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dem der des Bischofs. Das brachte den Nachteil mit sich, daß Geistliche nicht selbst vor
Gericht aktiv werden konnten, wenn sie in einen weltlichen Prozeß verwickelt waren.
Dazu mußten sie sich eines Vertreters bedienen, des „Vogtes" („advocatus" = Herbeigeru-
fener). Der Vogt mußte Laie sein. Zuerst vertrat er das Kloster nach außen; sobald eine
geistliche Gewalt Herrschaft über Menschen und Landstriche ausübte, wie es im Falle von
Lorsch zutraf, wuchs dem Vogt in der konkreten Wahrnehmung dieser Rechte eine neue
Aufgabe zu; denn die Geistlichen durften auch nicht selbst die Blutgerichtsbarkeit in
ihrem Herrschaftsbereich ausüben. Der Vogt vertrat einmal die Immunitätsleute der Abtei
vor dem weltlichen Gericht, z.B. vor dem Grafschaftsgericht auf dem Stalbühel bei
Ladenburg. Nach innen hingegen übte der Vogt auch die Gerichtsbarkeit des Abtes gegen-
über den eigenen „Untertanen" aus. Schließlich verwaltete er weitgehend das Kirchengut
und verfügte darüber. Diese mannigfaltigen, sehr dehnbaren und entwicklungsfähigen
Rechte des Klostervogtes machten das Amt sehr rasch zu einem der begehrtesten für den
hohen Adel überhaupt; bald war es selbstverständlich, daß es in diesen Familien erblich
wurde.

Im 12. Jht. war die Entwicklung für die geistlichen Stifter in die kritische Phase gekom-
men, in der es darauf ankam, ob eine geistliche Herrschaft den würgenden Griff ihres
Vogtes sprengen konnte oder ihm erlag. Die Vogtei bei Lorsch war immer im Besitz von
hochadligen Grafengeschlechtern, so seit dem 11. Jht. bis zum Jahre 1138 in den Händen
der Grafen von Calw, die sich rücksichtslos daran machten, ihre Macht auf Kosten der
Abtei auszudehnen. Nach dem Tod des kinderlosen Berthold des Jüngeren von Calw
erhielt sein Neffe Berthold von Henneberg die Lorscher Vogtei, die dann 1165 über Irm-
gard, die Tochter Bertholds, an deren Gatten, den Pfalzgrafen bei Rhein Konrad von
Hohenstaufen fiel.

Mit diesem Pfalzgrafen bei Rhein Konrad von Hohenstaufen, der ein Halbbruder Kaiser
Friedrich Barbarossas war, kam die aus Niederlothringen um Aachen stammende Pfalz-
grafschaft bei Rhein an den Oberrhein, und zwar an den Unterlauf des Neckars. Mit dem
Salisch-staufischen Hausgut um Alzey, das Konrad 1154/55 von seinem kaiserlichen Bru-
der erhalten hatte, und seinem Auftrag, als Pfalzgraf im Sinne der staufischen Reichspoli-
tik erledigtes Reichsgut wieder zu beanspruchen, verband sich die Vogtei über Lorsch lük-
kenlos [vgl. Hans Werte, „Die Aufgaben und die Bedeutung der Pfalzgrafschaft bei Rhein
in der staufischen Hausmachtspolitik", in: Mitteilungen des Historischen Vereins der
Pfalz, 57, 1959, S. 137 - 153]. In der Bündelung dieser und anderer Rechtstitel haben wir
die Keimzelle der Pfalzgrafschaft bei Rhein, der späteren Kurpfalz, in unserem engeren
Raum. Dabei wollte es eine innere Logik der Ereignisse, daß Pfalzgraf Konrad auch in der
Ausnutzung der Lorscher Klostervogtei mit dem mächtigsten Reichsfürsten am Mittel-
und unteren Oberrhein zusammenstieß, dem Mainzer Erzbischof. War doch die Pfalzgraf-
schaft aus dem Gegensatz gegen die drei rheinischen Erzbischöfe von Köln, Trier und
ainz erwachsen und war im Kampf mit ihnen aus ihrem Stammland am Niederrhein
immer weiter stromaufwärts abgedrängt worden; so schloß sich der Kreis auch hierin, daß
er Erzbischof von Mainz der entscheidende und übermächtige Gegenspieler des Pfalzgra-
^n >m Kampf um Lorsch wurde. Auf diese Weise hat Konrad von Staufen für unsere
laufd d Bpoche 8emacht: er hat nicht nur das Zentrum der Pfalzgrafschaft an den Unter-
das 1 v Nec.kars Serückt und Heidelberg als ihre Hauptstadt gegründet, er hat nicht nur
lun mksrtlemiscne salische Erbe dazugebracht und dadurch den territorialen Entwick-
renTd • D ^ zukünfti8en Kurpfalz abgesteckt, sondern er hat auch den unaufhebba-
Lorsch 3^lrhundertelangen Streit mit dem Mainzer Erzbischof und Kurfürsten um das
er Erbe begonnen, durch den auch die Ortsgeschichte Seckenheims grundlegend

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