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gen hat. Dabei ist es gar nicht notwendig, sich allein auf formale Ähnlichkeiten zu verlassen,
denn das junge Mädchen im Hintergrund scheint nach demselben Modell gemalt zu sein wie
die Maria auf dem Bild &2 Af227*^22 in Brüssel; die Haarflechten sind ebenso
mit Bändern umwunden wie bei der A02Z272 <2772 A22772272, ebenfalls in den Königlichen Museen in
Brüssel; der Kohlkopf unter dem Arm kehrt auch auf dem schon genannten Bild M
22722/ wieder. Hinzu kommt noch, daß die Kopfdrehung bei beiden Köchinnen
ähnlich ist und die für Aertsen typische Farbigkeit und sorgfältige Malweise Vorkommen^.
Robert Genaille glaubt, den Dreizack von Aertsen auf dem «Milchtopf» erkennen zu können^?,
was wir aber nicht bestätigen können.
Die Kunst Pieter Aertsens wurzelt noch wesentlich in der altniederländischen Malerei. Er
war besessen von der Idee, die Wahrheit auszusagen und seine Botschaft in einer allen verständ-
lichen Sprache weiterzugeben. Diese Botschaft entspringt der Freude am Leben und dem tiefen
Verstehen der einfachen Menschen, die er in ihrer gewohnten Umgebung bei ihrer Arbeit und
ihren Vergnügungen darstellt. Eine lebhafte Farbgebung steigert diese Szenen und gibt ihnen
einen unbeschwerten Ausdruck.
Trotzdem malen Aertsen und andere Künstler nicht die reine Wirklichkeit, weil sie in ihren
Bildern über eine bloße Beobachtung weit hinausgehen, wie Edith Greindl in einer Studie über
Aertsen treffend gezeigt hat^. Sie hat im Werk dieses Malers die Offenbarung eines neuen,
sehr persönlichen Geistes und eines neuen Verständnisses für die monumentale Form und das
Dekorative nachgewiesen.
Ein Vergleich mit Bassano und Tintoretto erübrigt sich, denn es gibt keine wirklichen Über-
einstimmungen, allenfalls Analogieerscheinungen, die durch den gemeinsamen Zeitgeist zu er-
klären sind. Aertsen blieb stets sich selbst treu, auch wenn er den Experimenten anderer Maler
immer offen gegenüberstand. Wenn er einige Figuren so überlang darstellte, daß sie schon un-
gelenk wirken, zeigt sich darin vielleicht nur der Humor des «lange Pier», wie ihn seine Zeit-
genossen nannten, und seine schrägstehenden Figuren sind nur ein Zugeständnis an den zeit-
genössischen Manierismus. Er verfolgt weit mehr seinen eigenen Stil, als es den Anschein hat.
Er kannte die anderen Stilrichtungen ebensogut, wie er sich um neue Farbvariationen bemühte
und neue Raumformen auf seinen Bildern auszudrücken suchte, ohne allerdings immer die
richtige Verteilung für die Figuren im Vordergrund und für seine Stilleben zu finden.
Die Mal weise Aertsens änderte sich eigentlich nicht so sehr im Verlauf seines Schaffens,
sondern ist vielmehr von der Bildgröße und dem dargestellten Motiv abhängig. Bei den groß-
formatigen Bildern trägt er die dünnen Farben mit breiten Strichen auf, besonders bei dem
Fragment der ^72^/2272^ #27*^72 in Amsterdam und der A02Z272 22772 Ä22772272 in Brüssel. Im Gegen-
satz dazu arbeitete er bei den kleineren Bildern mit kräftigen, beinahe undurchsichtigen Farben,
die er sauber voneinander absetzte. Das zeigt sich bei den Genrebildern, in denen die Eigenart
Aertsens am deutlichsten ausgeprägt ist. Die mittelgroßen Bilder mit religiösen Motiven sind
im allgemeinen nicht so sorgfältig und farbkräftig ausgeführt; liegt das vielleicht daran, daß
der Maler diese Aufträge ohne große Begeisterung ausführte? Pieter Aertsen steht mit seiner
Kunst zwischen den frühen Genremalern und dem großen Breughel, der kurze Zeit nach den
ersten Bildern Aertsens zu malen begann und dann zur gleichen Zeit Werke schuf, in denen die
Genremalerei ihre endgültige Bestätigung fand. Bezeichnend sind hier die Jahreszahlen 1556
auf der ^2222^7*7277222^/^2^ in Antwerpen und 1557 auf dem Bild ^2^2272^; in Amsterdam: gerade
in diesen Jahren entstanden die ersten Bilder Breughels. Wie Aertsen verherrlicht auch Breughel
auf seinen Bildern in klaren Formen und kontrastierenden warmen und kalten Farbtönen das
Leben der einfachen Leute. Aber seine Meisterwerke der späteren Jahre vermögen den Betrach-
ter in einer ganz anderen Art zu packen, als die Bilder seines unmittelbaren Vorläufers.
