I. Einleitung
1. Problemaufriss und Forschungsfeld
Im Juni des Jahres 991 versammelten sich im Kloster von St. Basie in der Reimser
Diözese Bischöfe und Äbte aus dem westfränkischen Reich und ihr König Hugo
Capet. Sie verhandelten die Anklage gegen Erzbischof Arnulf von Reims. Die-
sem wurde vorgeworfen, seinen König verraten zu haben, indem er mit Karl von
Niederlothringen, dem letzten Karolinger und Rivalen Hugo Capets um den
westfränkischen Thron, paktierte. Die Verhandlung fand als formales Gerichts-
verfahren vor einer Synode statt, an dessen Ende die Absetzung Arnulfs stand.
Arnulf hatte zuvor seine Sünden gebeichtet und sich selbst des Bischofsamtes für
unwürdig erklärt1. Den Vorsitz in dem Verfahren hatte Erzbischof Seguin von
Sens inne. Mit einer programmatischen Rede zur Eröffnung brachte er das
grundlegende Problem bei Normverstößen von Bischöfen auf den Punkt: Auf
Bischöfen laste eine besondere Verantworung, da sie „von Christus für das mi-
nisterium salutis, den Dienst zum Heil aller, bestellt worden" seien2. Sie hätten
daher aufgrund dieses Amtes zwar besondere Rechte, aber auch besondere
Pflichten. Zuvor hatten die versammelten Bischöfe bereits festgehalten, dass ihr
Stand nicht frei von Sündern sei, ja es einigen Bischöfen sogar gefalle, ungestraft
zu sündigen3. Doch auch die Sünden von Bischöfen dürften nicht ohne Konse-
quenzen bleiben.
Die Aufzeichnungen über die Versammlung von St. Basie hat Gerbert von
Reims, einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit, angefertigt. Diese Akten
mussten ihren Zweck in der Absicht Gerberts erfüllen, nämlich die Leser oder
Zuhörer des Berichts davon überzeugen, dass die Versammlung in St. Basie
angemessen in der Sache gegen Arnulf vorgegangen ist. Zwei Aspekte sind
Gerbert besonders wichtig, die er auch mit kirchenrechtliche Zitaten unter-
mauert: einmal der Verweis auf die besondere Stellung der Bischöfe als dieje-
nigen, deren Amt von Christus eingerichtet worden sei und die für das Seelenheil
aller zuständig seien. Dieser Kanon stammt von einem Konzil, das 633 im
westgotischen Toledo abgehalten wurde4. Die bischöfliche Selbstanklage mit der
Feststellung, dass auch Bischöfe sündigen, ist angelehnt an eine Formulierung
der fränkischen Bischofsversammlung in Chalon von 8135. Doch sorgten sich
Bischöfe generell darum, dass die Person des Amtsinhabers nicht immer die
1 Edition der Akten von St. Basie in MGH Cone. VI,2, S. 380-469.
2 MGH Cone. VI,2, c. 3, S. 396, 23; Zitat aus Toledo IV (633), c. 31 aus der pseudo-isidorischen
Fassung.
3 Ebd. c. 2, S. 396,14. Zitat aus Chalon 813, c. 36.
4 S. oben Anm. 2.
5 S. oben Anm. 3.
1. Problemaufriss und Forschungsfeld
Im Juni des Jahres 991 versammelten sich im Kloster von St. Basie in der Reimser
Diözese Bischöfe und Äbte aus dem westfränkischen Reich und ihr König Hugo
Capet. Sie verhandelten die Anklage gegen Erzbischof Arnulf von Reims. Die-
sem wurde vorgeworfen, seinen König verraten zu haben, indem er mit Karl von
Niederlothringen, dem letzten Karolinger und Rivalen Hugo Capets um den
westfränkischen Thron, paktierte. Die Verhandlung fand als formales Gerichts-
verfahren vor einer Synode statt, an dessen Ende die Absetzung Arnulfs stand.
Arnulf hatte zuvor seine Sünden gebeichtet und sich selbst des Bischofsamtes für
unwürdig erklärt1. Den Vorsitz in dem Verfahren hatte Erzbischof Seguin von
Sens inne. Mit einer programmatischen Rede zur Eröffnung brachte er das
grundlegende Problem bei Normverstößen von Bischöfen auf den Punkt: Auf
Bischöfen laste eine besondere Verantworung, da sie „von Christus für das mi-
nisterium salutis, den Dienst zum Heil aller, bestellt worden" seien2. Sie hätten
daher aufgrund dieses Amtes zwar besondere Rechte, aber auch besondere
Pflichten. Zuvor hatten die versammelten Bischöfe bereits festgehalten, dass ihr
Stand nicht frei von Sündern sei, ja es einigen Bischöfen sogar gefalle, ungestraft
zu sündigen3. Doch auch die Sünden von Bischöfen dürften nicht ohne Konse-
quenzen bleiben.
Die Aufzeichnungen über die Versammlung von St. Basie hat Gerbert von
Reims, einer der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit, angefertigt. Diese Akten
mussten ihren Zweck in der Absicht Gerberts erfüllen, nämlich die Leser oder
Zuhörer des Berichts davon überzeugen, dass die Versammlung in St. Basie
angemessen in der Sache gegen Arnulf vorgegangen ist. Zwei Aspekte sind
Gerbert besonders wichtig, die er auch mit kirchenrechtliche Zitaten unter-
mauert: einmal der Verweis auf die besondere Stellung der Bischöfe als dieje-
nigen, deren Amt von Christus eingerichtet worden sei und die für das Seelenheil
aller zuständig seien. Dieser Kanon stammt von einem Konzil, das 633 im
westgotischen Toledo abgehalten wurde4. Die bischöfliche Selbstanklage mit der
Feststellung, dass auch Bischöfe sündigen, ist angelehnt an eine Formulierung
der fränkischen Bischofsversammlung in Chalon von 8135. Doch sorgten sich
Bischöfe generell darum, dass die Person des Amtsinhabers nicht immer die
1 Edition der Akten von St. Basie in MGH Cone. VI,2, S. 380-469.
2 MGH Cone. VI,2, c. 3, S. 396, 23; Zitat aus Toledo IV (633), c. 31 aus der pseudo-isidorischen
Fassung.
3 Ebd. c. 2, S. 396,14. Zitat aus Chalon 813, c. 36.
4 S. oben Anm. 2.
5 S. oben Anm. 3.