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Probst, Hansjörg
Neckarau (Band 2): Vom Absolutismus bis zur Gegenwart — Mannheim, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.3003#0183
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An seiner Verfolgung und der Besetzung Frankreichs beteiligten sich auch die in un-
serer Gegend liegenden bayerischen Truppen. Mit ihnen verläßt August von Platen
Neckarau am 18. Juni. Auf dem Rückmarsch aus Frankreich Mitte November 1815
war er noch einmal für drei Tage in Neckarau stationiert.

Am 21. November 1815 Neckarau bei Mannheim.

Als ich das letzte Mal diesen Ort verließ und so plötzlich, glaubte ich zwar wieder dahin zurückzukehren,
und zwar denselben Abend noch, nicht aber erst nach fünf Monaten, wie es geschehen ist. Ja, hier bin ich
wieder an demselben Orte, demselben Hause und an demselben Tische, wo ich sechs schöne Wochen lang
lebte, dachte, dichtete. Ich fand alles schon so bekannt, als ich hier einzog; in diesem Zimmer kenne ich jede
Fensterscheibe, die Leute empfingen mich so freundlich. Es ist alles beim alten geblieben. Freilich damals
war es Sommer, als ich hier war; jetzt sind die Rosenstöcke entblättert, das kleine Gärtchen beschneit und
hat seine Farben verloren, und überm Rheine schwebt ein düsterer Nebel. Doch damals hatte ich auch
Frankreich noch nicht gesehen und entbehrte eine Reihe von vielfältigen Bildern, die jetzt vor meinen
Blicken stehen . . .

Heute abend fuhr ich mit dem Sohn meines Wirts in die Stadt, um ins Theater zu gehen. Da es noch zu früh
war, als ich ankam, begab ich mich in die „Goldene Gans", unser altes Absteigequartier, des guten Elfers
wegen . . . Ich war neugierig, das Theater zu sehen, das ehemals das beste in Deutschland gewesen, und auf
dem Schillers erstes Stück zum ersten Mal gegeben wurde. Es ist von außen ein sehr großes und schönes
Gebäude. Der innere Bau hatte nichts Besonderes. , .
Am 22. November 1815 Neckarau bei Mannheim.

. . . Im Nachhauseweg fuhr ich mit zwei bayerischen Offizieren . . . Ich nahm fast ungern von Mannheim
Abschied. Es ist gar zu schön und freundlich. Die Mannheimer sind zu bedauern; sie lieben ihren Großher-
zog nicht und wären gar zu gern unter bayerischer Regierung. Auch dem Vater Rhein darf ich wohl einen
Scheidegruß zuwerfen? . . .
Am 24. November 1815 Elsenz bei Sinsheim.

Gestern morgens verließ ich Neckarau, wahrscheinlich, um nicht mehr so bald dahin zurückzukehren. Es
war ein häßliches Schneegestöber und sehr schmutzig und wäßrig. Unser Weg ging über Schwetzingen und
Walldorf, nicht über Heidelberg wie ich hoffte. Wir blieben zu Wiesloch beim Stabe, es ist ein großes und
sehr schönes Dorf."

2.2. Die Revolution von 1848/49

Ursachen: Die Unzufriedenheit der Patrioten mit dem System Metternichs; ein wachsender Gegensatz
des liberalen Bürgertums zur spätabsolutistischen Monarchie in den einzelnen Bundesstaaten; das Stre-
ben nach nationaler Einheit; die Verelendung weiter Landstriche durch Übervölkerung; nationale und
soziale Unruhe in Südeuropa; die Julirevolution von 1830 und die Februarrevolution von 1848 in Frank-
reich.

Die Besonderheiten Badens: die Nähe Frankreichs und der Schweiz; ein traditionsloses Staatsgebilde,
das selbst auf dem revolutionären Umsturz jahrhundertealter Bindungen beruht; geringe Bindung an die
Dynastie in den ehemals nichtbadischen Landesteilen; merkwürdiges Doppelgesicht des aufgeklärten
Absolutismus in seiner offiziellen Politik und gleichzeitigen Übernahme liberaler Ideen wie die Verfas-
sung von 1818, Zweikammersystem, Landtagswahlen nach einem Zensuswahlrecht, fortschrittliche Ge-
setze in der Begünstigung von Wirtschaft und Handel (Eisenbahn, Hafenbau, Rheinkorrektion), auf der
andern Seite eine engstirnige schikanöse, besserwisserische und oft zynische Bürokratie und eine taten-
lose Hinnahme der Verarmung weiter Kreise der Landbevölkerung (Pauperismus). So spielte Baden eine
Vorreiterrolle, was den Ausbruch und die Radikalisierung der 48er Revolution angeht.23

2.2.1. DIE REVOLUTION IN BADEN

Als Echo auf die Februar-Revolution in Frankreich fordert am 27. 2.1848 eine Ho-
noratiorenversammlung in Mannheim Pressefreiheit, Schwurgerichte, Volksbe-
waffnung und ein deutsches Parlament, was die liberale Regierung Bekk umgehend
zugesteht. Tausende ziehen nach Karlsruhe. Der Aufstand der Landbevölkerung

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