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VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
Auch dieser Eid findet sich ebenso wie die Absetzungserklärung in den
Akten inseriert941. Arnulf versprach den Königen Hugo Capet und Robert, ihnen
consilium et auxilium nach bestem Wissen und Vermögen zu leisten und ihre
Feinde weder mit Rat noch mit Tat bei deren Untreue wissentlich zu unterstüt-
zen942. Der komplette Eid wurde auf der Synode in St. Basie vorgelesen:
„Ich Arnulf, von Gottes Gnaden Erzbischof von Reims, verspreche den Kö-
nigen der Franken, Hugo und Robert, mit reinster Treue zu dienen, ihnen Rat
und Hilfe nach bestem Wissen und Können in allen Angelegenheiten zu leisten,
ihre Feinde weder mit Rat noch mit Hilfe bei ihrer Untreue zu unterstützen. Dies
verspreche ich im Angesicht der göttlichen Majestät und mit Hilfe des Heiligen
Geistes und aller Heiliger der ganzen Kirche, damit ich das ewige Heil erlangen
werde. Wenn aber, was ich nicht will und was fern sei, ich von diesem Ver-
sprochenen abweichen werde, soll alle meine Segnung sich in Verfluchung
verwandeln, und meine Tage seien gezählt und meinen Episkopat soll ein an-
derer erhalten. Meine Freunde mögen sich von mir zurückziehen und ewige
Feinde sein. Ich unterschreibe diesen von mir selbst aufgesetzten Chirograph
zum Zeugnis meiner Segnungen oder Verfluchungen und bitte meine Brüder
und Söhne, dass sie ihn unterschreiben. Ich Arnulf, Erzbischof, habe unter-
schrieben943". In den Eid ist auch die Selbstverfluchung eingefügt und zwar dem
Fluchpsalm 108,8 entlehnt, der sich ebenfalls im Remigiustestament in der Fas-
sung Flodoards findet: „Sollte ich aber, was ich nicht will und was fern sei — von
diesem abweichen, wende sich alle meine Segnung in Verfluchung und meine
Tage seien wenige und mein (Bischofs)amt erhalte ein anderer"944.
941 MGH Cone. VI,2, c. 8, S. 399.
942 Ganshof, Lehnswesen, S. 90ff. hat diese Formulierung noch lehnsrechtlich interpretiert. Doch
lässt allein die Verwendung von consilium et auxilium nicht zwangsläufig auf lehnsrechtliche
Bindungen zwischen Arnulf und Hugo schließen. Auch im 9. Jahrhundert konstituierte der Eid
die Bindung zwischen König und Getreuen, war er die Basis für vielfältige soziale Bindungen
(Nelson, Kingship and royal governement). Aus dem 9. Jahrhundert gibt es Vorbilder für diese
Formulierung in Reimser Bischofseiden. Auch sie wurden von Heinrich Mitteis und Hans Hu-
bert Anton noch im Sinne eines Lehns-Systems interpretiert. Diese Interpretation ist jedoch vor
dem Hintergrund der neusten Forschungen zum „Lehnswesen" im Frühmittelalter (vgl. die
Relativierungen von S. Reynolds, Fiefs und B. Kasten, Lehnswesen) nicht mehr länger haltbar. S.
dazu auch das Kapitel „Der König und seine Bischöfe" zu Wenilo von Sens.
943 MGH Cone. VI,2, c. 8, S. 399. Auch Richer gibt ihn im Wortlaut wieder.
944 Vgl. zu diesem Fluchpsalm Schreiner, Tot- und Mordbeten. Zur Verwendung des Psalms im
Prozess gegen Arnulf Huth, Erzbischof Arnulf, S. 109 ff. Da sich der Fluchpsalm in leichter
Abwandlung im interpolierten Remigiustestament in Flodoards Kirchengeschichte findet, geht
Huth davon aus, dass der Fluchpsalm ein Nachklang der Absetzung Arnulfs und der Über-
nahme der Königsherrschaft durch die Kapetinger sei. Das Testament selbst hält er für einen
späteren Einschub in Flodoards Kirchengeschichte. Er folgt damit prinzipiell Aline Poensgen,
(Poensgen, Geschichtskonstruktionen) die das längere Remigiustestament als Einschub in Folge
von 987 deutet, da es ihrer Meinung nach bei der diskutierten Stelle um die Absetzung eines
ganzen Königsgeschlechts geht. Bruno Krusch hielt das längere Remigiusstestament noch für
eine Fälschung aus der Mitte des 11. Jahrhunderts (Krusch, Reimser Remigiusfälschungen).
