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X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
hören zur Sphäre der diesseitigen Welt, die Mönche stehen außerhalb1277. Aber
die Äbte haben eine wichtige Aufgabe, nämlich den König anzuleiten, den
Mönchsstand zu schützen.
Der König wird bereits in dem Pariser Modell seit 829 als Leiter der Chris-
tenheit verstanden und zwar im Zusammenwirken mit seinen Bischöfen. Spä-
testens mit der Entwicklung der westfränkischen Krönungsordines seit 869 und
der dort fest verankerten Salbung durch bischöfliche Hand wird der König durch
Vermittlung seiner Bischöfe in die sakrale Sphäre gehoben. Die Äbte leisten
nichts Vergleichbares.
Aber: Helgald und Andreas geht es mitnichten um die Gruppe der Äbte an
sich und ihren Platz in der politischen Ordnung. Es geht nicht um ein Amt. Sie
wollen vielmehr den jeweiligen ehrenwerten Vorsteher der Gemeinschaft von
Fleury als machtvollen Abt eines einflussreichen Klosters darstellen. Um andere
Gemeinschaften scheren sich die Autoren nicht, ebenso wenig um den Mönch-
stand an sich, dessen Status in der Gesellschaft Abbo noch thematisierte.
Selbstverständlich spielte auch bei exponierten Vertretern des Episkopats
des 9. Jahrhunderts wie Hinkmar von Reims Eigeninteresse eine große Rolle.
Wenn er von den Bischöfen als Aufseher über die Könige sprach und von ihren
schweren Pflichten, die mit vielen Rechten einhergingen, dann meinte er sich
selbst und seine konkreten politischen Einflussmöglichkeiten in Westfranken.
Jedoch werden in den hoch elaborierten und theoretisch sehr reflektierten Texten
stets die Bischöfe als politisch-gesellschaftliche Gruppe thematisiert — und deren
Ratgebertätigkeit, Aufsichtspflicht, Vermittlung von Sakralität, Vorrang gegen-
über dem Königsamt, Verantwortung für das Seelenheil der Könige.
Solche theoretischen Texte fehlen im monastischen Milieu im 10. und frühen
11. Jahrhundert in Westfranken fast völlig. Aber Abbo von Fleury ist hier zu
nennen und seine Collectio Canonum und sein Liber Apologeticum. In seiner
Collectio Canonum beruht seine Vorstellung vom Königsamt auf den Schriften
Jonas' von Orleans. Allerdings ging es ihm, wie im vorhergehenden Kapitel
dargestellt, weniger um eine Zusammenarbeit zwischen König und Mönchen/
Äbten zum Heil der Christenheit, sondern vielmehr um die Unabhängigkeit des
monastischen Daseins und Lebens an sich. Zum Ratgeber der Könige wurde er
selbst erst durch Helgald von Fleury stilisiert. In seiner Vita aus der Feder Aimos
spielt diese Tätigkeit noch keine Rolle. Hier steht ganz die machtvolle Abts-
herrschaft und die Bestrebungen um Unabhängigkeit vom Diözesan im Mittel-
punkt.
Im Gegensatz zum Episkopat in seinen programmatischen Schriften, inter-
essierten sich die Vertreter des Mönchtums in ihren biographisch-hagiographi-
schen Texten überhaupt nicht für die Frage, wie der König zu seiner herausra-
genden sakralen Stellung kommt und wie diese Stellung vermittelt wird. Für sie
steht das demütig-büßende, fromme christusgleiche Handeln der Könige im
Mittelpunkt — und das Vertrauen, das sie ihren monastischen Ratgebern entge-
1277 Dies hat auch Foulon in seiner Studie über Kirche und Reform vor der großen gregorianischen
Reform betont (Eglise et reforme, S. 52 f. anlässlich der Argumentation im Kontext von St. Basle).
X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie
hören zur Sphäre der diesseitigen Welt, die Mönche stehen außerhalb1277. Aber
die Äbte haben eine wichtige Aufgabe, nämlich den König anzuleiten, den
Mönchsstand zu schützen.
Der König wird bereits in dem Pariser Modell seit 829 als Leiter der Chris-
tenheit verstanden und zwar im Zusammenwirken mit seinen Bischöfen. Spä-
testens mit der Entwicklung der westfränkischen Krönungsordines seit 869 und
der dort fest verankerten Salbung durch bischöfliche Hand wird der König durch
Vermittlung seiner Bischöfe in die sakrale Sphäre gehoben. Die Äbte leisten
nichts Vergleichbares.
Aber: Helgald und Andreas geht es mitnichten um die Gruppe der Äbte an
sich und ihren Platz in der politischen Ordnung. Es geht nicht um ein Amt. Sie
wollen vielmehr den jeweiligen ehrenwerten Vorsteher der Gemeinschaft von
Fleury als machtvollen Abt eines einflussreichen Klosters darstellen. Um andere
Gemeinschaften scheren sich die Autoren nicht, ebenso wenig um den Mönch-
stand an sich, dessen Status in der Gesellschaft Abbo noch thematisierte.
Selbstverständlich spielte auch bei exponierten Vertretern des Episkopats
des 9. Jahrhunderts wie Hinkmar von Reims Eigeninteresse eine große Rolle.
Wenn er von den Bischöfen als Aufseher über die Könige sprach und von ihren
schweren Pflichten, die mit vielen Rechten einhergingen, dann meinte er sich
selbst und seine konkreten politischen Einflussmöglichkeiten in Westfranken.
Jedoch werden in den hoch elaborierten und theoretisch sehr reflektierten Texten
stets die Bischöfe als politisch-gesellschaftliche Gruppe thematisiert — und deren
Ratgebertätigkeit, Aufsichtspflicht, Vermittlung von Sakralität, Vorrang gegen-
über dem Königsamt, Verantwortung für das Seelenheil der Könige.
Solche theoretischen Texte fehlen im monastischen Milieu im 10. und frühen
11. Jahrhundert in Westfranken fast völlig. Aber Abbo von Fleury ist hier zu
nennen und seine Collectio Canonum und sein Liber Apologeticum. In seiner
Collectio Canonum beruht seine Vorstellung vom Königsamt auf den Schriften
Jonas' von Orleans. Allerdings ging es ihm, wie im vorhergehenden Kapitel
dargestellt, weniger um eine Zusammenarbeit zwischen König und Mönchen/
Äbten zum Heil der Christenheit, sondern vielmehr um die Unabhängigkeit des
monastischen Daseins und Lebens an sich. Zum Ratgeber der Könige wurde er
selbst erst durch Helgald von Fleury stilisiert. In seiner Vita aus der Feder Aimos
spielt diese Tätigkeit noch keine Rolle. Hier steht ganz die machtvolle Abts-
herrschaft und die Bestrebungen um Unabhängigkeit vom Diözesan im Mittel-
punkt.
Im Gegensatz zum Episkopat in seinen programmatischen Schriften, inter-
essierten sich die Vertreter des Mönchtums in ihren biographisch-hagiographi-
schen Texten überhaupt nicht für die Frage, wie der König zu seiner herausra-
genden sakralen Stellung kommt und wie diese Stellung vermittelt wird. Für sie
steht das demütig-büßende, fromme christusgleiche Handeln der Könige im
Mittelpunkt — und das Vertrauen, das sie ihren monastischen Ratgebern entge-
1277 Dies hat auch Foulon in seiner Studie über Kirche und Reform vor der großen gregorianischen
Reform betont (Eglise et reforme, S. 52 f. anlässlich der Argumentation im Kontext von St. Basle).