroßvater.
Der König von Schweden stand dicher Tags
Pate bei der Taufe seines ersten Urenkels, 'der
Tochter des ehemaligen Prinzen Lennart, des
jetzigen Herrn Lenr A Bernadotte. Dieser hat
sich bekanntlich vor Jahresfrist mit einer bürger-
lichen Stockholmerin verheiratet und lebt auf
der Insel Mainau im Bodensee. Der Prinz hatte
gegen den Willen seines Großvaters geheiratet
und mußte daher auf alle Rechte und Pflichten
als Mitglied des königlichen Hauses verzichten.
Daß jedoch König Gustas seinem Enksl dessen
Schritt als Privatperson verziehen ihcrt, geht anS
der Patenschaft für den Urenkel hervor. Das
jüngste Mitglied der Familie Bernadotte erhielt
den Namen Brigitta.
Der ehemalige Thronfolger erhält den Titel
eines Grafen Covadonga.
Paris, 21. Juni. Die Familie des früheren
Königs Alfons von Spanien wird an der heute
in Lausanne stattfindenden Eheschließung
des ehemaligen spanischen Thronfolgers, des
Prinzen Alfons von Asturien, der auf seine
sämtlichen Thronfolgerrechte verzichtet hat,
nicht teil nehmen.
Der ehemalige König hat seinem ältesten
Sohn, der die Tochter eines kubanischen Plan-
tagenbesitzers heiratet, den Titel eines Grafen
Covadonga verliehen, den er künftig füh-
ren wird.
Bauernunruhen in Galizien
Zehn Tote, zahlreiche Verletzte.
Warschau, 22. Juni. Aus Mittelgalizien
werden schwere Bauernunruhcn gemeldet. In
der in Frage kommenden Gegend soll schon seit
längerer Zeit eine starke Agitation von Kom-
munisten zu bemerken gewesen sein. Die aufge-
hetzte Bevölkerung holzt die Privat-
forsten ab und plündert die Ge-
schäfte.
Bei Nockowt und Medyka kam es zu Schieße-
reien, weil die Bevölkerung die festgenomme-
nen Führer befreien wollte. Insgesamt sind
neun Bauern getötet und zahlreiche verletzt
worden. Sechs Polizisten sind durch Steinwürfe
und Schüsse verletzt worden. Einer von ihnen
ist gestorben.
Eisenbahnunglück in einem Tunnel
Sechs Tote, 13 lebensgefährlich Verletzte.
Sofia, 22. Juni. Aus die Strecke zwischen
Tupniza und Radomir ereignete sich eine Eisen-
bahnckatastrophe, die sechs Tote und 13 lebens-
gefährlich Versetzte forderte. In einem Tunnel
in der Nähe von Tupniza stieß ein Per-
sonenzug, dessen Zugführer das Haltezeichen
übersehen hatte, mit einer Lore (offener Eisen-
Der Auszug der 500 000 ohne Daß
Zum Kapitel: Unermeßliches Elend in Rußland
Von Wladimir K o r o p o w.
In den russischen Steppen bvichi der Frühling
hervor. Blumen keimen, wo vor kurzem noch
metertief der Frost saß. Mit dem Frühling
sollte die Hoffnung sprießen. Die 500 000
Hoffnungslosen jedoch, die nr bissen
Tagen Moskau verlassen müssen, sind fernab
von jsder Zuversicht. Sie haben die Jahre hin-
durch gehungert, überstanden auch diesen knap-
pen, hungervollen Winter, der schwerer war als
der des Jahres 1921. Sie wollten nur, das;
man sieinRuhe ließe. Man läßt ihnen diese
Ruhe nicht.
Man soll sich nichts darüber vormachen: für
die vielen Alten, die in diesen Togen answan-
dern, bedeutet der Auszug aus Moskau den
Tod. Vielleicht, weil sie in Moskau wurzelten,
vielleicht auch, weil sie nicht mehr stark genug
sind, von neuem beginnen zu können. 500 000
Menschen ohne Paß verlassen Moskau. Hier
ist es eine halbe Million, in Leniugra d sind
es viele Tausende, ebenso in Charkow
und inOdessa und in anderen Zentren.
