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IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
werden1124. Der König hingegen behält auch bei Abbo seine Absetzungsvoll-
macht in Bezug auf Äbte1125. Doch was für Äbte und Äbtissinnen gilt, gilt in
Abbos Augen noch lange nicht für Bischöfe. Eine alleinige Zuständigkeit von
Provinzialsynoden (ohne päpstliche Bestätigung) bei Bischofsabsetzungen lehnt
Abbo ab und wendet sich damit klar gegen das alte Kirchenrecht, das noch
Gerbert 991 in Anlehnung an Hinkmar vertreten hatte. Nur eine päpstliche Be-
stätigung verleihe Konzilien und ihren Beschlüssen die nötige Legitimation.
So wird von Abbo nicht nur das Verhältnis zwischen Klöstern und Bischöfen
thematisiert, sondern auch Wissen über das Bischofsamt. Er beschäftigt sich auch
ausführlich mit Bischöfen und ihrem Recht am Kirchengut, das Kirchengut und
die Verfügungsgewalt darüber ist eines der zentralen Themen der Collectio
Canonum und Abbo stellt die bischöflichen Wissensbestände hier auf den Kopf,
die Bischöfe sind nicht mehr diejenigen, die den Schutz garantieren, sondern
diejenigen, vor denen die Güter geschützt werden müssen1126. Allein elf Kanones
beschäftigen sich mit den res ecclesiarum in vielfältigen Zusammenhängen: mit
den Kirchengütern, den Opfern, den Schenkungen, der Verteilung von Kirch-
engut an Verwandte der Gründer, mit Eigenkirchen oder mit Söhnen von
Priestern.
Auffällig ist in den Schriften Abbos, dass wir moralische Argumente zur Beur-
teilung einer Person — unabhängig von der Würde ihres Amtes -auch außerhalb
der Vitenliteratur finden. Viten und Historiographische Quellen bieten be-
kanntermaßen auch bei Bischöfen eine andere Beurteilungsgrundlage des Ver-
haltens als Rechtstexte1127. Bei Abbo finden wir nun die moralische Argumen-
tation in seinem Liber Apologeticus und in Briefen, z. B. im Brief Nr. 14. Zentrale
Basis seiner Argumentation ist die moralische Verantwortung der Mönche für
ihre Kirchen und für den dort tätigen Klerus.
Die spezifische Wissensproduktion Abbos zeichnet sich dadurch aus, dass
dem gesamten Mönchstand ein höherer moralischer Wert als den übrigen
Ständen (Könige, Bischöfe) zugebilligt wird. Er unterscheidet sich damit von
späteren Ansätzen in Fleury, die sich auf die Vorbildfunktion von Äbten kon-
zentrieren und dem jeweiligen Amtsinhaber eine bestimmte Würde erst durch
sein vorbildliches Verhalten zubilligen1128.
1124 Abbo, Collectio Canonum c. 17, Abbo Liber Apologeticus, PL 139, Sp. 469; Vgl. Gregor d. Große,
Registrum XIII 13, ed. Ewald/Hartmann, S. 380f.
1125 S.o.
1126 Vgl. hingegen noch den bischöflichen Standpunkt im 9. Jahrhundert. Genevieve Bührer-Thierry
hat herausgearbeitet, dass die Aufgabe des Schutzes des Kirchengutes im Laufe des 9. Jahr-
hunderts vom König zu den Bischöfen „gewandert" war. Vgl. dazu unten bei Anm. 1282.
1127 Haarländer, Vitae Episcoporum. Auch Patzold, S. 463-466 stellt fest, dass verschiedene Quellen
ein unterschiedlich akzentuiertes Bischofsbild bieten und sich die Perspektive der Gesta Epis-
coporum deutlich von klösterlicher Geschichtsschreibung unterscheidet. Vgl. auch ebd. S. 520
mit Hinweis darauf, dass die Art wie Bischöfe dargestellt werden, von den verschiedenen
Textgruppen abhängig ist.
1128 So wie Helgald von Fleury in seiner Vita des Abtes Gauzlin, s. dazu Kap. IX.2.2. Vgl. zu Helgald
Bautier, Introduction; Hamilton, New Model.
