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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juni 1897
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Nr. 131
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0542

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Deutsches Reich.
* Leipzig, 10. Juni. 8. Allgemeiner deutscher
Journalisten» u. Schriftstellertag. An dem heutigen
dritten BerhandluogStage wurde über den Antrag des
Münchener Journalisten- und Schriftstellervereins be-
rschen, eine motivirte Eingabe an den Reichstag und
BundeSrath zu richten, um eine authentische Auslegung
des sog. groben Unfugsparagraphen. Der Münchener
Antrag wurde einstimmig mit einem von Fränkel-
Berlin beantragten Zusatz angenommen, der Schrift-
steller- und Journalistenvrrein beschließe in eine ener-
gische Agitation gegen die Rechtsprechung bez. des
genannten Paragraphen einzutreten. — Darauf dankte
der Vorsitzende Dr. Böcker-Frankfurt a. M. den Be-
hörden und dem Leipziger Verein für ihre Gastfreund-
schaft und erklärte den 5. Allgemeinen Deutschen
Journalisten- und Schriftstellertag für geschlossen.
Morgen werden die Th ilnehmer nach Dresden ab-
reisen, wo sie vom Verein „Dresdener Presse" em-
pfangen wurden.
* Leipzig, 10. Juni. Seit gestern tagt hier der
7. Kongreß der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie.
Geheimrath Professor Zweifel L ipzig eröffnete den
aus allen Theilen Deutschlands, Oesterreich-UngarnS,
Rußlands, Belgien-, Englands uud den Niederlanden
besuchten Kongreß mit einer Begrüßungsansprache.
Oberbürgermeister Georgi begrüßte die Kongreßtheil-
nehwer namens der Stadt. Darauf wurde mit den
Vorträgen begonnen, die heute Vormittag fortgesetzt
wurden. Heute Abend werden die Gynäkologen das
im Concerthause für sie und die Theilnehmer am
Journalisten» und Schriftstellertage zu veranstaltende
Festconcert besuchen.
* Darmstadt, 10. Juni. Die Darmstädter Zig.
veröffentlicht den Wortlaut eines Telegramms, welches
Kaiser Wilhelm anläßlich der heutigen Feier
des 300jährigen Bestehens des Leibregiments Nr. 117
an den Großherzog richtete und worin er den Groß-
herzog warm beglückwünscht. Der Großherzog sandte
sofort ein Danktelegramm, in welchem er schließt: „Ich
gelobe mit dem Leibregimeut allzeit gewärtig zu sein
dem Befehle unseres allerhöchsten Kriegsherrn u. ein-
zustehen für Ew. Majestät und des Vaterlandes Wohl."
* Darmstadt, 10. Juni. Der Großherzog er-
nannte die Großherzogin zur Erstinhaberin des Leib-
regiments Nr. 117.
* Heiligenstadt, 9. Juni. Heute traf zur General-
Versammlung des Kath. LehrerverbandeS des deutschen
Reicher nachstehendes Telegramm ein: „Se. Majestät
der Kaiser und König haben das Gelöbniß un-
wandelbarer Treue und Ergebenheit, welches die
siebente Generalversammlung des katholischen Lehrer-
Verbandes deS Deutschen Reiches allerhöchst ihr tele-
graphisch zum Ausdruck gebracht, huldreich entgegen-
genommen und lassen für diese Kundgebung bestens
danken. Auf allerhöchsten Befehl v. LucanuS, Geh.
CabinetSrath."

Ausland.
* Wien, 10. Juni. Nach dem Linzer VolkSbl.
lautet die Antwort deS Kaisers bei der Audienz
der O»mannS der Katholisch-Conservativen, des Abg.
Dipauli: „Wenn ich glauben würde, daß die Spra-
chenverordnung dem deutschen Volke irgendwie
schaden könnte, würde ich sie nie gestattet haben; doch
ich weiß, daß der Kamps gegen diese nur der Bar-
wand für andere Zwecke ist. Es freut mich, daß
wenigstens die Vertreter der katholischen Kerndeutschen
der Alpenländer sich der Mehrheit angeschlossen haben."
* Brüssel, 10. Juni. Die bedeutende Glashütte
Baudoux in Jumet, die 1886 während deS Arbeiter-
aufstandes durch Brand vernichtet wurde und seitdem
wieder errichtet worden war, kündigte heute Morgen
ihre Zahlungseinstellung an. Achthundert Arbeiter
erhielten ihren Lohn nicht. ES werden Ruhestör-
ungen befürchtet; Gendarmerie und Militär werden
dorthin befördert. Die Glashütte Baudoux ist für
bedeutende Summen Gläubigerin der zahlungsun-
fähigen Gemeindekasse von Jumet, welche gericht-
lich für die Störung deS Betriebs der Hütte
während des Ausstandes von 1886 verantwortlich
gemacht ist. Vergebens versuchte die Gesellschaft
den Staat neben der Gemeinde Jumet in die Ver-
antwortlichkeit miteinzubeziehen; daher die Zahlungs-
einstellung.