Pieter Aertsen wurde im Jahre 1508 in Amsterdam geboren^. Van Mander erwähnt, sein
Vater sei Strumpfwirker gewesen. Pieter habe sich im Alter von siebzehn oder achtzehn Jahren
in den südlichen Niederlanden angesiedelt und in Antwerpen bei Jan Mandyn gelebt. 1535
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gen hat. Dabei ist es gar nicht notwendig, sich allein auf formale Ähnlichkeiten zu verlassen,
denn das junge Mädchen im Hintergrund scheint nach demselben Modell gemalt zu sein wie
die Maria auf dem Bild &2 Af227*^22 in Brüssel; die Haarflechten sind ebenso
mit Bändern umwunden wie bei der A02Z272 <2772 A22772272, ebenfalls in den Königlichen Museen in
Brüssel; der Kohlkopf unter dem Arm kehrt auch auf dem schon genannten Bild M
22722/ wieder. Hinzu kommt noch, daß die Kopfdrehung bei beiden Köchinnen
ähnlich ist und die für Aertsen typische Farbigkeit und sorgfältige Malweise Vorkommen^.
Robert Genaille glaubt, den Dreizack von Aertsen auf dem «Milchtopf» erkennen zu können^?,
was wir aber nicht bestätigen können.
Die Kunst Pieter Aertsens wurzelt noch wesentlich in der altniederländischen Malerei. Er
war besessen von der Idee, die Wahrheit auszusagen und seine Botschaft in einer allen verständ-
lichen Sprache weiterzugeben. Diese Botschaft entspringt der Freude am Leben und dem tiefen
Verstehen der einfachen Menschen, die er in ihrer gewohnten Umgebung bei ihrer Arbeit und
ihren Vergnügungen darstellt. Eine lebhafte Farbgebung steigert diese Szenen und gibt ihnen
einen unbeschwerten Ausdruck.
Trotzdem malen Aertsen und andere Künstler nicht die reine Wirklichkeit, weil sie in ihren
Bildern über eine bloße Beobachtung weit hinausgehen, wie Edith Greindl in einer Studie über
Aertsen treffend gezeigt hat^. Sie hat im Werk dieses Malers die Offenbarung eines neuen,
sehr persönlichen Geistes und eines neuen Verständnisses für die monumentale Form und das
Dekorative nachgewiesen.
Ein Vergleich mit Bassano und Tintoretto erübrigt sich, denn es gibt keine wirklichen Über-
einstimmungen, allenfalls Analogieerscheinungen, die durch den gemeinsamen Zeitgeist zu er-
klären sind. Aertsen blieb stets sich selbst treu, auch wenn er den Experimenten anderer Maler
immer offen gegenüberstand. Wenn er einige Figuren so überlang darstellte, daß sie schon un-
gelenk wirken, zeigt sich darin vielleicht nur der Humor des «lange Pier», wie ihn seine Zeit-
genossen nannten, und seine schrägstehenden Figuren sind nur ein Zugeständnis an den zeit-
genössischen Manierismus. Er verfolgt weit mehr seinen eigenen Stil, als es den Anschein hat.
Er kannte die anderen Stilrichtungen ebensogut, wie er sich um neue Farbvariationen bemühte
und neue Raumformen auf seinen Bildern auszudrücken suchte, ohne allerdings immer die
richtige Verteilung für die Figuren im Vordergrund und für seine Stilleben zu finden.
Die Mal weise Aertsens änderte sich eigentlich nicht so sehr im Verlauf seines Schaffens,
sondern ist vielmehr von der Bildgröße und dem dargestellten Motiv abhängig. Bei den groß-
formatigen Bildern trägt er die dünnen Farben mit breiten Strichen auf, besonders bei dem
Fragment der ^72^/2272^ #27*^72 in Amsterdam und der A02Z272 22772 Ä22772272 in Brüssel. Im Gegen-
satz dazu arbeitete er bei den kleineren Bildern mit kräftigen, beinahe undurchsichtigen Farben,
die er sauber voneinander absetzte. Das zeigt sich bei den Genrebildern, in denen die Eigenart
Aertsens am deutlichsten ausgeprägt ist. Die mittelgroßen Bilder mit religiösen Motiven sind
im allgemeinen nicht so sorgfältig und farbkräftig ausgeführt; liegt das vielleicht daran, daß
der Maler diese Aufträge ohne große Begeisterung ausführte? Pieter Aertsen steht mit seiner
Kunst zwischen den frühen Genremalern und dem großen Breughel, der kurze Zeit nach den
ersten Bildern Aertsens zu malen begann und dann zur gleichen Zeit Werke schuf, in denen die
Genremalerei ihre endgültige Bestätigung fand. Bezeichnend sind hier die Jahreszahlen 1556
auf der ^2222^7*7277222^/^2^ in Antwerpen und 1557 auf dem Bild ^2^2272^; in Amsterdam: gerade
in diesen Jahren entstanden die ersten Bilder Breughels. Wie Aertsen verherrlicht auch Breughel
auf seinen Bildern in klaren Formen und kontrastierenden warmen und kalten Farbtönen das
Leben der einfachen Leute. Aber seine Meisterwerke der späteren Jahre vermögen den Betrach-
ter in einer ganz anderen Art zu packen, als die Bilder seines unmittelbaren Vorläufers.
Pieter Aertsen wurde im Jahre 1508 in Amsterdam geboren^. Van Mander erwähnt, sein
Vater sei Strumpfwirker gewesen. Pieter habe sich im Alter von siebzehn oder achtzehn Jahren
in den südlichen Niederlanden angesiedelt und in Antwerpen bei Jan Mandyn gelebt. 1535