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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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November 1897
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Nr. 271
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1106
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Deutsches Reich.
* Berlin, 24. Nov. Durch Kabinetsordre vom
23. ds. ist Contreadmiral von Diedrichs unter Äe>
fördrrung zum überzähligen Vizeadmiral zum Chef
des Kreuzer-Geschwaders in Ostasien, Contreadmiral
Prinz Heinrich von Preußen zum Chef der zweiten
Division des Kceuzers-Geschwavers und der bisherige
Kommandeur des Schiffes „Sachsen" Korvettenkapitän
mit Lieutenantsrang Plachte zum Kommandanten des
Schiffes „Deutschland" ernannt worden.
* München, 24. Nov. Der Erzbis cho f von
München-Freising Antonius von Thoma ist heute
Vormittag 11.05 Uhr infolge einer Herzlähmung
gestorben. Heute früh zelebrirte er noch die hl. Messe.
Um halb 11 Uhr waren der Arzt und der hochw.
Herr Domdekan Erlenborn beim Erzbischof. Derselbe
war guter Dinge, lachte und scherzte. Der Herr Dom-
dekan blieb »ach Weggang des Arztes allein beim
Erzbischof zurück. Während die beiden Herren sprachen,
ließ der Erzbischof plötzlich das Haupt sinken und fiel
in die Arme des Domdrcan. DaS geschah um drei
viertel 11 Uhr. Die Dienerschaft brachte den Hochwst.
Herrn ins Bett. Nachdem ihm noch bei Bewußtsein
die Generalabsolution ertheilt worden, verschied der
Erzbischof nach Empfang der hl. Oelung. Der Tod
verursachte heute in der Stadt, in welcher die Kunde
wie ein Lauffeuer umherging, eine ungeheure Erregung.
In der Abgeordnetenkammer bildete die Todesnachricht
den einzigen Gesprächsstoff. Seit dem Landshuter
Katholikentag, den der Hochwst. Erzbischof besuchte,
hatten sich bei ihm Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und
Müdigkeit eingestellt, ohne daß er genöthigt gewesen
wäre, längere Zeit im Bette zu liegen. An eine so
nahe bevorstehende Auflösung hatte Niemand gedacht.
Erzbischof Dr. Antonius v. Thoma,
6ows8 romanus, Hausprälat und Thronasststeut Sr.
Heiligkeit des Papstes, ReichSrath der Krone Bayern,
geboren zu Nymphenburg am 1. März 1829, Priester-
weihe 29. Juni 1853, Pfarrer in St. Zeno (Reichen-
hall), als Domkapitular in München aufgeschworen
am 11. März 1883, von dem Prinzregenten Luitpold
zum Bischof von Passau ernannt am 24. März 1889,
vom Hl. Vater Papst Leo XU1. präconisirt am 27.
Mai 1889, zum Erzbischof von München u. Freising
ernannt am 23. Okt. 1889, als solcher in Rom prä-
conisirt am 30. Dez. 1889, mit dem Pallium bekleidet
am 20. April 1890, als Erzbischof feierlich eingeführt
am 21. April 1890.

Ausland.
* Rom, 23. Nov. Der Papst erfreutsich einer aus-
gezeichneten Gesundheit. Er gab seit Samstag mehr-
ere Audienzen und empfing den Cardinal Lecot, die
Bischöfe von Limoges und Perpignan und den Erz-
bischof von Montreal.
* Wie», 22. Nov. Die CanisiuSfeier in Wien,
die einen ungemein glänzenden Verlauf nahm, zeichnete
sich hervorragender Weise dadurch aus, daß der Be-
schluß gefaßt wurde, eine Kirche zu Ehren des Seli-
gen daselbst zu bauen und zwar stellte Pater Viktor
Kolb 3. 8. und früher Superior in Wien, Rektor des
Jesuitenkollegiums in Innsbruck den Antrag in einer
zündenden Rede, die mit ungeheuerem Jubel und Bei-
fall ausgenommen wurde. Pater Kolb appellirte an
die Großmuty der Wiener, die immer eine offene Hand
für sein Anliegen gehabt hätten, und fügte hinzu, es
sei dies nur ein pflichtschuldiger Tribut an den gro-
ßen heiligen Mann, der mit aufopfernder Fürsorge
und hingebender Liebe für das Heil des katholischen
Oesterreichs gewirkt habe, und in dieser Kirche würde
daun sein Werk fortgesetzt als Spenderin aller Gna-
denmittel theilnehmend am Wohl und Weh jedes Ein-
zelnen. Als P. Kolb sagte, die Kirche sollte auch
groß und schön und an günstigem Platze gelegen
sein, erscholl großer Beifall und Heiterkeit. — Alsbald
bildete sich ein Comite für den Kircheubau und
Fürst Clary übernahm die Präsidentschaft: eine
Dame zeichnete gleich tausend Gulden. Pater
Benno Auracher hielt auch eine begeisternde Rede,
die allgemeinen Beifall sand. Er sagte: „Wenn auch
drei Kapuzinerpatres am Sterbelager des Seligen
gestanden hatten, so erscheine es an dessen Jubiläums-
feier zwar ganz gegen die hergebrachte Ansicht, Mönche
und Priester gehörten nur in die Kirche u. Sakristei
und in den Winkel." Auch sagte er, Bayern sei noch
immer m Sympathie mit Oesterreich verbunden und
nähme lebhaften Antheil an dieser Feier, was schon
die Anwesenden bayerischer Marinecongregationen be-
wiesen, Petrus Canistus sei wahrhaft social gewesen
— ein Vorbild für alle Priester, bei Hoch u. Niedrig,
Arm und Reich gleich beliebt — er sei es auch ge-

