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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0209
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208

VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts

7. Zwischenfazit: Vergleich von Richer, Flodoard und
den Synodalakten
Weder Flodoard noch Richer verwenden in ihrer Darstellung des Bistumsstreits
karolingische Denkmuster, um die Vorgänge zu erklären. Keiner der beiden
führt explizit karolingische Vorbilder für die Durchführung des Verfahrens an.
Es finden sich bei Flodoard weder in den Annalen noch in der Historia aus den
karolingischen Absetzungsprozessen bekannte Rituale und Inszenierungen, mit
denen zentrale Werte und Vorstellungen demonstriert werden sollten: Keine
geheimen Beichten von Vergehen, keine freiwillige Erklärung des Rücktritts
(samt schriftlicher Ausfertigung und öffentlich geleisteter Unterschrift), es
werden keine Gehorsamserklärungen oder Treueide geleistet und ausgefertigt.
Es gibt keine Diskussionen um Zuständigkeiten. Das heißt, Flodoard schrieb
zwar die Texte ab, die rund um den Absetzungsfall Ebos von Reims produziert
worden sind, nutzte sie jedoch nicht, um die Vorgänge rund um den Reimser
Bistumsstreit zu erklären — oder er sah keine Parallelen zu dem Fall, obwohl es
grundsätzlich auch bei dem Reimser Bistumsstreit um die Frage der Rechtmä-
ßigkeit einer Absetzung und um die Weihen, die ein später abgesetzter Bischof
gespendet hatte, ging. Jedoch ist auch bei Flodoard klar, dass ein Absetzungs-
verfahren im Falle eines Schismas auf einer Synode beraten werden muss und
Kanones hierfür heranzuziehen sind.
Bei Flodoard sind Unterschiede zwischen den einzelnen Werken zu beob-
achten. Nur im Libellus Artoldi gibt es einen erkennbaren Rückgriff auf das
Pariser Modell Mit dem Libellus inseriert er jedoch ein Schriftstück, das für die
Verlesung auf einer Synode angefertigt worden war und daher eine bestimmte
Funktion erfüllen musste, nämlich die rechtlich relevanten Normen und
Normverstöße präsentieren. Da er höchstwahrscheinlich an der Redaktion des
Libellus beteiligt war, kann man davon ausgehen, dass ihm die hier evozierten
karolingischen Ordnungsvorstellungen über die bischöflichen Zuständigkeiten
zum Schutz des Kirchenguts, zur Aufrechterhaltung von Gottes Ordnung und
zur Binde- und Lösegewalt geläufig waren. Wichtigste Vermittlungswege waren
kirchenrechtliche Quellen. Über Hinkmars Collectio de raptoribus, den Hinkmar
rezipierenden Regino von Prüm und die Synode von Trosly ist nicht nur Pseudo-
Isidor vermittelt worden, sondern auch das spezifische begriffliche Instrumen-
tarium, mit dem ein guter und ein schlechter Bischof gekennzeichnet werden
kann. Dies übernimmt Flodoard. Insoweit transportiert er mit der Inserierung
des Libellus das Wissen vom Bischofsamt weiter, das hauptsächlich über kir-
chenrechtliche Quellen greifbar war.
Er benutzte dieses Wissen jedoch nicht in seiner eigenen Darstellung des
Falles in den historiographischen Werken. In den Werken präsentiert er zudem
noch eine uneinheitliche Haltung: Während er in den Annalen Hugo als un-
rechtmäßig bezeichnet, zeichnet er sich in der Historia durch eine vorsichtigere
Haltung aus und das, obwohl hier seine Darstellung unmittelbar neben der
tendenziösen Schilderung im Libellus Artoldi steht.
 
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