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Pinder, Wilhelm [Oth.]
Deutsche Burgen und feste Schlösser — Königstein im Taunus [u.a.]: Langewiesche, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.51456#0007
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urgeu und fcste Schlosser sind nicht nnr Kunstwerke und
I—^wollen nicht nnr als Kunstwerke gesehen sein. Sic wur--
tiefer am Boden, als etwa Kirchenbantcn — mit
denen man sie nicht gleichsten dürfte. Von der reinen Natur-
form der Landschaft bis znr reinen Knnstforin der Architektur
ist es ein weiter Weg.
Ihr Ursprung verweist die Burg an seinen Beginn. Sei«:
Ende braucht sie nicht zu erreichen, um wertvoll zu sein. Der
erste Sinn ihrer Form ist die Veränderung gegebenen Gelän-
des« sie will Herrschaft setzen und Schutz gewähren.
Das heißt, daß der Kern ihrer Gestaltung und der Kern
des Kirchcnbancs von entgegengesetzten Seiten her erwachsen.
Der kirchliche Nanin entrückt; er umschließt ein geistiges Er-
lebnis, und er erreicht seine Vollendung, wenn er noch durch
die Umfassung hindurch bis an die letzte Außenfläche heran
die Sprache dieses Erlebnisses redet. Selbst, was wir „Ge-
brauchszweck" nennen, ist hier jenseits des tägliche«: Kampfes
gelegen. Die Burg aber verdankt gerade diesen: ihr Da-
sein; ihr Lebe«: ist nut Not und Gefahr verstrickt, sie wächst
in der gleiche«: Schicht mit dem Lebe«: der Mensche«:, und
ihre Sprache redet auch zu täglichere«: Gefühlen. ,
Allerdings, im wirklichen Geschehen rücken auch ursprüng-
liche Gegensätze, wie Kirche und Burg, zusammen, verschlin-
gen sich und verbinden sich. Auch die Kirche muß sich oft
Bedingungen des niedere«: Lebens anbequemen, sie kan«: so-
gar zu einen: Teile Wehrbau sei«:. Und dein Wekirban wieder
bleibt die Erhebung zum rein Schöpferische«: nicht endgültig
versagt.
Tas Erste freilich muß ihn: die Behauptung in: Gelände
und gegc«: das Gelände sein — eine monumentale Form von
Kamps zwischen Bauwerk und Boden, um der bewehrte«:
Stätte die Überlegenheit zu sichern, immer also eine ur-
sprüngliche Scheidung von der Umgebung. Sie wird vo«:
selbst auf zivc: Gruudmöglichkeiten ausgcheu: Erhebung über
das Laud uud Absonderung von: Lande: Hohenburg und
Wasserburg. Die Art des Gegners — der der Bode«: selbst
ist — bestimmt die Wahl der Kainpfart: der Berg gegen das
Tal, das Wasser gegen die Ebene. Auch hier kau«: i«: einem
Lande und a«: einem Werke Beides sich treffe«: und über-
kreuzen. In: Große«: ergibt sich leicht, daß bei uns die
Wasserburg in: Tieflande, die Höhcnburg in Ober-" und
Mitteldeutschland ihre Blüte finden mußte.
Indem aber Bauwerk uud Boden wie feindliche Brüder ein-
ander entgcgentrclen, ergreife«: sie sich um so deutlicher in
dem Eindruck der Form. Die Burg „beherrscht" die Land-
schaft, die Landschaft aber hält die Burg — noch gar nicht

zu rede«: vo«: der malerischen Bewältigung dnrch de«: Ver-
fall — viel dichter i«: ihrer eigene«: Lebensschicht, als die
Kirche, die wohl i«: sie, aber nicht gegen sie gestellt ist. Die
Macht des Bodens, die sich irgendwie Allen: mitteilt, was
über ihn: gebaut ist, wird hier zwingender, als bei Werke«:,
die sich auf freiem Plane erheben. Die Landschaft liefert
ganze Bauteile als fertige Form, ganze felsige Unterbauten
und ganze felsige Wände. Eben dadurch wird der Reiz der
Bürge«: so vielfältig; es wachsen ihnen Werte zu, die die
Natur selbst geschafscu hat.
Zuuächst sind das Werte, die nur durch eine heutige Ver-
wechslung als künstlerisch gelten — verkleidete Natnrgenüsse,
die «nit den: Eindruck der geschaffenen Fori«: verschwimmen.
Zugleich aber eröffnet sich doch auch einer der wichtigste«:
Wege zur künstlerische«: Freiheit auch in: Burgenbau: es ist
einem glückliche«: Feingefühle ebe«: doch möglich, die Win-
dungen aufzuspürcu, «nit denen die Natur der künstlerische«:
Erscheinung entgegenkommt, sie schmiegsam auszunutzcn uud
die Abhängigkeit zum Scheine der Freiheit umzudeuten. Die
sichere Wahl der Umrisse wirkt dann bis ans die gewachsene
Natur hinunter und zurück, das Gegebene selbst erscheint durch
die Steigerung als gewollt. Natürlich ist es nicht immer
leicht, das Hinzugewachsene im Gesamteindruck vo«: dein be-
wußt Geplanten abzugreuzeu; aber die leichtgläubige Hin-
nahme alles Zufällige«: für Absicht wäre auch nicht falscher,
als der zu weit getriebene Verdacht, der alles der Natur zu-
schreiben wollte. Eine rechte Lahn- und Neckarburg ist nicht
bloß durch zufällige Gunst der Landschaft so „stolz" geworden,
sie hat auch eine«: Ker«: vo«: künstlerischem Wille«: und wird
vo«: einer ähnliche«: gefühlsmäßigen Berechnung getragen, wie
sie am Limburger Dome gebaut hat uud wie sie schließlich, auf
noch höherer Stufe, aus vollendeter Bewußtheit später Men-
schen, in der Anlage der Melker Klosterkirche wiederkehrt.
Das ist also der eine Weg zum wahrhaft Schöpferischen:
Umdeutung nud Höherdeutung des gegebene«: Geländes. Der
andere wäre die Verleugnung; die Aufzwingung einer plan-
vollen Regelmäßigkeit, die de«: Gang der Hauptformc«: aus
unabhängiger Überlegung bestimmt. Also der schärfste Gegen-
satz, nicht die Erhebung und stetige Verwandlung der Boden-
form zur Kuustsorm, sondern die Befreiung der Gestalt des
Baues vo«: jener des Geländes, nicht die ausgenutzte Ab-
hängigkeit, sonder«: die aufgczwungene Unabhängigkeit.
Diese zweite Möglichkeit steigt nur selten auf. Das Bü-
diugcr Schloß (Sbcrhcsscn) wäre ei«: wichtiges Beispiel aus
romanischer Zeit, ei«: schon annähernd kreisähnlicheS Drei-
zehneck, vo«: Wasser umgeben. Hier erscheint, wenn auch un-
 
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