mrd Sesellenvereinen dir soziale Idee weiter tragen,
praktisch auSgestalten, die ihre Zeit und Mühe
opfern, die sich anstrengen, um dem arme» Arbeiter
materiell und geistig zu Hilfe zu kommen, —
alle diese Priester werden mir sagen: „Nein, wir
thun es nicht aus persönliche», rein menschlichen
Gründen, wir thun er als Priester, als Seelsorger.
(Bravo!)
Meine Herren, wenn ich für meine These keinen
anderen Beweis hätte, als nur dieses Zeugniß jener
edlen opferfähige« Männer, so würde mir das voll-
ständig genügen, wir haben aber dafür andere Be-
weise, Beweise, die im innersten Wesen der socialen
Frage gelegen sind. Da sagen nun freilich manche:
Was ist den» die sociale Frage, das ist ja nur eine
Magrnfrage, war geht das die geistlichen Herren an?
Meine Herren, wenn eS wahr sein würde, daß es
nur eine Magenfrage wäre, dann könnten wir doch
auch noch daS Recht und die Pflicht haben, uns
darum zu kümmern ; denn, meine Herren, die Magen-
frage hat ihre Berechtigung, und wir dürfen dar
arme Volk nicht einmal materiell verhungern lassen.
(Bravo!) Als der göttliche Heiland im Begriffe
stand, das höchste seiner Wunder dem Bolke zu ver-
künden, also gewiß in einem Momente, wo er nicht
erfüllt war — wie die Nationalisten sagen würden —
von einer mitleidigen Stimmung, sondern wo er
wirklich als der hohe Priester dem Volke gegenüber-
trat, ehe er dem Volke die Einsetzung des allerheilig-
sten Altarssakramentes verkündete, hat er zuerst die
hungernden Bolksschaaren durch ein Wunder seiner
Macht gespeist. DaS war, meine Theuren, eine
Magrnfrage für die armen Leute, die dem Herrn
drei Tage nachgezogen waren, und der göttliche
Hailand hat diese Magenfrage durch ein Wunder ge-
löst. Wunder wirken freilich können wir nicht, um
dadurch die Hungrigen zu speisen, aber, meine Herren,
wir können sorgen, uns bemühen, können studiren,
wie eS die Leute machen sollen, daß sie auf eine gute,
ehrliche, rechte Weise zu ihrem täglichen Brod kom-
men. Das ist unsere priesterliche Aufgabe. (Bravo!)
ES ist aber die sociale Frage ganz gewiß nicht
nur eine Magenfrage, gerade so wenig als die mensch-
lichen Functionen nur Magenfunctionen sind, sondern,
meine Herren, jede menschliche Frage ist eine höhere
Frage, weil der Mensch eine unsterbliche Seele hat.
Und so geht jede Frage, die den Menschen angeht, in
das geistige und übernatürliche Gebiet hinein. Die
sociale Frage ist eine Frage der christlichen Gerecht,
tigkeit, ob der Einzelne rechtlos dastehen soll, ob
ganze Städte rechtlos gegenüberstehen sollen einer
ungerechten Macht, einer Großmacht des Capitalir-
mus, wie sich entscheidet die Frage nach dem Eigen-
thum, wie sich entscheidet die Frage nach dem Lohn,
der dem Manne werden soll, wie sich die Frage ent-
scheidet nach dem Anrecht auf eine selbständige Exi-
stenz u«d die Gründung einer Familie. Meine
Herren, das sind rechtliche Fragen, nicht bloß Leibes-
frage», und, meine Theuren, wer soll denn der Welt
die Grundsätze des ewigen göttlichen Rechtes unent-
wegt verkünden? Müssen das nicht vor Allem die
Priester? Ist daS nicht zuerst Aufgabe des Klerus?
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Wir haben,
meine Theuren, die Grundsätze des göttlichen Rechtes
zu verkünden nach oben hinauf den Mächtigen, den
Reichen gegenüber. Wir haben aber die Grundsätze
der göttlichen Rechtes auch den Armen, den Gedrück-
te», zu verkünden und zu predigen, und, meine Theu-
ren, wir haben jedenfalls die Pfl cht, dieses göttliche
Recht zu verkünden, nicht in leeren Kirchen, wo kein
Mensch mehr hineingeht (Heiterkeit); wir haben nicht
bloß zu predigen für die kalten Pflastersteine, sondern
wir müssen predigen für die Leute, und darum müssen
wir hingehen, wo die Menschen sind (stürmischer Bei-
fall und Händeklatschen), und wenn wir die Menschen
nur mehr finden können in unseren Vereinen, dann
müsse» wir von Amts wegen, um der unsterblicher
Seelen willen in die Vereine hineingehen. (Beifall.)