wesen, der bei Maximilian, dem nachmaligen Kaiser,
die protestantischen Einflüsse erkannte und nicht ruhte,
bis sein kaiserlicher Vater davon in Kmntniß gesetzt
und dieselben wirksam bekämpft waren, Maximilian im
hl. katholischen Glauben neu gestärkt und befestigt
wurde. Eine glänzende Versammlung. Mitglieder
der höchsten Aristokratie in Wien wohnten der unver-
geßlichen Feier bei.

Aus Baden.
Heidelberg, 25. Nov.
----- Die zweite Kammer hat sich gestern Nach-
mittag unter dem Vorsitz der AiterSpräsirenten Flüge
konstituirt. Nach Erledigung der geschäftlichen An-
gelegenheit wurde die Wahl der Kommissionen vor-
genommen.
— DaS Heraukrieche» der Infanterie an den
Feind in der Entfernung von 800 Meter bis zu 300
und 400 Meter hatte bekanntlich das Militärwochen-
blatt in einem Artikel empfohlen unter Hinweis auf
die neuen Feuerwaffen und deren verheerende Wirkung.
Ein richtiger Haudegen tritt nun dieser Ausführung
des Militärwochenblattes in der Nordd. Allgem. Ztg.
entgegen. Die kriegserfahrenen Männer hätten, so
behauptet er, diesen Artikel mit lebhaftem und un-
willigen Kopfschüttelu ausgenommen. Ein kriegser-
fahrener Mann, das heißt ein solcher, der nicht in
Generalstabs- oder Adjutanten-Stellung, sondern in
der Front, am besten als Ksmpagnie-Führer unter
verschiedenartigen Verhältnissen zum Angriff geführt
hat, wird alsdann darüber in der Nordd. Allgem.
Ztg. mit seinen Ansichten vorgeführt. Der „kriegs-
erfahrene" Mann meint, daß das in rücksichtslosem
Schneid gipfelnde Temperament durch die Kriech-Idee
erstickt werde. Der Artikel spottet über den kriechenden
Lieutenant. Herzbewegende Thaten wie das Abschlagen
von Cavallerie-Attaquen am 16. August und 1. Sep-
tember 1870 könnten bei kriechender Infanterie kaum
mehr erreicht werden. Der Truppenführer müsse seine
Leute so lange wie möglich in der Hand behalten und
sie führen; dann verführen sie kriegSgemäß. DaS
Kriechen auf dem Bauch aber beraube sie jedes Elans.
Weiterhin klagt er über die mit der Cultur verbundene
Verweichlichung, das Sinken der Dienstzeit, daS
Seltenwerden und die kürzere Dauer der Kriege, die
den früher so hoch gehaltenen kriegerischen Geist in
bedenklicher Weise gemindert hätten. Ec spottet über
die Furcht vor Verlusten. Der Wille, mit dem Bayon-
uett den Feind aus seiner zäh gehaltenen Stellung
herauszustoßen, müsse der Mannscyaft anerzogen werden.
Das Sterben vor dem Feinde muß für eine kräftige
und edele Nation eine« Reiz haben. Das ist der
richtige miles Aloriosus, der also spricht. Dieselbe
Logik hat sich, sagt die Freis. Ztg., auch breit zu
machen gesucht seiner Zeit gegen das Vorgehen in auf-
gelöster Schützenlinie u. gegen jede sorgsame Benutzung
von Deckungen beim Vorgehen. Nach der Weisheit dieses
Haudegens müßte der Infanterie-Angriff in geschlos-
sener Front mit dreimaligem Hurrah sich vollziehen,
wie eS früher mitunter auf Exerzierplätzen vorge-
kommen ist.

