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Probst, Hansjörg
Seckenheim: Geschichte eines Kurpfälzer Dorfes — Mannheim, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.3000#0559
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Herrschaften als nicht mehr zeitgemäß empfand, bedeutete dieser unerhörte Bruch einer
jahrhundertealten Verfassung und ihres Rechts den Todesstoß für das alte deutsche Reich
und seinen Zerfall in unabhängige einzelne Staaten. Für jeden „Gewinnerstaat" war es nun
wichtig, tüchtige Vertreter am Kongreßort Rastatt, in Paris und St. Petersburg zu haben,
um bei diesem widerlichen Länderschacher möglichst viel herauszuschlagen.
Dabei war die kleine Markgrafschaft Baden besonders vom Glück begünstigt: sie hatte in
ihrem Interessensgebiet keine fürstlichen Konkurrenten, sondern nur Opfer; sie hatte im
Freiherrn von Reitzenstein einen zynischen und skrupellosen Vertreter in Paris, der mit
Bestechungen und Intrigen nicht sparte, und schließlich war ein auf Frankreich angewiese-
nes Baden für Napoleon der beste Nachbar am Rhein. Baden hatte sich auch schon sehr
früh Frankreich genähert: es war bereits 1796 in einem Geheim vertrag nach dem Beispiel
Preußens aus dem Reichskrieg ausgeschieden. Besiegelung dieses französisch-badischen
Zusammengehens war die Vermählung des Thronfolgers Karl mit der Nichte der Frau
Napoleons, Stephanie Beauharnais.

Trotzdem hatte Reitzenstein erst im März 1802 die Erwerbung der rechtsrheinischen Pfalz
für Baden ins Gespräch gebracht, wenn man Bayern dazu bringen könne, sich ganz vom
Rhein zurückzuziehen; denn auch Bayern gehörte zu den „gewinnenden" Staaten. Für
Kurbayern war damals der Gewinn der schwäbischen Gebiete zwischen Lech und Hier und
der Fürstbistümer Bamberg und Würzburg, die vom Krieg verschont und schuldenfrei
waren, sehr viel interessanter als die Bewahrung der verwüsteten und tief verschuldeten
pfälzischen Reste. Zudem fand Baden rasch französische und russische Unterstützung für
sein Ziel. Reitzenstein dachte übrigens daran, auch die Kurmainzer Gebiete bis vor Darm-
stadt zu gewinnen und Mannheim zur badischen Hauptstadt zu machen.
Am 3.6.1802 erhielt Baden neben den rechtsrheinischen Gebieten der Bistümer Konstanz,
Basel, Straßburg und Speyer die pfälzischen Oberämter Bretten, Ladenburg und Heidel-
berg mit den beiden alten pfälzischen Hauptstädten zugesprochen. Am 7.6. erklärte der
pfalzbayerische Kurfürst Max Joseph in Paris, er füge sich, aber es sei ihm schmerzlich,
das Stammland seines Hauses und seinen Geburtsort Mannheim aufgeben zu müssen. Als
in der Pfalz im Juli 1802 Gerüchte über diese Ereignisse aufkamen, war die Bestürzung
groß; denn die Pfälzer fühlten sich sehr mit den Witteisbachern verbunden. Aber einer
Abordnung des Mannheimer Stadtrates konnte Max Joseph in München keine andere
Auskunft geben.

Am 22.9.1802 kam die badische Okkupationskommission mit 1200 Mann Militär und
begann die Übergabegeschäfte. Am 23.11.1802 erließ Max Joseph das Abtretungspatent.
Am 25.2.1803 wurden die territorialen Änderungen von Kaiser und Reich durch den
Reichsdeputationshauptschluß bestätigt und reichsrechtlich in Kraft gesetzt. Der badische
Markgraf Karl-Friedrich wurde Kurfürst. Damit war nach über 600-jähriger Geschichte
die Kurpfalz aus der Reihe der deutschen Staaten ausgeschieden. Seit 1214 war die Pfalz-
grafschaft bei Rhein im Besitz der Witteisbacher gewesen, Seckenheim hatte seit 1247 zum
Kernland der Pfalz, dem Oberamt Heidelberg, gehört.

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