Und wenn man die Grundsätze des göttlichen Rechter
nicht mehr hören will in der Kirche, dann müssen wir
sie hinauSrufe« in die Presse, dann müssen wir sie
hineinrufen in die Parlamente, dann müssen wir sie
hindurchrufrn durch die ganze Welt, daß eS Alle hör-
ren. (Lebhafter Beifall.) Und darum müssen wir
im öffentlichen Leben mitten drinnensteheu, und wir
müssen selbst oder durch andere, die wir heranbilden,
sie vor aller Welt und immer wieder verkünden. Das
ewige Recht ist eS, nach dem die soziale Frage zu
lösen ist, die soziale Ausgestaltung unserer Gesellschaft
sich zu vollziehen hat.
Meine Herren, die soziale Frage ist weiter eine
Frage der christlichen Cultur, und auch da hat der
Klerus ein Wort mitzureden. ES ist nicht gleichgil-
trg für die Kultur, ob im Besitze geistiger Bildung,
ob rm Besitze der materiellen Güter bloß einige We-
nige sich befinden, ob menschenwürdige Freiheit und
Selbstbestimmung nach außen hin praktisch bloß eini-
gen Wenigen zukommt, oder ob ein gewisser Wohl-
stand und eine gewisse Selbstständigkeit und eine ge-
wisse allgemeine Bildung allen Menschen zugänglich
gemacht wird, so daß nicht ganze große Bolksklasie»,
ganze große Stände von diesen gemeinsamen Gätern
ausgeschlossen sind. (Rufe: Sehr wahr!) Und,
meine Herren, da- ist mit eine der wichtigsten Seiten
der sozialen Frage.
ES handelt sich darum: soll der infolge unserer
modernen Produktionsweise faßt neuerstaudene Stand
der Arbeiter auf eine würdige Höhe selbstständiger
Existenz erhoben werden, soll der alte Stand der
Bauern als Stand fortbestehen, oder sollen sie recht
los, bedeutungslos in's Nichts zuräcksiuken? Meine
Herren, eS hat ja einmal eine Cultur gegeben, in
der tatsächlich die Güter des Leibes und der Seele
auf einigen Wenigen ruhten, und die Andern waren
Sklaven. DaS war eine Cultur, aber eine christliche
Cultur war es nicht. (Beifall.) Und nun stehen wir
vor der Frage: sollen wir angesichts unserer Arbeiter-
welt, sollen wir angesichts unsere- Bauernstandes,
dem einfach der Boden unter den Füßen wankt, sollen
wir zurück zur Barbarei de- Heidenthums und der
Sklaverei, oder sollen wir die Errungenschaften einer
christlichen Cultur ftsthalten und weiter anSgestallien?
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Meine Herren!
Als die christliche Cultur ihren Einzug hielt in unser
deutsches Vaterland, da wurde sie hineingesührt in
unsere Heimath durch die Hand des Klerus. Damals
hat der Klerus niibt etwa Kirchen 'gebaut und in
den Kirchen gepredigt und in der Sakristei gewirlh-
schäftet, sondern der Klerus hat Hand angelegt an
den Pflug, er hat mitgeholfen, die Wälder auSzurotten,
er ist daran gegangen, materielle Grundlagen zu
schaffen für eine Bildung, in der das Christenthum zu
einer vollen Bedeutung kommen konnte. Heutzutage
brauchen wir nicht selbst den Pflug zu ergreife», nicht
selbst die Axt; aber wie eS damals materielle Arbeit
war, welche die Voraussetzung bilden mußte für die
Gewinnung der geistigen Güter des Christenthum«,
so ist eS auch heutzutage vielfach die mehr weltliche
und profane Arbeit, die wir auf dem Gebiete der
socialen Frage zu leisten haben, damit die geistigen
Güter der Christenthum- unserem Vaterlande und der
menschlichen Cultur nicht wieder verloren gehen. (Bei-
fall.) Hat der Klerus daS im Anfang gethan für unsere
Cultur, warum soll er es dann nicht fortsetzen? Ist
dar nicht sein Recht und ist das nicht seine Pflicht?
(Beifall.)
