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machen, als sie plötzlich ganz umringt war von einer Menge
Neugieriger, welche die fragenden Augen, als ob sie ein Wunder-
kind wäre, auf sie richteten. Um keinen Preis hätte sie jetzt
Rede stehen können, und rasch entschlossen setzte sie ihre flinken
Beinchen in Bewegung und nach wenigen Augenblicken war sie
den Erstaunten verschwunden.
Das alte benachbarte Schloß mit seinen ausgedehnten
Türmen, seinen in Felsen gehauenen Kerkern, Burgverliesen und
unterirdischen Gängen, dessen stolze Mauern als stumme Zeugen
der Größe wie auch der Grausamkeit früher hier residierender
Grafen und Ritter gelten, übte auch auf König Ludwig immer
ueue Auziehungskraft. Bei jedem Besuche bezeugte er dafür
neues Juteresse, neue Bewunderung, und ließ sich, um dasselbe
in seiner ganzen Schönheit überblicken zu können, auf eine ent-
fernt gelegene Anhöhe fahren, von wo aus es sich dem Auge
am imposantesten zeigte. Auch die hübsche katholische Kirche des
Ortes, deren Inneres durch kunstvolle Malerei recht sehenswert
ist, durfte sich jedesmal des königlichen Besuches erfreuen.
Nachdem auch heute dies alles wieder in Augenschein ge-
nommen und das darauf folgende Diner eingenommen war, ge-
stattete man es einem ausgewühlten Publikum in herablassender
Weise, von geöffneten Thüren aus während des Nachtisches die
königliche Tafel Zu überblicken. Daß von dieser Erlaubnis gern
Gebrauch gemacht wurde, läßt sich leicht denken; doch in respekt-
vollem Anstand hätte es niemand gewagt, die Schwelle der
offenen Thüre Zu übertreten. In Mitte der Tafel hatte der
König, ihm Zur Seite seine erlauchte Tochter Platz genommen,
und von hier aus ergoß sich wie ein leuchtender Strahl eine
animierte, ungezwungene Unterhaltung mit den übrigen Teil-
nehmern. Zwei jugendfrische, anmutige Gestalten, erwachsene
Töchter hier ansässiiger Beamten, hatten bereitwilligst das Amt
des Servierens übernommen und glichen in freundlicher Aus-
übung desselben leichten kredenzenden Heben. Hier bleibt auch
des ehrwürdigen Bürgermeisters der Gemeinde zu erwähnen,
einer Figur von ächtem Schrot und Korn, welcher im langen
schwarzen Nock mit zu Tische saß, das silberne Bildnis des
Königs an blauem Bande über der Brust tragend. Er war
damit beschäftigt, eine Orange zu verzehren, und fing an, nach-
dem er die seltene Frucht eine Weile prüfend in den Händen
gehalten, das fleischige Innere derselben mit dem Messer aus-
zuhöhlen.
„Majestät wünscht, daß die kleine Mathilde zu ihr ge-
führt werde U mit diesen Worten brach sich ein blau livrierter
Diener Bahn in der zuschauenden Menge. Die Gesuchte war
auch bald zur Stelle und stand nach kurzer Zeit hinter dem
Stuhle des Königs. Dieser nahm sie auf die Kuiee, richtete
verschiedene Fragen an sie, welche in naiver Weise mit „ja"
oder „nein Herr König" beantwortet wurden, worüber der könig-
liche Kinderfreund jedesmal ein Lächeln unterdrückte. Mit
allerlei Süßigkeiten reich beschenkt, bekam die Kleine noch den
königlichen wohlgemeinten Rat, sich recht oit in den Mairegen
Zu stellen, der das Wachstum so kleiner Personen sehr befördere.
Mit dem Versprechen auf Wiedersehen im nächsten Jahre, mit
Kuß und Händedruck verabschiedete sich der gütige Monarch.