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubril sind uns jederzeit willkommen. — Etwaige
Koken werden stets sofort ersetzt.»
* Heidelberg, 25. Nov. (Muthmaßliches Wetter für
Freitag, den 26. November.) Trockenes und nach Auf-
lösung der Frühnebel auch heiteres Wüter in Aussicht zu
nehmen.
* Heidelberg, 25. Nov- Im großen Saale des
Frankfurter Kunstverein nimmt eben eine große Kollektiv -
Ausstellung „Gemälde" von unserem siegreichen und be-
rühmten Landsmann Wtlh. Trübner die größte Auf-
merksamkeit der zahlreichen Besucher, aber zugleich auch der
bedeutensten Bilderkenner, im höchsten Grade befangen.
* Heidelberg, 25. Nov. Heidelberger Stadt-
theater. Die gestrige Vorstellung der Oper „Der
Trompeter von Säckingen" Musik von Neßlcr war mit
Ausnahme der Chöre eine recht gelungene Vorstellung zu
bezeichnen. In erster Reihe gefiel Herr Görger als
Träger der Titelrolle außerordentlich gut. Würdig zur
Seite standen die Damen Held und Neuendorff, die ihre
Parthien sehr zufriedenstellend ausführten. Auch der
Herren Geißler, Diener, Marik und Rudolph muß lobend
gedacht werden.
* Heidelberg, 25. Nov. Die noch im besten Andenken
stehende und seiner Zeit mit so großem Beifall ausge-
zeichnete englisch-deutsche Sängerin und Tänzerin „M i ß
Ellen" wird nächsten Samstag Abend im Variete auf-
treten.
* Heidelberg, 25. Nov. Zwei Bettler wurden ver-
haftet ; mehrere junge Leute kamen wegen Ruhestörung zur
Anzeige.
* Mannheim, 23. Nov. Wie die hiesige Han-
delskammer berichtet, schweben wegen Erweiterung des
Fernfprech-VerkehrS mit der Schweiz
Verhandlungen zwischen der Reichspostverwaltung und
der schweizerischen Telegraphen-Verwaltung. Ein gün-
stiger Erfolg dieser Verhandlungen läge sehr im Ju-
teresse des Verkehrs. Vorgestern Nachmittag ge-
rieth im hiesigen Raugirbahnhofe der) Wagenschlos-
ser Erhardt Mayer zwischen die Puffer zweier Wagen.
Der Unglückliche war sofort todt.

(!) Seckach, 24. Nov. Betriebsassistent Ph'l'A
Baumeister hier wurde zum StationSverwalter
nannt. Wir gratuliren bestens!
* Bruchsal, 24. Nov. Gestern Abend kurz »"Z
10 Uhr ertönte das Feuersignal. Es brannte .
Haus des Herrn Weichenwärters Höllerbach ans "
Frohnberg I. und die schnell am Bcandort erschieß ,
hiss. Fceiw. Feuerwehr begann sofort mit Erfolg""
Rettungswerk, das ihr in soweit gelang, als .
Brand sich nur auf den Dachstuhl und theltv !
oberen Stock des betr. Hauses erstreckte, in welw
ärmere Leute ihre Wohnung hatten, die ihr Mob''
leider nicht versichert haben. Nach kurzer Zeit "
alles vollständig gelöscht, und konnte die FeuecM
theilweise abrücken.
* Bruchsal, 22. Nov. Der Sohn der B-zir»'
thierarztes Herrn LyVtin, der nach bestandenem Ek""
seinem Vater assistirte, ist an Tobsucht gest"^'
Die Ansteckung soll schon vor Monaten noch ans
Schule bei einem Präparate, welches der junge A S
an einem tollwüthigen Hunde machte, geschehen st'"'
* Karlsruhe, 24. Nov. Der Staatssekretär
Auswärtigen Amtes, Staatsminister v. Bülow, will
gestern Mittag von dem kgl. preußischen Gesandte»'
Wirkt. Geh. Rath v. Eisendecher am Bahnhof .'
Baden-Baden erwartet und nach dem großherzoglE'
Schloß geführt. Bald nach seiner Ankunft wurde e
von dem Großherzog und der Großherzogin empfang!
und verblieb dann in längerer Unterredung beim Gle»
Herzog. Nachher wurde Minister v. Brauer empfang
Heute früh empfing der Großherzog nochmals
Staatssekretär v. Bülow, welcher dann gegen 11U?
die Reise nach Berlin antrat. .
* Karlsruhe, 24. Nov. Der engere AusschA
der deutschen Bolkspartei für Baden hat in st>w
gestrigen Sitzung beschloss m, den badischen P"
teitag auf den 16. Januar kommenden Jahres ew
zuberufen.
* Freiburg, 23. Nov. Der Großh-rr-j
hat bei dem siebenten Sohn des Maurers Karl SHU,
gert in Haslach die Patenstelle übernommen.
Einlage in ein Sparbuch für das Patenkind st"
gleichzeitig 60 Mark gewahrt worden.