Endlich, meine Herren, ist die sociale Frage
thatsächlich auch eine Frage der Seelsorge. Ich habe
vor mir gehabt ein in diesem Jahre erschienenes
Buch von einem protestantischen Professor über die
Arbeiterfrage. Ich sage daS ausdrücklich, damit er
nicht etwa heißt: das ist nur so eine Kapuzinade
(Heiterkeit), nur so ein Gejammer über die schlechte»
Veihältnisse u. Zeiten. In diesem Buche, da steht,
die socialen Zustände seien vielfach derartige geworden,
daß in ihnen geradezu eine oceasio proxima. poeeunäi
liege, d. h. die sozialen Zustände unserer Bevölkerung kön-
nen so werden u. sind so geworden, daß gerade diese
äußeren Verhältnisse für den Einzelnen eine nächste
Gelegenheit zur Sünde sind. (Rufe: Sehr wahr.)
(Schluß folgt.)
Ausland.
* Wien, 12. Sept. Der deutsche Kaiser traf
heute Mittag 12 Uhr auf der Staatsbahnstation Hüt-
teldorf bei Wien ei» und setzte nach einem Aufenthalt
von wenigen Minuten die Reise auf der Verbindungs-
bahn nach dem Wiener Südbahnhofe fort, von wo er
12 Uhr 20 Min. mittels eines Hofseparatzuges nach
Totis weiterfuhr. Der kaiserliche Botschafter Graf
zu Eulenburg schloß sich hier dem Gefolge des Kaisers
an. — Der heute früh hier eingetroffene Chef des
russischen GeneralstabeS, General der Infanterie, Ob-
rutschew, sowie die fremden Militärattaches sind heute
Nachmittag gegen 2Vi Uhr nach Totis abgereist.
* Pest, 12. Sept. Nach nahezu dreiwöchiger
Dauer kann der Ausstand der Maurer nunmehr als
beendet angesehen werden, nachdem in der heutigen
Konferenz der Meister und Arbeiter beschlossen wurde,
die noch bestehenden Differenzen auszugleichen und
gewisse Aenderungen an der Arbeitsordnung vorzu-
nehmen.
* Athen, 13. Sept. Die Regierung richtete an
die Mächte eine Note, in der sie vorschlägt, daß bald
nach Unterzeichnung der Friedenspräliminarien die
griechischen Unterthanen, welche in der Türkei Handel
treibni, dorthin zurückkehren können; ferner soll die
Schifffahrt für Schiffe beider Länder in den gegen-
seitigen Häfen wieder ausgenommen, die Rückkehr der
thessalischen Flüchtlinge unter dem Schutze der Mächte
gestattet werden und eine Amnestie für die ottomani-
schen Unterthanen griechischer Abstammung, die in der
griechischen Armee gedient haben, eintreten.
"" -Au- Baden.
Hsi-el-rrg, 14. September-
--- Wer ist wahlberechtigt? Da unter
Wähler» noch vielfach Unklarheit herrscht, lei
auf die nachstehenden gesetzlichen Bestimmungen .
gewiesen: Wahlberechtigt zum Landtag stad alle » '
Staatsbürger, welche da- 25. Lebensjahr zurückE
und in dem Wahlbezirk ihren Wohnsitz haben. Ag,
dem Wahlrecht ausgeschlossen und deßhalb indrewl
nicht aufzunehmen sind: 1. Entmündigte und M»»
tobte; 2. Personen, über deren Vermögen daS u
kursverfahren eröffnet worden ist, und zwar wahr
der Dauer des Konkursverfahrens; 3. Personen, w«°t
— den Fall eines vorübergehenden Unglücks aUW
nommen — eine Armenunterstützung auS öffemU«
oder Gemeindemitteln beziehen oder im letzte"
Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben.
Befreiung von der Schulgeldzahlung gilt nicht "
Armenunterstützung; 4. Personen, welchen daS an
Wahlrecht in Folge eines strafgerichtlichen llrthe
entzogen ist. Die zum aktiven Heere gehörigen .
tärpersonen, mit Ausnahme der Militärbeamten, "kp
gleichen die aktiven Offiziere und Mannschaften
Gendarmerie, deren Wahlrecht gemäß Z 36 der L?"
tagSwahlordnung ruht, sind nicht in die Wähler»!'
aufzunehmen. Wahlberechtigte, welche als ReserE
oder Landwehrmänner zu militärischen Uebunge» e>
berufen sind, sind in die Wählerlisten an ihre« D)ah .
ort einzutragen. Darüber, ob einzelne P:rsone»a"
einem der in Ziffer 1 bis 4 bezeichneten Gründen"
dem Wahlrecht ausgeschlossen sind, ist vom Gemein»
rath jeweils ordnungsmäßig zu beschließen und »
Beschluß unter Angabe des Grundes in daS Rat?»