Auf Wiedersehen! Gott hat es anders gewollt, es war das
letztemal, daß er D. besuchte. Freundliche Abschiedsworte
richtete noch die Großherzogin an ihre beglückte Namensschwester,
und ein Herr von Gemeiner, drückte ihr noch duftende Bonbons
in die kleinen Hände.
Schon hatten die königlichen Wagen den Ort verlassen und
der denkwürdige Tag neigte sich zum Ende, als auf „allerhöchsten"
Befehl die Reste von Torten und sonstigem Backwerk der könig-
lichen Tafel unserer überraschten Mathilde Zugeschickt wurden.
Lange Jahre sind verflossen, manche denkwürdigen Tage
liegen zwischen dem Damals und Heute. König Ludwig I.
sowie seine allzufrüh volleudete Tochter sind längst nicht mehr
unter den Lebenden. Doch sie leben fort in dankbarer Er-
innerung in den Herzen des Volkes, in welche sich namentlich
der König durch seinen edleu Sinn für alles Erhabene und
Schöne, sein wohlwollendes Wesen, das nicht müde wurde, Wohl-
thaten auszustreuen, ein bleibendes Denkmal der Verehrung Zu
setzen verstand. In den Jubel des Landes, welches sich vor-
bereitet, den 100jährigen Geburtstag seines Heimgegangenen
Fürsten festlich Zu begehen, wird gewiß auch die Pfalz nicht
versäumen, freudig mit einzustimmen. Hat er doch bei jeder
Gelegenheit bewiesen, wie die schöne, gesegnete Pfalz, auf dessen
Besitz er mit gerechtem Stolze herniederblickte, wie die offenen
Pfälzer, seine volle Sympathie besitzend, seinem Herzen so nahe
lagen. Gerade die Pfalz hat den Verlust des teuren Fürsten
am meisten Zu beklagen. Die schöne Villa am Fuße der Haardt
ist längst verwaist, und wenn auch das dankbare Volk seine
Liebe in treuer Anhänglichkeit auf dessen genialen Enkel un-
verändert übertrug, es ist ein stiller Wunsch geblieben, seiner !
Verehrung vollen Ausdruck auf pfälzischem Boden geben zu
können. — Und die kleine Mathilde? wird der Leser fragen.
So lebensfroh sie in die Zukunft schaute, rauhe Stürme
sind auch ihrem Lebensschifflein nicht erspart geblieben. Und
wenn sie auch in fremdem Lande ihre zweite Heimat gefunden,
die Liebe zum Psälzerlande ist nicht erkaltet. Aus vollem
Herzen stimmt sie daher mit ein in den kommenden Jubel der
berührten lOOjährigeu Geburtstagsfeier, indem sie in stiller
Verehrung und dankbarer Erinnerung des eben geschilderten
Tages gedenket.
L. M. ß.
Aus der pfälzischen Keschichte.
Ehedem waren die Pfalzgrafen ^.ävoeoU und VWoäolnuU der meisten
Bistümer, Abteien, Prälaturen und Klöster, und übten dieses Recht auch
in den angrenzenden Provinzen, die ehemals zum Herzogthume Frauken
gehörten, aus. Psalzgras Heinrich II. von Lach (st 12. April 1095) nennt
sich in einer Urkunde vom Jahre 1093, krast welcher er das Kloster Lach
stiftete, zum erstenmale „Pfalzgraf bei Rhein." Drei Jahre zuvor ward
er, als Kaiser Heinrich IV. nach Italien ging, zum Reichs-Vicarius ernannt.
Diese seine Rechte behielt sich Heinrich von Lach in der besagten Stiftungs-
urkunde besonders vor. — Er starb kinderlos.
ZZri efkasten.
Herrn K. in M. A. — Herrn I. C. in Z. — Herrn A. L. in M.
— Herrn K. in ? Dankend erhalten und zum Abdrucke bestimmt.
Herausgegcben und verlegt vom Verein pfälzischer Schriftsteller.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Hüll, Ui-. U. Neustadt a. d. H.
