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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 3.1886

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Nr. 12 (1. Dezember 1886)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29788#0091
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„So ist es," sprach freudig bewegt der Priester. „Als er
sah," fuhr er fort, „wie ich eben die Schuhe lösen wollte, uw
den Gießbach zn durchwaten, da schenkte er mir das Noß, daß
es künftig dem Dienst der Kirche geweiht sei, und kehrte zu
Fuße Heini. Der so fromm und demütig war, ist nnn unser
König." *>
„Gott segne ihn!" sprach gerührt der Domscholaster.
„lind Ihr," fuhr er fort, „trüget durch unfern Herrn das
meiste bei, daß die Wahl auf Herrn Rudolf fiel?"
„Ich thats, weil ich es für meine Pflicht hielt, dafür nach
Kräften zn wirken, daß Deutschland eines tüchtigen nnd frommen
Herrn sich erfreue!" So sprach der Kaplan.
„Gott lohn's Euch!" war des Domscholasters Gegenrede.
„Weiß das der König?"
„Er weiß es!" antwortete jener.
„Gut, so ist er Euch verpflichtet," fuhr der Domscholaster
fort. „Und darauf bau' ich eine schöne Hoffnung.' Er erzählte
nnn dem Kaplan den ganzen Zusammenhang der Geschichte
Gisbalds und des königlichen Schwurs. Er verschwieg selbst
die Liebe der Tochter seines Bruders Zu dem Jüngling nicht,
nicht den grenzenlosen Haß dieses selbst, und sorderte ihn dann
auf, ihn nach Fantzberg zu begleiten, um das letzte zu ver-
suchen, indem er ihm versprach, die Erlaubnis des Erzbischofs
zu erwirken.
Der Kaplan stimmte augenblicklich zu nnd der Domscholaster
eilte, ihm die Erlaubnis zu verschaffen.
So segelte dann mit günstigem Winde am andern Morgen
ein wohlverwahrter Kahn ab aus dem Hafen von Mainz gen
Bingen, in dem dreie saßen, wie einst früher, als zuerst nach
Jahren wieder der Domscholaster gen Lorch fuhr. Er war es
selbst, nnd der Kaplan nnd ein Herz, das fast in der Angst um
den Geliebten brach, das aber, alle kindische Furcht von sich
werfend, zum höchsten Heldentum der Liebe sich erhoben hatte,
nämlich, alles geringe zu achten gegen das eine: den Geliebten
Zn retten. Wie pfeilschnell auch der Kahn flog, er ging ihr zu
langsam. Wie lebhaft auch die beiden Männer sprachen, sie
vernahm der Worte keines, denn ihre Seele war dort auf der
steilgelegenen Burg, wo Gisbald war. Wie sie auch das arme
bangende Kind tröiteten, sie konnten ihr keine Gewißheit geben,
und solange die fehlt, hat das Herz keinen Frieden, und kann
ihn eher nicht und nirgends gewinnen.
Endlich lag das Brausen des Bingerloches hinter ihnen,
und auch die Stelle, wo einst der Jüngling von ihrem Bater
war gerettet worden. Allmälig trat Fautzberg hervor nnd bald
die Landspitze, wo Sankt Clemens Kirche hernachmals erbaut
wurde. Dort stand das Zelt, wo Habsburgs Fahne wehte —
dort mußten sie landen.
Aber je näher sie kamen, desto furchtbarer wuchs Hedwigs
Angst, desto heftiger schlug ihr Herz, desto bleicher wurden ihre
Lippen und ihr Antlitz.
„Kind," rief der Domscholaster, „nimm einen Trunk Wein,
Du stirbst mir ja!"
Aber sie wehrte es ab nnd ihre Thränen rannen in Strömen.
Schon sah man deutlich, was um das Zelt des Königs
vorging. Menschen drängten sich dort in Haufen; meistens

Johannes von Müller erzählt nach Tschndi, daß der Priester, dem
Rudolf einst sein Pferd geliehen, Kaplan des Erzbischofs von Mainz ge-
worden, und viel zu Rudolfs Wahl beigetragen habe. Schweiz. Gesch. III.
173, Anmerk. 92.