Protokollbuch einzutragen. ,
— Handelsverträge Dar Direktorium A
Centralverbandes deutscher Industrieller will die W»
an den Reichskanzler richten, behufs Herbeiführung
einer ersten direkten Aussprache und Verständigt
in Bezug auf die Vorbereitung künftiger Handelst
träge eine Conferenz von Vertretern des deuW"
LandwirthschaftSratheS, des CentralverbandeS deutsch^
Industrieller und der deutschen HandelStageS in thun
lichst kurzer Frist zu berufen. Vorher haben
trauliche Besprechungen mit den betr. Reich«' U»
preußischen Staats-Behörden, sowie Verhandlung^
mit dem deutschen LaudwirthschaftSrath über d»i
Conferenz fiattgesunden.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik find un» jederzeit willkommen. —
»ollen werden stet» sofort ersetzt.»
* Heidelberg, 14 Sept. lMuthmaßliches Wetter
Mittwoch, den 15 September.) Trockenes und größte»
theils aufgeheitertes Wetter in Aussicht zu nehmen. ,
* Heidelberg, 14 Sept. In der am Samstag den '
d. M. stattgehabten Berirksrathsitzung wnro
folgende Gegenstände zur Kenntniß, bezw. Erledigung s
bracht:
1. Gesuch de- ,
«e. A- Mechler in D'lsberg um Erlaubnis M
Betrieb einer Schankwirthschaft daselbst
genehmigt;
l>. Adam Schuppe! von Leimen um MaUvn
zum Betrieb der Schankwirthschaft ohne Bra«»
weinschank in dem Hause Nr. 102 der Rohrbaa»
straße in Heidelberg wurde genehmigt:
o. Gustav Wcckesser von Schatthausen um Eckanvn
zum Betrieb einer Schankwirthschaft mit Brann
weinausschank in Sandhaufen wurde geneM'»^
ä. Josef Litton in Nußloch um Erlaubmtz
Betrieb der Realgaftwirthschaft „zur Krone
selbst wurde genehmigt;
«. Johannes Föhringer in Nußloch um ErlaE»
zum Betrieb einer Schankwirthschaft da!«
wurde vertagt. ,
t'. Hermann Liesch in Mönchzell um Erlaubnis E-j
Betrieb der Gastwirthschaft „zur Krone da»
wurde vor der Sitzung zurückgezogen. ...
8. Christof Eifinger in Kirchheim um Verlängern.,
der ihm unter« 14. Juli 1894 ertheilten W>r
schaftserlaubnis wurde genehmigt.
2. Die Errichtung eimr Dampfziegelei durch dies«
P. Bachmann u. Cie. in Nußloch wurde genehm«»'
3. Gesuch der Gemeinde Bammcnthal um Erlauv
zur Anlage eines Wascnplatzes wurde genehmigt. . M
, 4. Gesuch des Johann Jakob Baust in Nutzlos"
Erlaubnis zur Errichtung eine- Kalkofens daselbst w»
genehmigt.
* Heidelberg, 15.! Sept. Oberpostdirektionssekc"
Julius Kipphan von hier wurde als Telegraphen^"^,
kassrerer bei dem Telegraphenamt in Mannheim erna
* Heidelberg, 4. Sept. Eine von der Staatsanw»
schäft Mosbach wegen Diebstahls und Betrug vettow §
Arbeiter wurde gestern Vormittag hier verhaftet. — «Äs' p
Nachmittag geriethen vier junge Burschen auf der V»
Kraße in Streit: dieselben kamen zur Anzeige.
* Kirchheim, 13. Sept. In einem Anfall.
Geistesstörung stürzte sich der schon längere Ze"
blindete Metzger M. F. zum Fenster hinaus und .
letzte sich sehr schwer, so daß er in daS akadem A
Krankenhaus nach Heidelberg verbracht werde»
* Leime», 13. Sept. Gestern fand im Gastha
zur „Rose" eine Versammlung der deutschen Res
Partei statt, welche von ungefähr 80—90 Theilnehmc
besucht war. Als Redner traten die Herren Fadr ,
Köster und ReichStag-abgeordneter Bindewald
praktisch auSgestalten, die ihre Zeit und Mühe
opfern, die sich anstrengen, um dem arme» Arbeiter
materiell und geistig zu Hilfe zu kommen, —
alle diese Priester werden mir sagen: „Nein, wir
thun es nicht aus persönliche», rein menschlichen
Gründen, wir thun er als Priester, als Seelsorger.
