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Popielska-Grzybowska, Joanna [Hrsg.]; Central European Conference of Young Egyptologists <1, 1999, Warszawa> [Hrsg.]
Proceedings of the first Central European Conference of Young Egyptologists: Egypt 1999: perspectives of research, Warsaw 7 - 9 June 1999 — Warsaw, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.26359#0050

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Jochem Kahl
Münster

Perspektiven der Erforschung der frühen ägyptischen Schrift

und Sprache*

(Plate 16)

1. Zu den Möglichkeiten der Darstellung
von Perspektiven

Den Weg darzustellen, den die Ägyptologie
oder auch nur der von mir fiir diesen Beitrag
ausgewählte Teil der Disziplin - die Beschäfti-
gung mit der frtihen ägyptischen Schrift und
Sprache - im nächsten Millennium beschreiten
soll, ist schlechthin unmöglich, bedenkt man ei-
nerseits die unsichere Fortentwicklung der Welt
und die Rolle, die die Ägyptologie in ihr wird
spielen können, bedenkt man andererseits das
junge Alter dieser wissenschaftlichen Disziplin
und betrachtet man zuriickblickend, was fiir
Überraschungen bereits die vergangenen 100
Jahre speziell der Friihzeitforschung gebracht
haben. Kaum jemand hätte bis gegen Ende des
19. Jahrhunderts zu denken gewagt, bis an die
Anfänge des ägyptischen Staates und damit
auch an die Anfänge der Hieroglyphenschrift
vorzustoßen. Stellvertretend sei hier das Zitat
von Eduard MEYER aus dem Jahre 1887 ge-
nannt:

,Außer ihm (gemeint ist Menes, Anm. J.K.)
kennen wir eine Reihe uralter Herrscher, wie
Husapti, Senda, Nebka, deren Andenken in
der Sage wie im Cultus zu allen Zeiten fort-
gelebt hat. Indessenfiir uns sind sie kaum et-
was anderes als leere Namen, alle Nachfor-
schungen haben auch nicht ein einziges
Königsdenkmal zu Tage treten lassen, das al-
ter wäre als die Zeit König Snofru’s ...“'

*FUr Rat und Diskussion danke ich Eva-Maria EN-
GEL. Die Transkription folgt W. SCHENKEL, Tiibin-
ger EinfUhrung in die klassisch-ägyptische Spra-
che und Schrift, Tübingen 1997, S. 29-33

1 E. MEYER, Geschichte des alten Aegyptens, Berlin
1887, S. 100.

2 Vgl. dazu E. MEYER, Geschichte des Altertums 1,2,

Bis zum Jahre 1896 waren die Könige der
1. und 2. Dynastie nur aus posthumen Quellen
- wie dem Turiner Königspapyrus, den
Geschichtswerken HERODOTS oder MAN-
ETHOS - bekannt. Zeitgenössische Denkmä-
ler blieben den Forschenden verborgen, so daß
gelegentlich sogar Zweifel an der Geschicht-
lichkeit dieser frühen Könige aufkamen.2 Vor-
geschichtliche oder frühdynastische Hinter-
lassenschaften wurden oftmals nicht als solche
erkannt, wie z.B. die im Jahre 1893 von
FORRER fiir friihchristlich erachteten Paletten
aus Achmim, die tatsächlich der Naqada-Zeit
zuzuordnen sind.3 Und auch das hohe Alter
der Stufenmastaba des Djoser war nicht sofort
bemerkt worden.4 GegenEndedes 19. Jahr-
hunderts änderte sich dieses Bild binnen kiirze-
ster Zeit: Ausgrabungen in Abydos, Naqada und
Hierakonpolis gaben Einblick in eine Elite-
gesellschaft, die Basis und Ausgangspunkt der
nachfolgenden, beinahe 3000 Jahre bestehen-
den indigenen altägyptischen Kultur bildete.

Diese dramatische und unerwartete Wende in
der Ägyptologie am Ende des 19. Jahrhunderts
ist Anlaß, mit Prognosen vorsichtig zu sein. Da-
her scheint jeder Vorstoß, der weiter als einige
wenige Jahrzehnte geht, der Utopie anheim zu
fallen.

Chancen fiir das Fach, auch weiterhin in der
Gesellschaft einen Platz zu haben, ergeben sich
gewiss: sei es mit dem äußerlich scheinbar mehr
als drei Jahrtausende konstanten Forschungs-

Stuttgart-Berlin31913, S. 126.

3 R. FORRER, Diefriihchristlichen AlterthUmeraus dem
Grdberfelde von Achmim-Panopolis (nebst analogen
unedirten Funden ausKöln etc.), Strassburg i/E. 1893,
S. 17.

4 Vgl. z.B. MEYER, Geschichte Aegyptens, S. 107
(Anm. 1).

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