Pinder, Wilhelm: Reden aus der Zeit (Leipzig: Verlag E. A. Semann, 1934)

Zur Möglichkeit
eines kommenden großen Stiles
Die Frage ist gestellt worden: „Ist die soge-
nannte ,neue Sachlichkeit" bereits zu einer solchen
Sicherheit ihrer Gestaltungsart gelangt, daß man
sie als einen neuen Stil ansprechen kann?" Ich
glaube dieses: wenn man in Gedanken versucht,
einen (Querschnitt durch die Gefühle derjenigen
Menschen zu ziehen, die von Rultur, aber von
neuen Lebensgefühlen sind, so wird man fin-
den, daß sie allesamt weder bereit sind, die Frage
klar zu verneinen, noch sie voll zu bejahen. Man
wird die Überzeugung finden, daß wir auf dem
Wege sind — auch da werden manche nur sagen,
vielleicht—, einen Stil zu bekommen, jedenfalls:
erst auf dem Wege.
Es ist von der „neuen Schönheit" des Raumes
und der neuen Schönheit der Farbe gesprochen
worden. Ich glaube, dasjenige, was sich als das
heute Erreichte fassen läßt, wird ungefähr ge-
troffen werden mit dem Ausdruck: schöne
Farbe und karge Form. Daß wir das Positive
daran wirklich haben, das braucht nicht bewiesen
zu werden. Dafür muß man nur Augen haben.