(Bravo!)
Meine Herren, wenn ich für meine These keinen
anderen Beweis hätte, als nur dieses Zeugniß jener
edlen opferfähige« Männer, so würde mir das voll-
ständig genügen, wir haben aber dafür andere Be-
weise, Beweise, die im innersten Wesen der socialen
Frage gelegen sind. Da sagen nun freilich manche:
Was ist den» die sociale Frage, das ist ja nur eine
Magrnfrage, war geht das die geistlichen Herren an?
Meine Herren, wenn eS wahr sein würde, daß es
nur eine Magenfrage wäre, dann könnten wir doch
auch noch daS Recht und die Pflicht haben, uns
darum zu kümmern ; denn, meine Herren, die Magen-
frage hat ihre Berechtigung, und wir dürfen dar
arme Volk nicht einmal materiell verhungern lassen.
(Bravo!) Als der göttliche Heiland im Begriffe
stand, das höchste seiner Wunder dem Bolke zu ver-
künden, also gewiß in einem Momente, wo er nicht
erfüllt war — wie die Nationalisten sagen würden —
von einer mitleidigen Stimmung, sondern wo er
wirklich als der hohe Priester dem Volke gegenüber-
trat, ehe er dem Volke die Einsetzung des allerheilig-
sten Altarssakramentes verkündete, hat er zuerst die
hungernden Bolksschaaren durch ein Wunder seiner
Macht gespeist. DaS war, meine Theuren, eine
Magrnfrage für die armen Leute, die dem Herrn
drei Tage nachgezogen waren, und der göttliche
Hailand hat diese Magenfrage durch ein Wunder ge-
löst. Wunder wirken freilich können wir nicht, um
dadurch die Hungrigen zu speisen, aber, meine Herren,
wir können sorgen, uns bemühen, können studiren,
wie eS die Leute machen sollen, daß sie auf eine gute,
ehrliche, rechte Weise zu ihrem täglichen Brod kom-
men. Das ist unsere priesterliche Aufgabe. (Bravo!)
ES ist aber die sociale Frage ganz gewiß nicht
nur eine Magenfrage, gerade so wenig als die mensch-
lichen Functionen nur Magenfunctionen sind, sondern,
meine Herren, jede menschliche Frage ist eine höhere
Frage, weil der Mensch eine unsterbliche Seele hat.
Und so geht jede Frage, die den Menschen angeht, in
das geistige und übernatürliche Gebiet hinein. Die
sociale Frage ist eine Frage der christlichen Gerecht,
tigkeit, ob der Einzelne rechtlos dastehen soll, ob
ganze Städte rechtlos gegenüberstehen sollen einer
ungerechten Macht, einer Großmacht des Capitalir-
mus, wie sich entscheidet die Frage nach dem Eigen-
thum, wie sich entscheidet die Frage nach dem Lohn,
der dem Manne werden soll, wie sich die Frage ent-
scheidet nach dem Anrecht auf eine selbständige Exi-
stenz u«d die Gründung einer Familie. Meine
Herren, das sind rechtliche Fragen, nicht bloß Leibes-
frage», und, meine Theuren, wer soll denn der Welt
die Grundsätze des ewigen göttlichen Rechtes unent-
wegt verkünden? Müssen das nicht vor Allem die
Priester? Ist daS nicht zuerst Aufgabe des Klerus?
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Wir haben,
meine Theuren, die Grundsätze des göttlichen Rechtes
zu verkünden nach oben hinauf den Mächtigen, den
Reichen gegenüber. Wir haben aber die Grundsätze
der göttlichen Rechtes auch den Armen, den Gedrück-
te», zu verkünden und zu predigen, und, meine Theu-
ren, wir haben jedenfalls die Pfl cht, dieses göttliche
Recht zu verkünden, nicht in leeren Kirchen, wo kein
Mensch mehr hineingeht (Heiterkeit); wir haben nicht
bloß zu predigen für die kalten Pflastersteine, sondern
wir müssen predigen für die Leute, und darum müssen
wir hingehen, wo die Menschen sind (stürmischer Bei-
fall und Händeklatschen), und wenn wir die Menschen
nur mehr finden können in unseren Vereinen, dann
müsse» wir von Amts wegen, um der unsterblicher
Seelen willen in die Vereine hineingehen. (Beifall.)
