4. Besonderheiten der Synode: Die Suche nach dem richtigen Verfahren für eine Absetzung 227
Arnulf schwört den Königen Hugo und Robert II. persönliche Treue und con-
silium et auxilium945. Das Schriftstück wird als Beweis für Arnulfs Untreue und
mehr noch als Beweis dafür, dass er im vollen Bewusstsein etwas Falsches zu tun,
gehandelt hat, verwendet.
Größte Bedeutung für Gerbert und für die Versammlung hat die Parallele
von Treue gegenüber dem König und Treue gegenüber Gott.
Da Arnulf wie schon andere vor ihm Majestätsverbrechen begangen habe
und der Vorladung der Bischöfe nicht gefolgt sei, muss er sich der potestas iu-
dicaria unterwerfen, wie Gerbert an historischen Exempla zu beweisen
sucht946.Die kontroversen Diskussionen um die Vorladungen (die Verteidiger
beriefen sich auf pseudo-isidorisches Prozessrecht) zeigen, dass das Ladever-
fahren nicht automatisiert war. Es war ein fluides System, in dem beide Seiten
komplett unterschiedliche Auffassung über einzelne Verfahrenselemente ver-
treten konnten.
Die Diskussion über den Verrat bindet Gerbert ein in den Diskurs über den
Missbrauch der bischöflichen Amtsgewalt. Er lässt Bischof Odo von Senlis das
Anathem, das Arnulf über die Plünderer von Reims ausgesprochen hat, verlesen.
Arnulf präsentiert sich in diesem Schreiben als Bischof in karolingischer Manier:
Der Bischof ist der Beschützer der Armen, der Witwen und Waisen. Die Plün-
derer stehlen das Gut der Armen. Er spricht eine Exkommunikation über Per-
vasores rerum ecclesiasticarum gemäß den heiligen Kanones aus. Arnulf exkom-
muniziert aufgrund der auctoritas und der potestas apostolicas, die ihm als Bischof
übertragen worden ist. Exkommuniziert werden Urheber, Ausführer, Unter-
stützer und Befürworter der Plünderung947. In der Rede Walters von Autun wird
dann Arnulf selbst als necator pauperum und Ernährer der Räuber bezeichnet —
Hinkmar von Reims für wahrscheinlich (S. 41). Hauptargumente gegen Huth sind die vielfältige
Verwendung von Flodoards Kirchengeschichte und Reimser Archivmaterial im Prozess gegen
Arnulf (was Huth so nicht erkennt) sowie die Hinweise, die für eine Fälschung des Remigius-
testaments durch Hinkmar von Reims sprechen, der Fluchpsalm, der sich ursprünglich auf einen
König bezieht, der Kirchengut verschleudert, kann sehr gut von ihm dem Testament im
9. Jahrhundert beigefügt worden sein. Der Hauptbezugspunkt ist nämlich eindeutig der Schutz
des Reimser Kirchenguts, auch alle Nachfolger des Remigius sowie die fränkischen Könige
werden von Remigius darauf verpflichtet. Es geht nicht um Treue gegenüber einem Königsge-
schlecht oder in erster Linie um Absetzung eines Geschlechts. Die Restituierung und der Erhalt
des Reimser Kirchenguts war ein Hauptziel von Hinkmars politischem Wirken.
945 Vgl. zur Genese dieser Formulierung in der Reimser Tradition im 9. Jahrhundert grundlegend
Devisse, Essai und ausführlicher das Kapitel zu Wenilo von Sens. Der Begriff senior fällt in dem
vorliegenden Formular nicht. Allerdings sind aus den Akten einige Belege für die Verwendung
des Begriffs Ende des 10. Jahrhunderts belegt, um die Beziehung von Geistlichen zu ihrem
Diözesan zu beschreiben. Dieser Kontext legt nahe, dass damit eine eidliche Bindung gemeint ist,
die einerseits persönliche Loyalität, aber auch Disziplinargewalt des Bischofs begründete.
Gerbert nennt Adalbero von Reims seinen senior (Gerbert, Correspondance, Ep. 160), der Priester
Adalger hingegen Arnulf von Reims seinen senior und episcopus (MGH Cone. VI,2, c. 11, S. 401, 4).
946 An den Beispielen des Egidius und des Ebos von Reims s. dazu oben.
947 Vgl. Hinkmars Collectio de raptoribus, in der auch keine Unterscheidung zwischen Ausfüh-
renden und Zustimmenden gemacht wird, vgl. Hehl in MGH Cone. IV,2, S. 402 in Anm. 137.