GerichtBsaal
* Heidelberg. 25. Nov. (S chöffengeri <hs,s >
ung vom 21 November.) 1. Heinrich Lehr, TaglEs
von Wiesloch erhielt wegen Diebstahls 8 Tage GesäE',,
2. Josef Kopp, Taglöhnec von Sandhausen, wegen KokA.,
Verletzung 3 Tage Gefängniß, 3. Peter KrambS, CigafA
wacher von Kirchheim, wegen Körperverletzung 1
Gefängniß, die Mitangeklagten Wilhelm Stürmer,
aarrenmacher von Zuzenhausen, und Peter KlinaM'
Cigarrenmacher von Kirchheim, wurden freigespr"»
4- Johann Georg Stoll von Sandhaufen erhielt
Körperverletzung eine Geldstrafe von 30 M., die Mlt.a»^
klagten Philipp Breiter von Sandhaufen und HH»^„
Moser von Kirchardt wurden freigesprochen. 5- , r
Kaspar, Konditor von Dux, und Gustav Killguß,
von Ebingen, erhielten wegen Ruhestörung, Wiedmf»'.,
und Gefangenenbesreiuna Kaspar 10 und 3 Tage Gtt» j,
niß, Killguß 3 Tage Gefängniß. 6 Georg Seitz,
arbeiter von Plankstadt, erhielt wegen Unterschlag»^»
Tage Gefängniß, der mitangeklagte Johann KuE-h,
dort wurde fceigesprochen. 7. Johann Adam Müsch,. U,ei
Wirth von Eppelheim, erhielt wegen Diebstahls u-HU^r
3 Tage Gefängniß. 8. Johann Jakob Weber,
von Handschuhsheim, wegen Diebstahls 3 Wochen GF?!»,,
niß. 9. Philipp Kettemann, Zimmermann von Klk«»^,
wurde von der Anklage wegen Körperverletzung
sprochen- ,,
* Mannheim, 23. Nov. Strafkamme
1. Der 25 Jahre alte Schlosser Michael W
stein von Ilvesheim, der den Taglöhner Karl "
durch Fußtritte verletzt, war schöffengerichtlich zu/',,,
Geldstrafe von 20 Mark verurtheilt worden. Aw
steinS Berufung hatte den Erfolg der FceispreHE
DaS Gericht nahm Nothwehr an.
2. Der 25 Jahre alte Friseur Georg Kettner"
Feudenheim, der am Abend des 7. Sept. d. -3- .
diebischer Absicht in die Behausung seines
Prinzipals des Friseurs Hermann Eckert in Käsekw.
eingestiegen sein soll, wurde von der Anklage »e
schwerer Verdachtsgründe als nicht überführt, Aw
sprochen.
3. DaS Schöffengericht hatte den Schlosser 3
Hanner Eberts von Sandhosen wegen MißhaM».?
der TaglöhnerS Helffrich zu 14 Tagen GefaE»
verurtheilt. Die Berufung des Verurtheilten
erfolglos.
4. Furchtbare Folgen hatte fahrlässiger UM",,
mit einem Revolver durch den 18 Jahre alten
macher Philipp Widemayer von Weinheim-, ",
Abend des 11. Okt. d. I. reinigte Widemayer ul
Küche der elterlichen Wohnung einen Revolver.
er ihn am nächsten Tage verkaufen wollte. Die «v»ü
war noch mit einer Patrone geladen, trotzdem «L
öffnete der Bursche Hahn und Sicherung.
krachte ein Schuß. Die Kugel drang der dem
scheu gegenäbersitzenden Schwester in den Kops
dar eben noch in voller Gesundheit blühende sünW'
jährige Mädchen war eine Leiche. Der fahrest
Mörder feiner Schwester wurde heute zu 4 Mona
Gefängniß verurtheilt.
 
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