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Entscheidungen des Preussischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen — 9.1901

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Abtheilung I: Entscheidungen in Einkommensteuer- und Ergänzungssteuersachen (Nr. 1 - 90)
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https://doi.org/10.11588/diglit.62661#0247
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„Hinterläßt ein verstorbener Genossenschafter eine Wittwe,
so hat dieselbe sämmtliche Kehroerträge, Bücher und Listen über
die von dem Verstorbenen hinterlassenen Schornsteinfegerarbeiten
innerhalb einer Woche nach dem Ableben des Genossenschafters
(den Todestag nicht mit eingerechnet) an den Vorsitzenden der
Genossenschaft, welcher der Verstorbene bis zu seinem Tode an-
gehörte, zu übergeben. Ist die Uebergabe der vorerwähnten
Kehrverträge, Bücher und Listen an den Genossenschaftsvorsitzenden
rechtzeitig erfolgt, so erhält die Wittwe von der Genossenschaft
den aus der von dem verstorbenen Genossen seitens der Genossen-
schaft übernommenen Arbeit erzielten sechsmaligen Vierteljahrs-
Bruttoertrag aus der Genossenschaftskasse als Unterstützung in
vierteljährlichen Raten nachträglich und zwar jedesmal spätestens
am 20. Tage des nächstfolgenden Kalender-Vierteljahres gegen
Quittung ausgezahlt."
Auf Grund dieser Bestimmung hat die Berufungskommission
in ihrer Entscheidung die drei auf das Steuerjahr 1899 ent-
fallenden Raten mit dem unstreitigen Betrage von je 2 167
als steuerpflichtiges Einkommen erachtet, indem sie diese Raten-
zahlungen als „wiederkehrende Rente" nach 7, 15 des Ein-
kommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 ansieht. Hierdurch
werden jedoch die angezogenen Paragraphen durch unrichtige
Anwendung verletzt und daher ist die Berufungsentscheidung nach
§. 44 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes aufzuheben. Denn aus
der angeführten Statutenvorschrift erwächst der Censitin nicht ein
Recht auf periodische Hebungen und Vortheile, sondern es ist
darin bestimmt worden, daß der Wittwe — der Censitin — eine
Unterstützung ausgezahlt wird, welche sich sowohl nach der Art
der Berechnung nach dem Vierteljahrs-Bruttoertrag, als auch
nach ihrer Höhe nicht als eine zur Bestreitung des Lebensunter-
haltes vorläufig gewährte Unterstützung, sondern als eine Kapital-
unterstützung darstellt, durch deren Nutzung der Censitin die
Möglichkeit gegeben werden soll, ihren Lebensunterhalt dauernd
zu bestreiten. Dieser wirthschaftliche und rechtliche Charakter,
welcher der auf Grund des Statuts gewährten Unterstützung
unzweifelhaft innewohnt, wird auch dadurch nicht beseitigt, daß
sie nicht in einer Summe, sondern in sechs Raten ausbezahlt
wird. Denn dadurch, daß ein Kapital in mehreren Raten aus-
Entscheid. d. K. Oberverwaltungsgerichts in Staatssteucrsacheu. IX. 14
 
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