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Probst, Hansjörg
Seckenheim: Geschichte eines Kurpfälzer Dorfes — Mannheim, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.3000#0509
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Kosten tun, da die übliche Bauunterhaltung der alten Kirche zugute kam; sehr fortschritt-
lich ist die Auflage an die Geistlichen und Gläubigen beider Konfessionen, in Frieden
untereinander zu leben und sich auf der Kanzel der Schmähungen und „des Schändens"
(mundartlich „schennen" - der pfälzische Ausdruck für schimpfen) der anderen Konfes-
sion zu enthalten und den anderen nicht der Religion wegen anzugreifen; die Konfession
durfte kein Hinderungsgrund für die Besetzung der dörflichen Ehrenämter sein; nur der
Schultheiß hatte der Konfession des Landesherren anzugehören, mußte also in Secken-
heim reformierten Bekenntnisses sein, während das Gericht paritätisch zu besetzen war;
die alten kirchlichen Abgaben und Gefälle, die den Katholiken zustanden, sollten unge-
schmälert durch den Landesherren eingetrieben werden; um die Eintracht der Untertanen
zu fördern und Streitfälle aus Unkenntnis der Vertragsbestimmungen auszuschließen, soll-
te §7 des Rezesses jährlich einmal allen vorgelesen werden. Diese Bestimmungen kamen in
der wieder reformierten Pfalz nur den Katholiken in Seckenheim, Dossenheim und Hand-
schuhsheim zugute; die Reformierten ihrerseits, in den an Kurmainz abgetretenen Taunus-
dörfern, hatten unter der Hoheit des katholischen Mainzer Kurfürsten und Erzbischofs
die gleichen Rechte.

In §8 des Vertrages wurde der Gerichtsstand festgestellt, die Mainzer Lehensrechte
bekräftigt und die Zustimmung des Mainzer Domkapitels notiert.
So wurde in Seckenheim in diesem bemerkenswerten Vertrag gut 2 Jahre nach Beendigung
des mörderischen Religionskrieges der Anfang mit der religiösen Toleranz gemacht, die
sich im Vertragstext ausgewogen anhört, aber doch wohl Vernunft und Gemüt der Betei-
ligten noch lange überforderte. Trotzdem war mit dem Vertrag eine Norm gesetzt, hinter
die man nicht mehr zurückweichen konnte. So übte dieser Vertrag eine zähe und unaus-
tilgbare erzieherische Wirkung auf die allgemeine Duldsamkeit hin aus. Trotz endloser
Streitigkeiten und Schikanen waren Angehörige verschiedener Konfessionen gezwungen in
einer Gemeinde zusammenzuleben - und siehe da es ging! Auf Viernheim übrigens ver-
zichtete Kurpfalz ohne einen konfessionellen Vorbehalt. Das Dorf wurde als Teil des
Amtes Starkenburg mainzisch und blieb katholisch.

Am 8./18.2.1651 geschah die öffentliche Übergabe der von Kurmainz abgetretenen drei
Dörfer vor dem Rathaus in Handschuhsheim. Vorgenommen wurde sie vom kaiserlichen
Notar Lubert Han, der auch ein Protokoll darüber aufsetzte. Alle Handschuhsheimer und
Dossenheimer Bürger huldigten dem Pfalzgrafen und Kurfürsten Karl Ludwig als ihrem
neuen Herrn mit „Handtreu" (Handschlag), wobei ihnen die Huldigungsformel vorgelesen
wurde, die sie beschwören mußten. Nach dem feierlichen Eidschwur der Angehörigen des
Amtes Schauenburg mußten die 12 anwesenden Seckenheimer das Handgelöbnis und den
Eid nachvollziehen. Zusätzlich wurde ihnen aufgetragen, die abwesenden Seckenheimer
Bürger von dem vorgefallenen Wechsel der Herrschaft und der Huldigung zu unterrichten
und diese dringlich aufzufordern, in den nächsten Tagen auf dem Oberamt in Heidelberg
vollzählig zu erscheinen und die Huldigung vor dem Landschreiber nachzuholen. Dieses
geschah dann auch.

Damit kehrte Seckenheim am 8./18.2.1651 nach 28 Jahren Mainzer Herrschaft wieder
unter Pfälzer Hoheit zurück. Bei den Verhandlungen hatte Kurpfalz immer größten Wer
auf die Tatsache gelegt, daß Seckenheim nie zum Amt Schauenburg gehört hatte; s0 w"f
de es im Vertragstext immer gesondert aufgeführt und bei der Huldigung abweichend v^
fahren. Um so erstaunlicher ist es dann, daß dies schon im folgenden Jahrhundert verg
sen war und Widder in seiner Beschreibung der Kurpfalz Seckenheim fälschlicher ^
zum Amt Schauenburg rechnete und es erst mit diesem im Jahr 1460 als Pfandbesitz
Pfalz kommen ließ. Von ihm haben alle Folgenden diesen Irrtum übernommen.

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