FORMALITÄT UND GESETZLICHKEIT DES
ZUSTÄNDIGKEITSRECHTS: FORUM NON
CONVENIENS ALS VERLETZUNG DES PRINZIPS
DER ZUSTÄNDIGKEITSKLARHEIT
A. Ausgangsbefund
I. Einführung
F. Frankfurter, einstmals Richter am U.S.-Supreme Court, hat die dem
anglo-amerikanischen Prozeßrecht zugehörige Lehre vom forum non
conveniens einmal als Manifestation eines zivilisierten Zuständigkeits-
rechts charakterisiert1. Die deutsche Diskussion verdächtigt sie dem-
gegenüber des Verstoßes gegen den Justizanspruch2. - In schärferer
Zuspitzung kann sich das Wertungsproblem der Formalität des Zustän-
digkeitsrechts und zugleich die Relevanz des Justizanspruchs der Partei-
en für seine Lösung kaum präsentieren.
Die Lehre vom forum non conveniens im Zivilprozeß des anglo-ame-
rikanischen Rechtskreises beruht, um eine erste Beschreibung zu geben,
auf der dort (in unterschiedlicher Ausprägung) anerkannten richterli-
chen Befugnis, eine nach allgemeinen Zuständigkeitsregeln bestehende
Zuständigkeit nach richterlichem Ermessen nicht auszuüben und des-
halb die Klage abzuweisen, sofern den Angemessenheitsinteressen der
Parteien und den Zwecken staatlicher Rechtspflege durch Verhandlung
vor einem anderen Gericht besser gedient wäre3. Das ihr zugrundelie-
gende Prinzip hat bisher - von einigen eher als Irrläufern anzusehenden
instanzgerichtlichen Entscheidungen4, die sich zudem nicht ausdrück-
1 Baltimore & Ohio R. Co. v. Kepner, 314 U.S. 44 (55).
2 Dazu unten § 8 B.
3 Statt vieler zunächst James/Hazard, Civ. Proc., § 2.20, S. 86.
4 OLG Hamm, IPRspr. 1962-63, Nr. 222 (Verneinung einer an sich bestehenden Siche-
rungszuständigkeit im Nachlaßverfahren mangels inländischen Aktivvermögens); Beren-
brok, Internationale Nachlaßabwicklung, S. 94 ff., nennt außerdem diejenigen Fälle, in de-
nen die an sich wegen der Unzumutbarkeit des Gangs vor die Nachlaßgerichte der
früheren DDR bestehende bundesdeutsche Zuständigkeit bei tatsächlichen Verrichtungen
wie Testamentsaufbewahrung oder -anfechtung doch zugemutet wurde, BayObLG, IPR-
381
ZUSTÄNDIGKEITSRECHTS: FORUM NON
CONVENIENS ALS VERLETZUNG DES PRINZIPS
DER ZUSTÄNDIGKEITSKLARHEIT
A. Ausgangsbefund
I. Einführung
F. Frankfurter, einstmals Richter am U.S.-Supreme Court, hat die dem
anglo-amerikanischen Prozeßrecht zugehörige Lehre vom forum non
conveniens einmal als Manifestation eines zivilisierten Zuständigkeits-
rechts charakterisiert1. Die deutsche Diskussion verdächtigt sie dem-
gegenüber des Verstoßes gegen den Justizanspruch2. - In schärferer
Zuspitzung kann sich das Wertungsproblem der Formalität des Zustän-
digkeitsrechts und zugleich die Relevanz des Justizanspruchs der Partei-
en für seine Lösung kaum präsentieren.
Die Lehre vom forum non conveniens im Zivilprozeß des anglo-ame-
rikanischen Rechtskreises beruht, um eine erste Beschreibung zu geben,
auf der dort (in unterschiedlicher Ausprägung) anerkannten richterli-
chen Befugnis, eine nach allgemeinen Zuständigkeitsregeln bestehende
Zuständigkeit nach richterlichem Ermessen nicht auszuüben und des-
halb die Klage abzuweisen, sofern den Angemessenheitsinteressen der
Parteien und den Zwecken staatlicher Rechtspflege durch Verhandlung
vor einem anderen Gericht besser gedient wäre3. Das ihr zugrundelie-
gende Prinzip hat bisher - von einigen eher als Irrläufern anzusehenden
instanzgerichtlichen Entscheidungen4, die sich zudem nicht ausdrück-
1 Baltimore & Ohio R. Co. v. Kepner, 314 U.S. 44 (55).
2 Dazu unten § 8 B.
3 Statt vieler zunächst James/Hazard, Civ. Proc., § 2.20, S. 86.
4 OLG Hamm, IPRspr. 1962-63, Nr. 222 (Verneinung einer an sich bestehenden Siche-
rungszuständigkeit im Nachlaßverfahren mangels inländischen Aktivvermögens); Beren-
brok, Internationale Nachlaßabwicklung, S. 94 ff., nennt außerdem diejenigen Fälle, in de-
nen die an sich wegen der Unzumutbarkeit des Gangs vor die Nachlaßgerichte der
früheren DDR bestehende bundesdeutsche Zuständigkeit bei tatsächlichen Verrichtungen
wie Testamentsaufbewahrung oder -anfechtung doch zugemutet wurde, BayObLG, IPR-
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