Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0316
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4. Monastische Konstruktion eines bischöflichen Fehlverhaltens

315

Äbten den „Zugriff auf die Klöster bzw. ihre Güter aus politisch-militärischen
Gründen nicht verhinderten1331".
4. Monastische Konstruktion eines bischöflichen
Fehlverhaltens
4.1. Bischöfliche Heuchelei? Der Schutz des Klosterguts vor Bischöfen
Um 1000 war für Abbo von Fleury der Bischof nicht mehr der Schützer allen
Kirchenguts, sondern das Klostergut musste vor ihm beschützt werden. Das
Klostergut war nach Abbos Auffassung als Gut des Heiligen aus der Diözese
ausgegliedert, der Bischof hatte weder auf Grund der potestas als Diözesan noch
des ius possesionum Zugriffsrechte darauf. Ein Exemtionsprivileg bestätigte in
Abbos Augen nur diesen Status und konstituierte ihn nicht. Abbo lehnte eine
Unterscheidung zwischen Kirche und Altar und eine Bereicherung des Bischofs
an der klösterlichen ecclesia ab1332. Seine Schriften legen nahe, dass er generell
Bischöfe als Schädiger des Klosterguts darstellen wollte. Er fasste um 1000 die
bekannten Argumente, die einen schlechten Abt als Klosterleiter bisher kenn-
zeichneten, in einem seiner Briefe und im Liber Apologeticus zusammen, um den
ruinösen Zustand der Kirchen und Klöster zu verdeutlichen. Er bedient sich
dabei des bekannten und von Bischöfen entwickelten Kirchengutsdiskurses: das
Kirchengut als Gut der Armen, das vor dem begehrlichen Zugriff der Laien und
Kirchenräuber geschützt werden muss. Abbo greift sowohl Laien als auch Bi-
schöfe in sehr scharfer Form an: laikaler Kirchenbesitz verweltliche, was heilig
sei. Wenn Altäre in Laienhand gegeben werden, sind nicht mehr die Mönche
oder Kleriker, die bei Gott wegen der Sünden der Menschen intervenieren,
Nutznießer, sondern die Opfergaben der Kirche kämen eher den Pferden und
Hunden der Laien zu Gute als den Pilgern, Witwen, den Waisen oder dem
Wiederaufbau von Kirchen und zwar, und das ist das entscheidend Neue, auf
Beschluss der Bischöfe1333. Das Zitat über die Verschleuderung von Kirchengut
greift zunächst das Diktum des Bischofs Agobard von Lyon auf: Das Kirchengut,
das eigentlich bestimmt ist zur Unterstützung von Armen, Witwen und Wissen,
wird von Laien und Geistlichen für Hunde und Pferde, Schauspieler, Gastmähler
verschleudert, während die Armen von Hunger gequält werden1334. Doch
Agobards Amtsbrüder führten in den 840er Jahren die „Armen" gegen die Laien
ins Feld, die Kirchen- und Klostergut innehaben oder anstreben. Ihr eigener
Umgang mit dem Kirchengut wird von den Bischöfen nicht mehr thematisiert.
Wenn sie es von den Laien zurückfordern, dann nur für notleidende Diener

1331 Felten, Äbte, S. 142.

1332 Vgl. dazu Lemarignier, Monachisme et l'encadrement, S. 359 ff.

1333 Ep. Nr. 14, Sp. 440D-441 A. Vgl. oben Kapitel zu Abbo von Fleury.

1334 Epistolae Karolini Aevi III, MGH Epp 5, S. 178 c. 28 f.
 
Annotationen