Wer nicht in Moskau wohnte, ehe
die Revolution kam, wer nicht unbedingt
hier bleiben muß, weil er als Arbeiter oder un-
entbehrlicher Staatsangestellter tätig 'st, wer
vor allem nicht nur nicht Kommunist ist,
sondern außerdem noch anrüchig ist, „Burschoa"
zu sein — der muß hinaus aus den Plätzen
wie Moskau, wie Leningrad und Odessa. Man
hat ein Schema geprägt: hundert Kilo-
meter an der W e st grenz e, hundert Kilo-
meter rund um die Landzentren, die genau
benannten Großstädte und die Kollektiv fa rmen
darf niemand bewohnen, der Nicht im Besitz
eines Passes ist. Einen Paß, der jedoch nur zuin
Ausweis im Landesinnern genügt, erhält aber
nur eben derjenige, der M i tglied der K o m-
munistischen Partei ist oder unentbehr-
lich zu sein scheint. Büro neben Büro erstand,
Denunziation folgte auf Denunziation. Die
Tscheka hatte viel Kleinarbeit zu tun. Nun ist es
so weit: die Berbannungs urteile sind
gesprochen. Aus kleinen Planwagen, wenn es
hoch kommt, von Menschen gezogen, mit Fahr-
karten vom letzten Geld, in wochenlangsm War-
ten erstanden, fahren sie hinaus — aufs Land,
um sich hier eine Bleibe zu suchen.
Die Machthaber führen als Gvnnd für ihre
brutale Handlungsweise an: Moskau — wuchs
zu schnell. Von 1,5 Millionen auf 4 Millionen.
Man hatte zu wenig Wohnungen, zu wenig
Nahrung, zu wenig Straßenbahnen — kurzum
von allem zu wenig für diesen Zuzug. Die Leute
auf dem Lande liefen daheim weg, um als
Fabrikarbeiter mehr zu verdienen, aber auch
viele, die man anderswo verfolgt hatte und die
hier untertauchten — die Feinde d er neuen Zeit
in Rußland, oder die, die man dafür hielt. Sie
alle müssen hinaus auf das Land.
Biele sind unter ihnen, die Nie auf dem Laude
waren. Sie 'werden dem Boden der Steppe —>
und mag er noch so fruchtbar und mag das Ge-
biet noch so groß sein — nicht das «bringen,
was sie zum Leben brauchen. Sie ziehen in einen
hoffnungslosen Frühling hinaus. Bis zum Herbst
sollen sie sich festgesetzt hüben. Und dabei müßten
sie schon bis dahin gsevntet haben, denn sie wer-
den im kommenden Winter verhungern, wenn
sie keine Vorräte hoben. Und wie können sie
Vorräte sammeln, wie können sie das Notwen-
digste haben, wenn sie jetzt noch Nirgendwo hin-
geh'ören!
(A. P, vom 14. Juni).
Freitag, den 23. Juni 1933.
12.99 Schallplatten: Stuttgart.
12.99 Schallplatten: Bayr. Rundfunk.
12.48 Mittaaskonzert: Bayr. Rundfunk.
16.39 Nachmittagskonzert: Bayr. Rundfunk.
Stuttgart, Frankfurt.
19.99 Stunde der Nation.
19.99 Konzert der Wiener Philharmoniker: Wien.
29.99 Worüber man in Amerika spricht: Stuttgart,
Bayr. Rundfunk.
29.29 Flamme empor. Sonnwendfeier: Bayr.
Rundfunk.
21.99 Volksmusik: Stuttgart.
21.15 Reger-Festkonzert: Frankfurt, Deutschland-
sender.
21.29 Abendkonzert: Bayr. Rundfunk.
22.39 Klaviermusik: Stuttgart.
23.99 Meistersinger, Akt 3: Leipzig.
Baldur von Schirach,
der Reichsjugendführer der NSDAP., wurde mll
der Leitung einer neu errichteten Dienststelle b'
auftragt, die die amtliche Bezeichnung „Jug'^
fiihrer des Deutschen Reiches' trägt.