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Probst, Hansjörg
Seckenheim: Geschichte eines Kurpfälzer Dorfes — Mannheim, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.3000#0369
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und immer wieder beeinflußt wurde [vgl. Meinrad Schaab, Die Entstehung des pfälzischen
Territoriums, in: ZGO 106, 1958, S. 233-276].

Zusammen mit der Pfalzgrafschaft vererbte Konrad von Staufen die Vogtei über Lorsch
an seine Tochter Agnes und deren Mann Heinrich den Weifen (1195 bis 1211); deren Sohn
Heinrich Weif der jüngere wurde 1211 Pfalzgraf und damit Lorscher Klostervogt, regierte
aber nur bis 1214. Nach seinem Tod fiel die pfalzgräfliche Würde an den Bayernherzog
Ludwig I. aus dem Hause Witteisbach (1214 bis 1228), der seinen Sohn Otto mit Agnes,
der letzten Enkelin Konrads von Staufen, verheiratet hatte und mit dem die lange Reihe
der Witteisbacher Pfalzgrafen ihren Anfang nahm. In den 35 Jahren zwischen dem Tod
Konrads von Staufen 1195 und dem Regierungsantritt Ottos des Erlauchten 1228 sah die
junge Pfalzgrafschaft fünf Pfalzgrafen aus drei verschiedenen, untereinander verfeinde-
ten Familien. Daß dadurch die Konsolidierung und der Aufstieg der Pfalzgrafschaft gera-
de in einer entscheidenden Phase der deutschen Territorialbildung unterbrochen wurde,
liegt auf der Hand.

In dieser Zeit des krisenhaften und raschen Wechsels der Dynastie in der Pfalzgrafschaft,
der wiederum mit dem Bürgerkrieg zwischen den Staufern und Weifen um die Kaiserkrone
verknüpft war, gelang es dem zielbewußten Mainzer Erzbischof Siegfried II (1200 bis
1230) aus dem Hause Eppstein, die Vernichtung der selbständigen Lorscher Abtei vorzu-
bereiten und auch selbst noch im wesentlichen durchzuführen, was den erbitterten Wider-
stand der Mönche hervorrief. Aber vergeblich! 1228 erwirkte der Erzbischof von König
Heinrich (VII.) die Abtretung der Rechte des Reiches über Lorsch an Mainz, womit im
Grunde die Vogtei gemeint war. 1229 wurde Siegfried nach Absetzung des letzten, mit den
Mönchen zerstrittenen, unfähigen Abtes von Papst Gregor IX. zum Verweser der Abtei
bestellt, um sie zu reformieren und finanziell zu sanieren. Unverhohlen konnte der Main-
zer Erzbischof nun die Beseitigung der Benediktinerabtei betreiben. Sein Neffe und Nach-
folger auf dem Mainzer Erzstuhl, Siegfried III. (1230 bis 1249) vollendete dieses Werk, als
Kaiser Friedrich IL am 24.4.1232 die Abtei Lorsch mit allen Rechten ihm und seinen
Nachfolgern auf dem Mainzer Stuhl übertrug. Der Papst rückte sofort nach und ließ am
4. Mai 1232 die Abtei auflösen und Mainz einverleiben.

Der Erzbischof hatte durch diese Entscheidung des Kaisers und des Papstes einen glänzen-
den diplomatischen Erfolg errungen: die Fürstabtei Lorsch gab es als reichsunmittelbares
Territorium nicht mehr; der Mainzer Erzbischof war damit für Lorsch zum Landesherrn
geworden; der Kaiser und der Papst konnten nicht mehr in die Lorscher Verhältnisse ein-
greifen, womit das Vogteirecht seine eigentliche Rechtsgrundlage verloren hatte, bedeu-
tungslos wurde und 1344 folgerichtig im „Binger Vergleich" zwischen Mainz und Pfalz
aufgehoben wurde; Mainz war dadurch die entscheidende Territorialmacht der mittleren
Bergstraße von Laudenbach bis Bensheim geworden; die junge Pfalzgrafschaft hingegen
mußte schon im Stadium ihrer Entstehung eine entscheidende Verkürzung ihrer territoria-
len Möglichkeiten rechts des Rheins hinnehmen, die sie eigentlich nie mehr endgültig rück-
gängig machen konnte. Daß Pfalzgraf Otto IL und alle seine Nachfolger den Umfang die-
ses Verlustes klar erkannten, zeigt die Tatsache, daß sie immer wieder versuchten, diese
Entscheidung aufzuheben. Dabei sollten kriegerische Auseinandersetzungen keine geringe
Rolle spielen.

So sah Pfalzgraf Otto IL die Mainzer Politik als gegen den Kernraum der Pfalz gerich*e*
an. Von Weinheim bis Wiesloch gab es im ganzen ehemaligen Lobdengau Lorscher Rech e
genug, die nun in den Händen eines der mächtigsten Reichsfürsten für die Pfalz l^fic
werden konnten. Otto nahm Zuflucht zur Gewalt: er bereitete den Krieg gegen Main^
sorgfältig vor. 1236 griff er den Erzbischof an, besetzte und verheerte das erreichbar

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