Arnulf schwört den Königen Hugo und Robert II. persönliche Treue und con-
silium et auxilium945. Das Schriftstück wird als Beweis für Arnulfs Untreue und
mehr noch als Beweis dafür, dass er im vollen Bewusstsein etwas Falsches zu tun,
gehandelt hat, verwendet.
Größte Bedeutung für Gerbert und für die Versammlung hat die Parallele
von Treue gegenüber dem König und Treue gegenüber Gott.
Da Arnulf wie schon andere vor ihm Majestätsverbrechen begangen habe
und der Vorladung der Bischöfe nicht gefolgt sei, muss er sich der potestas iu-
dicaria unterwerfen, wie Gerbert an historischen Exempla zu beweisen
sucht946.Die kontroversen Diskussionen um die Vorladungen (die Verteidiger
beriefen sich auf pseudo-isidorisches Prozessrecht) zeigen, dass das Ladever-
fahren nicht automatisiert war. Es war ein fluides System, in dem beide Seiten
komplett unterschiedliche Auffassung über einzelne Verfahrenselemente ver-
treten konnten.
Die Diskussion über den Verrat bindet Gerbert ein in den Diskurs über den
Missbrauch der bischöflichen Amtsgewalt. Er lässt Bischof Odo von Senlis das
Anathem, das Arnulf über die Plünderer von Reims ausgesprochen hat, verlesen.
Arnulf präsentiert sich in diesem Schreiben als Bischof in karolingischer Manier:
Der Bischof ist der Beschützer der Armen, der Witwen und Waisen. Die Plün-
derer stehlen das Gut der Armen. Er spricht eine Exkommunikation über Per-
vasores rerum ecclesiasticarum gemäß den heiligen Kanones aus. Arnulf exkom-
muniziert aufgrund der auctoritas und der potestas apostolicas, die ihm als Bischof
übertragen worden ist. Exkommuniziert werden Urheber, Ausführer, Unter-
stützer und Befürworter der Plünderung947. In der Rede Walters von Autun wird
dann Arnulf selbst als necator pauperum und Ernährer der Räuber bezeichnet —
Hinkmar von Reims für wahrscheinlich (S. 41). Hauptargumente gegen Huth sind die vielfältige
Verwendung von Flodoards Kirchengeschichte und Reimser Archivmaterial im Prozess gegen
Arnulf (was Huth so nicht erkennt) sowie die Hinweise, die für eine Fälschung des Remigius-
testaments durch Hinkmar von Reims sprechen, der Fluchpsalm, der sich ursprünglich auf einen
König bezieht, der Kirchengut verschleudert, kann sehr gut von ihm dem Testament im
9. Jahrhundert beigefügt worden sein. Der Hauptbezugspunkt ist nämlich eindeutig der Schutz
des Reimser Kirchenguts, auch alle Nachfolger des Remigius sowie die fränkischen Könige
werden von Remigius darauf verpflichtet. Es geht nicht um Treue gegenüber einem Königsge-
schlecht oder in erster Linie um Absetzung eines Geschlechts. Die Restituierung und der Erhalt
des Reimser Kirchenguts war ein Hauptziel von Hinkmars politischem Wirken.
945 Vgl. zur Genese dieser Formulierung in der Reimser Tradition im 9. Jahrhundert grundlegend
Devisse, Essai und ausführlicher das Kapitel zu Wenilo von Sens. Der Begriff senior fällt in dem
vorliegenden Formular nicht. Allerdings sind aus den Akten einige Belege für die Verwendung
des Begriffs Ende des 10. Jahrhunderts belegt, um die Beziehung von Geistlichen zu ihrem
Diözesan zu beschreiben. Dieser Kontext legt nahe, dass damit eine eidliche Bindung gemeint ist,
die einerseits persönliche Loyalität, aber auch Disziplinargewalt des Bischofs begründete.
Gerbert nennt Adalbero von Reims seinen senior (Gerbert, Correspondance, Ep. 160), der Priester
Adalger hingegen Arnulf von Reims seinen senior und episcopus (MGH Cone. VI,2, c. 11, S. 401, 4).
946 An den Beispielen des Egidius und des Ebos von Reims s. dazu oben.
947 Vgl. Hinkmars Collectio de raptoribus, in der auch keine Unterscheidung zwischen Ausfüh-
renden und Zustimmenden gemacht wird, vgl. Hehl in MGH Cone. IV,2, S. 402 in Anm. 137.