Vom Kriegsschauplatz.
* Athen, 10. Juni. Der Kriegsminister Tsamados
hat die Entlassung des Jahrgangs 1885
der Reserve, der gesetzmäßig am 13. dr. MtS. zum
Landsturm übertritt, beschlossen. — Der Kriegsminister
Oberst Tsamados ist in den Thermopylen eingetroffen
und hatte daselbst eine lange Unterredung mit dem
Kronprinzen. Der Kriegsminister inspicirte die
Truppen.
* Athen, 10. Juni. Mehrere Blätter fangen
jetzt an, den Kretern zu rathen, die Autonomie
anzunehmen, sobald die türkischen Truppen die Insel

verlassen haben würden. Dar Versprechen der Ad-
mirale, daß die Kreter in den Besitz ausgedehntester
Selbstregierung gelangen sollen, hat eine erfreuliche
Wirkung gehabt. Durch den Widerstand der Türken
gegen die Autonomie und gegen den Abzug dec tür-
kischen Truppenmacht wird die Lösung der kretensischen
Frage aber zweifelhaft.
* Athen, 10 Juni. In einem an die „Asty"
gerichteten Brief erklärt der ehemalige Bürgermeister
von Athen, Michel Makao, die Meldung für unbe-
gründet, daß er Vorsitzender der Ethnike Hetaria sei.

Aus Baden.
Heidelberg, 11. Juni.
----- Der Kampf gegen die Arohnleichnam«-
Prozeffion. Das führende Organ der badischen
Nationalliberalen, die „Bad. LandeSzeitung", kann sich
unter Zustimmung der Parteileitung nicht genug thun
in der Verhetzung der beiden christlichen Konfessionen
gegen einander. In d-r Pfiugstnummer bringt sie
unter der Ueberschrift „Charfreitag und Frohnleich-
namSfest" einen Artikel voll der maßlosesten Ausfälle
gegen die Feier deS FrohnleichnamSfesteS. Darin
wird zum Schluffe den Protestanten Folgendes vorge-
halten :
„Hiermit ist also die Frage erledigt, daß der Ka-
tholik wohl den Charfreitag mitfeiern kann und
darf, daß aber der Protestant, der das Frohnleich»
namSfest mitmacht, sei eS kirchlich, sei es äußerlich,
nicht nur an seinem Glauben sündigt, sondern sich
auch verächtlich macht, weil er an einem Triumph
gegen seine eigene Kirche theilnimmt."
Etwas Widersinnigeres ist noch selten behauptet
worden. Schon der uralte Name des Festes beweist,
daß die Feier der Ehre deS Allerhöchsten gilt. Kann
nun der Triumph des Allerhöchsten gegen eine der
christlichen Kirchen gerichtet sein? Gibt es denn einen
besonderen katholischen und einen protestantischen Gott,
von denen Einer über den Anderen triumphirt? Die
„Bad. LandeSzeitung" will protestantischer sein als —
Luther selbst; sagt doch dieser in seinen Tischreden:
„Dar Fest des Frohnleibs hat unter allen den größ-
ten und schönsten Schein." Wir können uns aber
auch noch auf einen andern Mann berufen, der an
kirchlicher Gesinnung der „Bad. Landeszeitung" noch
näher steht, als Luther, nämlich auf den Gottesleugner
Diderot: „Manche abgeschmackte Regoristen in Re-
ligionSsachen kennen die Wirkungen äußerlicher Reli»
gionSgebräuche auf das Volk nicht. Nie sehen sie
wohl den Enthusiasmus der Menge am Frohnleich-
namSfeste, der sich selbst meiner zuweilen bemächtigt
hat. Nie habe ich die langen Reihen Priester in ehr-
würdiger Kleidung, nie die jungen Akolythen, ange-
than mit weißen Chorhemden und umgüriet mit blauen
Leibgürteln, nie habe ich jene Menschenmenge, die in
andächtiger Stille vorangeht und folgt, ohne tief ge-
rührt zu werden, gesehen. Niemals hörte ich den
feierlichen, von den Priestern angestimmten und von
einer unzähligen Menge beantworteten Gesang, ohne
daß meines Herzens Innerstes erschüttert, mein ganzes
Wesen in religiöse Gefühle aufgelöst und meinen Au-
gen heiße Thränen entlockt worden wären. ES liegt
in dem Allem etwas unbeschreiblich Melancholisches,
Rührung Erweckendes und zu andächtigen Gefühlen
Hinreißendes." (Citat bei Chateaubriand: Schön-
heiten des ChristenthumS 1. Band 7. Kapitel.)
Die von Diderot geschilderten Eindrücke einer
Frohnleichnamspcozession mögen nun auch der „Landes-
zeitung" bekannt aber unbequem sein; und nur weil
letzteres der Fall ist, schürt sie den Fanatismus der
Protestanten vom Schlage der Evangelischen BundeS-
brüder und der Protestantenvereinler, um gegen eine
kirchliche Einrichtung, die auf das ehrwürdige Alter
von mehr als 600 Jahren zurückblickt, zu verhetzen.
Die „Landeszeitung" ist doch sonst nicht so. Wenn
Volkstrachten Umzüge, wenn MilitärvereinS-Aufzüge,
wenn historische Festzüge veranstaltet werden, wenn
die Turner, Sänger, Schützen u. s. w. ihre Umzüge
halten, so ist das alles in der Ordnung und findet
den Beifall der LandeSzeitung; ganz gewiß würde
auch eine Frohnleichnamsprozession der Altkatholiken
die wärmste Befürwortung in der „Bad. LandeSztg."
finden. Die Altkatholikeu haben die Frohnleichnams-
Prozession nicht abgeschafft oder im Prinzip verworfen.
Sie halten sie nur aus denselben Gründen nicht mehr
ab, aus denen sie sich bei der Volkszählung nicht als
„Alt"-Katholiken bezeichnen.
Aber einen „voll und ganz" im Kampfe gegen die
Frohnleichnamsprozession zustimmenden Bundesgenossen
hat die „Bad. LandeSzeitung", wenngleich sie zu
zimpferlich ist, sich öffentlich auf ihn zu berufen; dar
sind die — Anarchisten. Die Männer von der Pro-
paganda der That haben bekanntlich vor zwei Jahren
in Barcelona ihrer prozessionsfeindlichen Gesinnung
dadurch Ausdruck verliehen, daß sie einige Bomben
in die feierliche Frohnleichnamsprozession „lancirten".
Die „Bad. LandeSzeitung" mag stolz sein auf diese
Kampfgenossen, welche die in ihren Artikeln verthei-
digten Theorien in die blutige That übertragen.