Und wenn man die Grundsätze des göttlichen Rechter
nicht mehr hören will in der Kirche, dann müssen wir
sie hinauSrufe« in die Presse, dann müssen wir sie
hineinrufen in die Parlamente, dann müssen wir sie
hindurchrufrn durch die ganze Welt, daß eS Alle hör-
ren. (Lebhafter Beifall.) Und darum müssen wir
im öffentlichen Leben mitten drinnensteheu, und wir
müssen selbst oder durch andere, die wir heranbilden,
sie vor aller Welt und immer wieder verkünden. Das
ewige Recht ist eS, nach dem die soziale Frage zu
lösen ist, die soziale Ausgestaltung unserer Gesellschaft
sich zu vollziehen hat.
Meine Herren, die soziale Frage ist weiter eine
Frage der christlichen Cultur, und auch da hat der
Klerus ein Wort mitzureden. ES ist nicht gleichgil-
trg für die Kultur, ob im Besitze geistiger Bildung,
ob rm Besitze der materiellen Güter bloß einige We-
nige sich befinden, ob menschenwürdige Freiheit und
Selbstbestimmung nach außen hin praktisch bloß eini-
gen Wenigen zukommt, oder ob ein gewisser Wohl-
stand und eine gewisse Selbstständigkeit und eine ge-
wisse allgemeine Bildung allen Menschen zugänglich
gemacht wird, so daß nicht ganze große Bolksklasie»,
ganze große Stände von diesen gemeinsamen Gätern
ausgeschlossen sind. (Rufe: Sehr wahr!) Und,
meine Herren, da- ist mit eine der wichtigsten Seiten
der sozialen Frage.
ES handelt sich darum: soll der infolge unserer
modernen Produktionsweise faßt neuerstaudene Stand
der Arbeiter auf eine würdige Höhe selbstständiger
Existenz erhoben werden, soll der alte Stand der
Bauern als Stand fortbestehen, oder sollen sie recht
los, bedeutungslos in's Nichts zuräcksiuken? Meine
Herren, eS hat ja einmal eine Cultur gegeben, in
der tatsächlich die Güter des Leibes und der Seele
auf einigen Wenigen ruhten, und die Andern waren
Sklaven. DaS war eine Cultur, aber eine christliche
Cultur war es nicht. (Beifall.) Und nun stehen wir
vor der Frage: sollen wir angesichts unserer Arbeiter-
welt, sollen wir angesichts unsere- Bauernstandes,
dem einfach der Boden unter den Füßen wankt, sollen
wir zurück zur Barbarei de- Heidenthums und der
Sklaverei, oder sollen wir die Errungenschaften einer
christlichen Cultur ftsthalten und weiter anSgestallien?
(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Meine Herren!
Als die christliche Cultur ihren Einzug hielt in unser
deutsches Vaterland, da wurde sie hineingesührt in
unsere Heimath durch die Hand des Klerus. Damals
hat der Klerus niibt etwa Kirchen 'gebaut und in
den Kirchen gepredigt und in der Sakristei gewirlh-
schäftet, sondern der Klerus hat Hand angelegt an
den Pflug, er hat mitgeholfen, die Wälder auSzurotten,
er ist daran gegangen, materielle Grundlagen zu
schaffen für eine Bildung, in der das Christenthum zu
einer vollen Bedeutung kommen konnte. Heutzutage
brauchen wir nicht selbst den Pflug zu ergreife», nicht
selbst die Axt; aber wie eS damals materielle Arbeit
war, welche die Voraussetzung bilden mußte für die
Gewinnung der geistigen Güter des Christenthum«,
so ist eS auch heutzutage vielfach die mehr weltliche
und profane Arbeit, die wir auf dem Gebiete der
socialen Frage zu leisten haben, damit die geistigen
Güter der Christenthum- unserem Vaterlande und der
menschlichen Cultur nicht wieder verloren gehen. (Bei-
fall.) Hat der Klerus daS im Anfang gethan für unsere
Cultur, warum soll er es dann nicht fortsetzen? Ist
dar nicht sein Recht und ist das nicht seine Pflicht?
(Beifall.)