Martina Hartmann hingegen zählt das Remigiustestament zum ursprünglichen Bestand von
Flodoards Kirchengeschichte (MGH SS 36, S. 10 f. Einleitung zu ihrer Edition). Ich folge Martina
Hartmann in ihrer Einschätzung. O. Schneider hält eine Fälschung des Remigiustestaments durch
VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims
Auch dieser Eid findet sich ebenso wie die Absetzungserklärung in den
Akten inseriert941. Arnulf versprach den Königen Hugo Capet und Robert, ihnen
consilium et auxilium nach bestem Wissen und Vermögen zu leisten und ihre
Feinde weder mit Rat noch mit Tat bei deren Untreue wissentlich zu unterstüt-
zen942. Der komplette Eid wurde auf der Synode in St. Basie vorgelesen:
„Ich Arnulf, von Gottes Gnaden Erzbischof von Reims, verspreche den Kö-
nigen der Franken, Hugo und Robert, mit reinster Treue zu dienen, ihnen Rat
und Hilfe nach bestem Wissen und Können in allen Angelegenheiten zu leisten,
ihre Feinde weder mit Rat noch mit Hilfe bei ihrer Untreue zu unterstützen. Dies
verspreche ich im Angesicht der göttlichen Majestät und mit Hilfe des Heiligen
Geistes und aller Heiliger der ganzen Kirche, damit ich das ewige Heil erlangen
werde. Wenn aber, was ich nicht will und was fern sei, ich von diesem Ver-
sprochenen abweichen werde, soll alle meine Segnung sich in Verfluchung
verwandeln, und meine Tage seien gezählt und meinen Episkopat soll ein an-
derer erhalten. Meine Freunde mögen sich von mir zurückziehen und ewige
Feinde sein. Ich unterschreibe diesen von mir selbst aufgesetzten Chirograph
zum Zeugnis meiner Segnungen oder Verfluchungen und bitte meine Brüder
und Söhne, dass sie ihn unterschreiben. Ich Arnulf, Erzbischof, habe unter-
schrieben943". In den Eid ist auch die Selbstverfluchung eingefügt und zwar dem
Fluchpsalm 108,8 entlehnt, der sich ebenfalls im Remigiustestament in der Fas-
sung Flodoards findet: „Sollte ich aber, was ich nicht will und was fern sei — von
diesem abweichen, wende sich alle meine Segnung in Verfluchung und meine
Tage seien wenige und mein (Bischofs)amt erhalte ein anderer"944.
941 MGH Cone. VI,2, c. 8, S. 399.
942 Ganshof, Lehnswesen, S. 90ff. hat diese Formulierung noch lehnsrechtlich interpretiert. Doch
lässt allein die Verwendung von consilium et auxilium nicht zwangsläufig auf lehnsrechtliche
Bindungen zwischen Arnulf und Hugo schließen. Auch im 9. Jahrhundert konstituierte der Eid
die Bindung zwischen König und Getreuen, war er die Basis für vielfältige soziale Bindungen
(Nelson, Kingship and royal governement). Aus dem 9. Jahrhundert gibt es Vorbilder für diese
Formulierung in Reimser Bischofseiden. Auch sie wurden von Heinrich Mitteis und Hans Hu-
bert Anton noch im Sinne eines Lehns-Systems interpretiert. Diese Interpretation ist jedoch vor
dem Hintergrund der neusten Forschungen zum „Lehnswesen" im Frühmittelalter (vgl. die
Relativierungen von S. Reynolds, Fiefs und B. Kasten, Lehnswesen) nicht mehr länger haltbar. S.
dazu auch das Kapitel „Der König und seine Bischöfe" zu Wenilo von Sens.
943 MGH Cone. VI,2, c. 8, S. 399. Auch Richer gibt ihn im Wortlaut wieder.
944 Vgl. zu diesem Fluchpsalm Schreiner, Tot- und Mordbeten. Zur Verwendung des Psalms im
Prozess gegen Arnulf Huth, Erzbischof Arnulf, S. 109 ff. Da sich der Fluchpsalm in leichter
Abwandlung im interpolierten Remigiustestament in Flodoards Kirchengeschichte findet, geht
Huth davon aus, dass der Fluchpsalm ein Nachklang der Absetzung Arnulfs und der Über-
nahme der Königsherrschaft durch die Kapetinger sei. Das Testament selbst hält er für einen
späteren Einschub in Flodoards Kirchengeschichte. Er folgt damit prinzipiell Aline Poensgen,
(Poensgen, Geschichtskonstruktionen) die das längere Remigiustestament als Einschub in Folge
von 987 deutet, da es ihrer Meinung nach bei der diskutierten Stelle um die Absetzung eines
ganzen Königsgeschlechts geht. Bruno Krusch hielt das längere Remigiusstestament noch für
eine Fälschung aus der Mitte des 11. Jahrhunderts (Krusch, Reimser Remigiusfälschungen).
Martina Hartmann hingegen zählt das Remigiustestament zum ursprünglichen Bestand von
Flodoards Kirchengeschichte (MGH SS 36, S. 10 f. Einleitung zu ihrer Edition). Ich folge Martina
Hartmann in ihrer Einschätzung. O. Schneider hält eine Fälschung des Remigiustestaments durch