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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 15.1898

DOI issue:
Nr. 5 (1. Mai 1898)
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https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pfaelzisches_museum1898/0070
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in Amtsstuben verwandelt/ seitdem der Staat van dem verlassenen Kloster Besitz
ergriffen hatte. Zu den Jnnenränmen des Hauses „führten breite Korridore/ die
ihr Licht von einem großen Hof her empfingen. Überraschend war der Anblick
dieses Hofes 'von den Gängen aus. Er bot einen wohlthnenden Gegensatz zum
Äußeren des mächtigen Bauwerks/ das in seiner Gesamtheit etwas düsteres hatte.
Den Hof umschlossen im Viereck die Gebäudemassen des alten Klosters und inner-
halb dieser erstreckte sich über drei Seiten ein kunstvoll erbauter Kreuzgang.
Gegen Süden hatte der Hof einen besonders prächtigen Abschluß durch die Kloster-
kirche, deren hohe Spitzbogenfenster feierlich in den Raum herabblickten. Ein Dachreiter
von feinen gothischen Formen ragte aus der Mitte des steilen Kirchendaches hervor/
seine zierlichen Kreuzblumen bildeten einen herrlichen Rahmen für das Glöcklein/
das frei in der spißenartig durchbrochenen Wölbung des Dachreiter-Türmchens hing.
Auch der Kreuzgaug war im gotischen Baustil gefügt und, wunderbar, das Maßwerk
ans rotem Sandstein zeigte bei fast jeder der vielen Bogenöffnungen verschiedenartige
Formen und Zierrate. Hier und dort fehlte zwar einer der schlanken Maßwerkstäbe,
auch Teile des Maßwerks selbst wareu bei einigen Bögen ausgebrochen, doch schienen
so die Lücken und Schäden das hohe Alter des Kreuzgangs bezeugen zu wollen. Fast
mitten auf der verwilderten Fläche, die der alte Kreuzgaug und die Klosterkirche
so kostbar umrahmten, stand einsam eine Linde und an der Rückwand des Mittel-
baues erblickte inan ein hohes Kruzifix, das von eisernen Klammern an der Mauer
festgehalten wurde/ Kreuz und Christus wareu aus einem einzigen ungeheuren
Sandsteinblock ausgemeißelt. Der Körper des Gekreuzigten, in überirdischer Größe
und edler Knnstform dargestellt, erweckte mit seinen, verklärten Gcsichtsansdrnck
menschliches Mitleid, ehrfurchtsvolles Schauern. Unten stützte sich das gewaltige
Kruzifix auf einen Steinblvck, an dessen Vorderseite ein Totenkopf angebracht war.
Unheimlich lugte der Schädel durchs hohe Gras, das am Fuße des Kreuzes üppig
wucherte.
Durch die großen Fenster des Korridors, den Schönlaub jetzt von Hartschieren
begleitet, durchschritt, konnte dieser den geheimnisvollen Hof samt dem Kreuzgaug
fast ganz überblicken. Still und menschenleer war es darin wie in einer Gräber-
stätte. Spuren von Grabhügeln bekundeten übrigens, daß ein Teil des Hofes den
Mönchen als Begräbnisplatz gedient hatte/ verwildert und verwahrlost aber war
jetzt alles. Und gerade deshalb breitete sich ein Schimmer von Romantik über
dem Ganzen ans/ ein Strahl der Abendsonne beleuchtete dazu das Steinbild des
Gekreuzigten und goß Verklärung über das Antlltz des unermeßlichen Dulders.
Schönlaubs Auge wurde unwillkürlich von dem Anblick gefesselt. Es kani etwas
über ihn, wie Reue ob seiner Nichtswürdigkeit. Der geheimnisvolle alte Ban, der
lucht- und farbendurchglühte Hof mit seinem zerbröckelnden Kreuzgang nach dein
erhabenen Bild des Erlösers hatten einen unwiderstehlichen Zauber auch auf das
so verstockte Gemüt Schönlaubs ausgeübt. Deu Blick auf das Kreuz gerichtet,
fiel ihm der arme Goldschmied ein, der jetzt im Elend verkam, weil er sein treues
deutsches Herz nicht verlüugnen konnte, und er, Schönlaub, der gewesene Gebieter
in der Stadt, der Abtrünnige des deutschen Volkes, der Verräter an seinem Vater-
land, er war es, der den ehrlichen aber unklugen Feuergeist vernichtet hatte mit
angemaßter Gewalt und hinterlistiger Machenschaft! Das Knarren einer Thüre
schreckte Schönlaub aus diesen beschämenden Rückerinnerungen aus. In er war
ein Verbrecher und die Strafe hatte ihn erreicht, Schande harrte seiner.
Der Gerichtsdiener hatte die Thüre zu dem Gemach geöffnet, das Schönlaub
nun zum Aufenthalt dienen sollte. Es war ein llndlich ausgestatteter Raum, der
Bett, Tisch, Stuhl, kurz das nötigste, aber nichts darüber, enthielt. Ohne viele
Umstände führten die Hartschiere ihren Häftling hinein. Die Thüre schloß sich,
knirschend drehte sich der Schlüssel im Schlosse herum und Schönlaub war mit seineu
quälenden Gedanken allein.
 
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