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für dies« Rubrik find NN» t«derzeit willkommen. — Etwaig*
«osten werden stet» sofort ersetzt.)
* Heidelberg, 11 Juni. (Muthmailiches Wetter für
Samstag, ven 12. Juni.) Vorwiegend gewitterhast be-
wölkte- und »u vereinzelten kurze» Niederschlägen geneigte»
Wetter in Aussicht zu nehmen.
* Heidelberg, 11. Juni- Unter den Klängen der
Züricher Stadtmufik fuhren am zweiten Pfingstfeiertaa
Morgens 8 Uhr die Heidel be rge r, Frankiarter und
Züricher Sänger mit dem großen Züricher Seedampfer
„Helvetia", der von dem festgebenden B:rein gestellt war,
nach Rapperswyl, von wo man nach einstündigem Aul»
enthalt tue Rückfahrt antrat und nach kurzer Einkehr rn
Horgen gegen 1 Uhr Mittags wieder in Zürich eintraf-
Die während der Seefahrt durch die geradezu entzückenden
Naturschönheiten gewonnenen Eindrücke erhielten durch den
wechselseitigen Vortrag von Männerchörrn noch eine be-
sondere Weihe. Das während der Fahrt zu Tage getretene
herzliche Entgegenkommen der Schweizer Sänger ist kaum
zu schildern, wie auch das Leben auf der See während der
Fahrt überhaupt nicht mit Worten wiederzugeben ist. Anw
Heidelberg wurde auf der See durch Absinzung des
bekannten Schaff-lliedes „Alt Heidelberg, du feine
verherrlicht. Nach der Ankunft in Zürich wurde Vas
Mittagsmahl eingenommen, wo viele Reden gehalten wur-
den. Abends um 8 Uhr versammelte man sich in den
Räumen der Tonhalle. Im Laufe des Abends feierte der
Präsident der „Concordia Zürich" die Verdienste der Herren
Musikdirektoren als Pfleger des deutschen Liedes und ließ
Herrn Kapellmeister Suhlender als sichtbares Zeichen
der Anerkennung durch ein Mädchen, das mit einer Schärpe
in den Heidelberger Stadtfarben bekleidet war, et»
prachtvolles Bouquet überreichen, dessen Schleife ebenfalls
in den Heidelberger Stadtfarben ausgefühct war. Am
Dienstag Vormittag 11 Uhr nahmen die hiesigen Sänger
von den Schweizer Sangesbrüdern am Bahnhof herzlichen
Abschied und trafen gegen 9 Uhr Abends mit dem Bewußt-
sein in Heidelberg ein, daß die in Zürich verlebten Tage
eine bleibende Erinnerung zurückgelasfen.
* Heidelberg, 11. Juni. Das feenhafte Schauspiel
der Schloßbeleuchtung übte auch gestern wieder, trotz der
ungünstigen Witterung, seine bewährte Zugkraft aus. denn
von nah und fern waren Fremde herbeigeströmt. Wie ge-
wöhnlich war auch das jenseitige Ufer des Neckars dicht
mit Schaulustigen besetzt und war bereits kein Plätzchen
mehr zu bekommen, als nach halb 10 Uhr Abends die im-
posante Ruine aus dem Dunkel des nächtlichen WaldeS
hervortrat. Während oben das Schloß in rothem Licht
strahlte, zogen Kähne mit Musikkapellen unten am röthlich
wiederschimmernden Neckar vorüber. Zwischen der neuen
und alten Brücke wurde ein schönes Feuerwerk abgebrannt.