waren es Bewaffnete, reisige Männer der Städte oder Rudolfs.
Sie waren von Soneck zurück. Die mutigen Verteidiger waren
im Turme endlich zu Gefangenen gemacht worden, aber erst,
nachdem sie alle bis zur Wehrlosigkeit verwundet worden waren.
Die Flamme hatte die Burg ganz verzehrt, und Rudolf den
furchtbaren Spruch gethan: Soneck solle keine Urständ
mehr sehen!
Als man ihm die heldenmütige Verteidigung der drei
Sonecker meldete, sprach er fast wehmütig: „Schade nm sie!
Sie waren eines besseren Looses würdig!"
Ohne weiter die Gefangenen anzusehen, kehrte Rudolf in
sein Zelt zurück und mit ihm der Walpode und die Ritter nnd
Herren feines Gefolges. Auch die Reisigen verließen die Burg,
nachdem sie reiche Bente gemacht, nm die Flamme wüten zn
lassen, ehe sie das Werk der Zerstörung vollendeten. Sie führten
die Gefangenen mit sich im wildesten und rohesten Triumphe.
Als die Gefangenen dem Zelte nahten, bot ihr Anblick
wirklich etwas Entsetzenerregendes dar. Es war Gisbald,
Johann nnd Kurt von Soneck, nebst Knappen und reisigen
Männern, ihrer in allem noch dreizehn. Gisbalds linker Arm war
gelähmt; doch auch der rechte hing blutend herab, denn er war
von des Walpoden Schwert hart getroffen. Ueber seinem Haupte
war ein tiefer Hieb. Das Blut rann über das Gesicht, daß es
kaum kenntlich war; nnd doch ging er noch so stolz einher, als
sei er der Sieger nnd jene die Besiegten. Auch seine Vettern
waren verwundet; aber in ihnen ging das schlechte Gewissen
über den männlichen Rittermnt. Es stand die Todesfurcht recht
leserlich in ihren fiügen.
Eben als die Flamme aus Sonecks Mauern schlug, läutete
in Lorch das Totcnglöcklein. Es galt dem alten Landmarschall
von Waldeck von Soneck, dem Vater Johanns und Kurts, dem
Großvater Gisbalds. Der Schlag hatte ihn getroffen bei diesem
Anblick. Er war bei dem Könige gewesen nnd hatte knieend
gefleht um Gnade für seine Söhne; aber der König hatte ge-
antwortet :
„Hättet Ihr als Vater Eure Pflicht gethan, nimmer
würden Eure Söhne Räuber geworden sein, nimmer Eueren
Stamm und Namen befleckt haben. Nun aber hemmet nicht
den Weg der Gerechtigkeit! Lasset die Räuber ihren verdienten
Lohn ernten, denn es sind keine Ritter, sondern die lasterhaftesten
Diebe und Räuber, welche die Armen mit Gewalt unterdrückten,
den Frieden gewaltsam brachen nnd die geheiligten Rechte des
Reiches mit Füßen traten. Der wahre Adel hält Treu' nnd
Glauben, pflegt der Tugend, liebt Gerechtigkeit, beleidigt Nie-
manden, fügt keinem Unrecht zu. Wer wahrhaftig adelig ist,
verteidigt die Gerechtigkeit bis zum letzten Blutstropfen. Er
macht sich keines Diebstahls schuldig, nimmt nicht teil am Raube.
Sparet also Eure Worte, wenn Ihr ein Ritter seid, und höret
ans, für die Räuber zn bitten, die Eure Söhne nicht mehr sind,
die, nnd wären sie auch Grasen und Herzöge, so wahr ich Richter
bin, der Strafe nicht entgehen sollen, die sie verdienen. Keinem
Ritter ist es anständig, die Armen gewaltsam zu unterdrücken,
sondern es ist seine Pflicht, sie auf alle Art zu schützen. So
ist es meine Pflicht, und ich will sie erfüllen, indem ich die
Räuber strafe!"
Da wankte der Greis hinaus, getroffen von der Macht
dieses Wortes, und eilte hinüber nach Lorch, wo ihn der Tod
ereilte. Aber das Volk rief ein jubelnd Hoch dem Könige, der
Recht und Gerechtigkeit handhabte.
 
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