zugleich in der Tradition sich völlig heimisch fühlte, konnte es in diesem
Falle wagen, die Aufgabe zu übernehmen. In Felix Jenewein,
dem leider kürzlich vom Tode Dahingerafften, einem der Begab-
testen Deutschböhmens, wurde der Mann gefunden, den man hier
brauchte. An den Meistern der italienischen Renaissance hatte er
seine Anschauung genährt, und er folgte ihnen, indem er zugleich
das Werk der Nazarener, eines Overbeck, Führich, Kaulbach und
— wenn man ihn hinzurechnen darf — Gustave Dore weiter ver-
folgte. Daneben ergeben sich Berührungspunkte mit ganz modernen
Kunstgrössen wie Sascha Schneider und selbst Max Klinger. Jene-
wein stand also in einer Linie, die, weit und ehrwürdig zurück-
reichend, bis in unsere unmittelbarste Gegenwart sich erstreckt.
Er fühlte sich als Hüter des Herkommens und zugleich als ein
Neuschöpfer. Beides zusammen belebte ihn. Die acht Kompositionen,
denen wir an dieser Stelle begegnen, zeigen den Künstler in seiner
vollen Kraft und von einer durchaus charakteristischen Seite. Ein
gewisses Pathos, das an grosse Freskodarstellungen, mitunter auch
an Bühneneindrücke erinnert, scheint dem Künstler aufs natürlichste
sich ergeben zu haben. Etwa «Mariä Gang nach Golgatha* oder
«Die Verspottung des Gekreuzigten* haben wohl etwas vom Atem
der grossen Tragödie. Gern schwelgt auch Jenewein in der Dar-
stellung mächtiger Einzelgestalten, wie «Gottvater im Dornbusch*,
wie auch <Kain und Abel* es uns versinnlichen. Und recht bezeich-
nend ist endlich die satirische Wallung, die ihn manchmal über-
kommt und die er selbst in seiner Arbeit für ein so loyal gedachtes
Werk wie diese «Bilderbogen ^ nicht völlig niederzuringen ver-
mochte. Zu den noch nicht vervielfältigten Entwürfen dieser Art
gehört die gross konzipierte «Sündßut», wo wir unter den rück-
sichtslos auf ihre Rettung Bedachten an markanter Stelle die Figur
eines christlichen Mönches gewahren. Für die «Schule» hätte solch
ein kühner Künstlereinfall schwerlich gepasst. Für die Mappe
eines Sammlers oder eines Museums dürfte er umso eifriger be-
gehrt werden. — Dafür wird gewiss keine fromme Seele einen
Anstoss an den Darstellungen aus der Marienlegende nehmen, die
Peter Stachiewicz auf drei Blättern gespendet hat. Sie sprechen
durchaus zum religiösen Gefühl, wissen jedoch durch Wiedergabe
eines gewissen ekstatischen Ausdruckes auch modernen Gefühls-
neigungen Rechnung zu tragen.
Zu den vorzüglichsten Leistungen der vorliegenden Sammlung
dürfen die zyklischen Kompositionen zu deutschen Märchen gerechnet
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Falle wagen, die Aufgabe zu übernehmen. In Felix Jenewein,
dem leider kürzlich vom Tode Dahingerafften, einem der Begab-
testen Deutschböhmens, wurde der Mann gefunden, den man hier
brauchte. An den Meistern der italienischen Renaissance hatte er
seine Anschauung genährt, und er folgte ihnen, indem er zugleich
das Werk der Nazarener, eines Overbeck, Führich, Kaulbach und
— wenn man ihn hinzurechnen darf — Gustave Dore weiter ver-
folgte. Daneben ergeben sich Berührungspunkte mit ganz modernen
Kunstgrössen wie Sascha Schneider und selbst Max Klinger. Jene-
wein stand also in einer Linie, die, weit und ehrwürdig zurück-
reichend, bis in unsere unmittelbarste Gegenwart sich erstreckt.
Er fühlte sich als Hüter des Herkommens und zugleich als ein
Neuschöpfer. Beides zusammen belebte ihn. Die acht Kompositionen,
denen wir an dieser Stelle begegnen, zeigen den Künstler in seiner
vollen Kraft und von einer durchaus charakteristischen Seite. Ein
gewisses Pathos, das an grosse Freskodarstellungen, mitunter auch
an Bühneneindrücke erinnert, scheint dem Künstler aufs natürlichste
sich ergeben zu haben. Etwa «Mariä Gang nach Golgatha* oder
«Die Verspottung des Gekreuzigten* haben wohl etwas vom Atem
der grossen Tragödie. Gern schwelgt auch Jenewein in der Dar-
stellung mächtiger Einzelgestalten, wie «Gottvater im Dornbusch*,
wie auch <Kain und Abel* es uns versinnlichen. Und recht bezeich-
nend ist endlich die satirische Wallung, die ihn manchmal über-
kommt und die er selbst in seiner Arbeit für ein so loyal gedachtes
Werk wie diese «Bilderbogen ^ nicht völlig niederzuringen ver-
mochte. Zu den noch nicht vervielfältigten Entwürfen dieser Art
gehört die gross konzipierte «Sündßut», wo wir unter den rück-
sichtslos auf ihre Rettung Bedachten an markanter Stelle die Figur
eines christlichen Mönches gewahren. Für die «Schule» hätte solch
ein kühner Künstlereinfall schwerlich gepasst. Für die Mappe
eines Sammlers oder eines Museums dürfte er umso eifriger be-
gehrt werden. — Dafür wird gewiss keine fromme Seele einen
Anstoss an den Darstellungen aus der Marienlegende nehmen, die
Peter Stachiewicz auf drei Blättern gespendet hat. Sie sprechen
durchaus zum religiösen Gefühl, wissen jedoch durch Wiedergabe
eines gewissen ekstatischen Ausdruckes auch modernen Gefühls-
neigungen Rechnung zu tragen.
Zu den vorzüglichsten Leistungen der vorliegenden Sammlung
dürfen die zyklischen Kompositionen zu deutschen Märchen gerechnet
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