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Unterhaltungsblatt zum "Pfälzer Boten" — 1907

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Nr. 1
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Zum weg ins neue Jahr!

Von Julius Lorillard.

Aus den umnachteten Tiefen,
Bietet ein junges Jahr
Wieder uns hoffenden Menschen
Rätsel der Schicksale darl
Zielen und Wünschen entgegen,
Die unser Herz sich gewählt —
Trachten wir, daß unter diesen
Auch nicht das Wichtigste fehlt!

Rätsel der kommenden Dinge,
Die uns die Zukunft bringt:
Gutes und Böses die Lulle,
Das uns im Leben umringt!
Halten wir stets uns vor Augen,
wer wohl wir wallenden sind:
Daß erst am Ziel dieses Lebens,
Ewiges Leben beginnt!

Ändernden Schicksalsgewalten,
Die da vernichten, erbau'n,
Dürfen wir Menschenkinder
wieder entgegenschau'n.
Daß unter allen den Pilgern,
Die da so rüstig geh'n —
Viele das Ende des Jahres
Nicht mehr als — Lebende seh'n!

wie auf erschlossenem Pfade
Wandeln wir Alle dahin:
Diese durch Dornengestrüpxe,
Jene durch heiteres Grün.
Seien wir wand'rer auf Lrden,
Christen im Glück und in Müh'n,
Die ihrer ewigen Heimat
Gläubig entgegenzieh'n!

„Unsere Fomietz."
Novelle von Luise Stratil-Jung.
^Nachdruck verboten.!
I.
Fräulein Auguste Otawi, die
junge Erzieherin der gräflichen
Kinder, stand vor ihrem'halb ge-
packten Koffer und legte Stück für
Stück ihrer Garderobe mit ordnender
Hand hinein. Man nannte sie eine
Schönheit. Ihr tief dunkles, fast
schwarzes Haar war, ganz der herr-
schenden Mode entgegen, in der
Mitte glatt gescheitelt und schlang
sich ohne jede Stellung zu einem
kunstlosen Knoten im Nacken zu-
sammen. Diese einfache Haartracht
rahmte ein schneeweißes Gesicht vom
reinsten griechischen Schnitt wun-
derbar ein, und die dunklen Augen
darin leuchteten mit züchtigem
Glanze. Ueber ihrer ganzen Er-
scheinung lag eine reine, edle Vor-
nehmheit, die das Herz und die
Seele fesselte. —
Ihr Abschied vom Schlosse war
kein freiwilliger. Das stets gut-
mütige Entgegenkommen ihrer
Herrin, die anschmiegende, über-
sprudelnde Zärtlichkeit der jungen
Komteß, die stürmffchen Liebesbe-
weise ihrer beiden Zöglinge ließen
sie vergessen, — daß sie hier nur
eine Fremde war.
Da, vor einigen Wochen, bat

Der Einzug des neuen römisch-katholischen Patriarchen
in Jerusalem.


sie die Gräfin, auf ihr Zimmer zu
kommen.
Sie erinnerte sich noch genau
jener Stunde bitterer Enttäuschung!
Jubelnden Herzens folgte sie dem
Rufe, zitternd vor Erregung.
Wie ganz anders aber kam cs!
Was sie heimlich erhofft, was für
sie den Inbegriff des Lebens, des
Glückes bedeutete, — es sollte nicht
erfüllt werden!
Nicht in kühlen, aber in ge-
messenen Worten wurde ihr mitge-
teilt, daß es nun hoch an der Zeit
wäre, bei den „beiden Kleinen" mit
dem Unterricht in der englischen
Sprache zu beginnen, weshalb sie
nun entbehrlich wäre, da in einigen
Wochen eine Engländerin eintreffen
werde.
Die Gräfin war selbst etwas
verwirrt und sprach hastig, um ihre
Bewegung zu verbergen.
Die Erzieherin stand wie er-
starrt da: Ein unendlich banges
Gefühl stieg in ihr auf. Vorläufig
erfaßte sie nur das Eine, daß ihre
Herrin nicht für Kurt Lassen, den
jungen Oberverwalter des Gutes,
um sie warb, — wie sie es sich so
oft in ihren Phantasien ausmalte!
Mit einer unheimlichen Ruhe starrte
sie ins Leere. — Dann wurde sie
sich bewußt, daß sie nun alles, was
ihr lieb und teuer war, verlassen
müsse, daß ihr, der Waise, eine neue
 
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