* Heidelberg, 11. Juni. Gestern Abend wurde in der
Haspelgasse ein Hausirer von epileptischen Anfällen befallen.
Derselbe mußt« in seine Wohnung verbracht werden. — Letzte
Nacht wurden in der Rohrbacherstraße 11 Tauben ent»
wendet. Der Thäter konnte nicht ermittelt werden.
* Wieblingen, 8. Ium. Mit einer solennen
Prügelei, bei der sogar von Schußwaffen Gebrauch ge-
macht wurde, beschloß die junge Männerwelt deS Dorfes
die Pfingst-Feiertage.
* Edingen, 9. Juni. Nächsten Sonntag werden
hier die Christoph Schuster'schen Eheleute dar Fest
ihrer goldenen Hochzeit begehen.
* Schwetzingen, 10. Juni. Gestern wurde da-
hier der Rechnungsführer des JnvaliditätSwesenS S.
verhaftet. In der von ihm verwalteten Kasse soll
ein beträchtlicher Betrag fehlen. — Herr Accisor
ClevenS dahier wurde gestern während deS Mittag-
essens vom Herzschlag betroffen und war sofort eine
Leiche.
* Walldürn, 10. Juni. Die diesjährige Wall-
fahrt zum hl. Blute verspricht trotz der diesmal bei
vorgerückter Zeit mehr drängenden Arbeiten eine
recht stark besuchte zu werden. Dazu dürfte nicht
zum wenigsten die Kunde beitragen, daß dieses Jahr
erstmals nach langer Zeit wieder einige OrdenSgeist-
liche, und zwar Kapuziner, Aushilfe leisten werden.
Möge ihr schönes Beispiel christlicher Entsagung und
apostolischer Armuth für recht Viele auch bei dieser
Gelegenheit eine Quelle der Zufriedenheit u. des Trostes
werden.
* Karlsruhe, 10. Juni. Die Frage der Ab-
haltung der FronleichnahmSprozession ist nunmehr
gelöst. ES ist folgender Weg vereinbart worden:
Die Prozession führt von der Kirche durch die Erb-
prinzenstraße in die Herrenstraße an der Reichsbank
vorüber; dann durch die StändehauSstraße hinter
der Kirche durch und längs den Arkaden des Fried-
richSplatzes in die Lammstraße; von dieser wieder
in die Erbprinzenstraße durch die Ritterstraße, Blumen»
und Herrenstraße zum KarlSthor; von hier durch die
Sofienstraße bis zur Leopoldstraße und durch diese,
die Amalienstraße, über den Ludwigsplatz und durch
die Erbprinzenstraße zur Kirche zurück. Der Weg
ist also hinreichend lang, um die Entfaltung der
Prozession zu ermöglichen.
* Karlsruhe, 10. Juni. Wie es heißt, sollen
Ende d. M. auf dem Kniebis im Schwarzwald
militärische Hebungen deS 14. Armeekorps
stattfinden, denen voraussichltlich der Kaiser an-
wohnen werde.
* Vadeu-Badeu, 9. Juni. Während der Pfingst-
tage, 5. bis 8. Juni, find auf der hiesigen Eisenbahn-
station im ganzen 16 717 Personen angekommen und
15 692 abgereist, macht zusammen 32 409 Personen.
- Dar giebt im Mittel einen Verkehr von 16 205
Personen, während im vorigen Jahr das Mittel 15 136
, betrug, so daß also Heuer die Frequenz um 169 Per-
sonen stärker war.
 
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