Endlich, meine Herren, ist die sociale Frage
thatsächlich auch eine Frage der Seelsorge. Ich habe
vor mir gehabt ein in diesem Jahre erschienenes
Buch von einem protestantischen Professor über die
Arbeiterfrage. Ich sage daS ausdrücklich, damit er
nicht etwa heißt: das ist nur so eine Kapuzinade
(Heiterkeit), nur so ein Gejammer über die schlechte»
Veihältnisse u. Zeiten. In diesem Buche, da steht,
die socialen Zustände seien vielfach derartige geworden,
daß in ihnen geradezu eine oceasio proxima. poeeunäi
liege, d. h. die sozialen Zustände unserer Bevölkerung kön-
nen so werden u. sind so geworden, daß gerade diese
äußeren Verhältnisse für den Einzelnen eine nächste
Gelegenheit zur Sünde sind. (Rufe: Sehr wahr.)
(Schluß folgt.)
Ausland.
* Wien, 12. Sept. Der deutsche Kaiser traf
heute Mittag 12 Uhr auf der Staatsbahnstation Hüt-
teldorf bei Wien ei» und setzte nach einem Aufenthalt
von wenigen Minuten die Reise auf der Verbindungs-
bahn nach dem Wiener Südbahnhofe fort, von wo er
12 Uhr 20 Min. mittels eines Hofseparatzuges nach
Totis weiterfuhr. Der kaiserliche Botschafter Graf
zu Eulenburg schloß sich hier dem Gefolge des Kaisers
an. — Der heute früh hier eingetroffene Chef des
russischen GeneralstabeS, General der Infanterie, Ob-
rutschew, sowie die fremden Militärattaches sind heute
Nachmittag gegen 2Vi Uhr nach Totis abgereist.
* Pest, 12. Sept. Nach nahezu dreiwöchiger
Dauer kann der Ausstand der Maurer nunmehr als
beendet angesehen werden, nachdem in der heutigen
Konferenz der Meister und Arbeiter beschlossen wurde,
die noch bestehenden Differenzen auszugleichen und
gewisse Aenderungen an der Arbeitsordnung vorzu-
nehmen.
* Athen, 13. Sept. Die Regierung richtete an
die Mächte eine Note, in der sie vorschlägt, daß bald
nach Unterzeichnung der Friedenspräliminarien die
griechischen Unterthanen, welche in der Türkei Handel
treibni, dorthin zurückkehren können; ferner soll die
Schifffahrt für Schiffe beider Länder in den gegen-
seitigen Häfen wieder ausgenommen, die Rückkehr der
thessalischen Flüchtlinge unter dem Schutze der Mächte
gestattet werden und eine Amnestie für die ottomani-
schen Unterthanen griechischer Abstammung, die in der
griechischen Armee gedient haben, eintreten.
"" -Au- Baden.
Hsi-el-rrg, 14. September-
--- Wer ist wahlberechtigt? Da unter
Wähler» noch vielfach Unklarheit herrscht, lei
auf die nachstehenden gesetzlichen Bestimmungen .
gewiesen: Wahlberechtigt zum Landtag stad alle » '
Staatsbürger, welche da- 25. Lebensjahr zurückE
und in dem Wahlbezirk ihren Wohnsitz haben. Ag,
dem Wahlrecht ausgeschlossen und deßhalb indrewl
nicht aufzunehmen sind: 1. Entmündigte und M»»
tobte; 2. Personen, über deren Vermögen daS u
kursverfahren eröffnet worden ist, und zwar wahr
der Dauer des Konkursverfahrens; 3. Personen, w«°t
— den Fall eines vorübergehenden Unglücks aUW
nommen — eine Armenunterstützung auS öffemU«
oder Gemeindemitteln beziehen oder im letzte"
Wahl vorhergegangenen Jahre bezogen haben.
Befreiung von der Schulgeldzahlung gilt nicht "
Armenunterstützung; 4. Personen, welchen daS an
Wahlrecht in Folge eines strafgerichtlichen llrthe
entzogen ist. Die zum aktiven Heere gehörigen .
tärpersonen, mit Ausnahme der Militärbeamten, "kp
gleichen die aktiven Offiziere und Mannschaften
Gendarmerie, deren Wahlrecht gemäß Z 36 der L?"
tagSwahlordnung ruht, sind nicht in die Wähler»!'
aufzunehmen. Wahlberechtigte, welche als ReserE
oder Landwehrmänner zu militärischen Uebunge» e>
berufen sind, sind in die Wählerlisten an ihre« D)ah .
ort einzutragen. Darüber, ob einzelne P:rsone»a"
einem der in Ziffer 1 bis 4 bezeichneten Gründen"
dem Wahlrecht ausgeschlossen sind, ist vom Gemein»
rath jeweils ordnungsmäßig zu beschließen und »
Beschluß unter Angabe des Grundes in daS Rat?»
