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VON DEN PFLICHTEN GEGEN DIE CHRISTLICHE KUNST
ERNST WANTE — Studie, Kohlezeichnung.
Text S. 4
nach mancher Richtung hin erwächst, ist
unbersehbar. Der Mangel an Pietät
gegenüber dem Heiligen sei nur vorüber-
gehend erwähnt. Hier soll das Schädliche
nach einigen anderen Richtungen hin be-
leuchtet werden.
Die Darbietung unkünstlerischer Marktware
religiösen Charakters ist ein Schaden für die
Religion. Dem Gebildeten, seinem Geschmack
und Empfinden gegenüber ist es eine Beleidi-
gung; er wendet sich ab, und das Mittel,
religiöse Gedanken zu wecken, hat bei ihm
seinen Zweck verfehlt und bewirkt eher das
Gegenteil: ein Gefühl des Unbehagens und
der Enttäuschung. Dem minder Gebildeten
nimmt oder verwehrt die unkünstlerische Ware
den guten Geschmack; er ist schliesslich mit
allem zufrieden, aber gewiss nur, weil und so-
lange er nichts Besseres kennt. Wenn sich
einzelne kindliche Seelen von den mangel-
haftesten Bildern zur Andacht stimmen lassen,
so lässt sich das psychologisch erklären; aber
man darf von dieser Erscheinung keine Recht-
fertigung der Unkunst und Unkultur religiöser
Darstellungen ableiten. Die Würde der Religion
und eine gesunde Pflege derselben erheischt
von uns, dass wir nach einem religiös er-
schöpfenden und menschlich hochstehenden
Ausdruck derjenigen bildlichen Darstellungen
ringen, welche bestimmt sind, religiöse Er-
kenntnis und Andacht zu vermitteln.
Die Vorenthaltung echter Kunst ent-
zieht dem Volke ein edles Bildungsele-
ment und gibt den Gegnern des Klerus will-
kommenen Anlass, ihren beliebten Vorwurf
zu wiederholen, als habe er ein Interesse an
der Volksverdummung. Was aber ist unsere
Aufgabe? Die Gläubigen zu der Erkenntnis
zu erziehen, dass für Gott und seine Heiligen
das Höchste und Beste geleistet werden muss.
Diese Erkenntnis wird uns selbst anspornen,
den Gläubigen an Stelle einer rein gefühls-
mässigen Andacht durch eine wahrhaft kunst-
volle Darstellung der verehrungswürdigen Per-
sonen die rechte und charaktervolle Andacht
und Verehrung zu vermitteln. Das wird aber
nicht erreicht durch die geschmacklose Fabrik-
ware mit ihrem wohl einzigen „Vorzüge“ der
Süsslichkeit und etwa noch der Billigkeit.
Wenn der Priester es auch als einen Punkt
seiner seelsorglichen Tätigkeit betrachtet, nach-
dem er für die Hebung des eigenen Kunst-
geschmacks sich etwas Mühe gegeben, seine
Kirche nur mit solchen Gegenständen aus-
zustatten, welche der Wohnung des Aller-
höchsten würdig sind, und, wenn es nicht
anders geht, nach dem Prinzip verfährt: Lieber
wenig und gut, als viel und minderwertig; wenn
er auch dafür Sorge trägt, dass die Wohnungen
seiner Pfarrkinder, zunächst natürlich seine
VON DEN PFLICHTEN GEGEN DIE CHRISTLICHE KUNST
ERNST WANTE — Studie, Kohlezeichnung.
Text S. 4
nach mancher Richtung hin erwächst, ist
unbersehbar. Der Mangel an Pietät
gegenüber dem Heiligen sei nur vorüber-
gehend erwähnt. Hier soll das Schädliche
nach einigen anderen Richtungen hin be-
leuchtet werden.
Die Darbietung unkünstlerischer Marktware
religiösen Charakters ist ein Schaden für die
Religion. Dem Gebildeten, seinem Geschmack
und Empfinden gegenüber ist es eine Beleidi-
gung; er wendet sich ab, und das Mittel,
religiöse Gedanken zu wecken, hat bei ihm
seinen Zweck verfehlt und bewirkt eher das
Gegenteil: ein Gefühl des Unbehagens und
der Enttäuschung. Dem minder Gebildeten
nimmt oder verwehrt die unkünstlerische Ware
den guten Geschmack; er ist schliesslich mit
allem zufrieden, aber gewiss nur, weil und so-
lange er nichts Besseres kennt. Wenn sich
einzelne kindliche Seelen von den mangel-
haftesten Bildern zur Andacht stimmen lassen,
so lässt sich das psychologisch erklären; aber
man darf von dieser Erscheinung keine Recht-
fertigung der Unkunst und Unkultur religiöser
Darstellungen ableiten. Die Würde der Religion
und eine gesunde Pflege derselben erheischt
von uns, dass wir nach einem religiös er-
schöpfenden und menschlich hochstehenden
Ausdruck derjenigen bildlichen Darstellungen
ringen, welche bestimmt sind, religiöse Er-
kenntnis und Andacht zu vermitteln.
Die Vorenthaltung echter Kunst ent-
zieht dem Volke ein edles Bildungsele-
ment und gibt den Gegnern des Klerus will-
kommenen Anlass, ihren beliebten Vorwurf
zu wiederholen, als habe er ein Interesse an
der Volksverdummung. Was aber ist unsere
Aufgabe? Die Gläubigen zu der Erkenntnis
zu erziehen, dass für Gott und seine Heiligen
das Höchste und Beste geleistet werden muss.
Diese Erkenntnis wird uns selbst anspornen,
den Gläubigen an Stelle einer rein gefühls-
mässigen Andacht durch eine wahrhaft kunst-
volle Darstellung der verehrungswürdigen Per-
sonen die rechte und charaktervolle Andacht
und Verehrung zu vermitteln. Das wird aber
nicht erreicht durch die geschmacklose Fabrik-
ware mit ihrem wohl einzigen „Vorzüge“ der
Süsslichkeit und etwa noch der Billigkeit.
Wenn der Priester es auch als einen Punkt
seiner seelsorglichen Tätigkeit betrachtet, nach-
dem er für die Hebung des eigenen Kunst-
geschmacks sich etwas Mühe gegeben, seine
Kirche nur mit solchen Gegenständen aus-
zustatten, welche der Wohnung des Aller-
höchsten würdig sind, und, wenn es nicht
anders geht, nach dem Prinzip verfährt: Lieber
wenig und gut, als viel und minderwertig; wenn
er auch dafür Sorge trägt, dass die Wohnungen
seiner Pfarrkinder, zunächst natürlich seine