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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0200
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4. Der Bistumsstreit bei Flodoard: Synoden, Bischöfe und der Papst

199

digkeit der Bischöfe als Experten für die göttliche und politische Ordnung sowie
als Verwalter des spirituellen Rüstzeugs wie Buße und Exkommunikation, wird
zementiert:
Cap. I: Reclamatio regis Luduwici, qualiter Hugo Comes Illum regno suo privat.
Nullus deinceps regiam potestatem populario presumato seu aliquam perfidie
maculam sibi fallaciter exhibere. Decrevimus enim Toletani concilii iuditium exequendo
Hugonem regis Luduwici regni invasorem et raptorem excommunicationis gladio
feriendum, nisi forte tempore statuto ad sinodale concilum veniat et a tarn nefaria pro-
tervitate satisfaciendo resipiscat825.
Bei der Exkommunikation des robertinischen dux Hugo Magnus werden von
den in Ingelheim versammelten Bischöfen die gleichen Begriffe verwendet wie
für den Reimser Erzbischof Hugo von Vermandois: Invasor und Räuber. Die
Sprache, mit der dem Problem der Entfremdung der Herrschaft durch Hugo
Magnus begegnet wird, ist die gleiche, mit der die Usurpation des Erzstuhls
beschrieben wird. Die Bischöfe benutzen somit ein Begriffsinstrumentarium für
den geistlichen und den weltlichen Bereich. Sie präsentieren so eine typisch
bischöfliche holistische Weitsicht, die der karolingischen Konzeption von poli-
tischer Ordnung gleicht. Das begriffliche Instrumentarium, das im 9. Jahrhun-
dert entwickelt worden ist, kommt bei der Formulierung des Synodalberichts
zum Einsatz.
In Ingelheim wurden keine älteren Kanones wörtlich zitiert, dass aber Kano-
nessammlungen benutzt wurden, geht aus den Gesta und der dort verwendeten
pseudo-isidorischen Autoritätenfolge hervor. Eventuell konnten mehrere Ex-
emplare konsultiert worden sein. In Ingelheim wie auch in Hohenaltheim 916
saßen päpstliche Legaten den Versammlungen vor. Auf beiden wurden pseudo-
isidorische Dekretale zitiert. Dass die Legaten die Codices aus Italien mit-
brachten, ist wenig wahrscheinlich. Fuhrmann vermutet, dass ein pseudo-is-
idorisches Exemplar aus der gut ausgestatteten Mainzer Bibliothek stammen
konnte826. Aber obwohl keine karolingischen Kanones wörtliche zitiert werden,
klingen politische Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf das ministerium
episcopale und das ministerium regale deutlich an. Hugo wird als pervasor verurteilt
— der Schutz des Kirchenguts war eine Kernaufgabe des Bischofs nach dem
Pariser Modell Durch die Verschleuderung pervertiert er sein Hirtenamt. Als
Mittel, um die Ordnung wieder herzustellen (und als einzige Gelegenheit für
Hugo, sein Seelenheil zu retten) wird vor allem die Buße und die satisfactio
angesehen. Satisfactio und resipiscere bedeuten bei Exkommunikation immer
auch Anerkennung der verletzen Ordnung. Buße und Rekonziliation sind
ebenso wie die Ermahnung durch die Bischöfe nicht in erster Linie Rituale in
einer durch ungeschriebene Spielregeln festgelegten Konfliktlösung, sondern
Ausdruck des — auch auf Weihe beruhenden — bischöflichen Selbstverständnisses

825 MGH Cone. VI, 1, S. 159, 24-160,3.

826 Fuhrmann, Einfluß I, S. 311f.
 
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