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Pfuhl, Ernst
Die Anfänge der griechischen Bildniskunst: ein Beitrag zur Geschichte der Individualität — München: Bruckmann, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.45258#0019
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im Sinne griechischer Kunst realistische Individualbildnis sich in die
Kunst des ausgehenden 5. oder selbst des frühen 4. Jahrhunderts ein-
fügen solle. Andere, die noch ferner stehen, werden finden, die Erfor-
schung der griechischen Kunst scheine noch in den Anfängen zu stehen,
wenn die ersten Forscher schwanken können, ob ein in vielen, zum Teil
ausgezeichneten Kopien erhaltenes hochbedeutendes Werk dem Ende
des 5. Jahrhunderts oder der Alexanderzeit angehöre; denn früher haben
Studniczka und andere den Neapler Euripides zum Aristoteles gestellt.
Ganz parallel ist das Schwanken, ob der Archidamos aus Herculanum Taf. lll 4
der zweite oder der dritte sei11). Jene nicht ganz fern Stehenden werden
linden, daß die Facharchäologie blind sei; aber das wäre ein Trug-
schluß: die genannten Gelehrten, welchen grade die Bildnisforschung
viele und zum Teil entscheidende Förderung verdankt, sind nichts weni-
ger als blind; wohl aber ist fast die ganze Fachwissenschaft in der vor-
liegenden Frage wundergläubig.
Aus der oben gekennzeichneten, durch heutiges Empfinden, mensch-
lich begreifliche Wünsche und gleißnerische Parallelen der literarischen
und der bildlichen Überlieferung bestimmten Einstellung heraus glaubt
man nur zu gern an ein entwicklungsgeschichtliches Wunder, das wie-
derum in der literarischen Überlieferung eine Stütze zu finden scheint:
dem Zeugnis des Plinius über Lysistratos stellt man das des Lukian
über Demetrios von Alopeke gegenüber12). Lukian schildert diesen atti-
“) Entdeckt und richtig auf Archidamos III., König von 361—338, bezogen von Wol-
ters, Röm. Mitt. III 1888 T. 4; so auch neuerdings Studniczka, Artemis und Iphigenie 115.
Bernoulli, Griech. Ikonographie I T. 12 (mit unbegründeten Zweifeln an der Benen-
nung). Arndt, Griech. u. röm. Porträts T. 765 f. Delbrück, Antike Porträts 18. Hehler,
Bildniskunst d. Griech. u. Römer 11. Da der König in Süditalien fiel und zwei Statuen
in Olympia sowie anscheinend eine weitere in Delphi besaß, ist das Auftreten seines
Bildnisses in Herkulanum nicht befremdlich. Die delphische Statue wird von Pomtow,
Delphi Nr. 140, auf den gleichen König, nicht auf den des peloponnesischen Krieges zu-
rückgeführt. Falls das zutrifft, verlören Furtwänglers ohnehin unhaltbare Ausführun-
gen, Meisterwerke 550 f. 1 ihre letzte schwache Stütze. Sonderbarerweise hat auch er,
der erfahrene Kenner griechischer Bronzen und römischer Marmorkopien, sich durch
die erzmäßige Behandlung des Haares in der Hauptansicht und die Vereinfachung an
dem flüchtig angelegten Ober- und Hinterkopf so beirren lassen, daß er darüber die
Formensprache des Gesichtes übersah. Ähnlich erging es Kekule und Schrader mit dem
Erzoriginal des Faustkämpfers aus Olympia, das vor Lysipp undenkbar ist (Sitz. Akad.
Berlin 1909, 694 ff.; 60. Berl. Winckelmannsprogr. 18 f.), ja sogar mit einem urhellenisti-
schen Werk, dem Faustkämpfer im Thermenmuseum, nach Winters Vorgang Amelung
in Helbigs Führer3 Nr. 1350. Hier ist allerdings die Stilisierung des Haares absichtlich
vereinfacht, wenn auch noch nicht gradezu klassizistisch. Den Stil der Statue hat Krah-
mer, Röm. Mitt. XXXIX 1924, 162 f. ausgezeichnet charakterisiert (zum Haar 158, 1).
12) Overbeck, Schriftquellen Nr. 897 ff. Ein polemisches Eingehen auf die umfang-
reiche Demetriosliteratur erübrigt sich angesichts meines grundsätzlich abweichenden

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