Druck und Expedition: Aktiendruckerei Neustadt a. H.
machen, als sie plötzlich ganz umringt war von einer Menge
Neugieriger, welche die fragenden Augen, als ob sie ein Wunder-
kind wäre, auf sie richteten. Um keinen Preis hätte sie jetzt
Rede stehen können, und rasch entschlossen setzte sie ihre flinken
Beinchen in Bewegung und nach wenigen Augenblicken war sie
den Erstaunten verschwunden.
Das alte benachbarte Schloß mit seinen ausgedehnten
Türmen, seinen in Felsen gehauenen Kerkern, Burgverliesen und
unterirdischen Gängen, dessen stolze Mauern als stumme Zeugen
der Größe wie auch der Grausamkeit früher hier residierender
Grafen und Ritter gelten, übte auch auf König Ludwig immer
ueue Auziehungskraft. Bei jedem Besuche bezeugte er dafür
neues Juteresse, neue Bewunderung, und ließ sich, um dasselbe
in seiner ganzen Schönheit überblicken zu können, auf eine ent-
fernt gelegene Anhöhe fahren, von wo aus es sich dem Auge
am imposantesten zeigte. Auch die hübsche katholische Kirche des
Ortes, deren Inneres durch kunstvolle Malerei recht sehenswert
ist, durfte sich jedesmal des königlichen Besuches erfreuen.
Nachdem auch heute dies alles wieder in Augenschein ge-
nommen und das darauf folgende Diner eingenommen war, ge-
stattete man es einem ausgewühlten Publikum in herablassender
Weise, von geöffneten Thüren aus während des Nachtisches die
königliche Tafel Zu überblicken. Daß von dieser Erlaubnis gern
Gebrauch gemacht wurde, läßt sich leicht denken; doch in respekt-
vollem Anstand hätte es niemand gewagt, die Schwelle der
offenen Thüre Zu übertreten. In Mitte der Tafel hatte der
König, ihm Zur Seite seine erlauchte Tochter Platz genommen,
und von hier aus ergoß sich wie ein leuchtender Strahl eine
animierte, ungezwungene Unterhaltung mit den übrigen Teil-
nehmern. Zwei jugendfrische, anmutige Gestalten, erwachsene
Töchter hier ansässiiger Beamten, hatten bereitwilligst das Amt
des Servierens übernommen und glichen in freundlicher Aus-
übung desselben leichten kredenzenden Heben. Hier bleibt auch
des ehrwürdigen Bürgermeisters der Gemeinde zu erwähnen,
einer Figur von ächtem Schrot und Korn, welcher im langen
schwarzen Nock mit zu Tische saß, das silberne Bildnis des
Königs an blauem Bande über der Brust tragend. Er war
damit beschäftigt, eine Orange zu verzehren, und fing an, nach-
dem er die seltene Frucht eine Weile prüfend in den Händen
gehalten, das fleischige Innere derselben mit dem Messer aus-
zuhöhlen.
„Majestät wünscht, daß die kleine Mathilde zu ihr ge-
führt werde U mit diesen Worten brach sich ein blau livrierter
Diener Bahn in der zuschauenden Menge. Die Gesuchte war
auch bald zur Stelle und stand nach kurzer Zeit hinter dem
Stuhle des Königs. Dieser nahm sie auf die Kuiee, richtete
verschiedene Fragen an sie, welche in naiver Weise mit „ja"
oder „nein Herr König" beantwortet wurden, worüber der könig-
liche Kinderfreund jedesmal ein Lächeln unterdrückte. Mit
allerlei Süßigkeiten reich beschenkt, bekam die Kleine noch den
königlichen wohlgemeinten Rat, sich recht oit in den Mairegen
Zu stellen, der das Wachstum so kleiner Personen sehr befördere.
Mit dem Versprechen auf Wiedersehen im nächsten Jahre, mit
Kuß und Händedruck verabschiedete sich der gütige Monarch.
