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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0211
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VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts

als dafür, dass erstens politische Konflikte mehrdimensional gelagert waren und
auf verschiedenen Ebenen einer Lösung bedurften und zweitens ein erneutes
Indiz dafür, wie sehr der Blick auf diese Konflikte durch die unterschiedlichen
Textgattungen mit ihrer unterschiedlichen Leser- und Hörerorientierung (bes.
auffällig bei Annalen und Synodaldokumenten) bestimmt wird.
Bei Richer spielt bischöfliches Handeln in der Darstellung des Falles insgesamt
eine größere Rolle, jedoch nicht bei der Absetzung oder bei der Klärung der
Rechtmäßigkeit des Amtsinhabers, sondern bei der Maßregelung der weltlichen
Beteiligten. Bischöfe fungieren als Mahner, sie nehmen im 10. Jahrhundert somit
eine gleichbedeutende Stellung wie die Vermittler in einem Konflikt ein. Sie
mahnen hier den Herzog Hugo Magnus. Somit passt Richer das Bischofsmodell
den neuen politischen Gegebenheiten an. In seiner Vorstellung üben jedoch die
Bischöfe die Aufgabe aus, die sie sich selbst seit dem 9. Jahrhundert zuge-
schrieben haben. Die Darstellung der Bischöfe als Mahner hat er nicht aus seiner
Vorlage von Flodoard übernommen, sondern selbst hinzugefügt. Mögliche
Vermittlungswege könnten das Reimser Archiv oder die Reimser Schule unter
Leitung Gerberts sein.
Die Aussagen Richers zu Vermittlungen und Lösungen von Konflikten sind
stark vom in der Karolingerzeit entwickelten Bischofsmodell geprägt, unge-
achtet der Tatsache, dass er in seiner politischen Wahrnehmung nicht mehr in
den Kategorien des alten Frankenreiches dachte860. Dagegen findet man bei
Flodoard keine bewusste narrative Verwendung von Elementen des sogenann-
ten Pariser Modells, obwohl er es sehr wohl kannte. Entscheidend ist zwar vor
allem im Libellus Artoldi der Weihediskurs, bei Flodoard in der Historia Re-
mensis Ecclesiae und den Annalen ist diese Argumentation jedoch schwächer.
Die Bezugsgröße für das Bischof-Sein ist neben dem ministerium die räumliche
Größe des episcopium, in dem der Bischof seine potestas ausübt — ein Hinweis auf
die starke territorialpolitische Bedeutung des Bischofsamts. Ausschlaggebend
scheint für die Mitte des 10. Jahrhunderts mit Flodoard einerseits zwar ein fak-
tischer politischer Wandel zwischen dem 9. und dem 10. Jahrhundert zu sein. Die
Unterschiede in der Darstellungsweise in den Annalen, der Historia Remensis
Ecclesiae und dem Libellus Artoldi dürften jedoch stärker den jeweiligen
Funktionen und der inneren Logik der verschiedenen Textgattungen geschuldet
zu sein.

860 Schneidmüller, Nomen Patriae, S. 45-47.
 
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