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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0317
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XI. Die monastische Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens

Gottes1335. Abbo hingegen stellt es so dar, dass die Laien nicht aufgrund ihrer
eigenen Feindschaft gegenüber der Kirche, ihrer Habgier, ihrer Verachtung ge-
genüber den Armen das Kirchengut an sich reißen, sondern von den Bischöfen
dazu aufgestachelt und aufgefordert werden.
Abbos Schriften zeugen von seinen Bemühungen um Zurückdrängung des
bischöflichen Einflusses in Fleury. So übernimmt Abbo zwar das gewohnte Ar-
senal gegen Laienäbte aus der bischöflichen Rhetorik, aber weist auf dessen
größte Lücke hin: Die größten Kritiker der Laienäbte, die Bischöfe selbst, zeigen
gegenüber Klöstern eben das Verhalten, das sie so scharf verurteilen. Hier wird
nun pauschal bischöflicher Einfluss auf Klöster verurteilt, so wie Bischöfe pau-
schal laikales Verhalten verdammt hatten Die Quellen des 10. und 11. Jahrhun-
derts urteilen unter Eindruck einer gewandelten gesellschaftlichen Einstellung
gegenüber Klöstern teilweise vernichtend über im 9. Jahrhundert übliche Prak-
tiken.
4.2. Bischofskritik in den Miracula
4.2.1. Zu der Quellengattung und ihrem Erkenntniswert
Der hohe Quellenwert der Gattung der Miracula für Fragen der Vorstellungs-
geschichte ist in der Geschichtswissenschaft seit den 1980er Jahren betont wor-
den1336. Die mentalitätsgeschichtliche Forschung zu hagiographischen Texten hat
dabei von anthropologischen Zugängen profitiert, um die gesellschaftliche
Funktion von Wundererzählungen herauszuarbeiten1337. Aber die Erforschung
der hagiographischen Quellen diente bislang vor allem für die Merowinger-
sowie die Ottonen- und Salierzeit auch als Grundlage für die Erforschung des
Bischofsbilds1338, grundlegend ist die Arbeit von Stephanie Haarländer zu den
Lebensbeschreibungen von Bischöfen im regnum teutonicum im Zeitalter der
Ottonen und Salier. Wie Haarländer deutlich macht, sind die Mirakel als Fort-
führung der Lebensbeschreibung von Bischöfen zu verstehen, die den Kult för-
dern sollten — u. a. durch post mortem vollbrachte Wunder. Diese Mirakelsamm-
lungen sind oftmals im monastischen Kontext entstanden: in bischöflichen Ei-

1335 Zur Problematik vgl. Felten, Äbte, S. 299 f. (Paradebeispiel: Ver 844: Krise des Reiches, Ereignisse
der Zeit sind Zeichen für Zorn Gottes darüber, dass Laien Kirchengut zum Nießbrauch haben).

1336 Vgl. dazu grundlegend die Einleitung bei Haarländer, Vitae Episcoporum, hier S. 6 zur Vor-
stellungsgeschichte als methodischem Hintergrund für mentalitäts- und kulturgeschichtliche
Fragen, die an Visionen, Mirakeln und Translationsberichten erarbeitet worden sind. Vgl. auch
Rendtel, Mirakelberichte und die Anwendung des vorstellungsgeschichtlichen Ansatzes bei
Signori, Maria.

1337 Exemplarisch sei auf den Sammelband „Mirakel im Mittelalter" verwiesen, dessen Beiträge sich
hauptsächlich auf die Funktion Wundererzählungen sowie auf die Quellen-Typologie konzen-
trieren (Unterscheidung zwischen Translationsberichten, Viten und Mirakelbericht). Vgl. bes.
die Beiträge von Röckelein, Hagio-Geo-Graphien und Goetz, Wunderberichte.

1338 Vgl. aber Patzold, Episcopus, S. 520f. zu den methodischen Problemen bei der Analyse des
Bischofsbildes einer Zeit auf Basis nur einer Quellengattung.
 
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