Protokollbuch einzutragen. ,
— Handelsverträge Dar Direktorium A
Centralverbandes deutscher Industrieller will die W»
an den Reichskanzler richten, behufs Herbeiführung
einer ersten direkten Aussprache und Verständigt
in Bezug auf die Vorbereitung künftiger Handelst
träge eine Conferenz von Vertretern des deuW"
LandwirthschaftSratheS, des CentralverbandeS deutsch^
Industrieller und der deutschen HandelStageS in thun
lichst kurzer Frist zu berufen. Vorher haben
trauliche Besprechungen mit den betr. Reich«' U»
preußischen Staats-Behörden, sowie Verhandlung^
mit dem deutschen LaudwirthschaftSrath über d»i
Conferenz fiattgesunden.
Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik find un» jederzeit willkommen. —
»ollen werden stet» sofort ersetzt.»
* Heidelberg, 14 Sept. lMuthmaßliches Wetter
Mittwoch, den 15 September.) Trockenes und größte»
theils aufgeheitertes Wetter in Aussicht zu nehmen. ,
* Heidelberg, 14 Sept. In der am Samstag den '
d. M. stattgehabten Berirksrathsitzung wnro
folgende Gegenstände zur Kenntniß, bezw. Erledigung s
bracht:
1. Gesuch de- ,
«e. A- Mechler in D'lsberg um Erlaubnis M
Betrieb einer Schankwirthschaft daselbst
genehmigt;
l>. Adam Schuppe! von Leimen um MaUvn
zum Betrieb der Schankwirthschaft ohne Bra«»
weinschank in dem Hause Nr. 102 der Rohrbaa»
straße in Heidelberg wurde genehmigt:
o. Gustav Wcckesser von Schatthausen um Eckanvn
zum Betrieb einer Schankwirthschaft mit Brann
weinausschank in Sandhaufen wurde geneM'»^
ä. Josef Litton in Nußloch um Erlaubmtz
Betrieb der Realgaftwirthschaft „zur Krone
selbst wurde genehmigt;
«. Johannes Föhringer in Nußloch um ErlaE»
zum Betrieb einer Schankwirthschaft da!«
wurde vertagt. ,
t'. Hermann Liesch in Mönchzell um Erlaubnis E-j
Betrieb der Gastwirthschaft „zur Krone da»
wurde vor der Sitzung zurückgezogen. ...
8. Christof Eifinger in Kirchheim um Verlängern.,
der ihm unter« 14. Juli 1894 ertheilten W>r
schaftserlaubnis wurde genehmigt.
2. Die Errichtung eimr Dampfziegelei durch dies«
P. Bachmann u. Cie. in Nußloch wurde genehm«»'
3. Gesuch der Gemeinde Bammcnthal um Erlauv
zur Anlage eines Wascnplatzes wurde genehmigt. . M
, 4. Gesuch des Johann Jakob Baust in Nutzlos"
Erlaubnis zur Errichtung eine- Kalkofens daselbst w»
genehmigt.
* Heidelberg, 15.! Sept. Oberpostdirektionssekc"
Julius Kipphan von hier wurde als Telegraphen^"^,
kassrerer bei dem Telegraphenamt in Mannheim erna
* Heidelberg, 4. Sept. Eine von der Staatsanw»
schäft Mosbach wegen Diebstahls und Betrug vettow §
Arbeiter wurde gestern Vormittag hier verhaftet. — «Äs' p
Nachmittag geriethen vier junge Burschen auf der V»
Kraße in Streit: dieselben kamen zur Anzeige.
* Kirchheim, 13. Sept. In einem Anfall.
Geistesstörung stürzte sich der schon längere Ze"
blindete Metzger M. F. zum Fenster hinaus und .
letzte sich sehr schwer, so daß er in daS akadem A
Krankenhaus nach Heidelberg verbracht werde»
* Leime», 13. Sept. Gestern fand im Gastha
zur „Rose" eine Versammlung der deutschen Res
Partei statt, welche von ungefähr 80—90 Theilnehmc
besucht war. Als Redner traten die Herren Fadr ,
Köster und ReichStag-abgeordneter Bindewald