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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0161
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160 V. Bischofsabsetzung durch den Papst: Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier 863

was die Parteien schrieben, dies nachlesen könne, da sich die Schriften an ver-
schiedenen Orten Germaniens befänden653.
Der Autor der Fuldaer Annalen nimmt hier nicht offen Stellung. Sein Hin-
weis darauf, dass sich jeder, der sich ein Urteil bilden will, die Schriften ansehen
könne, ist ein deutlicher Hinweis auf die zunehmende Komplexität und Un-
übersichtlichkeit des Verfahrens. Die Absetzung Gunthars und Thietgauds sah
er in Zusammenhang mit der Wiederheirat Lothars II. Dieser habe auf Anraten
der Bischöfe gehandelt. Dass die Bischöfe die treibende Kraft hinter der Wie-
derheirat waren, musste sowohl dem Autor der Fuldaer Annalen als auch seinem
Publikum als glaubhaft erschienen sein. Der Annalist belässt es nicht nur bei dem
Hinweis auf die Schriften der Bischöfe und des Papstes, die in Germanien kur-
sierten, sondern inseriert ebenso wie Hinkmar von Reims654 eine Fassung der
Verteidigungsschrift Gunthars und Thietgauds in sein Werk655. Auch im Ost-
frankenreich war die Haltung gegenüber den abgesetzten Bischöfen noch Jahre
nach dem päpstlichen Urteil nicht eindeutig, so dass sich Nikolaus I. noch 868
genötigt sah, zu versichern, dass mit einer Restitution nicht gerechnet werden
könne656.
Hinkmar von Reims hingegen in seinen Annales Bertiniani gibt eine ein-
deutige negative Wertung: Sie hätten sich ihres hohen Amtes als unwürdig er-
wiesen, als sie ihren König in seinem Scheidungswunsch und der Wiederheirat
unterstützen657.
Die Annalen von Xanten bieten die ausführlichste Darstellung zur Abset-
zung und Exkommunikation Gunthars und Thietgaud. Dies lässt sich mit der
causa scribendi erklären. Der Text diente dem 871 erhobenen Wilibert zur
Rechtfertigung. Man muss daher Wilibert als Initiator ansehen und den Kölner
Klerus als anvisiertes Publikum658.
Im Jahresbericht zu 864 wird Gunthar als Neffe Hilduins eingeführt. Gun-
thar und Thietgaud haben laut Aussage des Annalisten den König Lothar II. in
seinem Ehebruch „ohne gerechten Grund in unchristlicher Weise zugestimmt"
(iniusta occasione contra religionem Christianitatis consenserunt). Ihre Beschlüsse
seien vom Papst wiederlegt worden.

653 Annales Fuldenses ad. a. 863.

654 S.o.

655 S.o.

656 868 schrieb Nikolaus I. einen Brief an Bischöfe Germaniens, einen über Absetzung der Bischöfe
Thietgaud und Gunthar, sie hätten sieben
Kapitalverbrechen begangen und könnten deshalb niemals in die alte Würde wiedereingesetzt
werden. (Nikolaus I., Briefe, Nr. 53 MGH Epp. 6, S. 340).

657 Lothar II. krönte seine concubina Waldrada und dabei waren ihm sogar Bischöfe behilflich: quod
nefas est dictu, quibusdam etiam regni sui episcopis consentientibus. (Annales Bertiniani, ed. Grat,
S. 94, s. auch Ebd. ad. a. 863, S. 99-103, ad. a. 864, S. 106).

658 Vgl. Patzold, Episcopus, S. 369 ff. Der Annalist ist eindeutig auf Seiten Wiliberts und verurteilt
auch die Erhebung Hilduins durch Karl den Kahlen (vgl. ebd., S. 371). Handfester Zweck der
Fortsetzung ist ohne Zweifel die Verteidigung der im Auftrag Ludwigs des Deutschen vollzo-
genen Erhebung Wiliberts zum Erzbischof (vgl. ebd., S. 372).
 
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