IX. Fremdsicht auf Bischöfe: Abbo von Fleury und sein Werk
werden1124. Der König hingegen behält auch bei Abbo seine Absetzungsvoll-
macht in Bezug auf Äbte1125. Doch was für Äbte und Äbtissinnen gilt, gilt in
Abbos Augen noch lange nicht für Bischöfe. Eine alleinige Zuständigkeit von
Provinzialsynoden (ohne päpstliche Bestätigung) bei Bischofsabsetzungen lehnt
Abbo ab und wendet sich damit klar gegen das alte Kirchenrecht, das noch
Gerbert 991 in Anlehnung an Hinkmar vertreten hatte. Nur eine päpstliche Be-
stätigung verleihe Konzilien und ihren Beschlüssen die nötige Legitimation.
So wird von Abbo nicht nur das Verhältnis zwischen Klöstern und Bischöfen
thematisiert, sondern auch Wissen über das Bischofsamt. Er beschäftigt sich auch
ausführlich mit Bischöfen und ihrem Recht am Kirchengut, das Kirchengut und
die Verfügungsgewalt darüber ist eines der zentralen Themen der Collectio
Canonum und Abbo stellt die bischöflichen Wissensbestände hier auf den Kopf,
die Bischöfe sind nicht mehr diejenigen, die den Schutz garantieren, sondern
diejenigen, vor denen die Güter geschützt werden müssen1126. Allein elf Kanones
beschäftigen sich mit den res ecclesiarum in vielfältigen Zusammenhängen: mit
den Kirchengütern, den Opfern, den Schenkungen, der Verteilung von Kirch-
engut an Verwandte der Gründer, mit Eigenkirchen oder mit Söhnen von
Priestern.
Auffällig ist in den Schriften Abbos, dass wir moralische Argumente zur Beur-
teilung einer Person — unabhängig von der Würde ihres Amtes -auch außerhalb
der Vitenliteratur finden. Viten und Historiographische Quellen bieten be-
kanntermaßen auch bei Bischöfen eine andere Beurteilungsgrundlage des Ver-
haltens als Rechtstexte1127. Bei Abbo finden wir nun die moralische Argumen-
tation in seinem Liber Apologeticus und in Briefen, z. B. im Brief Nr. 14. Zentrale
Basis seiner Argumentation ist die moralische Verantwortung der Mönche für
ihre Kirchen und für den dort tätigen Klerus.
Die spezifische Wissensproduktion Abbos zeichnet sich dadurch aus, dass
dem gesamten Mönchstand ein höherer moralischer Wert als den übrigen
Ständen (Könige, Bischöfe) zugebilligt wird. Er unterscheidet sich damit von
späteren Ansätzen in Fleury, die sich auf die Vorbildfunktion von Äbten kon-
zentrieren und dem jeweiligen Amtsinhaber eine bestimmte Würde erst durch
sein vorbildliches Verhalten zubilligen1128.
1124 Abbo, Collectio Canonum c. 17, Abbo Liber Apologeticus, PL 139, Sp. 469; Vgl. Gregor d. Große,
Registrum XIII 13, ed. Ewald/Hartmann, S. 380f.
1125 S.o.
1126 Vgl. hingegen noch den bischöflichen Standpunkt im 9. Jahrhundert. Genevieve Bührer-Thierry
hat herausgearbeitet, dass die Aufgabe des Schutzes des Kirchengutes im Laufe des 9. Jahr-
hunderts vom König zu den Bischöfen „gewandert" war. Vgl. dazu unten bei Anm. 1282.
1127 Haarländer, Vitae Episcoporum. Auch Patzold, S. 463-466 stellt fest, dass verschiedene Quellen
ein unterschiedlich akzentuiertes Bischofsbild bieten und sich die Perspektive der Gesta Epis-
coporum deutlich von klösterlicher Geschichtsschreibung unterscheidet. Vgl. auch ebd. S. 520
mit Hinweis darauf, dass die Art wie Bischöfe dargestellt werden, von den verschiedenen
Textgruppen abhängig ist.
1128 So wie Helgald von Fleury in seiner Vita des Abtes Gauzlin, s. dazu Kap. IX.2.2. Vgl. zu Helgald
Bautier, Introduction; Hamilton, New Model.