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Prinzhorn, Hans
Bildnerei der Gefangenen: Studie zur bildnerischen Gestaltung Ungeübter — Berlin, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.11508#0037
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C. EIGENART DER BILDNEREI DER
GEFANGENEN.

1. Gefühls- und Vorstellungswelt.

Zu fruchtbarer Verwertung unseres Materials müßten wir eigentlich an
dieser Stelle über die seelische Eigenart der Menschengruppe etwas
Allgemeingültiges aussagen können und die Spiegelung dieser seelischen
Eigenart in den Bildwerken dann aufweisen. Wiederum, wie bei allen zu-
sammenfassenden Erwägungen dieser Studie, muß jedoch von vornherein auf
die in der Situation liegenden unüberwindlichen Schwierigkeiten hingewiesen
werden. Wir sind nicht mehr von der glücklichen, durch kritische Besinnung
nicht gezügelten hypomanischen Beschwingtheit eines Lombroso, selbst wenn
wir ein erheblich vielseitigeres und besser gesichtetes Material vor uns haben
als er. Durch einige Dezennien kriminalwissenschaftlicher Diskussionen sind
wir skeptisch geworden. Wie befriedigend muß es sein, wenn man am Ende
eines (übrigens unter seinen Publikationen ungewöhnlich einheitlichen) Bandes
„Kerkerpalimpseste eine gewaltige Liste von Eigenschaften — „Gefühle
und Neigungen" — aufstellen kann, sauber nach guten und schlechten ge-
ordnet, die in den „Palimpsesten" vorkommen. (Das Wort ist falsch gewählt,
es bedeutet in der Geschichtswissenschaft ganz eindeutig Pergamenthand-
schriften, auf denen der ältere Text beseitigt und durch einen neueren ersetzt
ist.) Wir wollen nicht damit rechten, daß Galgenhumor, Schlauheit, Unglaube
unter den schlechten, Nüchternheit, Ergebung, Demut unter den guten Eigen-
schaften erscheint — jedenfalls ist außer der Befriedigung über die gut aus-
sehende Statistik keinerlei Nutzen aus solchen Unternehmungen zu ziehen. Und
wenn ein so erfahrener praktischer Kriminalpsychologe wie Ascha ffenb urg, der
alle Bemühungen dieser Jahrzehnte kennt und in eigenen Forschungen maß-
gebend mit ausgebaut hat, zu fast radikaler Resignation gelangt, so brauchen wir
uns nicht zu schämen, mit einem sehr bescheidenen Querschnitt aufzuwarten19.

Auch Birnbaum kann in seiner „Kriminalpsychopathologie"20 nach einer
Verteidigung Lombrosos, der trotz aller Mängel doch ein großer Bahnbrecher
sei, nur einige psychische Mängel als Merkmale „des Verbrechers" retten:

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