Auf Wiedersehen! Gott hat es anders gewollt, es war das
letztemal, daß er D. besuchte. Freundliche Abschiedsworte
richtete noch die Großherzogin an ihre beglückte Namensschwester,
und ein Herr von Gemeiner, drückte ihr noch duftende Bonbons
in die kleinen Hände.
Schon hatten die königlichen Wagen den Ort verlassen und
der denkwürdige Tag neigte sich zum Ende, als auf „allerhöchsten"
Befehl die Reste von Torten und sonstigem Backwerk der könig-
lichen Tafel unserer überraschten Mathilde Zugeschickt wurden.
Lange Jahre sind verflossen, manche denkwürdigen Tage
liegen zwischen dem Damals und Heute. König Ludwig I.
sowie seine allzufrüh volleudete Tochter sind längst nicht mehr
unter den Lebenden. Doch sie leben fort in dankbarer Er-
innerung in den Herzen des Volkes, in welche sich namentlich
der König durch seinen edleu Sinn für alles Erhabene und
Schöne, sein wohlwollendes Wesen, das nicht müde wurde, Wohl-
thaten auszustreuen, ein bleibendes Denkmal der Verehrung Zu
setzen verstand. In den Jubel des Landes, welches sich vor-
bereitet, den 100jährigen Geburtstag seines Heimgegangenen
Fürsten festlich Zu begehen, wird gewiß auch die Pfalz nicht
versäumen, freudig mit einzustimmen. Hat er doch bei jeder
Gelegenheit bewiesen, wie die schöne, gesegnete Pfalz, auf dessen
Besitz er mit gerechtem Stolze herniederblickte, wie die offenen
Pfälzer, seine volle Sympathie besitzend, seinem Herzen so nahe
lagen. Gerade die Pfalz hat den Verlust des teuren Fürsten
am meisten Zu beklagen. Die schöne Villa am Fuße der Haardt
ist längst verwaist, und wenn auch das dankbare Volk seine
Liebe in treuer Anhänglichkeit auf dessen genialen Enkel un-
verändert übertrug, es ist ein stiller Wunsch geblieben, seiner !
Verehrung vollen Ausdruck auf pfälzischem Boden geben zu
können. — Und die kleine Mathilde? wird der Leser fragen.
So lebensfroh sie in die Zukunft schaute, rauhe Stürme
sind auch ihrem Lebensschifflein nicht erspart geblieben. Und
wenn sie auch in fremdem Lande ihre zweite Heimat gefunden,
die Liebe zum Psälzerlande ist nicht erkaltet. Aus vollem
Herzen stimmt sie daher mit ein in den kommenden Jubel der
berührten lOOjährigeu Geburtstagsfeier, indem sie in stiller
Verehrung und dankbarer Erinnerung des eben geschilderten
Tages gedenket.
L. M. ß.
Aus der pfälzischen Keschichte.
Ehedem waren die Pfalzgrafen ^.ävoeoU und VWoäolnuU der meisten
Bistümer, Abteien, Prälaturen und Klöster, und übten dieses Recht auch
in den angrenzenden Provinzen, die ehemals zum Herzogthume Frauken
gehörten, aus. Psalzgras Heinrich II. von Lach (st 12. April 1095) nennt
sich in einer Urkunde vom Jahre 1093, krast welcher er das Kloster Lach
stiftete, zum erstenmale „Pfalzgraf bei Rhein." Drei Jahre zuvor ward
er, als Kaiser Heinrich IV. nach Italien ging, zum Reichs-Vicarius ernannt.
Diese seine Rechte behielt sich Heinrich von Lach in der besagten Stiftungs-
urkunde besonders vor. — Er starb kinderlos.
ZZri efkasten.
Herrn K. in M. A. — Herrn I. C. in Z. — Herrn A. L. in M.
— Herrn K. in ? Dankend erhalten und zum Abdrucke bestimmt.
Herausgegcben und verlegt vom Verein pfälzischer Schriftsteller.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Hüll, Ui-. U. Neustadt a. d. H.
Druck und Expedition: Aktiendruckerei Neustadt a. H.